Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 1702/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5275/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid vom 21.10.2010 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2005.
Die 1945 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige und war in der Bundesrepublik Deutschland - mit Unterbrechungen - im Zeitraum von 1968 bis September 1983 als Arbeiterin bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt sie nicht. Zwischen dem 01.01.1984 und dem 31.07.2005 war sie in Griechenland in der Landwirtschaft tätig und beim griechischen Versicherungsträger versichert. Seit dem 01.08.2005 bezieht sie eine wiederholt auf Zeit bewilligte griechische Invaliditätsrente.
Wegen eines Rectumkarzinoms erfolgte während einer stationären Behandlung im Allgemeinen Krankenhaus Thessaloniki zwischen dem 17.05. und 17.06.2005 eine abdominoperineale Mastdarm- bzw. Rectumresektion und während eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 21.06.2005 bis 09.07.2005 wegen eines Darmverschlusses eine erneute Darmresektion postoperativ sowie die Versorgung mit einer endständigen Kolostomie. Außerdem leidet die Klägerin unter einer Schwerhörigkeit beidseits.
Die Klägerin beantragte am 10.08.2005 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde stellte Dr. G. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.06.2006 ein Rectumkarzinom bei abdominoperinealer Rectumresektion 31.05.2005 (ohne Hinweis auf eine Tumorprogredienz) und erneute Darmresektion postoperativ wegen Darmverschlusses mit endständiger Kolostomie sowie eine leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits fest. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Knien/Hocken, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufiges Heben, Tragen von Lasten über 10 kg und ohne Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe hielt er für sechs Stunden und mehr am Tag für zumutbar.
Mit Bescheid vom 06.07.2006 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rente wegen Erwerbsminderung ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte unter Berücksichtigung einer erneuten sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. G. vom 20.10.2006, wonach sich aus den mit der Widerspruchsbegründung vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Hinweise für eine Verschlimmerung ergäben, mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Ihre Klagebegründung hat sie auf die Begutachtung der Gesundheitskommission des IKA-Institutes und auf dessen Einschätzung mit einer 80%igen Invalidität, welche auch nach deutschem Recht anzuerkennen sei, gestützt. Aufgrund der bekannten Leiden und Beschwerden sei sie keinesfalls in der Lage eine Arbeitstätigkeit auszuführen.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines fachinternistischen Gutachtens beim Internisten und Diabetologen Dr. W., L., beim Augenarzt Dr. Z., T. sowie beim HNO-Arzt Dr. S., X ...
Dr. W. stellte in seinem Gutachten aufgrund der vorliegenden ärztlichen Äußerungen und einer körperlichen Untersuchung der Klägerin am 24.04.2007 eine hochgradige Neurosensibilitätsschwerhörigkeit beiderseits, einen Zustand nach Dickdarmkarzinom mit Operation im Mai 2005, einen Zustand nach Kolostomieanlage nach Enterotomie bei postoperativem Ileus, eine leichtgradige Fingerpolyarthrose beidseits, einen Zustand nach Appendektomie, einen Zustand nach Tonsillektomie und einen Zustand nach zweimaliger Sectio Caesarea (1980, 1982) fest. Er führte aus, dass es postoperativ zu einem Darmverschluss gekommen sei, was die Entfernung eines Teils des Dünndarms und die Anlage eines künstlichen Darmausganges notwendig gemacht habe. Die vorliegenden Befunde gäben keinen Aufschluss über die Tumortypisierung bzw. das Tumorstadium. Eine Chemotherapie sei im Anschluss an die Operation jedoch nicht durchgeführt worden. Spezifische Hinweise darauf, dass eine beeinträchtigende Nährstoffaufnahme vorliege, habe er nicht. Die Klägerin klage über erhebliche abdominelle Beschwerden im Sinne von starken Blähungen, mit mehrfach täglich unwillkürlich auftretenden Tenesmen sowie wechselndem Stuhlverhalten bei überwiegender Obstipation. Dem vorliegenden HNO-Befund aus dem Jahre 2003 entnehme er einen Hörverlust von ca. 65 %, was einer hochgradigen Schwerhörigkeit gleich komme. Die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei in der Zusammenschau im Allgemeinen stark beeinträchtigt. Die gastroenterologischen Beschwerden bedingten einen starken körperlichen und psychischen Leidensdruck einhergehend mit körperlichen Einschränkungen, die aufgrund der häufig wechselnden Intensität, dem unwillkürlichen Auftreten und der mangelnden medikamentösen Beherrschbarkeit keine mittelschweren bis schweren körperlichen Arbeiten mehr zumutbar machten. Erschwerend komme das Vorhandensein eines künstlichen Darmausganges hinzu, der eine spezifische Versorgung mehrmals täglich unter hygienischen Bedingungen notwendig mache. In Kenntnis der Arbeitsumstände unter denen griechische Landwirte tätig seien, und aus den genannten Gründen seien Arbeitssituationen, wie die in der Landwirtschaft nicht zumutbar. Ebenso Tätigkeiten, die an bestimmte Lokalitäten (Leitern, Gerüsten, Arbeiten am Fließband, Akkord) gebunden seien. Die hochgradige Schwerhörigkeit bedinge eine ausgeprägte Störung der Kommunikation, welche in Belastungssituationen die Unterstützung einer vertrauten Person erforderlich mache. Zu diskutieren wäre eine facharztgerechte Versorgung mit einem Hörgerät, welche bislang nicht erfolgt sei. Die Klägerin sei seines Erachtens nicht in der Lage, leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.
