L 11 R 3599/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 643/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3599/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Die 1966 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie erlernte nach ihren eigenen Angaben bei Rentenantragstellung keinen Beruf und war zuletzt von 1985 bis Oktober 2005 als Telefonistin versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund einer sich anschließenden Arbeitsunfähigkeit bezog sie zunächst ab 26. April 2006 Krankengeld und im Zeitraum vom 12. April 2007 bis 11. April 2008 Arbeitslosengeld I. Seither bezieht sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 ist seit März 2007 anerkannt (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21. August 2008, Az: 05/31/096873).

Am 31. August 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Vom 13. Februar bis 13. März 2007 nahm sie an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der A.klinik, Fachklinik für konservative Orthopädie und Rheumatologie, in I.-N. teil. Der leitende Arzt Dr. Z., der Orthopäde Dr. M. und die Stationsärztin Dr. Sch. gaben im Entlassungsbericht vom 14. März 2007 an, die Klägerin leide an einem chronisch zervikalen Schmerzsyndrom mit Cervicocephalgie, deutlicher muskulärer Dysbalance und Fehlstatik, einem chronischen Lumbalsyndrom bei muskulärer Dysbalance und Fehlstatik sowie einer anhaltend somatoformen Schmerzstörung. Hieraus resultierend, könne sie sowohl ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als technische Angestellte als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Mit Bescheid vom 26. April 2007 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Mai 2007 Widerspruch und trug zur Begründung vor, sie sei arbeitsfähig aus der Reha-Klinik entlassen worden, allerdings sei ihr ein Tätigwerden im zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr möglich. Sie sei verpflichtet, eine Tätigkeit im ständigen Sitzen auszuüben. Dies entspreche nicht ihrem positiven Leistungsbild. Im Übrigen sei bereits aus dem ihr zuerkannten GdB zu erkennen, dass ihr eine Berufstätigkeit nicht mehr zumutbar sei. Die Beklagte zog zunächst Befundberichte des die Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. O. vom 4. Juli 2007 sowie des Ärztlichen Direktors der Orthopädischen Universitätsklinik Prof. Dr. W. vom 5. Juli 2007 bei und veranlasste im Anschluss daran die Einholung eines orthopädisch-rheumatologischen sowie eines neurologischen Sachverständigengutachtens. Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. H. legte in seinem Gutachten vom 26. September 2007 dar, die Klägerin leide an einem chronisch somatoformen Schmerzsyndrom mit Zerviko-Cephalgie und Lumbalgie, an Knick-Senk-Spreizfüßen sowie einem Zustand nach operativer Entfernung eines subkutanen Weichteiltumors am linken Oberarm im September 2007. Aus orthopädischer Sicht sei die Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als technische Angestellte noch vollschichtig leistungsfähig. Dies gelte auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Eine Fixierung auf eine Teilinvalidierung scheine das Beschwerdebild zu manifestieren. Der Facharzt für Neurologie Dr. P. führte in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2007 aus, die Klägerin leide an Kopfschmerzen vom Spannungstyp sowie einem chronischen HWS- und LWS-Syndrom ohne neurologische Defizite. Insbesondere ergäben sich keine Hinweise auf eine radikuläre Ausfallsymptomatik. Bei wechselnder Innovation werde eine Schwäche im Bereich des gesamten linken Armes ohne sichere Hinweise auf umschriebene Paresen demonstriert. Im Ergebnis könne die Klägerin sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Telefonistin als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen sowie in Tages- und Früh-/Spätschicht 6 Stunden und mehr täglich ausüben. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Hinweis auf die Gutachtensergebnisse von Dr. H. und Dr. P. zurück.

Die Klägerin hat am 18. Februar 2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe die bei ihr vorhandenen Leistungsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Auch entsprächen die an ihrem Arbeitsplatz vorhandenen Bedingungen nicht ihrem Restleistungsprofil. Sie habe lediglich im Sitzen gearbeitet, was zu einer erheblichen Belastung und in der Folge entstanden Erkrankungen des Bewegungs- und Haltungsapparates geführt habe. Auch müsse sie sich zum Tragen schwerer Gegenstände der Hilfe der Nachbarschaft bedienen. Die eingeholten Gutachten hätten ein zu positives Bild von ihrem Gesundheitszustand gezeichnet. Aufgrund ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen sei sie auch in ihrem normalen Tagesablauf derart eingeschränkt, dass sie regelmäßig vorzeitig ermüde. Aufgrund ihrer Laktoseintoleranz müsse sie betriebsunübliche Pausen einhalten. Im Übrigen habe sich die Tumorsituation im linken Ellenbogen wieder verschlechtert, sodass ein weiterer Eingriff bevorstehe.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Prof. Dr. W. hat mitgeteilt (Auskunft vom 30. Juli 2008), die Klägerin leide an chronisch rezidivierenden Cervalgien mit Spannungskopfschmerzen sowie an einer persistierenden Schwellung und lokaler Druckschmerzhaftigkeit am linken distalen Oberarm bei Zustand nach Exzisionsbiopsie eines subkutanen Tumors am linken Oberarm im September 2007 (sonografisch bestehe kein Anhalt für einen Rezidiv-Tumor) sowie einer Impingementsymptomatik beider Schultern (ohne Nachweis einer Ruptur). Ferner leide sie an chronischen Lumboischialgien beidseits mit rezidivierenden Kribbelparestäsien im Bereich beider Beine und wiederkehrendem Schwächegefühl. Aufgrund der erhobenen Befunde bestünden keine Bedenken gegen eine mindestens sechsstündige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Allgemeinmediziner Dr. M. hat dargelegt, bei der Klägerin bestehe eine Schmerzchronifizierungsstörung, eine chronische Lumboischialgie sowie ein chronisches HWS-Syndrom. Im Laufe der Behandlung sei keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand festgestellt worden. Es werde lediglich eine Schmerzbehandlung durchgeführt. Eine anhaltende Änderung sei jedoch nicht erreicht worden. Zur abschließenden Beurteilung der Leistungsfähigkeit müsse eine Fachbegutachtung durchgeführt werden (Auskunft vom 25. August 2008). Der Allgemeinmediziner Dr. O., der bei der Klägerin eine chronische Hämaturie mit rezidivierenden Unterbauchkoliken, ein Reizdarmsyndrom mit schmerzhaften Krampfzuständen im gesamten Abdomen, eine Laktoseintoleranz sowie ein somatoformes Schmerzsyndrom und ein Asthma bronchiale mit chronischer Bronchitis festgestellt hat, hält die Klägerin lediglich für in der Lage, eine Halbtagstätigkeit auszuüben (Auskunft vom 25. August 2008). In ihrer Sachverständigenzeugenauskunft vom 5. Dezember 2008 hat die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit festgestellt; möglicherweise ergäben sich aufgrund der angegebenen Schmerzsymptomatik Anhaltspunkte für eine akute Arbeitsunfähigkeit bis zur Besserung der Beschwerden.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2009, dem Klägerbevollmächtigten am 14. Juli 2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, da sie noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus den bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. P ... Der Gesundheitszustand der Klägerin sei maßgeblich durch Leiden auf orthopädischem Fachgebiet geprägt. Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. H. habe der Klägerin diesbezüglich ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert. Dieses Ergebnis werde gestützt durch den ärztlichen Entlassungsbericht der A.klinik wie auch durch die Sachverständigenzeugenauskunft von Prof. Dr. W. Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lägen keine tragenden abweichenden Leistungsbeurteilungen vor. Die die Klägerin behandelnde Nervenfachärztin Dr. B. habe insoweit lediglich eine Behandlung im Dezember 2008 angegeben, woraus das SG auf einen nicht wesentlichen maßgeblichen Leistungsdruck geschlossen hat. Auch das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten von Dr. P. spreche nicht für das Vorliegen maßgeblicher quantitativer Einschränkungen des Leistungsvermögens. Aus der Feststellung eines GdB von 40 ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Dieser lasse keinen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu. Die Auswirkungen der Laktoseintoleranz könnten zB durch Umstellung der Ernährung auf milchzuckerarme bzw -freie Kost auf ein Minimum reduziert werden. Von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen könne nicht ausgegangen werden. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da die Klägerin nach dem 2. Januar 1961 geboren sei und daher die Voraussetzungen des § 240 Abs 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfülle.

Die Klägerin hat am 10. August 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, das SG habe sich fälschlicherweise auf die Gutachten von Dr. H. und Dr. P. sowie die sachverständige Zeugenauskunft von Prof. Dr. W. gestützt. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe. Lediglich Dr. O., der sie über Jahre hinweg ganzheitlich betreut habe, schildere ein überzeugendes Gesamtergebnis, wonach sie lediglich eine Halbtagstätigkeit ausüben könne. Insbesondere müsse auch die Laktoseintoleranz als leistungseinschränkend betrachtet werden, da sie sich eine Umstellung auf laktosearme bzw -freie Kost aufgrund ihrer finanziellen und persönlichen Situation gegenwärtig nicht leisten könne. Aufgrund des im Schwerbehindertenverfahren vor dem SG erstellten chirurgisch-orthopädischen Gutachtens von Dr. A. vom 8. Juli 2009 seien St.ere Funktionseinbußen belegt, die auf eine erhebliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit schließen ließen. Ferner habe die bei ihr im Juni 2009 aufgetretene Herpesinfektion im Bereich der Ohrmuschel chronische Nervenschmerzen ausgelöst worden. Durch die Entfernung der Lymphknotenschwellungen, die sich als gutartiger Tumor herausgestellt hätten, hätten Nerven durchgetrennt werden müssen. Dadurch sei auf der rechten Halbseite ein Taubheitsgefühl entstanden, das zu Schluckbeschwerden geführt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Juli 2009 sowie den Bescheid vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweise Erwerbsminderung ab 1. August 2006 zu gewähren,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Insbesondere sei die Herpesinfektion an der rechten Ohrmuschel zwar eine schmerzhafte virale Erkrankung, jedoch behandelbar. Aufgrund der Lymphknotenschwellung sei die Klägerin im September 2009 an der Halsseite operiert worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass ein gutartiges Hämangiom (so genannter Blutschwamm) vorgelegen habe. Auch befinde sich die Klägerin aufgrund der bestehenden Schmerzsymptomatik weiterhin in schmerztherapeutischer Behandlung. Eine andauernde Leistungsminderung könne anhand des Verlaufs und der schon eingetretenen Besserung nicht attestiert werden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Die Ärztin für HNO-Heilkunde, Naturheilverfahren und Allergologie Dr. He. hat in ihrer Auskunft vom 2. November 2009 auf die Beschwerdesymptomatik durch Herpesbläschen an der Ohrmuschel rechts hingewiesen. Im Juni 2009 sei eine antivirale Therapie mit Aciclovir und eine rheologische Therapie durchgeführt worden. Wegen der starken Schmerzsymptomatik sei anschließend eine Schmerzbehandlung erfolgt. Eine Lymphknotenschwellung unterhalb des Unterkiefers habe im September 2009 eine Operation erforderlich gemacht. Die histologische Untersuchung habe ein kavernöses Hämangiom und unauffällige Lymphknoten ergeben. Seit dieser Herpesinfektion bestehe eine verSt.te Schmerzsymptomatik, weshalb regelmäßige Schmerzbehandlungen notwendig seien. Außerdem liege noch eine Weichteilschwellung im Operationsgebiet vor. Ferner bestünden die bekannten Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Unter Berücksichtigung der inhalativen Allergien, der Nahrungsmittelintoleranz und des Asthma bronchiale seien auch nur leichte kurzzeitige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich. Der Facharzt für Anästhesie Dr. L., bei dem sich der Klägerin seit Juni 2009 in schmerztherapeutischer Behandlung wegen ihres chronisch zerviko-lumbalen Schmerzsyndroms und ihrer Gürtelrose rechts befindet, hat in seiner Auskunft vom 13. November 2009 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe aufgrund der Schmerzsymptomatik eine deutlich herabgesetzte Leistungsfähigkeit. Nicht absehbar sei, ob sich das Krankheitsbild bei fortgesetzter konservativer Therapie verbessere und wann dies der Fall sein werde.

Schließlich hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. St. nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie eines Gutachtens auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L ... Dr. St. hat in seinem Gutachten vom 20. Oktober 2010 ausgeführt, die Klägerin leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Körperliche Einschränkungen seien nicht feststellbar gewesen. Im Rahmen der Anamnese hat er dargelegt, die Gestik der Klägerin sei stets situationsartig adäquat und rege gewesen. Sie berichte mit normal lauter und unauffällig modulierter Stimme. Sie sitze durchgängig locker und entspannt, setze sich nie um und sie stehe nie auf. Im Gespräch falle auf, dass die Beschwerdeangaben und Schmerzlokalisationen stets diffus, ungenau und wechselnd seien, wenn nachgefragt werde. Themenabhängig sei die Klägerin leicht bedrückt, keinesfalls niedergeschlagen oder durchgängig deprimiert. Das affektive Schwingungsvermögen sei erhalten. Sie habe ein körperliches Krankheitsgefühl, das sie demonstrativ und beschwerdebetonend, überspitzt darstelle (aggraviere), mit diffusen, ungenauen Schmerzangaben und einem krassen Gegensatz zwischen der Angabe heftigster Schmerzen und der Beobachtung von Körperhaltung, Mimik und Gestik sowie der Angabe, keinesfalls lange sitzen zu können einerseits und der langen, entspannten und gelösten Sitzhaltung im Gespräch andererseits. Insgesamt ergebe sich das Bild einer deutlichen Beschwerdeaggravation vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens. Es erfolge keine hoch dosierte oder durchgängige Schmerzbehandlung, wenngleich die Klägerin immer wieder Behandlungen auch mit Spritzen bei ihrem Hausarzt nachsuche. Zu keinem Zeitpunkt habe sie leidend oder schmerzgeplagt gewirkt. Die Gesamtdauer der Begutachtung habe anderthalb Stunden betragen. Bei der körperlichen Untersuchung seien darüber hinaus Störungen und Einschränkungen demonstrativ vorgetäuscht worden. Es sei dann auch keinerlei Mitarbeit erfolgt. Auch seien Lähmungen demonstriert worden, während die entsprechenden Muskeln bei der Beobachtung beim Gehen völlig ungehindert hätten eingesetzt werden können. Die Klägerin sei durchaus in der Lage, eine eigene Willensanspannung aufzubringen, um trotz der subjektiv empfundenen, in ihrem Schweregrad zu relativierenden Schmerzen und Beschwerden, einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an 5 Tagen in der Woche nachzugehen.

Dem ist die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichts von Dr. Pu. vom 15. November 2010 (Nachfolger des verstorbenen Dr. O.) entgegen getreten.

Dr. L. hat in seinem Gutachten vom 3. Juni 2011 dargelegt, die Klägerin leide an einer Multisystemerkrankung vom Typ der Mitrochondropathie, die durch eine HWS-Gefügestörung nach einem Verkehrsunfall im Jahre 1987 ausgelöst oder zumindest deutlich verschlechtert worden sein dürfte. Eine Mitrochondropathie sei eine Beeinträchtigung, Schädigung oder Substratminderversorgung der Mitrochondrien. Die Gesamtheit der sehr unterschiedlichen und über mehrere Organsysteme greifenden Symptome könnte im Sinne einer systemischen Beeinträchtigung und/oder Schädigung der Mitrochondrien gewertet und damit erst verständlich gemacht werden. Hieraus resultierend reiche die Belastungsfähigkeit der Klägerin je nach Tagesform und mitrochondrialer Stresssituation 2 bis 4 Stunden täglich. Über diese Zeitspanne hinaus sei die mitrochondriale Leistungsfähigkeit erschöpft. Die deckungsgleichen Angaben der Klägerin seien insoweit glaubwürdig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 2, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder ab dem 1. August 2006 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (auch nicht bei Berufsunfähigkeit), da sie noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs 1 SGB VI).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies hat auch die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung bestätigt. Der Senat nimmt deshalb auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass diese bestätigt haben, dass die Klägerin noch in der Lage ist, unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten.

Der Senat stützt sich hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin insoweit auf das Gutachten des Dr. St. vom 29. Oktober 2010. Danach waren bei der Klägerin im Rahmen der Gutsachtenssituation keine körperlichen Einschränkungen feststellbar. Psychiatrisch leidet die Klägerin an einer anhaltend somatoformen Schmerzstörung. Diese Gesundheitsstörung wirkt sich jedoch auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit nur in qualitativer Hinsicht aus. Zu vermeiden sind Tätigkeiten, die mit häufigem Bücken oder Zwangshaltungen einhergehen. Auch sollten kontinuierliche Überkopfarbeiten vermieden werden. Die Beschäftigung sollte im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen erfolgen. Arbeiten unter Schicht- und Akkordbedingungen führten ebenso wie unregelmäßige Tagesstrukturen wie beispielsweise Dreischichttätigkeiten mit wöchentlichem Wechsel zu einer Gesundheitsdestabilisierung. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. St ... Dieser hat in seinem Gutachten festgehalten, dass sämtliche für die Leistungserbringung relevanten psychischen Funktionsbereiche bei der Klägerin vollkommen ungestört waren. Es zeigte sich keine Störung des Antriebs oder der Stimmung, keine Depression, keine Störung des Denkablaufs, des Konzentrationsvermögens und der Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kontaktaufnahme. Die von der Klägerin geklagten körperlichen Beschwerden ohne organische Ursache müssten im Hinblick auf das persönliche Schmerzerleben relativiert werden. Trotz der genannten Einschränkungen hat Dr. St. die Klägerin für in der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dabei hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch eigene Willensanspannung eine regelmäßige Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden kann. Der Senat teilt die Leistungseinschätzung des Dr. St. vor dem Hintergrund der vollständig erhaltenen Tagesstruktur der Klägerin. So steht die Klägerin regelmäßig gegen 7.00/7.30 Uhr auf, geht anschließend ins Bad, macht den Haushalt und kocht für sich. Sie liest, geht zum Enten füttern und Spazieren in die Natur und hat einen großen Freundeskreis. Abends schaut sie im Fernsehen die Nachrichten an. Diese Tagesgestaltung erklärt in nachvollziehbarer Weise die Einschätzung des Dr. St ... In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierten Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen wird (vgl Senatsurteil vom 20. Juli 2010 - L 11 R 5140/09; Urteil vom 24. September 2009 - L 11 R 742/09; Urteil vom 01.03.2011 - L 11 R 1553/09).

