L 12 AS 3652/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2860/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3652/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01. August 2011 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die 1982 geborene Antragstellerin, die erwerbsfähig ist und über kein Vermögen verfügt, lebt seit dem 10. Juni 2010 kostenfrei im Haus der Eltern ihres am 05. Februar 1985 geborenen Partners K ... Im Juni 2010 beantragte sie die Gewährung von Arbeitslosengeld II (ALG II). Sie legte eine Erklärung des K. mit folgendem Inhalt vor: "Hiermit bestätige ich, K., dass meine Lebensgefährtin im Hause meiner Eltern kostenlos wohnen darf". Die Antragstellerin führte in der Anlage VE (zur Überprüfung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt) aus, dass sie noch nicht lange genug ein Paar seien, um solch eine Verantwortung zu übernehmen. Die Agentur für Arbeit W. gewährte der Antragstellerin ab 17. Juni 2010 ALG II (Bescheid vom 28. Juli 2010 und 10. November 2010). In den Antragsformularen auf Weiterbewilligung von ALG II vom 21. Oktober 2010 und 28. April 2011 gab die Antragstellerin jeweils an, dass sich keine Änderungen in ihren Verhältnisses ergeben hätten.

Im Mai 2011 reichte die Antragstellerin die Anlage VE bei der Antragsgegnerin ein und teilte mit, dass sie mit einer sonst nicht verwandten Person länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Jedoch bestehe keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, weil sie kein gemeinsames Konto hätten, sich die Lebenshaltungskosten teilten und jeder über sein Einkommen selbst verfüge. Auf die jeweils getrennten Konten habe der andere keinen Zugriff. Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 25. Mai 2011 mit, dass wegen des Zusammenlebens mit K. seit 10. Juni 2010 von einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II auszugehen sei. Das Gesetz räume die Möglichkeit ein, das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft zu widerlegen. Das sei der Antragstellerin nicht gelungen. Das Einkommen und eventuelle Vermögen von K. sei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin forderte deshalb die Antragstellerin auf, bis zum 11. Juni 2011 Angaben zu Einkommen und Vermögen von K. zu machen. Sie wies auf Mitwirkungsobliegenheiten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB I sowie die Möglichkeit der Leistungsversagung nach § 66 SGB I hin. Am 06. Juli 2011 wandte sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an die Antragsgegnerin, die den Antrag am 06. Juli 2011 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) weiterleitete.

Zuvor hatte die Antragsgegnerin Leistungen ab 01. Juni 2011 nach § 66 SGB I ganz versagt (Bescheid vom 28. Juni 2011). Die fehlenden Unterlagen/Nachweise seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden. Dadurch sei die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe die Aufklärung des Sachverhalts wesentlich erschwert. Die Anspruchsvoraussetzungen könnten deshalb nicht geprüft werden. Grundlage für die Entscheidung seien §§ 60, 66 SGB I. Es seien keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar und vorgetragen, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin hätten berücksichtigt werden können.

Ausweislich eines Aktenvermerks der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2011 habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Partner K. in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis stehe, jedoch schon länger arbeitsunfähig sei und das Krankengeld voraussichtlich im August 2011 ende.

Die Antragstellerin hat vor dem SG vorgebracht, dass sie beide separate Konten führen würden, auf die der jeweils andere keinerlei Zugriff habe, Einkäufe getrennt gezahlt würden und jeder für seine Unkosten selbst aufkommen müsse. Es bestehe nachweislich keine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und K., da keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II vorliege, da sie beide weiterhin keine Wirtschaftsgemeinschaft bildeten und sich weigerten, den jeweils anderen wirtschaftlich zu unterstützen. Durch die Einstellung ihrer Leistungen und dem damit verbundenen Verlust der Krankenversicherung bestehe eine akute Gefahr für Gesundheit und Leben. Zudem könne sie sich nicht ernähren.

Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Versagungsbescheid vom 28. Juni 2011 hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

Das SG hat durch Beschluss vom 01. August 2011 die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin vom 06. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 328,- EUR monatlich zu gewähren, und im übrigen den Antrag abgewiesen. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Versagungsbescheid vom 29. Juni 2011 habe nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die Ausnahmevorschriften nach §§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG, 39 Nr. 1 SGB II griffen vorliegend nicht ein. Soweit die Antragstellerin sich nicht nur gegen den Versagungsbescheid wende, sondern darüber hinaus auch die Gewährung von Leistungen in Form von ALG II begehre, sei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zusätzlich eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift könne das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse das Gericht die Interessen des Antragstellers und die Belange der Öffentlichkeit nach pflichtgemäßen Ermessen gegeneinander abwägen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlange grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) seien glaubhaft zu machen. Dabei seien auch die auf Grundlage einer summarischen Prüfung der Rechts- und Sachlage zu beurteilenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stünden dabei nicht isoliert neben einander. Es bestehe vielmehr eine Wechselbeziehung der Gestalt, dass sich einerseits mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils die Anforderungen an den Anordnungsanspruch verringerten und sich andererseits die Anforderungen an den Anordnungsgrund verminderten, wenn eine Klage in der Hauptsache offensicht begründet wäre. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch bildeten insofern auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Ein Anordnungsanspruch liege vor. Zwar bestehe nach dem Umständen des Falls eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die Antragstellerin und K. eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bildeten. Nach dieser Vorschrift gehöre zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des Leistungsberechtigten eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt derart zusammenlebe, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein solcher wechselseitiger Wille werde nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II vermutet, wenn die Partner mehr als ein Jahr zusammen lebten. Allerdings bestehe im Falle des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft kein Leistungsausschluss für die leistungsbegehrende Person dem Grunde nach. Vielmehr seien Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, auch das Einkommen und Vermögen des Partners bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall gebe es aber zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt keine Hinweise in den Akten, dass K. über zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfüge. Die Antragsgegnerin habe in dieser Richtung noch keine Ermittlungsergebnisse. Von ihrer Möglichkeit, gemäß § 60 Abs. 4 SGB II durch Verwaltungsakt gegenüber K. einen Auskunftsanspruch durchzusetzen, habe sie bislang keinen Gebrauch gemacht. Dagegen könne sie von der Antragstellerin über ihre Mitwirkungspflichten nicht verlangen, Auskünfte über Einkünfte und Vermögen eines Dritten, hier K., zu geben und entsprechende Unterlagen vorzulegen, da insoweit die Grenzen der Mitwirkungspflicht der Antragstellerin überschritten seien. Der Antragsgegnerin stehe es frei, diese Ermittlungen nachzuholen. Die Antragstellerin selbst verfüge über kein eigenes Einkommen und Vermögen. Ebenso sei im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt, ob die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB III von der Antragstellerin widerlegt werden könne. Diese habe hierzu Angaben gemacht. Die Antragsgegner werden im weiteren Verlauf im Wege des pflichtgemäßen Ermessens zu prüfen haben, ob sie gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X K. und seine Eltern als Zeugen vernehmen. Liege keine Bedarfsgemeinschaft vor, bestehe nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen ein Anspruch auf Gewährung von 364,- EUR. Bestehe dagegen doch eine Bedarfsgemeinschaft, reduziere sich der Anspruch nach § 20 Abs. 4 SGB II auf die Gewährung von 328,- EUR. Bei der folgenden Abwägungsentscheidung halte es das Gericht unter Abwägung aller Gesichtspunkte für zumutbar, die Prüfung, ob tatsächlich das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft widerlegt sei, auf das Hauptsacheverfahren zu Lasten der Antragstellerin zu verschieben, da diese durch die Gewährung von 328,- EUR monatlich auch über Krankenversicherungsschutz verfüge und einen Grundbetrag an existenzsichernden Leistungen habe. Der Antrag sei insoweit abzuweisen gewesen, als die Antragstellerin Leistungen von weiteren 36,- EUR monatlich begehre. Die Verpflichtung sei für die Zeit ab 06. Juli 2011 zu gewähren gewesen, da zu diesem Zeitpunkt erst der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht eingegangen sei, und für die Zeit bis 31. Oktober 2011 zu begrenzen, da davon auszugehen sei, dass die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt hinreichend Zeit habe, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln.

Gegen den ihr am 02. August 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. August 2011 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie zugleich die Aussetzung der Vollstreckung des angefochtenen Beschlusses gem. § 199 Abs. 2 SGG beantragt. Der erforderliche Anordnungsanspruch im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG bestehe im Gegensatz zu den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht. Nach summarischer Prüfung stehe der Antragstellerin der zu sichernde Hauptsacheanspruch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu. Es bestehe nach den Umständen des Falles eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die Antragstellerin und ihr Partner K. künftig eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bildeten. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sei das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zwar befänden sich in den Verwaltungsakten keine Hinweise über Vermögen des K., jedoch habe das SG diese Tatsache falsch bewertet. Irrig gehe das SG davon aus, dass die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wäre, gegenüber K. einen Auskunftsanspruch gem. § 60 Abs. 4 SGB II durchzusetzen. Das LSG Baden-Württemberg habe in seinem Urteil vom 15. Februar 2008 (L 8 AS 3380/07) demgegenüber entschieden, dass - wenn die Mitwirkungspflichten nicht erfüllt werden - Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB I versagt werden könnten. Von der leistungsbegehrenden Person könnten bei Weigerung des Partners zumindest ungefähre Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen verlangt werden. Dabei müsse sich der Hilfebedürftige die mangelnde Mitwirkung des Partners zurechnen lassen. Weiterhin habe das LSG ausgeführt, dass ein Grundsicherungsträger nicht verpflichtet sei, auf Grundlage von § 60 Abs. 4 SGB II ein Auskunftsverlangen an den Partner des Hilfebedürftigen zu richten, wenn sowohl er als auch sein Partner das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft bestreiten, eine solche aber vorliege. Im vorliegenden Fall stehe die gesetzliche Vermutung, die bisher nicht ansatzweise widerlegt worden sei. Das bloße Bestreiten der Einstehensgemeinschaft genüge nicht, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Anderweitige Angaben habe die Antragstellerin nicht gemacht. Im Übrigen habe die Antragstellerin vom 29. Juni bis zum 15. August 2011 einen 400,- EUR -Job ausgeübt und vom 13. bis zum 16. August 2011 eine Vollzeitbeschäftigung.

Der Senat hat die Antragstellerin aufgefordert, ihre Hilfebedürftigkeit sowie die diejenige von K. im einzelnen unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen.

Die Antragstellerin bestätigte, dass sie aus zwei Beschäftigungen verschiedene Einkünfte bezogen habe, und legte Lohn- und Gehaltsabrechnungen für Juli 2011 über 399,90 EUR (brutto/netto) und für August 2011 über 151,91 EUR brutto/120,19 EUR netto vor. Weiterhin legte sie eine Erklärung von K. vom 11. September 2011 vor, der u.a. ausführt, dass er sich weigere, die Antragstellerin wirtschaftlich zu unterstützen. Die Antragstellerin habe keine Einblicke in seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Er beziehe Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 870,- EUR und habe ein Vermögen von ca. 2.500,- EUR. Er habe der Antragstellerin auch einmal kurzzeitig einen Kredit gegeben, aber er werde nicht für sie aufkommen. Die Wohnung werde von seinen Eltern kostenfrei zur Verfügung gestellt. Würden seine Eltern Miete verlangen, müsste sich die Antragstellerin beteiligen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Die gem. §§ 172, 173 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht angelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Alg II für die Zeit vom 06. Juli bis zum 31. Oktober 2011 nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Anträge nach § 86 b Abs. 2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG).

Vorliegend ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG im Hinblick auf die von der Antragstellerin begehrte Einräumung einer noch nicht bestehenden Rechtsposition - nämlich Alg II - in Betracht kommt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbefehls voraus. Die Begründetheit des Antrages wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund. Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbefehls, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, den Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (vgl. beispielsweise LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 121/07 ER-B - und vom 17. April 2009 - L 7 AS 68/09 ER-B -). Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes vorhandenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

Vorliegend hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gem. § 7 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Streitig ist vorliegend allein, ob die Antragstellerin hilfebedürftig ist. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Wie sich im Beschwerdeverfahren ergab, erzielte die Antragstellerin im Juli 2011 zu berücksichtigendes Einkommen von 240,- EUR und im August 2011 9,81 EUR (vgl. § 11b SGB II zu den Absetzbeträgen), so dass insoweit keine Hilfebedürftigkeit vorlag. Aber auch darüber hinaus liegt keine Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin vor, weil sie mit K. eine Bedarfsgemeinschaft bildet mit der Folge, dass bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen des K. aus Arbeitslosengeld von monatlich ca. 870 EUR in diesem Zeitraum zu berücksichtigten ist (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II). Dieses Einkommen der Bedarfsgemeinschaft liegt deutlich über ihrem Bedarf, der sich aus dem ihnen zustehenden Regelbedarf von insgesamt 656,- EUR (§ 20 Abs. 4 SGB II) bestimmt.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7 Abs. 3 a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Diese Regelung knüpft an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft die Bindungen der Partner so eng sein müssen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (BVerfGE 87, 234). Nur wenn sich die Partner in der Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen, ist ihre Lage derjenigen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Da es sich dabei um subjektive Tatsachen handelt, berücksichtigte die Rechtsprechung grundsätzlich die Gesamtheit der feststellbaren (äußeren) Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zugelassen haben, und zog als Hinweistatsachen vor allem die Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, heran. Die zum 01. August 2006 eingeführte Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung, die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (vgl. bspw. Senatsurteil vom 25. Februar 2011 - L 12 AS 3395/08; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2010 - L 3 AS 4622/08 -). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3 a SGB II vor, sind diese also nachgewiesen, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Hilfebedürftigen um. Will dieser die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Für eine Widerlegung der Vermutung genügen unsubstantiierte Behauptungen der Partner nicht, insbesondere wenn sie widersprüchlich sind oder im Gegensatz zu früheren Angaben stehen (Senatsurteil vom 25. April 2008 - L 12 AS 4422/07 -). Auch ist bei der Prüfung der Voraussetzungen nicht ausschlaggebend, ob ein Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, tatsächlich vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 25. April 2008 - L 12 AS 4422/07-; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. August 2007 - L 7 AS 3645/07 ER-B -).

Vorliegend wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, nachdem die Antragstellerin seit 10. Juni 2010 und damit zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums länger als ein Jahr mit K. zusammenlebt. Unter Würdigung des Vorbringens der Beteiligten und der in den Verwaltungsakten dokumentierten Vorgänge können zur Überzeugung des Senats keine Umstände festgestellt werden, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Es spricht bisher nichts dafür, dass abweichend von der gesetzlichen Vermutung das Zusammenleben der Antragstellerin mit K. von über einem Jahr nur als reine Zweck- und Wohngemeinschaft angesehen werden kann. Eine Trennung der Wohnverhältnisse ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch eine strikte Trennung der finanziellen Verhältnisse, wie sie für eine bloße Wohngemeinschaft typisch ist, scheint nicht vorzuliegen. Zwar hat die Antragstellerin keine Verfügungsbefugnis über das Konto des K. und umgekehrt. Jedoch wohnt sie bei K. "mietfrei". Auch hat K. nach dessen Angabe der Antragstellerin "kurzfristig schon mal einen Kredit" gegeben und sie in einer wirtschaftlichen Notsituation unterstützt. Er hat sich - soweit ersichtlich - nicht wie ein Vermieter oder ein sonstiger Dritter verhalten und keine Konsequenzen gezogen, als sich die Antragstellerin an den Aufwendungen für gemeinsame Wohnung und für Lebensmittel nicht mehr beteiligen konnte. Demgegenüber sind die von der Antragstellerin und K. geäußerten subjektiven Vorstellungen, nicht in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einzustehen zu wollen, nicht maßgeblich. Entscheidend sind die äußeren Tatsachen, die nur einen Rückschluss auf das Bestehen einer Verantwortungsgemeinschaft zulassen. Die Antragstellerin vermochte es bisher nicht, Tatsachen schlüssig darzulegen und nachzuweisen, die geeignet sind, die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II zu widerlegen. Sie hat sich darauf beschränkt, pauschal ein gemeinschaftliches Wirtschaften abzustreiten, ohne ihr Zusammenleben mit K. nachvollziehbar zu beschreiben.

Der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des SG Karlsruhe vom 1. August 2011 durch einstweilige Anordnung gem. § 199 Abs. 2 S. 1 SGG geht ins Leere, nachdem der Senat über seine Beschwerde in der Sache entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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