Das auf die Beauftragung von Dr. Z. am 30. Januar 2008 eingegangene Gutachten ist weder unterschrieben noch lässt es die Person des Begutachtenden erkennen.
Der vom SG beauftragte HNO-Facharzt Dr. S. stellt in seinem Gutachten vom 19.12.2009 nach einer Untersuchung der Klägerin am 17.10.2009 eine beidseitige hochgradige Innenohrschwerhörigkeit und eine periphere-vestibuläre Gleichgewichtsstörung rechts fest. Es handele sich um eine beidseitige über die Jahre zunehmende hochgradige Innenohrschwerhörigkeit, weshalb eine Indikation zur beidseitigen Hörgeräteanpassung bestehe. Eine solche sei vor mehr als fünf Jahren durchgeführt worden, die Klägerin habe die Hörgeräte aber niemals benutzt, weil sie diese nicht vertragen habe. Eine Kommunikation sei möglich, jedoch nur aus sehr kurzer Distanz. Die Klägerin schaue auf die Lippen und zeitweise müsse der Ehemann, dem sie von den Lippen lesen könne, aushelfen. Eine Verbesserung der Hörfähigkeit sei ausgeschlossen, eine Verbesserung der Kommunikation durch beidohrigen Hörgeräteeinsatz aber zumindest möglich. Die Klägerin leide darüber hinaus unter einer deutlichen Unterfunktion des rechten Gleichgewichtsorgans mit konsekutiver Gangabweichung nach links. Diese Beschwerden bestünden anamnestisch seit der Darmoperation 2005. Sie klage über plötzlich auftretenden Drehschwindel und Fallneigung und sei schon mehrfach sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses gestürzt. Differenzialdiagnostisch seien durch die MRT des Schädels raumfordernde oder degenerative Ursachen weitestgehend ausgeschlossen, sodass am ehesten von einem Zustand nach einer nicht vollständig kompensierten Vestibularisneuropathie rechts ausgegangen werden könne. Die Klägerin sei aufgrund ihres Gleichgewichtsschadens unfallgefährdet, dürfe kein Fahrzeug führen und sollte nur in Begleitung außer Haus gehen. Er vertrat die Auffassung, dass der Klägerin eine Tätigkeit als Landwirtin nicht mehr zumutbar sei und auch noch verbleibend mögliche Tätigkeiten wie ggf. leichte Hausarbeiten oder sitzende, sortierende Tätigkeiten in einer besonderen Einrichtung (behütete Behindertenwerkstatt) sicherlich nur unter drei Stunden täglich möglich seien. Auch die Wegefähigkeit sei eingeschränkt. Zwar könne eine Strecke von 500 m durchaus in 18 Minuten zurückgelegt werden, jedoch wegen der Unfallgefährdung nicht ohne Begleitung.
Für die Beklagte hat Dr. G. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 06.08.2007, 24.06.2008 und 09.10.2009 Stellung genommen. Er ist der Einschätzung des internistischen Gutachters Dr. Winter entgegen getreten, weil er dessen Ausführungen weder in Bezug auf die beschriebenen Erkrankungen noch auf seine Schlussfolgerungen und Beurteilung des Leistungsvermögens für nachvollziehbar gehalten hat. Die von der Klägerin angegebenen abdominellen Beschwerden, mit den im Vordergrund stehenden Blähungen und Tenesmen seien Folge der bisherigen Behandlung mit Laktulose, welche typische Nebenwirkungen dieses Präparates seien. Eine Umstellung auf ein anderes Abführmittel neben ausreichender Flüssigkeitszufuhr sei ausreichend, um die bisherige Obstipation erfolgreich zu behandeln. Eine quantitative Leistungsminderung sei weder durch die Darmerkrankung noch durch die Schwerhörigkeit bedingt. Nach Vorlage des HNO-ärztlichen Gutachtens von Dr. S. hat für die Beklagte Dr. H.-Z. unter dem 12.01.2010 Stellung genommen und unter Berücksichtigung der Vielzahl der genannten qualitativen Einschränkungen seiner Leistungsbeurteilung "im Großen und Ganzen" zugestimmt. Als Leistungsfall werde nach Durchsicht der Akte der Zeitpunkt des Gutachtens Dr. W. angegeben, da bereits damals eine Verständigung nur auf kürzeste Distanz möglich und Lippenablesen erforderlich gewesen sei.
Dementsprechend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.02.2010 anerkannt, dass die Klägerin seit April 2007 (der Untersuchung bei Dr. W.) voll erwerbsgemindert ist. Sie hat sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Gleichzeitig hat sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin Anspruch auf Altersrente für Frauen ab dem 01.12.2005 habe. Diese Altersrente hätte, wenn sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch genommen würde, einen Abschlag von 18 %. Die Rentenhöhe würde derzeit 248,15 EUR betragen. Die Klägerin hat sich nicht mehr geäußert.
