L 3 AL 3926/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 667/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3926/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung streitig.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leis-tungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Die Beklagte forderte den Kläger unter dem 18.02.2009 auf, sich am 25.02.2009 um 14.00 Uhr bei ihr zu melden, um über die Bewerbersituation und seine berufliche Situation zu sprechen. Diesem Bescheid war eine "Rechtsfolgenbelehrung, Rechtsbehelfsbelehrung " hinsichtlich der möglichen Folgen bei einem Nichterscheinen beigefügt. Ferner wurde hierin mitgeteilt, dass gegen die Meldeaufforderung der Widerspruch zulässig sei. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, er könne am 25.02.2009 nicht erscheinen, weil er einen Tag zur Probe arbeite und dies von der Fa. Job-Impuls bestätigt wurde, teilte die Beklagte dem Kläger per e-mail mit, dass die Meldeaufforderung für den 25.02.2009 hinfällig sei. Nachdem der Probearbeitstag jedoch abgesagt wurde, teilte die Beklagte dem Kläger per e-mail am 25.02.2009 um 8.48 Uhr mit, das die Aufforderung, sich um 14.00 Uhr bei ihr zu melden, weiterhin bindend sei. Der Kläger fand sich sodann bei der Beklagten ein.

Den Widerspruch des Klägers vom 25.02.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2009 (W 212/09) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die e-mail vom 25.02.2009 stelle keine neuerliche Meldeaufforderung dar. Sie habe lediglich auf die weiterhin bestehende Meldepflicht hingewiesen. Die ursprüngliche Meldeaufforderung sei nur in dem Fall hinfällig geworden, wenn tatsächlich ein Probearbeitstag absolviert worden wäre.

Der Kläger hat sowohl am 19.02.2009 - S 11 AL 667/09 -, als auch am 21.09.2009 - S 11 AL 4162/09 - Klage gegen die Meldeaufforderung vom 18.02.2009 zum SG erhoben, die mit Beschluss vom 04.01.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 11 AL 667/09 verbunden wurden.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, das Verhalten der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich, da die Meldeaufforderung nicht den gesetzlich vorgesehenen Meldezwecken diene. Auch die Rechtsfolgenbelehrung stelle eine unzulässige Schikane dar. Die weitere Meldeaufforderung vom 25.02.2009 sei zu kurzfristig ergangen. Die Beklagte hätte auch den Widerspruchsbescheid vom 16.09.2009 nicht erlassen dürfen, da sich das Widerspruchsverfahren bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheid erledigt habe. Zuletzt hat er vorgetragen, die Beklagte könne den Widerspruchsbescheid nicht mehr aufheben, da das Widerspruchsverfahren nicht mehr anhängig sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Schreiben vom 24.02.2011 hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 16.09.2009 aufgehoben und das Widerspruchsverfahren eingestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.06.2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, es sei trotz der Befangenheitsanträge des Klägers vom 12.11.2010 und vom 26.04.2011 zur Entscheidung berufen, da die gegen den Kammervorsitzenden gerichteten Ablehnungsgesuche offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.02.2009 sei rechtmäßig. Der Meldezweck - die Besprechung der beruflichen Situation des Klägers mit diesem - sei in § 309 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB III ausdrücklich vorgesehen. Dem Gericht sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich sein soll. Die weiteren Anträge seien weitestgehend bereits unzulässig. Das SG hat eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen den am 11.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.08.2011 beim SG Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über ein Befangenheitsgesuch entschieden. Das Verfahren müsse zurückverwiesen werden. Ihm sei Einsicht in die Akten verweigert worden. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hierzu bringt er vor, er sei mittellos und könne sich von 286,- EUR monatlich kein Handy, Fax oder einen Computer mit Internetzugang leisten. Er sei darauf angewiesen, dass ihm Dritte gelegentlich Zugang zu einem Computer ermöglichen. Hierauf habe er jedoch keinen Einfluss, weswegen es ihm unmöglich sei, Fristen einzuhalten. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.10.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran nichts. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, der Senat war jedoch nicht gehalten, dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 dadurch zu ermöglichen, dass seine Vorführung aus der Untersuchungshaft anzuordnen gewesen wäre, da der Kläger selbst insoweit zunächst alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu beantragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31.10.2005 -B 7a AL 14/05 B - veröffentlicht in juris). Da jedoch ein solcher Antrag (vgl. § 6 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg) nicht gestellt wurde, war der Senat nicht gehalten, den Kläger zur mündlichen Verhandlung vorführen zu lassen. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.

Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung. Nachdem der Gerichtsbescheid, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11.07.2011 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, galt er gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 180 Satz 2 Zivilprozessordnung an diesem Tag als zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 12.07.2011 zu laufen. Sie endete gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 11.08.2011, einem Donnerstag. Der Kläger hat die Berufung am 29.08.2011, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden und daher bereits unzulässig.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, ihm stünden keine finanziellen Mittel für ein Faxgerät oder einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Ungeachtet dessen, dass der Vortrag schlechterdings falsch ist; der Kläger hat einen Computer, dieser wurde lediglich von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt; hätte ein gewissenhaft Prozessführender von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufung mittels eines einfachen Briefes im Postweg einzulegen. Da dieser Weg auch dem Kläger offen stand - die Kosten hierfür von ca. 1,- EUR hätte der Kläger ohne Weiteres aufbringen können - indes vom Kläger nicht beschritten wurde, hat er die Sorgfalt eines gewissenhaften Prozessführenden nicht beachtet. Der Kläger hat die Berufungsfrist schuldhaft versäumt, weswegen ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Berufung ist daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved