Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3925/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4216/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Übernahme von Mietschulden ist nicht gerechtfertigt, wenn trotz Schuldenübernahme der Erhalt der Wohnung langfristig nicht gesichert werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Leistungsberechtigten in einer unangemessen teuren Unterkunft leben.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Darlehens wegen Mietschulden in Höhe von 7.421,70 EUR.
Die 1963 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre 1997 und 1998 geborenen Kinder (Antragsteller zu 2 und 3) beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner, wobei der Antragsteller zu 3 nur zeitweise in F. lebt. Die Antragstellerin zu 1 erzielt Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit als Altenpflegerin. Für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 bewilligte der Antragsgegner vorläufig Leistungen (Bescheid vom 19. April 2011), wobei er eine als angemessen angesehene Kaltmiete von 423,75 EUR zugrunde legte und insgesamt 552,60 EUR als Bedarf für Unterkunftskosten zugrunde legte. Mit Bescheid vom 19. September 2011 bewilligte der Antragsgegner weiter vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012.
Die Antragsteller bewohnen in Freiburg eine 3-Zimmer-Wohnung mit 75 qm zu einer Kaltmiete von 649,34 EUR, insgesamt sind monatlich 850 EUR an die Vermieterin zu zahlen. Im November 2010 wurde die Miete von den Antragstellern nur teilweise, ab Dezember 2010 gar nicht mehr gezahlt. Die Vermieterin bezifferte die Mietrückstände mit Schreiben vom 6. Juli 2011 auf 7.421,70 EUR und kündigte das Mietverhältnis fristlos. Die Antragsteller beantragten am 11. Juli 2011 beim Antragsgegner die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 7.421,70 EUR. Nachdem sie die fristlose Kündigung erhalten hätten, müssten sie aus ihrer Wohnung ausziehen, falls die Mietrückstände nicht beglichen würden. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Juli 2011 ab, da die derzeitigen Mietkosten den angemessenen Satz überstiegen. Es sei zu erwarten, dass erneut Mietrückstände entstünden. Eine unangemessene Unterkunft dauerhaft zu sichern sei nicht möglich.
Am 21. Juli 2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Für die Antragstellerin zu 1 als alleinerziehende Mutter mit Migrationshintergrund und im Insolvenzverfahren sei es trotz zweijähriger Wohnungssuche unmöglich gewesen, auf dem angespannten F. Wohnungsmarkt eine günstigere Wohnung zu finden. Aufgrund zusätzlicher finanzieller Belastungen sei es in den vergangenen Monaten nicht möglich gewesen, das Geld für die Miete aufzubringen. Das Argument, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien, trage nicht mehr, nachdem die Antragstellerin zu 1 ein Zimmer zum Preis von 250 EUR untervermietet habe. Zudem sei zu erwarten, dass die Antragstellerin zu 1 in den nächsten Monaten eine Vollzeitstelle als Altenpflegerin erhalten werde und dann nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein werde.
Mit Beschluss vom 10. August 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es gestützt auf § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeführt, dass es vorliegend schon an einem Anordnungsgrund und damit der Eilbedürftigkeit fehle. Es sei dem SG nicht erkennbar, ob inzwischen Räumungsklage erhoben worden sei. Selbst wenn dies der Fall sei, bliebe den Antragstellern nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Möglichkeit, spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs den Vermieter hinsichtlich der fälligen Miete zu entschädigen oder eine Verpflichtung durch eine öffentliche Stelle herbeizuführen. Derzeit sei weder ersichtlich, ob Räumungsklage erhoben sei, noch sei die Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB verstrichen. Eilbedürftigkeit sei damit nicht glaubhaft gemacht. Dies gelte umso mehr, als sich die finanzielle Situation der Antragsteller ihren Angaben zufolge deutlich verbessern werde.
Auf die der Antragstellerin zu 1 mit Schreiben des Amtsgerichts Freiburg (AG) vom 16. August 2011 zugestellte Räumungsklage erging am 7. September 2011 gegen die Antragstellerin zu 1 ein Versäumnisurteil, mit welchem sie u.a. zur Räumung der Wohnung und zur Zahlung rückständiger Miete nebst Zinsen verurteilt wurde (- 1 C 2427/11 -).
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 17. August 2011 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die am 19. September 2011 eingelegte Beschwerde der Antragsteller. Mittlerweile sei ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Antragstellerin zu 1 zur Räumung der Wohnung verpflichtet werde. Die Vermieterin habe Termin zur Zwangsräumung beantragt, der mit Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 29. September 2011 auf 8. November 2011 bestellt worden sei. Da die Frist zur Begleichung der Mietschulden und um die Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu Fall zu bringen, am 17. Oktober 2011 ablaufe, eile die Sache sehr.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass seit März 2011 in der Wohnung auch die über 25jährige Tochter der Antragstellerin zu 1 M. K. lebe. Diese habe, soweit ersichtlich, keinen eigenen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt, was dafür spreche, dass sie nicht hilfebedürftig nach dem SGB II sei und sich somit auch an den Unterkunftskosten beteiligen könne. Zudem sei offensichtlich am 18. Juli 2011 ein Herr T. in die Wohnung eingezogen. Derzeit lebten in der aus drei Zimmern bestehenden Wohnung anscheinend fünf Personen, so dass nicht davon auszugehen sei, dass aufgrund der Beengtheit der Verhältnisse die derzeitige Zusammensetzung der Bewohner bestehen bleibe. Wegen der deutlichen Überteuerung sei somit mittelfristig mit neuen Mietrückständen zu rechnen. Aufgrund der Gesamtumstände sei die Wohnung nicht als erhaltenswert zu betrachten. Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin zu 1 wegen der Erwerbstätigenfreibeträge deutlich mehr Geld zur Verfügung gehabt habe, als eine Person ohne Erwerbseinkommen, zudem sei ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung berücksichtigt worden. Gleichwohl seien nicht einmal Teilbeträge an die Vermieterin geflossen, obwohl sich die Antragstellerin zu 1 in der Wohlverhaltensphase des eingeleiteten Privatinsolvenzverfahrens befinde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, denn jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann zunächst dahin stehen, ob die Anforderungen an den Anordnungsgrund und damit die Eilbedürftigkeit tatsächlich so eng zu fassen sind, wie das SG angenommen hat unter Hinweis auf die noch nicht erhobene Räumungsklage (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - L 5 AS 1325/10 B ER - (juris): Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung noch nicht konkret angekündigt; kritisch dazu Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 185), denn inzwischen droht den Antragstellern nach Erlass des Versäumnisurteils konkret die Zwangsräumung. Eilbedürftigkeit ist damit offensichtlich gegeben.
Vorliegend ist indes ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 8 SGB II (i.d.F. ab 1. April 2011, BGBl. I S. 850) können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Hier droht zwar Wohnungslosigkeit, denn die Vermieterin hat bereits mit der Zwangsvollstreckung aus ihrem Räumungstitel begonnen, Termin zur Zwangsräumung ist nach Mitteilung der Antragsteller auf den 8. November 2011 angesetzt. Gleichwohl ist die Übernahme der Mietschulden hier jedoch nicht gerechtfertigt i.S.v. § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist zunächst maßgeblich, ob die begehrte Schuldenübernahme zur Sicherung der bisherigen Unterkunft überhaupt geeignet ist. Die Übernahme von Mietschulden hat den Zweck, die bisherige Wohnung zu erhalten. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn trotz Schuldenübernahme langfristig der Erhalt der Wohnung nicht gesichert werden kann. Keinesfalls darf die Transferleistung dazu dienen, den Leistungsempfänger lediglich von zivilrechtlichen Ansprüchen eines Vermieters freizustellen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - L 8 AS 4481/07 ER-B - (juris)). Da im konkreten Fall bereits ein Räumungstitel vorliegt, kann allein die Zahlung der Mietrückstände nicht zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB führen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vermieterin bereit wäre, trotz des rechtskräftigen Räumungstitels bei Mietschuldenübernahme einen neuen Mietvertrag abzuschließen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Februar 2010 - L 5 AS 2/10 B ER - (juris)). Zudem ist die Wohnung mit einer Kaltmiete von 649,34 EUR nicht kostenangemessen. Die Aufwendungen der Antragsteller für die Wohnung sind so hoch, dass sie nicht mehr als