Mit Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 04.08.2010 hat das SG die Beklagte gemäß deren Anerkenntnis verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte entsprechend ihres von der Klägerin nicht angenommenen (Teil-)Aner-kenntnisses zu verurteilen gewesen sei. Darüber hinaus habe die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung und hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 2005 bis April 2007. Nach Überzeugung der Kammer sei die Klägerin jedenfalls bis April 2007 noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (wobei allein die Verhältnisse des deutschen Arbeitsmarktes maßgeblich seien) unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten zu können. Die Beschwerden nach Entfernung eines Dickdarmkarzinoms ohne Tumorrezidivität sowie nach Kolostomieanlage und Enterotomie bei postoperativem Darmverschluss rechtfertigten in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. G. und entgegen der Einschätzung im Gutachten von Dr. W. noch nicht die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung. Die Kammer könne dem Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Gutachten von Dr. S. zwar insoweit folgen, als dieser eine hochgradige, an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit beidseits ohne adäquate Hörgeräteversorgung festgestellt habe, nicht jedoch aber soweit er von einer relevanten peripher-vestibulären Gleichgewichtsstörung ausgegangen sei. Denn bei der von ihm durchgeführten Untersuchung habe beim sogenannten Romberg-Versuch keine pathologische Falltendenz festgestellt werden können. Lediglich beim sogenannten Unterberger-Tretversuch sei - nach 50 Schritten - eine nicht physiologische Gangabweichung von 90 Grad nach links aufgetreten. Die MRT des Schädels habe keine Hinweise auf eine Ischämie, eine Hämorrhagie, eine Raumforderung oder eine demyelinisierende oder degenerative Hirnerkrankung ergeben, weshalb Dr. S. lediglich auch zu "Anzeichen" einer peripher-vestibulären Gleichgewichtsstörung rechts gekommen sei. Die Schlussfolgerungen seien für die Kammer deshalb und im Hinblick auf fehlende objektiv-klinische Befunde aus dem Streitzeitraum nicht schlüssig. So habe der neurologische Status bei der Untersuchung durch Dr. W. im April 2007 keine Auffälligkeiten und insbesondere auch keine Gleichgewichtsstörungen ergeben. Soweit die Beklagte dessen ungeachtet der Einschätzung des Dr. S. gefolgt sei, sei dieses für das Gericht nicht bindend. Weitere Gesundheitsstörungen, welche relevanten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gehabt haben könnten, lägen zur Überzeugung des Gerichts unter Würdigung sämtlicher medizinischer Aktenstücke nicht vor. Eine rechtlich relevante Einschränkung der Wegstrecke in der Zeit von August 2005 bis April 2007 sei nicht nachgewiesen. Die entgegenstehenden Einschätzungen der gehörten Sachverständigen in ihren Gutachten, die im Wesentlichen mit der Schwerhörigkeit bzw. den nicht erwiesenen Gleichgewichtsstörung begründet seien, seien insoweit nicht erheblich. Auch das Erfordernis betriebsunüblicher Arbeitspausen lasse sich objektiv nicht begründen. Die notwendige hygienische Versorgung ihres künstlichen Darmausganges sei der Klägerin innerhalb der ihr arbeitsrechtlich zustehenden Pausen möglich und zumutbar. Es sei darüber hinaus davon auszugehen, dass dies sogar innerhalb der sogenannten persönlichen Verteilzeiten möglich sei, zumal Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als die Arbeitszeit verkürzende Pausen gälten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Urteilsbegründung verwiesen.
Gegen das am 24.09.2010 per Einschreiben und Rückschein zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin mit einem am 02.11.2010 beim Sozialgericht Stuttgart eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Sie führte aus, deutsch nicht lesen zu können, forderte auf, ihr Briefe auf Griechisch zu schicken, damit sie diese lesen könne. Sie begehre eine Entschädigung für die fünf Jahre, sie sei invalide, habe eine Stuhlentleerung über den Bauch und sei taub.
Zuvor hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2010 in Ausführung ihres (Teil-)Aner-kenntnisses Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 längstens bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (30.11.2010) bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. August 2010 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 aufzuheben, den Bescheid vom 21. Oktober 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. August 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2010 abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151, 153 Abs. 1 iVm. 87 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist gemäß §§ 153 Abs. 1 iVm 96 SGG der auch den Zeitpunkt des Leistungsfalles (24.04.2007) regelnde Bescheid vom 21.10.2010 geworden, nachdem die Beklagte in Ausführung des abgegebenen Teilanerkenntnisses Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.05.2007 bewilligt hat. Abgesehen von der streitig gebliebenen Frage, ob die Rente bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu gewähren ist, ist eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung, etwa im Hinblick auf die Höhe der gewährten Rente, nicht ersichtlich. Die Klägerin hat Einwendungen hierzu auch nicht erhoben, zumal sie mit ihrer Berufung allein den Beginn und damit die Dauer der gewährten Rente rügt. Der Senat entscheidet hierüber auf Klage.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in dem noch streitigen Zeitraum von August 2005 bis April 2007.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vor dem 1.05.2007 oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin zumindest in diesem Zeitraum noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig war. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend weist der Senat nur darauf hin, dass gesundheitliche Einschränkungen, welche eine quantitative Leistungsminderung begründen könnten, für die Zeit vor der von der Beklagten bewilligten Rente auch zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen sind.
