L 9 U 476/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3738/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 476/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente und wendet sich gegen die Entziehung der Verletztenrente.

Der 1965 geborene Kläger war seit Februar 2005 als Arbeiter bei der Firma Montagebau D., K., beschäftigt. Am 18.04.2005 stürzte er während der Durchführung von Bauarbeiten an einem Rohbau aus 3,7 m Höhe auf einen Kollegen und eine Betonplattform (vgl. Durchgangsarztbericht Prof. Dr. W. vom 19.04.2005). Der Kläger zog sich hierbei eine instabile LWK-1-Fraktur mit Spinalkanaleinengung sowie eine Schürfung und Prellung am rechten Unterschenkel zu. Die Erstversorgung erfolgte in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen (BGU), wo sich der Kläger vom 18.04.2005 bis 12.05.2005 in stationärer Behandlung befunden hat. Am 27.04.2005 erfolgte dort die endoskopische operative Versorgung mittels Reposition über einen Fixateur externe und eine ventrale monosegmentale Spondylodese TH 12/L 1 mit Beckenkammblockinterposition. Bei einer ambulanten Vorstellung des Klägers in der BGU am 06.09.2005 klagte der Kläger noch über Schmerzen im oberen und unteren LWS-Bereich mit Übergang zum Kreuzbein. Radiologisch habe sich die Fraktur im thorakolumbalen Übergang stabilisiert, die Fraktur scheine knöchern ausgeheilt. Es schloss sich eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der BGU ab dem 19.09.2005 an. Zur Abklärung einer phobischen Reaktion nach einem Sturz aus ca. 4 m Höhe wurde der Kläger am 30.11.2005 in der Michael-Balint-Klinik, K. vorgestellt. Der Diplom-Psychologe Dr. K. stellte eine mittel-gradige depressive Episode, eine Anpassungsstörung, eine ängstliche Reaktion fest. In der Anamnese wurde festgehalten, dass der Kläger angegeben habe, nachts immer wieder aufzuwachen, sehr viel zu schwitzen und immer wieder Panikanfälle zu haben, die ihn aus dem Schlaf reißen würden. Eine Höhenangst habe er nicht. Allerdings bekomme er sofort Panik, wenn er das Gefühl habe, dass sich der Boden unter seinen Füßen etwas bewege. Er müsse sich sofort festhalten, habe das Gefühl die Orientierung zu verlieren und glaube wieder, wie bei dem Unfall, irgendwie zu stürzen. Während des Unfalls und danach habe er Angst gehabt zu sterben oder lebenslang behindert zu bleiben. Bei noch deutlich vorhandenen Restbeschwerden wurde der Kläger aus der stationären Rehabilitationsbehandlung am 09.11.2005 als zunächst arbeitsunfähig entlassen. Unter der Verordnung von Physiotherapie und Fango/Massage werde das Heilverfahren voraussichtlich noch sechs Wochen andauern (Prof. Dr. W., Dr. K. vom 09.11.2005).

Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der IKK Karlsruhe bei. Aus diesem ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Wirbelsäulensyndrom, LWS-Syndrom bzw. Lumboischialgie im November 1999, November und Dezember 2000 sowie im Januar 2003. Außerdem bestand Arbeitsunfähigkeit wegen einer Angst- und Depressionsstörung, psychologische Störungen vom 06.02.2001 bis 16.02.2001.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14.12.2005 vertrat Prof. Dr. S. die Auffassung, dass keine Hinweise für das Vorliegen einer Höhenangst bestünden. Weitere Ermittlungen seien zu dem jetzigen Zeitpunkt sicher nicht erforderlich.

Der Abschlussbericht der BGU vom 05.01.2006 verwies auf eine vorbefundlich bestehende unfallunabhängige Angststörung. Die Beweglichkeit im Bereich der Wirbelsäule sei schmerzbedingt nicht eingeschränkt, das Heilverfahren werde daher mit vollschichtiger Arbeitsfähigkeit abgeschlossen.

Die Beklagte zog die Akten der IKK Karlsruhe bei. Zudem liegt die Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie S. vom 20.01.2006 vor, der mitteilte, dass sich der Kläger vom 22.10.2001 bis 22.02.2002 in seiner Behandlung befunden habe. Im Vordergrund hätten vitale Beschwerden und verstärkte Angstgedanken mit Schlafstörung im Zusammenhang mit dem tragischen Tod zweier Angehöriger infolge eines Hausbrandes (Brandstiftung) gestanden. In dem ebenfalls vorliegenden ärztlichen Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 10.01.2006, welcher den Kläger seit dem 28.11.2005 behandelt, wurde die Diagnose einer phobischen Entwicklung genannt, welche sich in erster Linie in Form akrophobischer Ängste manifestiert habe. Sie seien seiner Meinung nach eine Reaktion auf einen Arbeitsunfall vom 18.04.2005. Nach seiner Kenntnis habe der Kläger zuvor unter keiner spezifischen Angstsymptomatik gelitten. In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen ersten Rentengutachten von PD Dr. M., Dr. L. und Dr. M., Städtisches Klinikum Karlsruhe, vom 08.05.2006 wurden die wesentlichen Unfallfolgen wie folgt bezeichnet:

• subjektive Beschwerdesymptomatik mit dauernden starken Schmerzen im LWS-Bereich sowie bei länger als 10 Minuten dauerndem Stehen oder Sitzen in unveränderter Stellung mit zunehmenden Schmerzen, • Klopfschmerzen und Druckschmerzen über den Dornfortsätzen im Narbenbereich, im Bereich der oberen LWS bis 4 cm proximal hiervon • Druckschmerz und Hartspann paravertebral im Narbenbereich im Bereich der LWS • die Narbenbildung • Druck- und Klopfschmerzen über dem linken Beckenkamm mit Sensibilitätsstörung im Narbenbereich nach Beckenkammspanentnahme • radiologische Veränderungen in Höhe TH 12/L 1.

Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewerteten die Gutachter ab dem 05.01.2006 mit 20 vH. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.07.2006 hielt der Chirurg Dr. M. eine Gesamtvergütung von neun Monaten in Höhe einer MdE von 20 vH für gerechtfertigt, danach liege eine MdE um 10 vH vor.

Mit Bescheid vom 17.07.2006 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum vom 05.01.2006 bis 31.10.2006 ausgehend von einer MdE um 20 vH eine Rente als Gesamtvergütung in Höhe von insgesamt 2.068,07 EUR. Darüber hinaus habe der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf Rente. Zur Begründung führte sie aus, dass sie im Rahmen der MdE-Bewertung eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, eine Muskelverhärtung im Narbenbereich und eine Verbiegung der Lendenwirbelsäule nach Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers mit noch einliegendem Osteosynthesematerial berücksichtigt habe. Unabhängig vom Arbeitsunfall bestünden eine Fehlstellung der Halswirbelsäule im Bereich des 4. und 5. Halswirbelkörpers, degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Randanbauten an den Wirbelkörpern und eine psychische Angststörung.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der "Grad der Behinderung" von 20 zu niedrig festgestellt sei. Außerdem seien die psychischen Schäden überhaupt nicht berücksichtigt worden.

In einem weiteren Rentengutachten vom 14.03.2007 bewerteten PD Dr. M., Dr. S. und Dr. M., Städtisches Klinikum K., die MdE ab 05.01.2006 und auf Dauer mit 20 vH. Es bestehe eine subjektive Beschwerdesymptomatik mit dauernden, stechenden Schmerzen im LWS-Bereich, welche vermehrt bei schnellem Laufen und nach längerem Sitzen sowie nachts nach einer Zeit von ca. drei Stunden aufträten, sodass der Verletzte wach werde. Außerdem bestünden Klopfschmerzen und Druckschmerzen über den Dornfortsätzen im Narbenbereich bis 6 cm oberhalb hiervon, Druckschmerzen und Hartspann paravertebral im Narbenbereich der LWS, Missempfindungen in Form von "Stichen" bei Berührung im Narbenbereich am linken Beckenkamm, radiologische Veränderungen und eine Bewegungseinschränkung im Bereich der LWS. Aufgrund der geklagten psychiatrischen Beschwerden habe man ein psychiatrisches Zusatzgutachten in die Wege geleitet.

Prof. Dr. E., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, K., stellte in seiner Untersuchung vom 15.05.2007 eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger depressiver Episode, spezifische Angststörungen und eine Akrophobie fest. Die vorbeschriebene 20%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe aus psychiatrischer Sicht seit dem 05.01.2006 fort.