angemessen angesehen werden können, ohne dass im Einzelnen darauf eingegangen werden müsste, ob die vom Antragsgegner verwendete Mietobergrenze in F. tatsächlich herangezogen werden kann, insbesondere ob entsprechender Wohnraum zu diesen Konditionen tatsächlich verfügbar ist (hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R - (juris)). Eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 188 m.w.N.). Entgegen dem Vortrag der Antragsteller kann hier eine echte Kostensenkung durch Untervermietung nicht erkannt werden. Zwar haben die Antragsteller vorgetragen, dass ein Zimmer zu 250 EUR monatlich untervermietet worden sei. Aus den Akten des Antragsgegners ergibt sich insoweit lediglich, dass am 18. Juli 2011 Herr T., früherer Partner der Antragstellerin Ziff. 1 und Vater der Antragsteller zu 2 und 3, in die Wohnung eingezogen ist. Ob tatsächlich Miete gezahlt wurde, ist fraglich. Herr T. wollte nach Lage der Akten bei einer persönlichen Vorsprache beim Antragsgegner am 28. Juli 2011 Leistungen beantragen, da sein Krankengeld zwar zum Lebensunterhalt, nicht aber für seinen Mietanteil ausreiche. Im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Aufnahme in die Bedarfsgemeinschaft mit folgender Anrechnung des Krankengeldes gab Herr T. an, er wolle der Antragstellerin zu 1 durch seinen kurzfristigen Aufenthalt keine Unannehmlichkeiten bereiten und werde daher morgen wieder ausziehen. Ob er noch immer bei den Antragstellern wohnt, ist dem Senat nicht bekannt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine gesicherte und nicht nur kurzfristige Mietzahlung in Aussicht stehen würde, die tatsächlich die Unterkunftskosten senken würde. Schon aus diesem Grund kommt daher eine Übernahme der Mietschulden nicht in Betracht. Eine Ausnahme ist hier auch nicht vor dem Hintergrund zu machen, dass die Antragstellerin zu 1 - jedenfalls rechnerisch - zumindest einen Teil der die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Miete durch ihren Erwerbstätigenfreibetrag finanzieren könnte (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Februar 2009 - L 26 B 2388/08 AS ER - (juris)). Denn obwohl die Antragsteller laufend Leistungen für Kosten der Unterkunft erhalten haben, wurden nicht einmal diese an die Vermieterin weitergeleitet, geschweige denn, dass die Freibeträge zumindest teilweise hierfür eingesetzt worden wären. Ob aus diesem Grund hier darüber hinaus ein Fall vorliegt, bei dem wegen zweckwidriger Verwendung der Leistungen die Übernahme der Mietschulden ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. März 2011 - L 12 AS 622/11 ER-B - (juris)), kann angesichts der oben gemachten Ausführungen dahin stehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Darlehens wegen Mietschulden in Höhe von 7.421,70 EUR.
Die 1963 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre 1997 und 1998 geborenen Kinder (Antragsteller zu 2 und 3) beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner, wobei der Antragsteller zu 3 nur zeitweise in F. lebt. Die Antragstellerin zu 1 erzielt Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit als Altenpflegerin. Für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 bewilligte der Antragsgegner vorläufig Leistungen (Bescheid vom 19. April 2011), wobei er eine als angemessen angesehene Kaltmiete von 423,75 EUR zugrunde legte und insgesamt 552,60 EUR als Bedarf für Unterkunftskosten zugrunde legte. Mit Bescheid vom 19. September 2011 bewilligte der Antragsgegner weiter vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012.
Die Antragsteller bewohnen in Freiburg eine 3-Zimmer-Wohnung mit 75 qm zu einer Kaltmiete von 649,34 EUR, insgesamt sind monatlich 850 EUR an die Vermieterin zu zahlen. Im November 2010 wurde die Miete von den Antragstellern nur teilweise, ab Dezember 2010 gar nicht mehr gezahlt. Die Vermieterin bezifferte die Mietrückstände mit Schreiben vom 6. Juli 2011 auf 7.421,70 EUR und kündigte das Mietverhältnis fristlos. Die Antragsteller beantragten am 11. Juli 2011 beim Antragsgegner die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 7.421,70 EUR. Nachdem sie die fristlose Kündigung erhalten hätten, müssten sie aus ihrer Wohnung ausziehen, falls die Mietrückstände nicht beglichen würden. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Juli 2011 ab, da die derzeitigen Mietkosten den angemessenen Satz überstiegen. Es sei zu erwarten, dass erneut Mietrückstände entstünden. Eine unangemessene Unterkunft dauerhaft zu sichern sei nicht möglich.