Gegen eine Stärkere Ausprägung der auf nervenärztlichem Fachgebiet vorliegenden Erkrankung spricht ferner, dass eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung bislang, wenngleich sie erfolgversprechend wäre, noch nicht eingeleitet worden ist. Auch wenn die Klägerin immer wieder Behandlungen mit Spritzen nachsucht, erfolgt zudem keine hoch dosierte oder durchgängige Schmerzbehandlung. Das belegt aber, dass ein entsprechender Leidensdruck bei ihr fehlt. Abschließend beschreibt der Gutachter überzeugend und nachvollziehbar das Vorliegen einer deutlichen Beschwerdeaggravation. Die Angaben der Klägerin zur Lokalisation ihrer Beschwerden waren diffus; auf konkrete Nachfragen des Gutachters wurden unkonkrete Antworten gegeben. Die Klägerin erklärte, kaum sitzen zu können, saß bei der Begutachtung jedoch über 1,5 Stunden völlig locker und gelöst, ohne sich einmal umzusetzen oder aufzustehen; dies stand im Gegensatz zur Angabe heftigster Schmerzen und Beschwerden. Bei der körperlichen Untersuchung wurden zudem Störungen und Einschränkungen demonstrativ vorgetäuscht, es erfolgte keinerlei Mitarbeit und es wurden Lähmungen demonstriert, während die betreffenden Muskelpartien bei der Beobachtung beim Gehen völlig ungehindert eingesetzt werden konnten. Auch die vom Schmerztherapeuten und Anästhesisten Dr. L. abgegebene Leistungseinschätzung, wonach die Klägerin außer Stande sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, vermag den Senat insbesondere unter Berücksichtigung der schlüssigen Ausführungen von Dr. St. nicht zu überzeugen. Im Hinblick auf die deutliche Aggravationstendenz der Klägerin ist deren Schmerzsymptomatik zu relativieren.

Eine abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten, das Dr. L. auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstattet hat. Dieser hat bei der Klägerin viele Symptome einer Multisystemerkrankung vom Typ der Mitochondropathie (= Beeinträchtigung, Schädigung oder Substratminderversorgung der Mitochondrien) festgestellt. Hierauf führt er das bei der Klägerin vorhandene Schmerzsyndrom zurück. Nach seiner Ansicht resultiert hieraus eine Belastungsfähigkeit je nach Tagesform und mitochondrialer Leistungsfähigkeit von 2 - 4 Stunden täglich. Damit mag der Gutachter eine Erklärung für die bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen liefern; allerdings führt dies - wie bereits aus den im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten von Dr. H., Dr. P. und Dr. St. sowie den die Klägerin im Rahmen der stationären medizinischen Rehabilitation in der A.klinik behandelnden Ärzten gefolgert werden kann - nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des klägerischen Leistungsvermögens. Eine nachvollziehbare Begründung für die von ihm abgegebene Leistungseinschätzung liefert der Gutachter damit jedoch nicht. Er begründet seine an die des Hausarztes angelehnte Leistungsbeurteilung mit den Angaben der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Allgemeinen der Leistungsbeurteilung eines gerichtlichen Sachverständigen ein höherer Beweiswert zukommt als der Einschätzung des therapeutisch tätigen behandelnden Arztes. Während es für einen therapeutisch tätigen Arzt sinnvoll erscheinen mag, zunächst von den Angaben und Beschwerden der Patienten auszugehen, besteht die Aufgabe des Gerichtsgutachters gerade darin, diese Angaben auf ihre Schlüssigkeit und Vereinbarkeit mit der Lebensführung der Betroffenen zu überprüfen. Dieser Aufgabe ist Dr. L. nicht nachgekommen.

Ergänzend und ohne dass es entscheidend hierauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass Dr. L. die nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für "Mitochondriale Erkrankungen" erforderliche Diagnostik bei klinischem Verdacht auf eine mitochondriale Erkrankung nur unvollständig durchgeführt hat. So hat er zB den neurologischen Status nicht erhoben bzw nicht genügend beachtet, dass dieser nach dem Gutachten des Dr. St. unauffällig war. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil sich mitochondriale Erkrankungen häufig nach den erwähnten Leitlinien mit einer - hier fehlenden - neurologischen Symptomatik präsentieren. Überhaupt bleibt das Gutachten des Dr. L. selbst in Bezug auf die Diagnose unpräzise. Er schreibt lediglich, die Klägerin biete "viele Symptome einer Multisystemerkrankung vom Typ der Mitochondropathie, die durch eine HWS-Gefügestörung nach einem Verkehrsunfall im Jahre 1987 ausgelöst oder zumindest deutlich verschlechtert sein dürfte" (Gutachten S 9). Soweit der Sachverständige davon ausgeht, dass ein Ereignis im Jahr 1987 die Erkrankung ausgelöst oder verschuldet hat, fehlt es an nachvollziehbaren Ausführungen, weshalb es erst ca 18 Jahre später zu einer Leistungseinschränkung gekommen sein soll. Er übernimmt insoweit lediglich die Angaben der Klägerin, wonach es ab 1987 zu einem stufenförmigen Energieverlust von 30 % gekommen sei, der sich bis 2005 auf 40 % gesteigert habe (Gutachten S 11). Sein Gutachten ist daher nur mit großen Einschränkungen verwertbar.

Eine abweichende Leistungsbeurteilung ergibt sich auch nicht aus der schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. He. Die HNO-Ärztin hatte der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen für leichteste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert. Den Ursprung der Erkrankung der Klägerin führt sie auf ein vor ca 20 Jahren stattgehabtes HWS-Schleudertrauma zurück. Die Schmerzsymptomatik im Kopfbereich und der Wirbelsäule, die inhalativen Allergien, die Nahrungsmittelintoleranz und die damit verbundenen Diarrhöen mit Ober- und Unterbauchbeschwerden sowie das Vorliegen eines Asthma bronchiale seien der Grund für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin. Damit hat Dr. He., die die Klägerin seit 2008 lediglich wegen Ohrenschmerzen, einer Ohrblutung am rechten Ohr und einer Hörminderung behandelt hat, fachfremd zur Leistungsbeeinträchtigung der Klägerin Stellung genommen. Eine nachvollziehbare Begründung für die von ihr abgegebene Leistungseinschätzung liefert sie hingegen nicht. Die Tatsache, dass die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. St. im Berufungsverfahren die HNO-ärztlichen Beeinträchtigungen mit keinem Wort erwähnt hat, spricht zudem dafür, dass die das Ohr betreffenden Erkrankungen selbst aus subjektiver Sicht der Klägerin keine quantitative Leistungsminderung zur Folge haben.

Soweit die Klägerin vorträgt, durch die vorhandene Laktoseintoleranz in ihrem Leistungsvermögen eingeschränkt zu sein, so kann hieraus weder eine qualitative noch eine quantitative Leistungsminderung abgeleitet werden. Auch folgt daraus nicht das Erfordernis der Inanspruchnahme betriebsunüblicher Pausen. Vielmehr kann durch die Umstellung der Ernährung auf laktosearme bzw -freie Kost eine diesbezügliche Gesundheitsbeeiträchtigung abgestellt werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin Leistungen nach dem SBG II bezieht. Der im Regelsatz enthaltene Anteil für Nahrungsmittel enthält bereits die Ernährung mit Vollkost. Die Laktoseintoleranz macht keine teurere individuelle Ernährung notwendig. Vielmehr erfordert sie eine so genannte Auslassdiät, bei der alle Lebensmittel, die Laktose beinhalten, also Milchprodukte und Produkte, die Milchpulver enthalten, weggelassen werden müssen. Alle übrigen Grundnahrungsmittel können jedoch verzehrt werden. Unter Verzicht auf Fertigprodukte kann aus den Grundnahrungsmitteln eine laktosefreie und zugleich vollwertige Ernährung sichergestellt werden. Die Ernährung ist dadurch nicht kostenintensiver, sondern allenfalls für eine Übergangszeit zeitaufwändiger (vgl zum Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach dem SGB II: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. März 2011 - L 6 AS 1659/10 B, veröffentlicht in juris).

Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), da sie nach dem 1. Januar 1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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