Prof. Dr. S. trat in seiner von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.07.2007 der Einschätzung im Gutachten von Prof. Dr. E. entgegen. Die Ausführungen seien nicht schlüssig, zumal die beiden gestellten Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, spezifische Phobie) nicht gesichert vorlägen. Die Diagnosen seien nicht unter die Bezugnahme auf die üblichen diagnostischen Standards begründet worden und seien aus dem Beschwerdevortrag und der Befunddokumentation nicht nachvollziehbar. Auch eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeschilderung sei nicht erfolgt. Das Sturzereignis sei grundsätzlich weder geeignet eine depressive Störung noch eine Höhenangst herbeizuführen. Eine unfallbedingte MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liege nicht vor.

Die Beklagte gab hierauf ein weiteres nervenärztliches Fachgutachten beim Neurologen und Psychiater Dr. S., B.-B., in Auftrag. Er stellte in seinem Gutachten vom 25.05.2008 eine Dysthymia, eine Angststörung, einen Spannungskopfschmerz, unklare Parästhesien im Bereich der rechten Knieregion und einen möglichen Zustand nach Anpassungsstörung fest. Er führte aus, dass sich diagnostisch in der Anamnese und in den Berichten keine Hinweise für eine akute Belastungsreaktion hätten finden lassen. Es habe sich um eine vorübergehende psychische Störung von erheblichem Schweregrad gehandelt, die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklinge. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien bezüglich der jetzigen psychischen Symptomatik nicht erfüllt. Insbesondere fänden sich keine Hinweise auf Intrusionen und nicht auf das dafür typische Vermeidungsverhalten und nicht auf das Phänomen des "Hyperaurousal". Eine Anpassungsstörung könne bezüglich der jetzigen psychischen Beschwerden nicht mehr diagnostiziert werden. Der Kläger habe sich bei seiner Untersuchung in keiner Weise depressiv gezeigt. Hinweise auf eine depressive Episode oder eine rezidivierende depressive Störung hätten sich nicht gefunden. Die geschilderten Beschwerden sprächen am ehesten für eine Dysthymia. Die Ursache sei nicht das Unfallereignis sondern die lebensgeschichtliche und schwierige soziale Situation des Klägers. Eine MdE auf nervenfachärztlichem Gebiet liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 23.06.2008 gewährte die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit ab dem 01.11.2006 nach einer MdE von 20 %. Sie führte zur Begründung aus, dass sie bei der Bewertung der MdE eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, eine Muskelverhärtung im Narbenbereich mit Missempfindungen in diesem Bereich, ein Klopfschmerz und Druckschmerzen über den Dornfortsätzen im Narbenbereich, eine Verbiegung der Lendenwirbelsäule in Form einer Skoliose und Lordose nach unter Höhenminderung der Vorderkante knöchern fest verheilten Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers mit noch einliegendem Osteosynthesematerial berücksichtigt habe. Auf nervenärztlichem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen verblieben. Eine Steilfehlstellung der Halswirbelsäule im Bereich des vierten und fünften Halswirbelkörpers, degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Randanbauten an den Wirbelkörpern, eine depressive Verstimmung und Angststörung, ein Spannungskopfschmerz und eine Sensibilitätsstörung der rechten Knieregion lägen unabhängig von dem Arbeitsunfall vor. Der Bescheid sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.

In einer von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. T. vertrat dieser unter dem 18.08.2008 die Auffassung, dass nach dem Segmentprinzip keine rentenberechtigende MdE mehr vorliege.

