Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3296/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3587/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.05.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit abschlagsfrei zu gewähren hat.
Der geborene Kläger legte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben am 30.06.2009 insgesamt 579 Monate Pflichtbeitragszeiten (48 Jahre, drei Monate) zurück. Mit seinem letzten Arbeitgeber, der Fa. S. VDO A. SG, schloss er im Dezember 2003 aufgrund des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand eine Teilzeitvereinbarung, wonach sich an die Arbeitsphase vom 01.07.2004 bis 31.12.2006 eine Freistellungsphase vom 01.01.2007 bis 30.06.2009 anschloss.
Am 29.01.2009 beantragte der Kläger, ihm ab 01.07.2009 Altersrente zu gewähren und machte geltend, nach mehr als 47 Jahren Beitragszahlung sei ihm die Rente abschlagsfrei zu zahlen.
Mit Bescheid vom 29.04.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 01.07.2009 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Alterszeit in Höhe von monatlich 1.611,67 EUR (brutto). Bei der Rentenberechnung verminderte sie den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,000 für jeden Kalendermonat, für den er die Rente vorzeitig in Anspruch nahm, um 0,003, damit für insgesamt 32 Kalendermonate um 0,096 und berücksichtigte bei der Rentenberechnung einen Zugangsfaktor von 0,904. Ausgehend von den ermittelten Entgeltpunkten im Umfang von 65,5447 legte sie der Rentenberechnung danach 59,2524 (65,5447 x 0,904) persönliche Entgeltpunkte zugrunde. Den u.a. mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, nach einer lückenlosen Beitragszahlung von mehr als 47 Jahren fordere er eine abschlagsfreie Rente, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2009 u.a. unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.11.2008 (gemeint: 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 in SozR 4-2600 § 237 Nr. 16) mit der Begründung zurück, sowohl die dauerhafte Minderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente als auch die Begünstigung von Versicherten, die vor 1942 geboren sind und 45 Pflichtbeitragsjahre haben, sei verfassungsgemäß.
Am 21.09.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er habe Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente. Über einen Zeitraum von mehr als 47 Jahren habe er lückenlos Beiträge entrichtet, weshalb die vorgenommenen Abschläge nicht gerechtfertigt seien. Die Regelungen der §§ 36, 38, 77 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 sowie 237 Abs. 1 und 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da er trotz Erbringung von mehr als 45 Beitragsjahren vor Vollendung des 65. Lebensjahres von einem abschlagsfreien Rentenbezug ausgeschlossen sei. Diese Ungleichbehandlung mit Rentenbeziehern, die vor 1941 geboren seien, sei nicht zu rechtfertigen. Er sei zudem in seiner Menschenwürde verletzt, da ihm eine unzumutbare Lebensarbeitsleistung aufgezwungen werde. Zudem greife die Anhebung der Altersgrenze auf mehr als 60 Jahre unverhältnismäßig in die von ihm erworbenen Anwartschaften ein, weshalb auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sei. Die angegriffenen Vorschriften könnten keinesfalls aufgrund ihres Einsparungseffekts gerechtfertigt werden; sie stellten einen Akt gesetzgeberischer Willkür zu Lasten der Versicherten dar.
Mit Urteil vom 20.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die der Rentenberechnung des Klägers zugrundeliegenden Regelungen Verfassungsrecht nicht verletzten.
Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, auf ihn sei nicht § 236 Abs. 3 SGB VI, sondern vielmehr § 237 Abs. 5 SGB VI anwendbar. Allerdings könne der Zugangsfaktor nicht dauerhaft gemindert sein. Dies verstoße gegen Verfassungsrecht. Zwar habe das BVerfG in seinem Beschluss vom 11.11.2008 die Vereinbarkeit des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (richtig: 3) SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG bestätigt, jedoch habe auch er diese geforderte Anzahl von Pflichtbeitragsjahren entrichtet und ihm werde die Begünstigung gleichwohl verwehrt, weil er nach dem 31.12.1941 geboren sei. Bei Ableistung der geforderten Pflichtbeitragsjahre sei eine Gleichbehandlung unabhängig vom Geburtsjahr vorzunehmen. Das SG habe zudem die individuellen Einzelheiten seines Falles nicht berücksichtigt, wie seine besondere Arbeitsbelastung mit bis zu drei Nebenjobs, um seinen beiden Söhnen ein akademisches Studium zu ermöglichen, sowie seine Ehrenämter. Auch sei aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die früher gültig gewesene Regelung, die eine abschlagsfreie Rente ermögliche, anzuwenden, zumal ihn die Abzüge im Vergleich zu den Leistungen, die er für die Solidargemeinschaft erbracht habe, unangemessen belasteten. Auch im Vergleich mit anderen europäischen Versicherten sei er benachteiligt, nachdem beispielsweise einem Rentner in Italien schon nach 38 Beitragsjahren volle Rente gewährt werde. Eine Ungleichbehandlung sieht der Kläger weiter darin, dass bestimmte Berufsgruppen in eigene Rentensysteme eingegliedert seien und die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten nicht mitfinanzierten, was in abgewandelter Form auch auf die Gruppe der Beamten zutreffe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.05.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2009 zu verurteilen, ihm höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2009 der Berechnung der dem Kläger bewilligten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit einen auf 0,904 geminderten Zugangsfaktor zugrundegelegt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Altersrente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1.
Die Höhe der Altersrente des Klägers bestimmt sich nach den Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI. Danach richtet sich die Höhe der Rente zunächst nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 64 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn vervielfältigt werden.
Der Zugangsfaktor richtet sich gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Regelung ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkte einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnt, 1,0; bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist er für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (Nr. 2 Buchst. a).
Auf dieser Grundlage hat die Beklagte der Rentenberechnung zutreffend einen auf 0,904 geminderten Zugangsfaktor zugrundegelegt. Der Kläger hat die bewilligte Rente im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nämlich nicht mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für ihn maßgebenden niedrigeren Rentenalters in Anspruch genommen, was die Zugrundelegung des Zugangsfaktors von 1,0 erlaubt hätte, sondern im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI vorzeitig.
Ausgangspunkt der Prüfung der Altersgrenze ist die von der Beklagten dem Kläger antragsgemäß und bestandskräftig bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Damit ist für die Frage der Altersgrenze und davon abhängig die Frage der vorzeitigen Inanspruchnahme allein auf § 237 SGB VI abzustellen, der die Voraussetzungen dieser Rentenart regelt. Der Kläger weist deshalb zutreffend darauf hin, dass das Sozialgericht insoweit zu Unrecht auf § 236 SGB VI abgestellt hat, der die Altersrente für langjährig Versicherte regelt. Indessen ergibt sich hieraus kein anderes Ergebnis.
Die für den Kläger maßgebliche Altersgrenze von 65 Lebensjahren ergibt sich aus § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19. Diese Vorschrift regelt die stufenweise Anhebung der eigentlichen Altersgrenze von 60 Jahren (Abs. 1 der Regelung) bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind. Aufgrund des Geburtsmonats des Klägers Februar 1947 weist die Anlage 19 eine für diesen gültige Altersgrenze von 65 Jahren aus. Die Richtigkeit der danach von der Beklagten zugrundegelegten Altersgrenze hat der Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Gleichermaßen nicht beanstandet hat er, dass er die Altersrente mit ihrer Inanspruchnahme ab 01.07.2009 somit insgesamt 32 Monate vorzeitig in Anspruch genommen hat. Der Kläger rügt demgegenüber ausschließlich, dass er bei einer solchen vorzeitigen Inanspruchnahme gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI Abschläge in Form einer Minderung des Zugangsfaktors von 32 x 0,003, mithin 0,096 in Kauf zu nehmen hat, so dass sich ein Zugangsfaktor von 0,904 errechnet.
Die Möglichkeit, im Falle des Klägers von einer Anwendung dieser Regelung abzusehen, sieht das Gesetz nicht vor. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hat der Kläger auch nicht bezeichnet. Er macht demgegenüber im Wesentlichen eine Ungleichbehandlung mit Versicherten geltend, die in den Anwendungsbereich des § 237 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI fallen, und damit einen Verstoß gegen Art 3 GG.
Die Regelung des § 237 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI stellt eine Ausnahmevorschrift zu der oben dargestellten, die stufenweise Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit regelnden Norm des § 237 Abs. 3 SG&61506; VI dar. Danach wird die Altersgrenze von 60 Jahren für Versicherte, die vor dem 01.01.1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, stufenweise lediglich auf das Alter 60 Jahre und 10 Monate angehoben. Hierbei handelt es sich um eine Begünstigung der bei Inkrafttreten der Vorschrift rentennahen Versichertenjahrgänge, in dessen Genuss der Kläger, der mehr als fünf Jahre nach dem genannten Stichtag geboren ist, nicht mehr kommt. Dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung, die lediglich die rentennahen Jahrgänge der langjährig Versicherten mit zumindest 45 Pflichtbeitragsjahren begünstigt, nicht aber später Geborene, die ebenfalls entsprechende Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt haben, stellt keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht dar. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 11.11.2008 (a.a.O.) ausführlich dargelegt und begründet. Dabei hat es insbesondere auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet war, sämtliche Versicherte mit mehr als 45 Jahren Pflichtbeitragszeiten insoweit zu begünstigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Eine für sich günstigere Entscheidung kann der Kläger daher auch aus dieser Regelung nicht herleiten.
Letztlich rechtfertigen auch die vom Kläger geltend gemachten individuellen Besonderheiten keine andere Beurteilung. Denn für die Bemessung des Zugangsfaktors ist weder die Lebens- oder Familienleistung des Versicherten maßgeblich noch die Anzahl der Beitragsjahre. Ebenso wenig kann der Kläger aus Regelungen anderer EU-Länder, die Existenz anderer Rentensysteme oder aus Gründen, wie sie zuletzt vom Kläger im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14.09.2011 geltend gemacht wurden, eine höhere Altersrente herleiten. Die zum Ausdruck kommende Unzufriedenheit des Klägers mit dem geltenden Recht, berechtigt weder die Beklagte noch das Gericht im Einzelfall des Klägers von seiner Anwendung abzusehen.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben kann, ist diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit abschlagsfrei zu gewähren hat.
Der geborene Kläger legte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben am 30.06.2009 insgesamt 579 Monate Pflichtbeitragszeiten (48 Jahre, drei Monate) zurück. Mit seinem letzten Arbeitgeber, der Fa. S. VDO A. SG, schloss er im Dezember 2003 aufgrund des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand eine Teilzeitvereinbarung, wonach sich an die Arbeitsphase vom 01.07.2004 bis 31.12.2006 eine Freistellungsphase vom 01.01.2007 bis 30.06.2009 anschloss.
Am 29.01.2009 beantragte der Kläger, ihm ab 01.07.2009 Altersrente zu gewähren und machte geltend, nach mehr als 47 Jahren Beitragszahlung sei ihm die Rente abschlagsfrei zu zahlen.
Mit Bescheid vom 29.04.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 01.07.2009 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Alterszeit in Höhe von monatlich 1.611,67 EUR (brutto). Bei der Rentenberechnung verminderte sie den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,000 für jeden Kalendermonat, für den er die Rente vorzeitig in Anspruch nahm, um 0,003, damit für insgesamt 32 Kalendermonate um 0,096 und berücksichtigte bei der Rentenberechnung einen Zugangsfaktor von 0,904. Ausgehend von den ermittelten Entgeltpunkten im Umfang von 65,5447 legte sie der Rentenberechnung danach 59,2524 (65,5447 x 0,904) persönliche Entgeltpunkte zugrunde. Den u.a. mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, nach einer lückenlosen Beitragszahlung von mehr als 47 Jahren fordere er eine abschlagsfreie Rente, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2009 u.a. unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.11.2008 (gemeint: 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 in SozR 4-2600 § 237 Nr. 16) mit der Begründung zurück, sowohl die dauerhafte Minderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente als auch die Begünstigung von Versicherten, die vor 1942 geboren sind und 45 Pflichtbeitragsjahre haben, sei verfassungsgemäß.