Am 21. Juli 2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Für die Antragstellerin zu 1 als alleinerziehende Mutter mit Migrationshintergrund und im Insolvenzverfahren sei es trotz zweijähriger Wohnungssuche unmöglich gewesen, auf dem angespannten F. Wohnungsmarkt eine günstigere Wohnung zu finden. Aufgrund zusätzlicher finanzieller Belastungen sei es in den vergangenen Monaten nicht möglich gewesen, das Geld für die Miete aufzubringen. Das Argument, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien, trage nicht mehr, nachdem die Antragstellerin zu 1 ein Zimmer zum Preis von 250 EUR untervermietet habe. Zudem sei zu erwarten, dass die Antragstellerin zu 1 in den nächsten Monaten eine Vollzeitstelle als Altenpflegerin erhalten werde und dann nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein werde.
Mit Beschluss vom 10. August 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es gestützt auf § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeführt, dass es vorliegend schon an einem Anordnungsgrund und damit der Eilbedürftigkeit fehle. Es sei dem SG nicht erkennbar, ob inzwischen Räumungsklage erhoben worden sei. Selbst wenn dies der Fall sei, bliebe den Antragstellern nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Möglichkeit, spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs den Vermieter hinsichtlich der fälligen Miete zu entschädigen oder eine Verpflichtung durch eine öffentliche Stelle herbeizuführen. Derzeit sei weder ersichtlich, ob Räumungsklage erhoben sei, noch sei die Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB verstrichen. Eilbedürftigkeit sei damit nicht glaubhaft gemacht. Dies gelte umso mehr, als sich die finanzielle Situation der Antragsteller ihren Angaben zufolge deutlich verbessern werde.
Auf die der Antragstellerin zu 1 mit Schreiben des Amtsgerichts Freiburg (AG) vom 16. August 2011 zugestellte Räumungsklage erging am 7. September 2011 gegen die Antragstellerin zu 1 ein Versäumnisurteil, mit welchem sie u.a. zur Räumung der Wohnung und zur Zahlung rückständiger Miete nebst Zinsen verurteilt wurde (- 1 C 2427/11 -).
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 17. August 2011 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die am 19. September 2011 eingelegte Beschwerde der Antragsteller. Mittlerweile sei ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Antragstellerin zu 1 zur Räumung der Wohnung verpflichtet werde. Die Vermieterin habe Termin zur Zwangsräumung beantragt, der mit Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 29. September 2011 auf 8. November 2011 bestellt worden sei. Da die Frist zur Begleichung der Mietschulden und um die Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu Fall zu bringen, am 17. Oktober 2011 ablaufe, eile die Sache sehr.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass seit März 2011 in der Wohnung auch die über 25jährige Tochter der Antragstellerin zu 1 M. K. lebe. Diese habe, soweit ersichtlich, keinen eigenen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt, was dafür spreche, dass sie nicht hilfebedürftig nach dem SGB II sei und sich somit auch an den Unterkunftskosten beteiligen könne. Zudem sei offensichtlich am 18. Juli 2011 ein Herr T. in die Wohnung eingezogen. Derzeit lebten in der aus drei Zimmern bestehenden Wohnung anscheinend fünf Personen, so dass nicht davon auszugehen sei, dass aufgrund der Beengtheit der Verhältnisse die derzeitige Zusammensetzung der Bewohner bestehen bleibe. Wegen der deutlichen Überteuerung sei somit mittelfristig mit neuen Mietrückständen zu rechnen. Aufgrund der Gesamtumstände sei die Wohnung nicht als erhaltenswert zu betrachten. Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin zu 1 wegen der Erwerbstätigenfreibeträge deutlich mehr Geld zur Verfügung gehabt habe, als eine Person ohne Erwerbseinkommen, zudem sei ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung berücksichtigt worden. Gleichwohl seien nicht einmal Teilbeträge an die Vermieterin geflossen, obwohl sich die Antragstellerin zu 1 in der Wohlverhaltensphase des eingeleiteten Privatinsolvenzverfahrens befinde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, denn jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann zunächst dahin stehen, ob die Anforderungen an den Anordnungsgrund und damit die Eilbedürftigkeit tatsächlich so eng zu fassen sind, wie das SG angenommen hat unter Hinweis auf die noch nicht erhobene Räumungsklage (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - L 5 AS 1325/10 B ER - (juris): Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung noch nicht konkret angekündigt; kritisch dazu Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 185), denn inzwischen droht den Antragstellern nach Erlass des Versäumnisurteils konkret die Zwangsräumung. Eilbedürftigkeit ist damit offensichtlich gegeben.
Vorliegend ist indes ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 8 SGB II (i.d.F. ab 1. April 2011, BGBl. I S. 850) können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Hier droht zwar Wohnungslosigkeit, denn die Vermieterin hat bereits mit der Zwangsvollstreckung aus ihrem Räumungstitel begonnen, Termin zur Zwangsräumung ist nach Mitteilung der Antragsteller auf den 8. November 2011 angesetzt. Gleichwohl ist die Übernahme der Mietschulden hier jedoch nicht gerechtfertigt i.S.v. § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist zunächst maßgeblich, ob die begehrte Schuldenübernahme zur Sicherung der bisherigen Unterkunft überhaupt geeignet ist. Die Übernahme von Mietschulden hat den Zweck, die bisherige Wohnung zu erhalten. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn trotz Schuldenübernahme langfristig der Erhalt der Wohnung nicht gesichert werden kann. Keinesfalls darf die Transferleistung dazu dienen, den Leistungsempfänger lediglich von zivilrechtlichen Ansprüchen eines Vermieters freizustellen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - L 8 AS 4481/07 ER-B - (juris)). Da im konkreten Fall bereits ein Räumungstitel vorliegt, kann allein die Zahlung der Mietrückstände nicht zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB führen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vermieterin bereit wäre, trotz des rechtskräftigen Räumungstitels bei Mietschuldenübernahme einen neuen Mietvertrag abzuschließen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Februar 2010 - L 5 AS 2/10 B ER - (juris)). Zudem ist die Wohnung mit einer Kaltmiete von 649,34 EUR nicht kostenangemessen. Die Aufwendungen der Antragsteller für die Wohnung sind so hoch, dass sie nicht mehr als angemessen angesehen werden können, ohne dass im Einzelnen darauf eingegangen werden müsste, ob die vom Antragsgegner verwendete Mietobergrenze in F. tatsächlich herangezogen werden kann, insbesondere ob entsprechender Wohnraum zu diesen Konditionen tatsächlich verfügbar ist (hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R - (juris)). Eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 188 m.w.N.). Entgegen dem Vortrag der Antragsteller kann hier eine echte Kostensenkung durch Untervermietung nicht erkannt werden. Zwar haben die Antragsteller vorgetragen, dass ein Zimmer zu 250 EUR monatlich untervermietet worden sei. Aus den Akten des Antragsgegners ergibt sich insoweit lediglich, dass am 18. Juli 2011 Herr T., früherer Partner der Antragstellerin Ziff. 1 und Vater der Antragsteller zu 2 und 3, in die Wohnung eingezogen ist. Ob tatsächlich Miete gezahlt wurde, ist fraglich. Herr T. wollte nach Lage der Akten bei einer persönlichen Vorsprache beim Antragsgegner am 28. Juli 2011 Leistungen beantragen, da sein Krankengeld zwar zum Lebensunterhalt, nicht aber für seinen Mietanteil ausreiche. Im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Aufnahme in die Bedarfsgemeinschaft mit folgender Anrechnung des Krankengeldes gab Herr T. an, er wolle der Antragstellerin zu 1 durch seinen kurzfristigen Aufenthalt keine Unannehmlichkeiten bereiten und werde daher morgen wieder ausziehen. Ob er noch immer bei den Antragstellern wohnt, ist dem Senat nicht bekannt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine gesicherte und nicht nur kurzfristige Mietzahlung in Aussicht stehen würde, die tatsächlich die Unterkunftskosten senken würde. Schon aus diesem Grund kommt daher eine Übernahme der Mietschulden nicht in Betracht. Eine Ausnahme ist hier auch nicht vor dem Hintergrund zu machen, dass die Antragstellerin zu 1 - jedenfalls rechnerisch - zumindest einen Teil der die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Miete durch ihren Erwerbstätigenfreibetrag finanzieren könnte (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Februar 2009 - L 26 B 2388/08 AS ER - (juris)). Denn obwohl die Antragsteller laufend Leistungen für Kosten der Unterkunft erhalten haben, wurden nicht einmal diese an die Vermieterin weitergeleitet, geschweige denn, dass die Freibeträge zumindest teilweise hierfür eingesetzt worden wären. Ob aus diesem Grund hier darüber hinaus ein Fall vorliegt, bei dem wegen zweckwidriger Verwendung der Leistungen die Übernahme der Mietschulden ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. März 2011 - L 12 AS 622/11 ER-B - (juris)), kann angesichts der oben gemachten Ausführungen dahin stehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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