L 10 U 1283/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3171/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1283/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auf den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII (Unfallhelfer) sind die Grundsätze der so genannten besonderen Betriebsgefahr anzuwenden (BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 30). Dies bedeutet, dass der Versicherungsschutz eines an einer Unfallstelle zum Zwecke der Hilfeleistung anhaltenden Verkehrsteilnehmers weder auf die einzelne Hilfsmaßnahme noch bis zur Beendigung der Hilfeleistung insgesamt begrenzt ist, sondern regelmäßig so lange anhält, bis keine durch die erfolgte oder beabsichtigte Hilfsmaßnahme erhöhte Gefahrenlage mehr besteht, der Unfallhelfer also in jene Situation zurückkehrt, die ohne Hilfeleistung auch bestehen würde. Dies gilt aber dann nicht, wenn das Halten an der Unfallstelle nicht zur Hilfeleistung erfolgte, auch wenn später doch eine einzelne Hilfsmaßnahme (hier: Aufstellen des Warndreiecks) durchgeführt und ohne Schaden beendet wurde.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 01.02.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am 09.07.1983 geborene Kläger als Unfallhelfer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Am 2009 geriet das Fahrzeug des E. E. (E.) gegen 21 Uhr bei Dunkelheit auf der BAB 96 in Fahrtrichtung München auf schneematschbedeckter und entsprechend glatter Fahrbahn ins Schleudern, überschlug sich mehrmals und kam auf dem rechten Fahrstreifen quer zur Fahrbahn auf dem Dach liegend zum Stehen. Die vier Insassen konnten das Fahrzeug unverletzt verlassen. Der sich auf der rechten Fahrspur mit seinem Sattelzug nähernde Kraftfahrer M. B. (B.) hielt zur Absicherung der Unfallstelle ca. 40 m hinter dem Unfallfahrzeug auf der rechten Fahrspur an und schaltete seine Warnblickanlage ein. Zeitlich kurz vor dem Eintreffen des B. an der Unfallstelle kam der Kläger ungefähr 250 m vor dem auf dem Dach liegenden Fahrzeug mit seinem, lediglich mit Sommerreifen versehenen PKW ins Schleudern, prallte gegen die Betonmittelleitplanke, wodurch der rechte vordere Kotflügel seines PKW beschädigt wurde; außerdem verlor das Fahrzeug das vordere Kennzeichen (vgl. das unfallanalytische Gutachten des Dipl.-Ing. K. Seite 5, 7, 12, Anlage zur Senatsakte). Der Kläger brachte sein Fahrzeug zwischen dem LKW und dem auf dem Dach liegenden PKW schräg auf der rechten Fahrbahnseite zum Stehen und stieg unverletzt aus. Die ebenfalls an der Unfallstelle eintreffende S. K. (K.) stellte ihren PKW seitlich neben dem LKW ab, um Hilfe zu leisten. Hinsichtlich der genauen Lage der Fahrzeuge wird auf die Skizze im Gutachten des Dipl.-Ing. K. verwiesen.

Nachdem K. ihr Warndreieck, mit dem sie die Unfallstelle absichern wollte, nicht fand, erkundigte sie sich bei dem seitlich an seinem Fahrzeug stehenden Kläger nach dessen Warndreieck, worauf dieser sein Warndreieck zur Sicherung der Unfallstelle aufstellte. Anschließend ging der Kläger zurück zu seinem Fahrzeug und setzte sich in seinen PKW. Der nunmehr an die Unfallstelle herannahende M. G. (G) konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen, kam in einen kritischen Fahrzustand, kollidierte mit dem mit offener Fahrertüre stehenden PKW des Klägers und schleuderte diesen rund 30 m in Fahrtrichtung, wo das Fahrzeug die sich in diesem Bereich aufhaltenden B., K. und E. traf und verletzte. Der Kläger erlitt ein offenes Schädelhirntrauma und befindet sich im Wachkoma. Angaben zu dem Unfall konnte er zu keinem Zeitpunkt machen.

Mit Bescheid vom 23.06.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 24.03.2009 als Arbeitsunfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) mit der Begründung ab, im Sinne dieser Regelung habe der Kläger zum Zeitpunkt der Entstehung seiner Verletzungen keine Hilfeleistung erbracht. Die Verletzung habe sich ereignet, nachdem er seinen eigenen Unfall durch das Aufstellen eines Warndreiecks abgesichert gehabt habe und wieder in seinem Fahrzeug gesessen sei. Im Widerspruchsverfahren ließ der seit dem Unfall von seiner zur Betreuerin bestellten Mutter gesetzlich vertretene Kläger vortragen, es müsse davon ausgegangen werden, dass er nach Absicherung der Unfallstelle mit seinem Warndreieck und Rückkehr zu seinem PKW mit seinem Mobiltelefon die Rettungskräfte habe benachrichtigen wollen. Da sich sein Rucksack, in dem er sein Mobiltelefon bei sich geführt habe, zuletzt geöffnet vorne im PKW befunden habe, liege es auf der Hand, dass er nach Absicherung der Unfallstelle die Rettungskräfte habe verständigen wollen. Hiervon sei gerade auch deshalb auszugehen, weil er ein sehr verantwortungsbewusster und hilfsbereiter Mann sei. Ungeachtet dessen habe er sich mit seinem Aufenthalt im unmittelbaren Unfallbereich aber auch in einem so engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dem Unfallereignis befunden, dass er in jedem Fall weiter als Nothelfer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII anzusehen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2009 wurde der Widerspruch mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, bei der geäußerten Vermutung handele es sich lediglich um eine von mehreren anderen Erklärungsmöglichkeiten. Da diese nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sei, könne ein Arbeitsunfall nicht anerkannt werden.

Am 23.11.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er hat auf das in dem Ermittlungsverfahren gegen G. eingeholte unfallanalytische Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. K. verwiesen, wonach er sich während der Kollision mit dem Kopf in einer Linksdrehung und mit dem Oberkörper teilweise in Höhe des Schwellers und damit möglicherweise in einer Anfangsbewegung zum Aussteigen befunden habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er die Rettungskräfte habe benachrichtigen wollen. Allerdings sei unmaßgeblich, weshalb er sein Fahrzeug erneut aufgesucht habe. Denn der Unglücksfall sei zum Zeitpunkt seiner Verletzung noch nicht beendet gewesen, da - wie die weitere folgenschwere Kollision zeige - weiterer Schaden gedroht habe. Schließlich habe er durch das Aufstellen des Warndreiecks ebenso wie die anderen am Unfallort anwesenden Personen Hilfe geleistet.

Nach Vernehmung der K. als Zeugin (u.a. als sie wegen des Warndreiecks auf den Kläger zugegangen sei, habe dieser seitlich an seinem Auto lehnend gestanden) hat das SG die Klage mit Urteil vom 01.02.2010 und der Begründung abgewiesen, zum Zeitpunkt der Verletzung des Klägers habe es an einer Hilfeleistung, die dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung zuzurechnen wäre, gefehlt. Bei einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände (Unklarheit, ob das Halten des Klägers an der Unfallstelle freiwillig war, Aufstellen seines Warndreiecks diente auch dem Eigeninteresse, Aufforderung Dritter zum Aufstellen des Warndreiecks notwendig) trete das Motiv, sich in Gefahr zu begeben, um anderen zu helfen, nur während des Aufstellens des Warndreiecks selbst hervor. Nach Beendigung dieses Geschehens, mithin nachdem der Kläger sich wieder in seinen PKW gesetzt habe, habe er sich in der gleichen Lage befunden, wie jeder andere an einem Unfall beteiligte Fahrer, der vor Ort auszuharren und auf Hilfe und die Unfallfeststellungen der zuständigen Polizei zu warten habe. Dass der Kläger die Absicht gehabt habe, von seinem PKW aus die Polizei oder den Notarzt anzurufen, sei rein spekulativ.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 16.02.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.03.2010 Berufung eingelegt und im Hinblick auf die vom SG dargelegten Zweifel, ob er an der Unfallstelle zur Hilfeleistung angehalten habe, auf die Zeugenaussagen des E. im Strafverfahren gegen M. verwiesen, wonach er mit seinem Fahrzeug normal angehalten habe. Allerdings sei maßgeblich, dass er tatsächlich Hilfe geleistet habe, was durch das Aufstellen des Warndreiecks auch der Fall gewesen sei. Selbst wenn nicht nachgewiesen sei, dass er nach Wiederaufsuchen seines Fahrzeugs mit dem Mobiltelefon die Rettungskräfte habe benachrichtigen wollen, so habe er sich dennoch in einem räumlich und zeitlich so engen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Unglücksfall, bei dem er Hilfe geleistet habe, befunden, dass er weiterhin als Unfallhelfer einzustufen sei. Eine irgendwie geartete "Zäsur", die seine Ansprüche entfallen lassen könnte, liege nicht vor. Er habe sich ebenso wie die weiteren Ersthelfer noch im unmittelbaren räumlichen Gefahrenbereich befunden. Er beruft sich auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24.10.2001, L 3 U 54/00, dem seines Erachtens ein gleichgelagerter Sachverhalt zu Grunde liege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 01.02.2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 festzustellen, dass das Ereignis 24.03.2009 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und vertritt die Auffassung, der dem herangezogenen Urteil des Hessischen Landessozialgerichts zu Grunde liegende Sachverhalt sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Akten beider Rechtszüge und die vom Senat beigezogenen Akten des Strafverfahrens gegen den G., einschließlich des unfallanalytischen Gutachtens, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers zu zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, den vom Kläger am 24.03.2009 erlittenen Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Entsprechend kann der Senat der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht stattgeben.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII sind kraft Gesetzes Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Dabei sind Unfälle gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, hierzu sogleich), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Für den Versicherungsschutz muss (hierzu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N.) eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versi¬cherten.

Die für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz kommt in dem von der Recht-sprechung verwendeten Begriff der dem Unternehmen / der versicherten Tätigkeit "dienlichen", "dienenden" oder "zu die¬nen bestimmten" Tätigkeit zum Ausdruck. Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, so genannter eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten, erfolgen. Von der Handlungstendenz ist der subjektive Beweggrund, das heißt die persönliche Motivation für die Tätigkeit, abzugrenzen. Die Annahme einer auf die Belange des Unternehmens / der versicherten Tätigkeit gerichteten Handlungstendenz setzt entsprechend voraus, dass anhand objektiver Kriterien ein nachvoll-ziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen / der versicherten Tätigkeit anzunehmen ist. Wie bei allen anderen Zurechnungsentscheidungen sind für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes alle Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Dies gilt auch für den inneren Zusammenhang und damit die Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 24/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 70). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Zwar erlitt der Kläger am 24.03.2009 einen Unfall. Es handelte sich indessen nicht um einen Arbeitsunfall, weil der Senat nicht feststellen kann, dass der Kläger im Zeitpunkt der Schädigung, hier der Kollision des von G. gelenkten PKW mit seinem Fahrzeug, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Dies geht nach dem dargestellten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.

Ein Unglücksfall in Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII ist ein plötzlich auftretendes Ereignis, das eine Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt. Nach dem Sinn der Regelung setzt deren Anwendung weiter voraus, dass der Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen ist, vielmehr muss zumindest noch der Eintritt weiteren Schadens drohen (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rdnr. 18 m.w.N.). Der Versicherungsschutz besteht nur, solange der Unglücksfall, die Gefahr oder die Not andauert, zu dessen bzw. deren Abwehr gehandelt wird (BSG, a.a.O.).

Zweifellos handelte es sich bei dem von E. am 24.03.2009 auf der Autobahn erlittenen Verkehrsunfall, bei dem sein Fahrzeug auf der rechten Fahrspur quer zur Fahrbahn auf dem Dach liegend zum Stehen kam, um einen Unglücksfall in diesem Sinne. Dieser war zum Zeitpunkt der Verletzung des Klägers auch noch nicht abgeschlossen, wie die dargelegten, sich an den Unfall des E. anschließenden Ereignisse eindrücklich aufzeigen.

Allerdings kann der Senat nicht feststellen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Schädigung noch eine der von § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII geforderten Handlungen - Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten - ausführte.

Grundsätzlich ist dem Kläger zuzugeben, dass das Anhalten eines Unbeteiligten bei einem Unglücksfall im Straßenverkehr die Annahme einer Handlungstendenz zur Hilfeleistung nahelegt. In einem solchen Fall ist der Versicherungsschutz nicht auf die Dauer einer einzelnen Hilfsmaßnahme beschränkt. So hat das BSG bereits entschieden, dass die Vorstellung des Hilfeleistenden genügt, (weiterhin) Hilfe zu leisten und der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen ist, wenn weitere Motive hinzutreten, wie z.B. Erfüllung der Wartepflicht als Unfallbeteiligter, Anerbieten als Zeuge (BSG, Urteil vom 10.10.2001, B 2 U 8/02 R). Der Versicherungsschutz endet auch nicht unmittelbar mit dem Ende der - nach eigener Vorstellung des Unfallhelfers - letzten Hilfsmaßnahme. So steht beispielsweise auch das Verabschieden vom Unfallfahrer noch unter Versicherungsschutz (Urteil vom 30.01.1986, 2 U 19/84 in SozR 2200 § 539 Nr. 116). Für die Beantwortung der Frage, wie weit der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII nach Ende der eigentlichen Hilfeleistung(en) reicht, sind nach neuerer Rechtsprechung die Grundsätze der so genannten besonderen Betriebsgefahr anzuwenden (BSG, Urteil vom 18.11.2008, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen ist der sachliche Zusammenhang entbehrlich, wenn sich spezifische Gefahren, die unabhängig von der ausgeübten Verrichtung und der zu Grunde liegenden Handlungstendenz der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind, verwirklichen (Beispiel, BSG, a.a.O.: der versicherte Arbeitnehmer bleibt zum Frühstück am Arbeitsplatz und wird dort durch die Explosion eines Kessels geschädigt). Dem entsprechend wird das Ende des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII erst dann anzunehmen sein, wenn keine durch die erfolgte bzw. beabsichtigte Hilfeleistung erhöhte Gefahrenlage mehr besteht, der Helfer also in jene Situation zurückkehrt, die ohne Hilfeleistung auch bestehen würde (z.B. Warten im Auto wie alle anderen im Stau befindlichen Verkehrsteilnehmer, bis die Straße wieder befahren werden kann). Indessen bedarf es hier keiner weiteren, exakten Klärung dieser Grenzen.

All dies gilt nämlich dann nicht, wenn außer dem Unfall noch andere Umstände vorliegen, die andere Gründe für das Anhalten an der Unfallstelle nahe legen. Denn dann kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Anhalten und der Aufenthalt an der Unfallstelle durch die Handlungstendenz zur Hilfeleistung geprägt ist. So liegt der Fall hier. Der Kläger war schon rund 250 m vor dem auf dem Dach liegenden Fahrzeug ins Schleudern geraten und - wie sich aus den vorgefundenen Lackspuren ergibt - gegen die Betonmittelleitplanke geprallt, wobei sein Fahrzeug beschädigt wurde. Dieser Hergang, wie der des gesamten Unfallablaufs, steht zur Überzeugung des Senats auf Grund des unfallanalytischen Gutachtes des Dipl.-Ing. K. fest. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass der Kläger allein wegen des eigenen Unfalls anhalten wollte, z.B. um sich seinen Schaden zu besehen, und angesichts der schwierigen Straßenverhältnisse, der Blockierung des rechten Fahrstreifens durch den die Unfallstelle absichernden LKW des B. und nicht adäquater Ausrüstung seines Fahrzeugs mit Sommerreifen mehr oder weniger zufällig zwischen dem LKW und dem auf dem Dach liegenden Fahrzeug zum Halten kam. Hieran ändert die Aussage des Zeugen E., der Kläger habe normal angehalten, nichts. Auch liegen keinerlei Hinweise dafür vor, dass der Kläger ins Schleudern geriet, weil er zur Hilfeleistung anhalten und deshalb abbremsen wollte. Die damals herrschende Dunkelheit und die bestehende große Distanz zum (ersten) Unfallfahrzeug von 250 m sprechend dagegen, dass der Kläger den Unglücksfall schon aus dieser Distanz erkannte bzw. sich zur Hilfeleistung entschloss. So ging Dipl.-Ing. K. für den Unfallfahrer G. erst ab einer Distanz von 200 m zum LKW mit seinen Warnblinkern von einer Wahrnehmung der besonderen Situation aus.

Auch das Verhalten des Klägers unmittelbar nachdem er zum Stehen gekommen war spricht gegen eine Handlungstendenz zur Hilfeleistung. Zwar stieg der Kläger aus seinem PKW aus. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass er sich dann, nach Verlassen seines Fahrzeugs, anschickte, sich um die Gefahrenstelle oder um die Insassen des verunglückten PKW zu kümmern, also Hilfe zu leisten. Eine solche Hilfeleistung bei Unglückshandlungen setzt ein aktives Tun, um Dritte zu schützen, mit diesbezüglicher Handlungstendenz voraus. Die Zeugin K., die den Kläger wegen eines Warndreiecks ansprach, gab hierzu in ihrer polizeilichen Vernehmung (Bl. 34 der Strafakte) an, der Fahrer des vor dem LKW stehenden Fahrzeuges - also der Kläger - sei an der Beifahrerseite seines Fahrzeugs gestanden, sie habe den Eindruck gehabt, er sei sehr ruhig gewesen, was sie überraschte, weil sie angesichts der Beschädigungen an diesem Fahrzeug von einer unmittelbaren Unfallbeteiligung des Klägers ausgegangen war. In ihrer Vernehmung durch das Sozialgericht hat sie angegeben, dem Kläger sei es gut gegangen, er habe seitlich an seinem Auto gelehnt, als sie ihn wegen des Warndreiecks angesprochen habe. Dieses Verhalten des Klägers - neben seinem Fahrzeug stehen - lässt gerade nicht die Annahme zu, der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt eine Handlungstendenz zu Hilfeleistung gehabt.

Dies änderte sich erst, nachdem der Kläger von der Zeugin K. angesprochen worden war. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass der Kläger Hilfe i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII leistete, als er sein Warndreieck aufstellte. Denn dies diente dazu, andere Verkehrsteilnehmer auf die von dem eingetretenen Unglücksfall ausgehenden Gefahren hinzuweisen und diese in die Lage zu versetzen, ihr eigenes Fahrverhalten hierauf einzustellen, um weitere Schäden an Menschen und Sachen zu vermeiden. Allerdings wurde der Kläger bei dieser Hilfeleistung, also dem Aufstellen des Warndreiecks, nicht verletzt. Denn zum Zeitpunkt der Kollision des Fahrzeugs des G. mit jenem des Klägers war der Kläger bereits wieder zu seinem Fahrzeug zurückgekehrt und hielt sich in diesem auf. Die erfolgte konkrete Hilfeleistung "Aufstellen des Warndreiecks" war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Denn sämtliche Teilschritte im Zusammenhang mit dieser Handlung waren im Zeitpunkt der schadenbringenden Kollision durch das Fahrzeug des G. bereits beendet. So hatte der Kläger das Warndreieck seinem Fahrzeug entnommen, dieses aufgeklappt, hatte es zu Fuß zu dem entsprechenden Aufstellort verbracht, dieses dort abgestellt und den Rückweg zu seinem Fahrzeug zurückgelegt und sich bereits in diesem aufgehalten. Damit war der Versicherungsschutz für diese Hilfeleistung abgeschlossen. Denn dieser besteht bei einem Unglücksfall nur so lange zur Abwehr der Gefahr gehandelt wird (BSG, a.a.O.). Aus den bereits dargelegten Grundsätzen der besonderen Betriebsgefahr folgt nichts anderes. Aus der auf das Aufstellen des Warndreiecks begrenzten Handlungstendenz zur Hilfeleistung folgt zugleich das Ende des Versicherungsschutzes auch i.S. der besonderen Betriebsgefahr. Die Hilfeleistung des Klägers nahm ihren Ausgang am schräg auf der rechten Fahrspur zwischen LKW und erstem Unfallfahrzeug zu stehen gekommenen eigenen PKW. Wie ausgeführt war der Kläger nicht - jedenfalls ist dies nicht feststellbar - zum Zwecke der Hilfeleistung in diese gefahrenträchtige Situation gekommen. Mit der Rückkehr zu seinem PKW und damit in die vorbestehende gefahrenträchtige Situation endete die durch die allein feststellbare Hilfeleistung "Aufstellen des Warndreiecks" hervorgerufene besondere Gefährdung. Im Zeitpunkt der Schädigung war der Kläger somit in derselben Gefahrensituation, die schon ohne die Hilfeleistung bestanden hatte. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII bestand deshalb im Zeitpunkt der Verletzung des Klägers nicht mehr.

Deshalb trifft die Einschätzung des Klägers, der folgenschwere Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des G. habe sich in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufstellen des Warndreiecks ereignet, wodurch die Annahme gerechtfertigt sei, die schädigende Einwirkung sei bei einer Hilfeleistung erfolgt, nicht zu. Für eine Hilfeleistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII genügt nicht jegliches Handeln bei einem Unglücksfall, insbesondere nicht der bloße Aufenthalt im Gefahrenbereich eines Unglücksfalls.

Eine weitere Hilfeleistung des Klägers, sei sie bereits begonnen oder jedenfalls beabsichtigt, ist nicht festzustellen. Soweit die Betreuerin des Klägers geltend macht, es sei davon auszugehen, dass er nunmehr versucht habe, über sein Mobiltelefon Hilfe zu holen, hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Geschehensablauf rein spekulativ ist. Denn die zur Begründung dieses Geschehensablaufs herangezogenen Umstände bieten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Absicht des Klägers. So rechtfertigt weder der Umstand, dass die Rettungskräfte den Rucksack des Klägers, in dem sich das Mobiltelefon befand, teilweise geöffnet vorfanden, die Annahme einer derartigen Absicht noch die Tatsache, dass der Kläger stets zuverlässig und hilfsbereit war. Denn es ist auch ohne weiteres denkbar, dass der Kläger, nachdem er das Warndreieck aufgestellt hatte, selbst keinerlei Veranlassung sah, telefonisch Rettungskräfte oder die Polizei zu verständigen, weil er annahm, die an der Unfallstelle befindlichen Personen (vier Personen aus dem Unfallfahrzeug des E. sowie B. und K.) hätten entsprechende Maßnahmen bereits ergriffen, was tatsächlich auch der Fall war.

Auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts kann sich der Kläger nicht berufen. Insoweit hat die Beklagte vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt, der jenem Verfahren zugrunde lag, mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. In jenem Verfahren hielt sich der verunglückte Unfallhelfer zum Zeitpunkt seiner Schädigung bei dem zuvor verunglückten Unfallbeteiligten auf und erbrachte Hilfe- bzw. Beistandsleistungen in Form seiner persönlichen Anwesenheit und durch Zureden. Das Hessische Landessozialgericht ging daher - vom BSG bestätigt (Urteil vom 10.10.2002, a.a.O.) und auch aus Sicht des Senats zutreffend - davon aus, dass die Hilfeleistung des verunglückten Unfallhelfers zum Zeitpunkt seiner Schädigung noch andauerte, mithin - anders als beim Kläger - noch nicht abgeschlossen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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