Am 21.09.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er habe Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente. Über einen Zeitraum von mehr als 47 Jahren habe er lückenlos Beiträge entrichtet, weshalb die vorgenommenen Abschläge nicht gerechtfertigt seien. Die Regelungen der §§ 36, 38, 77 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 sowie 237 Abs. 1 und 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da er trotz Erbringung von mehr als 45 Beitragsjahren vor Vollendung des 65. Lebensjahres von einem abschlagsfreien Rentenbezug ausgeschlossen sei. Diese Ungleichbehandlung mit Rentenbeziehern, die vor 1941 geboren seien, sei nicht zu rechtfertigen. Er sei zudem in seiner Menschenwürde verletzt, da ihm eine unzumutbare Lebensarbeitsleistung aufgezwungen werde. Zudem greife die Anhebung der Altersgrenze auf mehr als 60 Jahre unverhältnismäßig in die von ihm erworbenen Anwartschaften ein, weshalb auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sei. Die angegriffenen Vorschriften könnten keinesfalls aufgrund ihres Einsparungseffekts gerechtfertigt werden; sie stellten einen Akt gesetzgeberischer Willkür zu Lasten der Versicherten dar.
Mit Urteil vom 20.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die der Rentenberechnung des Klägers zugrundeliegenden Regelungen Verfassungsrecht nicht verletzten.
Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, auf ihn sei nicht § 236 Abs. 3 SGB VI, sondern vielmehr § 237 Abs. 5 SGB VI anwendbar. Allerdings könne der Zugangsfaktor nicht dauerhaft gemindert sein. Dies verstoße gegen Verfassungsrecht. Zwar habe das BVerfG in seinem Beschluss vom 11.11.2008 die Vereinbarkeit des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (richtig: 3) SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG bestätigt, jedoch habe auch er diese geforderte Anzahl von Pflichtbeitragsjahren entrichtet und ihm werde die Begünstigung gleichwohl verwehrt, weil er nach dem 31.12.1941 geboren sei. Bei Ableistung der geforderten Pflichtbeitragsjahre sei eine Gleichbehandlung unabhängig vom Geburtsjahr vorzunehmen. Das SG habe zudem die individuellen Einzelheiten seines Falles nicht berücksichtigt, wie seine besondere Arbeitsbelastung mit bis zu drei Nebenjobs, um seinen beiden Söhnen ein akademisches Studium zu ermöglichen, sowie seine Ehrenämter. Auch sei aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die früher gültig gewesene Regelung, die eine abschlagsfreie Rente ermögliche, anzuwenden, zumal ihn die Abzüge im Vergleich zu den Leistungen, die er für die Solidargemeinschaft erbracht habe, unangemessen belasteten. Auch im Vergleich mit anderen europäischen Versicherten sei er benachteiligt, nachdem beispielsweise einem Rentner in Italien schon nach 38 Beitragsjahren volle Rente gewährt werde. Eine Ungleichbehandlung sieht der Kläger weiter darin, dass bestimmte Berufsgruppen in eigene Rentensysteme eingegliedert seien und die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten nicht mitfinanzierten, was in abgewandelter Form auch auf die Gruppe der Beamten zutreffe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.05.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2009 zu verurteilen, ihm höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2009 der Berechnung der dem Kläger bewilligten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit einen auf 0,904 geminderten Zugangsfaktor zugrundegelegt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Altersrente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1.
Die Höhe der Altersrente des Klägers bestimmt sich nach den Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI. Danach richtet sich die Höhe der Rente zunächst nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 64 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn vervielfältigt werden.
Der Zugangsfaktor richtet sich gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Regelung ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkte einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnt, 1,0; bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist er für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (Nr. 2 Buchst. a).
Auf dieser Grundlage hat die Beklagte der Rentenberechnung zutreffend einen auf 0,904 geminderten Zugangsfaktor zugrundegelegt. Der Kläger hat die bewilligte Rente im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nämlich nicht mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für ihn maßgebenden niedrigeren Rentenalters in Anspruch genommen, was die Zugrundelegung des Zugangsfaktors von 1,0 erlaubt hätte, sondern im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI vorzeitig.
Ausgangspunkt der Prüfung der Altersgrenze ist die von der Beklagten dem Kläger antragsgemäß und bestandskräftig bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Damit ist für die Frage der Altersgrenze und davon abhängig die Frage der vorzeitigen Inanspruchnahme allein auf § 237 SGB VI abzustellen, der die Voraussetzungen dieser Rentenart regelt. Der Kläger weist deshalb zutreffend darauf hin, dass das Sozialgericht insoweit zu Unrecht auf § 236 SGB VI abgestellt hat, der die Altersrente für langjährig Versicherte regelt. Indessen ergibt sich hieraus kein anderes Ergebnis.
Die für den Kläger maßgebliche Altersgrenze von 65 Lebensjahren ergibt sich aus § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19. Diese Vorschrift regelt die stufenweise Anhebung der eigentlichen Altersgrenze von 60 Jahren (Abs. 1 der Regelung) bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind. Aufgrund des Geburtsmonats des Klägers Februar 1947 weist die Anlage 19 eine für diesen gültige Altersgrenze von 65 Jahren aus. Die Richtigkeit der danach von der Beklagten zugrundegelegten Altersgrenze hat der Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Gleichermaßen nicht beanstandet hat er, dass er die Altersrente mit ihrer Inanspruchnahme ab 01.07.2009 somit insgesamt 32 Monate vorzeitig in Anspruch genommen hat. Der Kläger rügt demgegenüber ausschließlich, dass er bei einer solchen vorzeitigen Inanspruchnahme gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI Abschläge in Form einer Minderung des Zugangsfaktors von 32 x 0,003, mithin 0,096 in Kauf zu nehmen hat, so dass sich ein Zugangsfaktor von 0,904 errechnet.
Die Möglichkeit, im Falle des Klägers von einer Anwendung dieser Regelung abzusehen, sieht das Gesetz nicht vor. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hat der Kläger auch nicht bezeichnet. Er macht demgegenüber im Wesentlichen eine Ungleichbehandlung mit Versicherten geltend, die in den Anwendungsbereich des § 237 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI fallen, und damit einen Verstoß gegen Art 3 GG.
Die Regelung des § 237 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI stellt eine Ausnahmevorschrift zu der oben dargestellten, die stufenweise Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit regelnden Norm des § 237 Abs. 3 SG&61506; VI dar. Danach wird die Altersgrenze von 60 Jahren für Versicherte, die vor dem 01.01.1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, stufenweise lediglich auf das Alter 60 Jahre und 10 Monate angehoben. Hierbei handelt es sich um eine Begünstigung der bei Inkrafttreten der Vorschrift rentennahen Versichertenjahrgänge, in dessen Genuss der Kläger, der mehr als fünf Jahre nach dem genannten Stichtag geboren ist, nicht mehr kommt. Dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung, die lediglich die rentennahen Jahrgänge der langjährig Versicherten mit zumindest 45 Pflichtbeitragsjahren begünstigt, nicht aber später Geborene, die ebenfalls entsprechende Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt haben, stellt keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht dar. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 11.11.2008 (a.a.O.) ausführlich dargelegt und begründet. Dabei hat es insbesondere auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet war, sämtliche Versicherte mit mehr als 45 Jahren Pflichtbeitragszeiten insoweit zu begünstigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Eine für sich günstigere Entscheidung kann der Kläger daher auch aus dieser Regelung nicht herleiten.
Letztlich rechtfertigen auch die vom Kläger geltend gemachten individuellen Besonderheiten keine andere Beurteilung. Denn für die Bemessung des Zugangsfaktors ist weder die Lebens- oder Familienleistung des Versicherten maßgeblich noch die Anzahl der Beitragsjahre. Ebenso wenig kann der Kläger aus Regelungen anderer EU-Länder, die Existenz anderer Rentensysteme oder aus Gründen, wie sie zuletzt vom Kläger im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14.09.2011 geltend gemacht wurden, eine höhere Altersrente herleiten. Die zum Ausdruck kommende Unzufriedenheit des Klägers mit dem geltenden Recht, berechtigt weder die Beklagte noch das Gericht im Einzelfall des Klägers von seiner Anwendung abzusehen.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben kann, ist diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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