Unter dem 23.04.2009 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten teilweisen Rücknahme des Bescheides vom 23.06.2008 mit Wirkung für die Zukunft und die Entziehung der Rente auf unbestimmte Zeit an. Eine Stellungnahme hierzu erfolgte von Seiten des Klägers nicht. Mit Bescheid vom 25.05.2009 nahm die Beklagte den Bescheid vom 23.06.2008 teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurück und entzog die Rente auf unbestimmte Zeit. Die Zahlung der Rente werde im Rahmen der Ermessensausübung mit Ablauf des Monats Mai 2009 eingestellt. Sie berief sich auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und wies darauf hin, dass die Bewertung der MdE aufgrund der Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule rechtswidrig gewesen sei. Nach dem Ergebnis der erneuten Auswertung bedingten die Folgen des Versicherungsfalles eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v. H. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.07.2006 und die "mit angefochtenen Bescheide vom 23.06.2008 und vom 25.05.2009" zurück. Hiergegen hat der Kläger am 25.08.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, nach wie vor der Auffassung zu sein, dass die Unfallfolgen eine MdE von mindestens 40 % bedingten.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage beim Neurologen und Psychiater Dr. D ... Er hat unter dem 25.02.2010 angegeben, den Kläger vom 28.11.2005 bis 13.11.2007 anfänglich monatlich, später vierteljährlich ambulant behandelt zu haben. Bei der Erstuntersuchung hätten eine leichte depressive Verstimmung und eine ängstliche Affekttönung bestanden. Im Übrigen habe er einen unauffälligen neurologisch-psychiatrischen Befund erhoben. Die von ihm erhobenen Befunde entsprächen im Wesentlichen den Befunden, die Dr. Schad in seinem Gutachten dargelegt habe. Er sei allerdings der Meinung, dass die depressiv-ängstliche Affekttönung auf das Unfallereignis 2005 zurückzuführen sei. Damals habe bei dem Kläger seiner Einschätzung nach eine phobische Entwicklung eingesetzt, welche sich als Höhenangst manifestiert habe. Im November 2007 habe er eine stationäre Behandlung in der psychiatrischen Klinik Karlsruhe veranlasst, die der Kläger jedoch nicht wahrgenommen habe. Über den weiteren Verlauf sei ihm nichts bekannt.

Der Kläger hat eine Bescheinigung des Orthopäden Dr. L. vom 08.06.2010 vorgelegt, in der Dr. L. ausgeführt hat, dass zwischenzeitlich eine mediale Bandscheibenprotrusion bei L 4/5 mit Impression am Duralsack habe objektiviert werden können. Im Bereich der Spondylodese am thorakolumbalen Übergang fänden sich mäßige Rezessusstenosen bei kurzen Pedikeln und eine Hypertrophie der Fassettengelenke bei L 3/4 und L 4/5.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines fachorthopädischen Gutachtens bei Dr. M., K., vom 22.10.2010. Folge des Unfalles seien eine Deformierung des 1. Lendenwirbelkörpers und eine Versteifung des 12. Brustwirbels mit dem 1. Lendenwirbelkörper einschließlich des einliegenden Materials. Der neuerdings kernspintomografisch festgestellte Bandscheibenvorfall L 4/5 stehe nicht im Zusammenhang mit dem Unfall. Es sei davon auszugehen, dass sich im Juli 2009 dieselben Befunde hätten darstellen lassen, wie bei der heutigen Untersuchung, sodass von einer unfallbedingten MdE von 10 vH auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der im Rahmen des Gutachtens von PD Dr. Müller vor dem Bescheid vom 23.06.2008 erhobenen Befunde habe auch zum Zeitpunkt dieser Begutachtung eine MdE von 10 vH bestanden. Auf den Hinweis des SG, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat sich der Kläger mit der Verfahrensweise ausdrücklich einverstanden erklärt.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.01.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger für den Zeitraum vom 05.01.2006 bis 31.05.2009 weder einen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 20 vH noch einen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH über den 31.05.2009 hinaus habe. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von Dr. M. bezogen. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt, weshalb die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Rente mit Wirkung für die Zukunft wieder zu entziehen.

Gegen den ihm am 28.01.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01.02.2011 Berufung eingelegt.

Er vertritt die Auffassung, dass sowohl auf orthopädischem als auch auf neurologischem Fachgebiet jeweils eine MdE von mindestens 40 vH vorliege. Das Sozialgericht habe verkannt, dass die Fachärzte, welche den Kläger behandelten, zurecht darauf hingewiesen hätten, dass die persönlichen Ängste auf das Unfallereignis "im Jahre 2004" zurückzuführen seien und dass eine "phonische Entwicklung" eingesetzt habe, welche sich als Höhenangst manifestiere. Außerdem habe Dr. L. mitgeteilt, dass eine Verschlimmerung eingetreten sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.01.2011 aufzuheben und unter Abänderung der Bescheide vom 17.07.2006 und 23.06.2008 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2009, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2009, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 vH ab dem 05.01.2006 zu gewähren,

hilfsweise jeweils ein Gutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass der Bandscheibenvorfall und die psychischen Störungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind und jeweils eine MdE um 20 vH bedingen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bislang vertretenen Auffassung fest und führt aus, dass der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen sei, weshalb die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts fehlerhaft und damit die Entscheidung im Verwaltungsverfahren rechtswidrig sei.

Der Senat hat neben den Akten der Beklagten sowie der erstinstanzlichen Verfahrensakte auch die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe im Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg auf Anerkennung eines Grades der Behinderung (S 10 SB 2472/06) sowie die Akte des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Oberfranken und Mittelfranken (S 6 R 3003/06), gerichtet auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, beigezogen. Das Verfahren S 10 SB 2472/06 wurde durch rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 28.09.2007 abgeschlossen. Die Klage, gerichtet auf die Feststellung eines GdB von wenigstens 50 ab 28.07.2005, war abgewiesen worden. Festgestellt ist ein GdB von 30 unter Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und bei Versteifung des 12. Brust- mit dem 1. Lendenwirbelkörper nach Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers; Funktionsbehinderung der Kniegelenke bei Knorpelschäden; Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen. Eine GdB-relevante psychische Behinderung konnte das SG unter Berücksichtigung der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. D. vom 22.08.2006 nicht feststellen. Psychische Einschränkungen waren auch im Urteil des SG Karlsruhe vom 15.01.2008, welches die Klage auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgewiesen hat, substantiiert nicht geltend gemacht worden. Die Berufung hiergegen hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 24.09.2008 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente über den 31.05.2009 hinaus und auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente im Zeitraum vom 05.01.2006 bis 31.05.2009.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 18.04.2004 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel. Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt der Senat zunächst fest, dass als Folgen des streitgegenständlichen und unstreitig vorliegenden Arbeitsunfalles eine Deformierung des 1. Lendenwirbelkörpers, eine Versteifung des 12. Brustwirbels mit dem 1. Lendenwirbelkörper einschließlich noch einliegendem Material verblieben sind. In den bildgebenden Verfahren ist eine nennenswerte Seitverbiegung im Frakturbereich nicht zu erkennen. Es besteht jedoch eine Rundrückenbildung von knapp 9 Grad bei einem Normalwert einer Lordose von -3 Grad und damit eine Gesamtfehlstellung von 12 Grad. Damit liegt, worauf Dr. M. zu Recht hinweist, ein statisch wirksamer Achsenknick weder in der Aufsicht noch in der Seitansicht vor.

In Übereinstimmung mit Dr. M. und der Rentenliteratur (vgl. etwa Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 443) wendet der Senat zur Beurteilung der verbliebenen MdE wegen der Auswirkungen von Wirbelsäulenverletzungen das so genannte Segmentprinzip an. Dieses Prinzip berücksichtigt jedes Bewegungssegment der Wirbelsäule entsprechend seiner funktionellen Bedeutung mit einem entsprechenden Segmentwert (vgl. Tabelle Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 444). Bei mehreren betroffenen Bewegungssegmenten sind die entsprechenden Segmentwerte zu addieren. In Abhängigkeit der vorliegenden Schädigung sind dabei die einfachen Segmentwerte als Prozentsätze zu berücksichtigen oder deren doppelte oder dreifache Werte (in Ausnahmefällen auch der vier- bis sechsfache Wert) in Ansatz zu bringen. Ausgehend hiervon ist eine segmentale Ankylose TH12/L1 ohne wesentliche statisch wirksame Verkrümmung zu berücksichtigen und deshalb der Segmentwert TH12/L1 von 3,6 zu verdreifachen: Hieraus errechnet sich ein Wert von 10,8, welcher einer MdE von 10 vH entspricht. Gründe hiervon zugunsten des Klägers abzuweichen, liegen nicht vor, zumal neurologische Ausfälle nicht bestehen und eine spezielle Schmerztherapie weder erforderlich ist noch durchgeführt wird.

Eine andere Beurteilung ist auch unter Beachtung der von Dr. M. durchgeführten Funktionsprüfung nicht gerechtfertigt. Bei den Bewegungsprüfungen ergaben sich weitgehend physiologische, allenfalls endgradige Einschränkungen: Die Rumpfbeuge war bis zum Berühren des Bodens mit den Fingerspitzen möglich, die Lendenwirbelsäule entfaltete sich gemäß Schober-Index von 10 cm auf 15 cm, die Brustwirbelsäule gemäß Ott-Index von 30 auf 33, 5 cm, das Aufrichten aus gebückter Position war dem Kläger ohne Abstützvorgänge der Hände und ohne spontane Schmerzangabe möglich. Die Rückbeuge war frei, die Seitneigung mit 65-0-65 nach rechts und links eher gesteigert, das Drehen im Sitzen mit 40-0-45 rechts und links normal. Eine Schmerzausstrahlung in die Beine wurde vom Kläger verneint und die Nervendehnzeichen waren negativ, Zehen- und Hackengang unbehindert.

Mit Dr. M. kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der kernspintomographisch festgestellte Bandscheibenvorfall L4/5 Folge des Arbeitsunfalles ist. Der Sachverständige hat hierzu schlüssig und überzeugend vorgetragen, dass die kernspintomographische Untersuchung Bandscheibenvorfälle weder im versteiften Segment noch in den beiden angrenzenden Segmenten nachgewiesen habe. Aufgrund der durch die Versteifung vermehrten Beweglichkeit in den unmittelbaren Nachbargelenken könnte die Verursachung eines Bandscheibenvorfalles dort diskutiert werden, nicht jedoch für das weit entfernte Segment L4/5. Darüber sind funktionelle Einschränkungen, die eine MdE rechtfertigen könnten, durch die Untersuchung durch Dr. M. ebenfalls nicht belegt.

Für den Zeitraum der Gesamtvergütung kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob die erhobenen Befunde tatsächlich eine MdE in rentenberechtigendem Grad gerechtfertigt haben. Jedenfalls lassen die im Gutachten von PD Dr. M. erhobenen Befunde, insbesondere hinsichtlich der mitgeteilten funktionellen Einschränkungen mit einem Seitneigen der BWS und LWS von 30-0-25 und Drehen im Sitzen re./li. mit 40-0-30 Grad, einem Zeichen nach Schober von 10/14 und nach Ott von 30/32 nicht den Schluss auf eine MdE-relevante andere, insbesondere höhere Beurteilung zu. Dies gilt umso mehr, als nach den Vergleichswerten in der Rentenliteratur eine MdE von 30 vH erst bei Vorliegen eines instabilen Wirbelkörperbruches mit Bandscheibenbeteiligung und statisch wirksamen Achsenknick (Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO S. 442) angenommen wird. Damit vergleichbare Einschränkungen liegen auch - worauf Dr. Mayer hinweist - in dem zur Feststellung der Dauerrente eingeholten Gutachten nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weitere Unfallfolgen nicht vor. Der Senat schließt sich insoweit dem im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. S. an. Nach dessen Feststellungen liegen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zwar eine Dysthymia und Angststörung, ein Spannungskopfschmerz und unklare Paraesthesien im Bereich des rechten Knies vor. Diese sind aber - wovon auch der Senat überzeugt ist - nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht oder verschlimmert. Es fehlt insoweit schon an einem zeitlichen Zusammenhang, weil die Beschwerden erst 6 Monate nach dem Unfallereignis angegeben wurden, vielgestaltig und nicht monosymptomatisch sind. Bei der Untersuchung hat sich darüber hinaus auch keine depressive Symptomatik gezeigt. Depressive Episoden mit Remission haben sich zudem nach Angaben des Gutachters anamnestisch nicht abgrenzen lassen. Die Schlussfolgerung des Dr. S. ist daher nachvollziehbar und schlüssig, wenn er ausführt, es liege eine Dysthymie vor, welche aber nicht im Unfallereignis sondern in der lebensgeschichtlichen Situation und der schwierigen sozialen Situation des Klägers begründet ist. Die darüber hinaus festgestellte Angststörung stuft er als nicht stark ausgeprägt ein und weist darauf hin, dass diese bereits 2001/2002 schon einmal im Rahmen von Belastungen aufgetreten ist, was durch das Attest des Dr. S. 20.01.2006 (Behandlung 22.10.2001 bis 22.02.2002 wegen vitaler Beschwerden und verstärkten Angstgedanken mit Schlafstörung im Zusammenhang mit dem Tod zweier Angehöriger infolge von Brandstiftung) belegt ist. Eine spezifische Angstreaktion im Zusammenhang mit dem Unfall ist darüber hinaus nicht dokumentiert. Gegenüber Dr. K. hat der Kläger eine Höhenangst ausdrücklich verneint. Soweit der behandelnde Arzt Dr. D. die Beschwerden mit dem Arbeitsunfall in Verbindung bringt, war ihm offensichtlich die Vorgeschichte seines Patienten nicht bekannt, denn in seinem Attest vom 10.01.2006 führte er aus, dass ihm von einer vorbestehenden spezifischen Angst-Symptomatik nichts bekannt sei. Das Gutachten von Prof. Dr. E. hat das Vorliegen einer (Höhen-)Angst nicht verifiziert und sich darüber hinaus auch nicht mit den Vorbefunden auseinandergesetzt. Eine Auseinandersetzung und Abgrenzung der Verursachung von geschilderten Ängsten und Albträumen durch den Unfall mit lebensgeschichtlichen Ereignissen (bei einem Brand 1996 waren nach Angaben des Klägers dessen Schwiegereltern ums Leben gekommen, wonach nach dessen Angaben er zunehmend Ängste und Albträume entwickelte) fehlt in dem Gutachten des Sachverständigen und vermag deshalb auch nicht zu überzeugen. Darüber hinaus sind durch nachvollziehbare Untersuchungen weder das Vorliegen einer mittelgradigen Depression noch von Gedächtnisstörungen schlüssig belegt.

Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass psychische Einschränkungen weder im Verfahren auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (Gerichtsbescheid vom 28.09.2007) noch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente (Urteil 15.01.2008) substantiiert geltend gemacht wurden und für die jeweilig geltend gemachten und mittlerweile bestandskräftig abgelehnten Ansprüche entscheidungserhebliche Bedeutung hatten. Eine Einschränkung mit nennenswerter Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit vermag der Senat den insoweit vorliegenden Befunden damit ohnehin nicht zu entnehmen, sodass schon deshalb - wie dies wohl schon auch von Prof. Dr. E. angenommen wurde - die MdE im Wesentlichen durch die chirurgisch-orthopädischen Einschränkungen bedingt wird.

Damit erweist sich - wie das SG zu Recht festgestellt hat - auch der zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit nach Gewährung einer Gesamtvergütung (bis 31.10.2006) ergangene Bescheid vom 23.06.2008 als rechtswidrig, weil die MdE bei Bekanntgabe dieses Bescheides nur mit 10 vH einzuschätzen war. Die ab dem 01.11.2006 gewährte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 vH war daher zu Unrecht bewilligt worden.

Diese Bewilligung durfte die Beklagte nach § 45 Abs. 1 SGB X auch wieder zurücknehmen. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 25.05.2009 und der Rücknahme des Bescheides vom 23.06.2008 mit Wirkung für die Zukunft die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X eingehalten. Die Aufhebungsvoraussetzungen liegen auch vor, da vom Kläger Gründe für eine Schutzwürdigkeit seines Vertrauens auf den Bestand des Bescheides weder im Verwaltungsverfahren noch im Klage- oder Berufungsverfahren geltend gemacht wurden. Solche sind auch nicht ersichtlich. Die Abwägung der einzustellenden Belange zugunsten des Rücknahmeinteresses der Allgemeinheit durch die Beklagte ist daher nicht zu beanstanden. Umstände, die im Rahmen des der Beklagten eröffneten Rücknahmeermessens, hätten berücksichtigt werden können, hat der Kläger ebenfalls nicht vorgebracht, sodass auch die von der Beklagten erfolgte Ermessens-entscheidung, den Bescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, nicht zu beanstanden ist.

Angesichts der vorliegenden Befunde und insbesondere des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens von Dr. M. sowie des im Urkundenbeweis verwertbaren Gutachtens von Dr. Schad, auf das sich der Senat stützt, ist der Sachverhalt sowohl im Hinblick auf zu berücksichtigende Folgen des Unfalles, als auch zu deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit, vollständig geklärt, weshalb den hilfsweise gestellten Anträgen auf Einholung weiterer Gutachten nicht stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved