L 8 SF 3602/11 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 3602/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag des Klägers im Verfahren ... gegen ... E. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger erhob am 07.01.2011 Klage vor dem Sozialgericht gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2010, mit dem die Anerkennung des geltend gemachten Ereignisses am 02.10.2010 als Arbeitsunfall abgelehnt worden war. Mit Beschluss vom 25.03.2011 wurde sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt, die hiergegen eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 21.04.2011 (L 6 U 1527/11 B) zurückgewiesen worden.

Mit Beschluss vom 14.01.2011 war auch ein Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht abgelehnt worden, da es an einem Anordnungsgrund und darüber hinaus auch an einem Anordnungsanspruch fehle. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 11.04.2011 (L 6 U 1152/11 B) wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen worden.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.08.2011 hat der Kläger den Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat mit Schreiben vom 31.08.2011 vorgetragen, es bestünden Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters, weil seine Äußerungen am Telefon und im Schriftverkehr dahingehend interpretiert werden könnten, dass er sich vor einer Beweisaufnahme bereits auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt habe. Auch seien die drei von ihm anhängig gemachten Klagen zur mündlichen Verhandlung am 08.08.2011 für 13:15 Uhr, 13:30 Uhr und 13:45 Uhr anberaumt worden, was zu beachten sei. Wegen seiner Arbeitsunfähigkeit könne er vor 23.09.2011 den Antrag nicht näher begründen.

II.

Der Ablehnungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdnr. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer Ladewig a.a.O. m.w.N.). Allein die unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; Bundesarbeitsgericht NZA 1993, 238; BFH NVwZ 1998, 663, 664). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Ein Verfahrensfehler des Gerichts vermag für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig aaO, Rdnr. 8g, 8j). Die Richterablehnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt und z.B. nur dazu dient, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten (Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 10c); denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG)) ohne oder sogar gegen den Willen des anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien vermag der Senat eine begründete Besorgnis der Befangenheit bei dem Kammervorsitzenden nicht zu erkennen.

Sowohl im Antragsverfahren wegen Prozesskostenhilfe als auch wegen einer einstweiligen Anordnung ist in Anwendung der maßgebenden gesetzlichen Regelungen die Erfolgsaussicht der Klage zu prüfen, weshalb hieraus keine Befangenheit des Richters abgeleitet werden kann. Eine Terminierung verschiedener Rechtsstreitigkeiten zwischen den gleichen Prozessbeteiligten hintereinander in kurzen Abständen ist vor Gericht eine weit verbreitete Praxis, da Zeitüberschreitungen oder -unterschreitungen in den einzelnen Verfahren kompensiert werden. Rückschlüsse auf eine nicht sorgfältige, unsachliche Verfahrensweise sind hieraus bei verständiger Sicht nicht zu ziehen.

Der Kläger hat innerhalb der ihm eingeräumten Äußerungsfrist bis 26.09.2011 weitere Befangenheitsgründe nicht vorgetragen und auch keine hinreichenden Hinderungsgründe für eine fristgerechte Äußerung dargelegt. Der kommentarlos vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.09.2011 wegen eines Wirbelsäulen-Leidens sind Hinderungsgründe nicht zu entnehmen.

Aus den beigezogenen Akten sind die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Umstände außerdem auch nicht ersichtlich.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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