Der Leistungseinschätzung von Dr. W. kann insoweit schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er die von ihm erhobenen Befunde ersichtlich nicht an Gegebenheiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung leichter und ggfs. weiterer qualitativer Einschränkungen misst. So führte er unter den bekannten Diagnosen, der Auswirkungen und Folgen der operativen Entfernung von Teilen des Darms und der Kolostomieanlage sowie der hochgradigen Neuro-Sensibilitätsschwerhörigkeit aus, dass bedingt durch den starken körperlichen und psychischen Leidensdruck, einhergehend mit körperlichen Einschränkungen, welche aufgrund häufig wechselnder Intensität, dem unwillkürlichen Auftreten und der mangelnden medikamentösen Beherrschbarkeit keine mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mehr zumutbar seien. Die Versorgung des künstlichen Darmausganges würdigt der Sachverständige im Hinblick auf die hygienischen Verhältnissen einer Tätigkeit (griechischer) Landwirte, wobei er ergänzend ausführt, dass deswegen auch Tätigkeiten ausschieden, welche die Klägerin an einen Ort binden (Leitern, Gerüste, Fließbandarbeit, Akkord). Dass damit auch jede (andere) leichte Tätigkeit ausscheidet, welche diese qualitativen Einschränkungen berücksichtigt, begründet der Sachverständige nicht. Dies gilt umso mehr, als er diese Einschränkungen nicht hinreichend benennt und - worauf Dr. G. zu Recht hinweist - eine Malassimilation bei Übergewicht, unauffälligem Labor und Neigung zur Obstipation nicht vorliegt. Seine diesbezüglichen Einlassungen sind angesichts der gemachten Ausführungen weder schlüssig noch nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt seiner Begutachtung sieht auch der Senat - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil - weder den Nachweis hinreichender Befunde und Einschränkungen noch eine überzeugende Begründung für das Vorliegen einer quantitativen Leistungsminderung für den noch streitigen Zeitraum.
Dies gilt nach Überzeugung des Senats auch für das Ausmaß der Schwerhörigkeit, die nach den Ausführungen des Sachverständigen progredient verlief und für die 2003 noch von einem Hörverlust von 65 % beidseits auszugehen war. Anhaltspunkte dafür, ab wann eine beidseitige an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, wie sie Dr. S. im Oktober 2010 festgestellt hat, tatsächlich vorgelegen hat, finden sich nicht. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte und aufgrund des Umstandes, dass durchaus von einem nicht unerheblichen Resthörvermögen vor April 2007 ausgegangen werden muss, ist die Klägerin noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden zu verrichten, sofern man dabei berücksichtigt, dass diese Tätigkeiten keine besonderen Anforderungen an ihr Hörvermögen und ihre Kommunikationsfähigkeit stellten. Dabei ist noch nicht mit einbezogen, dass sowohl Dr. G. als auch Dr. S. durchaus von einer Besserung der Kommunikationsfähigkeit bei adäquater Hörgeräteversorgung ausgegangen sind.
Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des SG, wenn es erhebliche Zweifel am Vorliegen einer sozialmedizinisch relevanten Schwindelsymptomatik äußert. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da solche Einschränkungen erstmals von Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchung im Oktober 2009 festgestellt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass diese in einem sozialversicherungsrechtlich relevanten Ausmaß schon vorher vorgelegen haben, bestehen - abgesehen von den Einlassungen der Klägerin gegenüber Dr. S. - nicht. Denn gegenüber Dr. Winter wurden Beschwerden aufgrund von Schwindelerscheinungen (und Stürzen deswegen) weder geltend gemacht, noch lassen die dort erhobenen Befunde Rückschlüsse auf das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung zu. Vielmehr ist im Rahmen seiner Untersuchung und des dabei erhobenen neurologischen Status ausdrücklich festgehalten worden: "Keine Gleichgewichtsstörungen". Dies wird letztlich bestätigt durch die ärztlichen Befunde, die im Zusammenhang mit dem Rentenantrag beim griechischen Versicherungsträger vorliegen. In keinem der in der Akte vorliegenden Berichte wird auf Gleichgewichtsstörungen oder Schwindelerscheinungen hingewiesen. So heißt es in dem Gutachten vom 01.07.2008 denn auch, dass die Klägerin nicht völlig außerstande sei, sich fortzubewegen und bei den Verrichtungen des täglichen Lebens nicht auf die Hilfe einer dritten Person angewiesen ist. Eine quantitative Leistungsminderung ist damit zur Überzeugung des Senats jedenfalls für den Zeitraum vor April 2007 nicht belegt.
Weitere Ausführungen sind angesichts des sorgfältig begründeten Urteils des SG, worauf der Senat verweist, nicht angezeigt, weswegen die Berufung auch zurückzuweisen ist.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 Gerichtsverfassungsgesetz). Die Klägerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass ihr das Urteil in einer ins Griechische übersetzten Ausfertigung zugestellt wird (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 184 GVG Rn 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Klage gegen den Bescheid vom 21.10.2010 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2005.
Die 1945 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige und war in der Bundesrepublik Deutschland - mit Unterbrechungen - im Zeitraum von 1968 bis September 1983 als Arbeiterin bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt sie nicht. Zwischen dem 01.01.1984 und dem 31.07.2005 war sie in Griechenland in der Landwirtschaft tätig und beim griechischen Versicherungsträger versichert. Seit dem 01.08.2005 bezieht sie eine wiederholt auf Zeit bewilligte griechische Invaliditätsrente.
Wegen eines Rectumkarzinoms erfolgte während einer stationären Behandlung im Allgemeinen Krankenhaus Thessaloniki zwischen dem 17.05. und 17.06.2005 eine abdominoperineale Mastdarm- bzw. Rectumresektion und während eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 21.06.2005 bis 09.07.2005 wegen eines Darmverschlusses eine erneute Darmresektion postoperativ sowie die Versorgung mit einer endständigen Kolostomie. Außerdem leidet die Klägerin unter einer Schwerhörigkeit beidseits.
Die Klägerin beantragte am 10.08.2005 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde stellte Dr. G. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.06.2006 ein Rectumkarzinom bei abdominoperinealer Rectumresektion 31.05.2005 (ohne Hinweis auf eine Tumorprogredienz) und erneute Darmresektion postoperativ wegen Darmverschlusses mit endständiger Kolostomie sowie eine leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits fest. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Knien/Hocken, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufiges Heben, Tragen von Lasten über 10 kg und ohne Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe hielt er für sechs Stunden und mehr am Tag für zumutbar.
Mit Bescheid vom 06.07.2006 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rente wegen Erwerbsminderung ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte unter Berücksichtigung einer erneuten sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. G. vom 20.10.2006, wonach sich aus den mit der Widerspruchsbegründung vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Hinweise für eine Verschlimmerung ergäben, mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Ihre Klagebegründung hat sie auf die Begutachtung der Gesundheitskommission des IKA-Institutes und auf dessen Einschätzung mit einer 80%igen Invalidität, welche auch nach deutschem Recht anzuerkennen sei, gestützt. Aufgrund der bekannten Leiden und Beschwerden sei sie keinesfalls in der Lage eine Arbeitstätigkeit auszuführen.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines fachinternistischen Gutachtens beim Internisten und Diabetologen Dr. W., L., beim Augenarzt Dr. Z., T. sowie beim HNO-Arzt Dr. S., X ...
Dr. W. stellte in seinem Gutachten aufgrund der vorliegenden ärztlichen Äußerungen und einer körperlichen Untersuchung der Klägerin am 24.04.2007 eine hochgradige Neurosensibilitätsschwerhörigkeit beiderseits, einen Zustand nach Dickdarmkarzinom mit Operation im Mai 2005, einen Zustand nach Kolostomieanlage nach Enterotomie bei postoperativem Ileus, eine leichtgradige Fingerpolyarthrose beidseits, einen Zustand nach Appendektomie, einen Zustand nach Tonsillektomie und einen Zustand nach zweimaliger Sectio Caesarea (1980, 1982) fest. Er führte aus, dass es postoperativ zu einem Darmverschluss gekommen sei, was die Entfernung eines Teils des Dünndarms und die Anlage eines künstlichen Darmausganges notwendig gemacht habe. Die vorliegenden Befunde gäben keinen Aufschluss über die Tumortypisierung bzw. das Tumorstadium. Eine Chemotherapie sei im Anschluss an die Operation jedoch nicht durchgeführt worden. Spezifische Hinweise darauf, dass eine beeinträchtigende Nährstoffaufnahme vorliege, habe er nicht. Die Klägerin klage über erhebliche abdominelle Beschwerden im Sinne von starken Blähungen, mit mehrfach täglich unwillkürlich auftretenden Tenesmen sowie wechselndem Stuhlverhalten bei überwiegender Obstipation. Dem vorliegenden HNO-Befund aus dem Jahre 2003 entnehme er einen Hörverlust von ca. 65 %, was einer hochgradigen Schwerhörigkeit gleich komme. Die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei in der Zusammenschau im Allgemeinen stark beeinträchtigt. Die gastroenterologischen Beschwerden bedingten einen starken körperlichen und psychischen Leidensdruck einhergehend mit körperlichen Einschränkungen, die aufgrund der häufig wechselnden Intensität, dem unwillkürlichen Auftreten und der mangelnden medikamentösen Beherrschbarkeit keine mittelschweren bis schweren körperlichen Arbeiten mehr zumutbar machten. Erschwerend komme das Vorhandensein eines künstlichen Darmausganges hinzu, der eine spezifische Versorgung mehrmals täglich unter hygienischen Bedingungen notwendig mache. In Kenntnis der Arbeitsumstände unter denen griechische Landwirte tätig seien, und aus den genannten Gründen seien Arbeitssituationen, wie die in der Landwirtschaft nicht zumutbar. Ebenso Tätigkeiten, die an bestimmte Lokalitäten (Leitern, Gerüsten, Arbeiten am Fließband, Akkord) gebunden seien. Die hochgradige Schwerhörigkeit bedinge eine ausgeprägte Störung der Kommunikation, welche in Belastungssituationen die Unterstützung einer vertrauten Person erforderlich mache. Zu diskutieren wäre eine facharztgerechte Versorgung mit einem Hörgerät, welche bislang nicht erfolgt sei. Die Klägerin sei seines Erachtens nicht in der Lage, leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.
Das auf die Beauftragung von Dr. Z. am 30. Januar 2008 eingegangene Gutachten ist weder unterschrieben noch lässt es die Person des Begutachtenden erkennen.
Der vom SG beauftragte HNO-Facharzt Dr. S. stellt in seinem Gutachten vom 19.12.2009 nach einer Untersuchung der Klägerin am 17.10.2009 eine beidseitige hochgradige Innenohrschwerhörigkeit und eine periphere-vestibuläre Gleichgewichtsstörung rechts fest. Es handele sich um eine beidseitige über die Jahre zunehmende hochgradige Innenohrschwerhörigkeit, weshalb eine Indikation zur beidseitigen Hörgeräteanpassung bestehe. Eine solche sei vor mehr als fünf Jahren durchgeführt worden, die Klägerin habe die Hörgeräte aber niemals benutzt, weil sie diese nicht vertragen habe. Eine Kommunikation sei möglich, jedoch nur aus sehr kurzer Distanz. Die Klägerin schaue auf die Lippen und zeitweise müsse der Ehemann, dem sie von den Lippen lesen könne, aushelfen. Eine Verbesserung der Hörfähigkeit sei ausgeschlossen, eine Verbesserung der Kommunikation durch beidohrigen Hörgeräteeinsatz aber zumindest möglich. Die Klägerin leide darüber hinaus unter einer deutlichen Unterfunktion des rechten Gleichgewichtsorgans mit konsekutiver Gangabweichung nach links. Diese Beschwerden bestünden anamnestisch seit der Darmoperation 2005. Sie klage über plötzlich auftretenden Drehschwindel und Fallneigung und sei schon mehrfach sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses gestürzt. Differenzialdiagnostisch seien durch die MRT des Schädels raumfordernde oder degenerative Ursachen weitestgehend ausgeschlossen, sodass am ehesten von einem Zustand nach einer nicht vollständig kompensierten Vestibularisneuropathie rechts ausgegangen werden könne. Die Klägerin sei aufgrund ihres Gleichgewichtsschadens unfallgefährdet, dürfe kein Fahrzeug führen und sollte nur in Begleitung außer Haus gehen. Er vertrat die Auffassung, dass der Klägerin eine Tätigkeit als Landwirtin nicht mehr zumutbar sei und auch noch verbleibend mögliche Tätigkeiten wie ggf. leichte Hausarbeiten oder sitzende, sortierende Tätigkeiten in einer besonderen Einrichtung (behütete Behindertenwerkstatt) sicherlich nur unter drei Stunden täglich möglich seien. Auch die Wegefähigkeit sei eingeschränkt. Zwar könne eine Strecke von 500 m durchaus in 18 Minuten zurückgelegt werden, jedoch wegen der Unfallgefährdung nicht ohne Begleitung.
Für die Beklagte hat Dr. G. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 06.08.2007, 24.06.2008 und 09.10.2009 Stellung genommen. Er ist der Einschätzung des internistischen Gutachters Dr. Winter entgegen getreten, weil er dessen Ausführungen weder in Bezug auf die beschriebenen Erkrankungen noch auf seine Schlussfolgerungen und Beurteilung des Leistungsvermögens für nachvollziehbar gehalten hat. Die von der Klägerin angegebenen abdominellen Beschwerden, mit den im Vordergrund stehenden Blähungen und Tenesmen seien Folge der bisherigen Behandlung mit Laktulose, welche typische Nebenwirkungen dieses Präparates seien. Eine Umstellung auf ein anderes Abführmittel neben ausreichender Flüssigkeitszufuhr sei ausreichend, um die bisherige Obstipation erfolgreich zu behandeln. Eine quantitative Leistungsminderung sei weder durch die Darmerkrankung noch durch die Schwerhörigkeit bedingt. Nach Vorlage des HNO-ärztlichen Gutachtens von Dr. S. hat für die Beklagte Dr. H.-Z. unter dem 12.01.2010 Stellung genommen und unter Berücksichtigung der Vielzahl der genannten qualitativen Einschränkungen seiner Leistungsbeurteilung "im Großen und Ganzen" zugestimmt. Als Leistungsfall werde nach Durchsicht der Akte der Zeitpunkt des Gutachtens Dr. W. angegeben, da bereits damals eine Verständigung nur auf kürzeste Distanz möglich und Lippenablesen erforderlich gewesen sei.
Dementsprechend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.02.2010 anerkannt, dass die Klägerin seit April 2007 (der Untersuchung bei Dr. W.) voll erwerbsgemindert ist. Sie hat sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Gleichzeitig hat sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin Anspruch auf Altersrente für Frauen ab dem 01.12.2005 habe. Diese Altersrente hätte, wenn sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch genommen würde, einen Abschlag von 18 %. Die Rentenhöhe würde derzeit 248,15 EUR betragen. Die Klägerin hat sich nicht mehr geäußert.
Mit Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 04.08.2010 hat das SG die Beklagte gemäß deren Anerkenntnis verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte entsprechend ihres von der Klägerin nicht angenommenen (Teil-)Aner-kenntnisses zu verurteilen gewesen sei. Darüber hinaus habe die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung und hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 2005 bis April 2007. Nach Überzeugung der Kammer sei die Klägerin jedenfalls bis April 2007 noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (wobei allein die Verhältnisse des deutschen Arbeitsmarktes maßgeblich seien) unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten zu können. Die Beschwerden nach Entfernung eines Dickdarmkarzinoms ohne Tumorrezidivität sowie nach Kolostomieanlage und Enterotomie bei postoperativem Darmverschluss rechtfertigten in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. G. und entgegen der Einschätzung im Gutachten von Dr. W. noch nicht die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung. Die Kammer könne dem Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Gutachten von Dr. S. zwar insoweit folgen, als dieser eine hochgradige, an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit beidseits ohne adäquate Hörgeräteversorgung festgestellt habe, nicht jedoch aber soweit er von einer relevanten peripher-vestibulären Gleichgewichtsstörung ausgegangen sei. Denn bei der von ihm durchgeführten Untersuchung habe beim sogenannten Romberg-Versuch keine pathologische Falltendenz festgestellt werden können. Lediglich beim sogenannten Unterberger-Tretversuch sei - nach 50 Schritten - eine nicht physiologische Gangabweichung von 90 Grad nach links aufgetreten. Die MRT des Schädels habe keine Hinweise auf eine Ischämie, eine Hämorrhagie, eine Raumforderung oder eine demyelinisierende oder degenerative Hirnerkrankung ergeben, weshalb Dr. S. lediglich auch zu "Anzeichen" einer peripher-vestibulären Gleichgewichtsstörung rechts gekommen sei. Die Schlussfolgerungen seien für die Kammer deshalb und im Hinblick auf fehlende objektiv-klinische Befunde aus dem Streitzeitraum nicht schlüssig. So habe der neurologische Status bei der Untersuchung durch Dr. W. im April 2007 keine Auffälligkeiten und insbesondere auch keine Gleichgewichtsstörungen ergeben. Soweit die Beklagte dessen ungeachtet der Einschätzung des Dr. S. gefolgt sei, sei dieses für das Gericht nicht bindend. Weitere Gesundheitsstörungen, welche relevanten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gehabt haben könnten, lägen zur Überzeugung des Gerichts unter Würdigung sämtlicher medizinischer Aktenstücke nicht vor. Eine rechtlich relevante Einschränkung der Wegstrecke in der Zeit von August 2005 bis April 2007 sei nicht nachgewiesen. Die entgegenstehenden Einschätzungen der gehörten Sachverständigen in ihren Gutachten, die im Wesentlichen mit der Schwerhörigkeit bzw. den nicht erwiesenen Gleichgewichtsstörung begründet seien, seien insoweit nicht erheblich. Auch das Erfordernis betriebsunüblicher Arbeitspausen lasse sich objektiv nicht begründen. Die notwendige hygienische Versorgung ihres künstlichen Darmausganges sei der Klägerin innerhalb der ihr arbeitsrechtlich zustehenden Pausen möglich und zumutbar. Es sei darüber hinaus davon auszugehen, dass dies sogar innerhalb der sogenannten persönlichen Verteilzeiten möglich sei, zumal Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als die Arbeitszeit verkürzende Pausen gälten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Urteilsbegründung verwiesen.
Gegen das am 24.09.2010 per Einschreiben und Rückschein zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin mit einem am 02.11.2010 beim Sozialgericht Stuttgart eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Sie führte aus, deutsch nicht lesen zu können, forderte auf, ihr Briefe auf Griechisch zu schicken, damit sie diese lesen könne. Sie begehre eine Entschädigung für die fünf Jahre, sie sei invalide, habe eine Stuhlentleerung über den Bauch und sei taub.
Zuvor hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2010 in Ausführung ihres (Teil-)Aner-kenntnisses Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2007 längstens bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (30.11.2010) bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. August 2010 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 aufzuheben, den Bescheid vom 21. Oktober 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. August 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2010 abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151, 153 Abs. 1 iVm. 87 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist gemäß §§ 153 Abs. 1 iVm 96 SGG der auch den Zeitpunkt des Leistungsfalles (24.04.2007) regelnde Bescheid vom 21.10.2010 geworden, nachdem die Beklagte in Ausführung des abgegebenen Teilanerkenntnisses Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.05.2007 bewilligt hat. Abgesehen von der streitig gebliebenen Frage, ob die Rente bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu gewähren ist, ist eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung, etwa im Hinblick auf die Höhe der gewährten Rente, nicht ersichtlich. Die Klägerin hat Einwendungen hierzu auch nicht erhoben, zumal sie mit ihrer Berufung allein den Beginn und damit die Dauer der gewährten Rente rügt. Der Senat entscheidet hierüber auf Klage.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in dem noch streitigen Zeitraum von August 2005 bis April 2007.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vor dem 1.05.2007 oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin zumindest in diesem Zeitraum noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig war. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend weist der Senat nur darauf hin, dass gesundheitliche Einschränkungen, welche eine quantitative Leistungsminderung begründen könnten, für die Zeit vor der von der Beklagten bewilligten Rente auch zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen sind.
Der Leistungseinschätzung von Dr. W. kann insoweit schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er die von ihm erhobenen Befunde ersichtlich nicht an Gegebenheiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung leichter und ggfs. weiterer qualitativer Einschränkungen misst. So führte er unter den bekannten Diagnosen, der Auswirkungen und Folgen der operativen Entfernung von Teilen des Darms und der Kolostomieanlage sowie der hochgradigen Neuro-Sensibilitätsschwerhörigkeit aus, dass bedingt durch den starken körperlichen und psychischen Leidensdruck, einhergehend mit körperlichen Einschränkungen, welche aufgrund häufig wechselnder Intensität, dem unwillkürlichen Auftreten und der mangelnden medikamentösen Beherrschbarkeit keine mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mehr zumutbar seien. Die Versorgung des künstlichen Darmausganges würdigt der Sachverständige im Hinblick auf die hygienischen Verhältnissen einer Tätigkeit (griechischer) Landwirte, wobei er ergänzend ausführt, dass deswegen auch Tätigkeiten ausschieden, welche die Klägerin an einen Ort binden (Leitern, Gerüste, Fließbandarbeit, Akkord). Dass damit auch jede (andere) leichte Tätigkeit ausscheidet, welche diese qualitativen Einschränkungen berücksichtigt, begründet der Sachverständige nicht. Dies gilt umso mehr, als er diese Einschränkungen nicht hinreichend benennt und - worauf Dr. G. zu Recht hinweist - eine Malassimilation bei Übergewicht, unauffälligem Labor und Neigung zur Obstipation nicht vorliegt. Seine diesbezüglichen Einlassungen sind angesichts der gemachten Ausführungen weder schlüssig noch nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt seiner Begutachtung sieht auch der Senat - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil - weder den Nachweis hinreichender Befunde und Einschränkungen noch eine überzeugende Begründung für das Vorliegen einer quantitativen Leistungsminderung für den noch streitigen Zeitraum.
Dies gilt nach Überzeugung des Senats auch für das Ausmaß der Schwerhörigkeit, die nach den Ausführungen des Sachverständigen progredient verlief und für die 2003 noch von einem Hörverlust von 65 % beidseits auszugehen war. Anhaltspunkte dafür, ab wann eine beidseitige an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, wie sie Dr. S. im Oktober 2010 festgestellt hat, tatsächlich vorgelegen hat, finden sich nicht. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte und aufgrund des Umstandes, dass durchaus von einem nicht unerheblichen Resthörvermögen vor April 2007 ausgegangen werden muss, ist die Klägerin noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden zu verrichten, sofern man dabei berücksichtigt, dass diese Tätigkeiten keine besonderen Anforderungen an ihr Hörvermögen und ihre Kommunikationsfähigkeit stellten. Dabei ist noch nicht mit einbezogen, dass sowohl Dr. G. als auch Dr. S. durchaus von einer Besserung der Kommunikationsfähigkeit bei adäquater Hörgeräteversorgung ausgegangen sind.
Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des SG, wenn es erhebliche Zweifel am Vorliegen einer sozialmedizinisch relevanten Schwindelsymptomatik äußert. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da solche Einschränkungen erstmals von Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchung im Oktober 2009 festgestellt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass diese in einem sozialversicherungsrechtlich relevanten Ausmaß schon vorher vorgelegen haben, bestehen - abgesehen von den Einlassungen der Klägerin gegenüber Dr. S. - nicht. Denn gegenüber Dr. Winter wurden Beschwerden aufgrund von Schwindelerscheinungen (und Stürzen deswegen) weder geltend gemacht, noch lassen die dort erhobenen Befunde Rückschlüsse auf das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung zu. Vielmehr ist im Rahmen seiner Untersuchung und des dabei erhobenen neurologischen Status ausdrücklich festgehalten worden: "Keine Gleichgewichtsstörungen". Dies wird letztlich bestätigt durch die ärztlichen Befunde, die im Zusammenhang mit dem Rentenantrag beim griechischen Versicherungsträger vorliegen. In keinem der in der Akte vorliegenden Berichte wird auf Gleichgewichtsstörungen oder Schwindelerscheinungen hingewiesen. So heißt es in dem Gutachten vom 01.07.2008 denn auch, dass die Klägerin nicht völlig außerstande sei, sich fortzubewegen und bei den Verrichtungen des täglichen Lebens nicht auf die Hilfe einer dritten Person angewiesen ist. Eine quantitative Leistungsminderung ist damit zur Überzeugung des Senats jedenfalls für den Zeitraum vor April 2007 nicht belegt.
Weitere Ausführungen sind angesichts des sorgfältig begründeten Urteils des SG, worauf der Senat verweist, nicht angezeigt, weswegen die Berufung auch zurückzuweisen ist.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 Gerichtsverfassungsgesetz). Die Klägerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass ihr das Urteil in einer ins Griechische übersetzten Ausfertigung zugestellt wird (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 184 GVG Rn 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved