L 9 R 1204/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 4265/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1204/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Erstattung höherer Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Mit Schreiben vom 20.11.2008, eingegangen am 21.11.2008, beantragte die 1944 geborene Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, die Gewährung von Regelaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres und bat um Übersendung der Antragsvordrucke. Diese erhielt die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter am 1.12.2008. Mit Schreiben vom 23.12.2008 bat die Beklagte um Rückgabe der ausgefüllten Vordrucke binnen vier Wochen und wies auf die Mitwirkungspflichten gem. §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hin. Die Klägerin sandte die Vordrucke nicht zurück.

Mit Bescheid vom 22.1.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung einer Altersrente nach § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung - Nichtübersendung der angeforderten Rentenantragsvordrucke trotz Erinnerung von 23.12.2008 - ab.

Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am 28.1.2009 Widerspruch ein und machte geltend, die Behörde habe nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sechs Monate Zeit, um einen Antrag zu bearbeiten. Für Versicherte müsse die gleiche 6-Monatsfrist gelten. Darüber hinaus sei es unverhältnismäßig bezüglich eines am 19.11.2008 (gemeint wohl: 20.11.2008) formlos gestellten Antrags, zu dem die Antragsvordrucke erst am 1.12.2008 eingegangen seien, einen Versagungsbescheid zu machen. Urlaubsbedingt sei das Hinweisschreiben vom 23.12.2008 erst am 5.1.2009 eingegangen. Die 4-Wochenfrist sei deswegen erst am 5.2.2009 abgelaufen, weswegen der Bescheid schon deswegen rechtswidrig sei. Gleichzeitig legte der Bevollmächtigte eine Vergütungsabrechnung vom 28.1.2009 vor. Hierin machte er einen Gesamtbetrag für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 644,39 EUR geltend, errechnet aus einer Geschäftsgebühr Sozialrecht gemäß § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses (VV) RVG in Höhe von 520,00 EUR, einer Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR, einer Dokumentenpauschale (drei Kopien) gem. Nr. 7000 VV RVG in Höhe von 1,50 EUR und 19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG auf die Summe von 541,50 EUR (in Höhe von 102,89 EUR).

Mit Bescheid vom 6.2.2009 nahm die Beklagte den Bescheid vom 22.1.2009 aufgrund des Widerspruchs zurück und das Rentenverfahren wieder auf. Sie erklärte sich bereit, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf Antrag in vollem Umfang zu erstatten (Kostengrundentscheidung).

Mit Bescheid vom 17.4.2009 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 168,39 EUR fest. Dabei ging sie von einer Geschäftsgebühr Nr. 2400 von 120,00 EUR, einer Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten Nr. 7000 von 1,50 EUR, einer Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 von 20,00 EUR und 19 % Umsatzsteuer auf 141,50 EUR (in Höhe von 26,89 EUR) aus. Die geltend gemachte Gebühr entspreche nicht der Billigkeit.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am 24.4.2009 Widerspruch ein und eine "korrigierte Vergütungsrechnung" vom 24.4.209 in Höhe von 1.263,19 EUR vor, in der sie neben der Geschäftsgebühr eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV in Höhe von 520,00 EUR (und aufgrund dessen Umsatzsteuer in Höhe von 201,69 EUR) geltend machte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.8.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Rahmengebühren (§ 3 RVG) betrügen nach Nr. 2400 VV 40,00 EUR bis 520,00 EUR; die Mittelgebühr betrage 280,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Im vorliegenden Fall handele es sich um ein durchschnittliches Verfahren. Die Tätigkeit des Rechtsbeistands sei weder umfangreich noch schwierig gewesen. Unter Beachtung aller maßgeblichen Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG sei eine Gebühr nach Nr. 2400 VV in Höhe von 120,00 EUR angemessen. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG sei nicht angefallen.

Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am 22.8.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.8.2009 dazu zu verurteilen, die Kosten gemäß der Kostennote vom 28.1.2009, hilfsweise vom 24.4.2009 zu tragen, statt in der Höhe wie bescheidmäßig festgesetzt. Zur Begründung hat sie mit Schriftsatz vom 1.3.2010 vorgetragen, es werde daran festgehalten, dass die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr sei. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde nicht für vertretbar erachtet. Die Höhe der Gebühren richte sich nach Ziffer 2400 VV RVG und nicht nach Ziffer 2401. Die Angelegenheit sei von überdurchschnittlicher Bedeutung gewesen. Es sei um Rente insgesamt gegangen, da ein Versagungsbescheid bekannt gegeben worden sei. Dieser Bescheid sei auch rechtswidrig gewesen und aufgehoben worden. Der Beklagten sei im Widerspruchsverfahren eine korrigierte Kostennote mit Erledigungsgebühr übersandt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.2.2011 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.8.2009 verurteilt, der Klägerin Kosten für das Widerspruchsverfahren wegen des Bescheids vom 22.1.2009 in Höhe von insgesamt 192,11 EUR zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Erstattung einer Geschäftsgebühr von 140,00 EUR. Der Ansatz der Höchstgebühr, wie vom Bevollmächtigten gefordert, sei im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen und daher unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Im vorliegenden Fall habe der Bevollmächtigte lediglich Widerspruch eingelegt und diesen begründet. Eine besonders umfangreiche Tätigkeit habe damit nicht vorgelegen. Eine besondere Schwierigkeit sei nach Auffassung des SG ebenfalls nicht gegeben. Die Angelegenheit habe für die Klägerin vorliegend unterdurchschnittliche Bedeutung gehabt. Dabei berücksichtige das SG insbesondere, dass mit dem angegriffenen Bescheid die Rentengewährung nur wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt und keine endgültige Ablehnungsentscheidung in der Sache getroffen worden sei. Die Vermögensverhältnisse der Klägerin seien durchschnittlich. In Anbetracht dieser Umstände halte das SG eine Geschäftsgebühr in Höhe der halben Mittelgebühr, die bei dem vorliegenden Gebührenrahmen 280,00 EUR betrage, somit in Höhe von 140,00 EUR, für angemessen. Der Hilfsantrag habe keinen weitergehenden Erfolg haben können. Der Ansatz einer Erledigungsgebühr komme vorliegend nicht in Betracht. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Dabei reiche es nicht aus, dass die Tätigkeit des Anwalts nur allgemein auf die Verfahrensförderung ausgerichtet sei. Es müsse vielmehr eine darüber hinausgehende Mitwirkung vorliegen, insbesondere ein besonderes Bemühen des Anwalts um eine Erledigung des Rechtsstreits. Im Widerspruchsverfahren verlange dies eine Tätigkeit, die über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehe. An solch einem besonderen Tätigwerden fehle es hier jedoch. Der Bevollmächtigte habe lediglich Widerspruch eingelegt und diesen begründet. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 19.2.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am Montag, dem 21.3.2011 Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung und einen Berufungsantrag hat sie trotz der Erinnerungen vom 14.6. und 4.8.2011 nicht vorgelegt.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. August 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, höhere Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 22. Januar 2009 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß eingelegt. Zu Gunsten der Klägerin geht der Senat - obwohl trotz mehrmaliger Erinnerung weder ein Berufungsantrag noch eine Berufungsbegründung vorgelegt wurden - davon aus, dass die Klägerin mit der Berufung die Erstattung von Kosten in Höhe von 1.263,19 EUR gemäß der "korrigierten Vergütungsrechnung" vom 24.4.2009 begehrt und sieht deswegen die Berufung als statthaft an. Ausgehend hiervon wird ein Beschwerdewert von 1.071,08 EUR (1.263,19 EUR abzüglich der im Urteil des SG zugesprochenen 192,11 EUR = 1.071,08 EUR) erreicht und der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten, so dass die Berufung gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ohne Zulassung statthaft ist.

Ginge der Senat davon aus, dass der im Klageverfahren als "Hauptantrag" verfolgte Antrag auf Erstattung von Kosten in Höhe von 644,39 EUR gemäß der Vergütungsabrechnung vom 28.1.2009 weiter verfolgt würde, wäre die Berufung schon nicht zulässig, da der Beschwerdewert von 452,28 EUR (644,39 EUR abzüglich dem Urteil des SG zugesprochenen 192,11 EUR = 452,28 EUR) 750,00 EUR nicht übersteigt und das SG die Berufung nicht zugelassen hat.

Da sich die Beklagte im Bescheid vom 6.2.2009 bereit erklärt hat, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang dem Grunde nach zu erstatten, hat der Senat auf die Berufung der Klägerin lediglich darüber zu entscheiden, ob die Klägerin einen höheren Anspruch auf Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens als der vom SG zuerkannten 192,11 EUR (ausgehend von einer Geschäftsgebühr von 140,00 EUR) hat. Nicht zu entscheiden hat der Senat darüber, ob die Klägerin überhaupt Anspruch auf eine Geschäftsgebühr von 140,00 EUR anstelle der von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden angesetzten 120,00 EUR hat.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 22.1.2009, die über 192,11 EUR hinausgehen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Erstattung von Kosten dargelegt und ausgeführt, dass der Ansatz der Höchstgebühr im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen und daher unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG ist, eine höhere Geschäftsgebühr als 140,00 EUR - wie zugesprochen - nicht in Betracht kommt und die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr nicht gegeben sind. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung insoweit an, als jedenfalls eine höhere Gebühr als 140,00 EUR nicht zuzusprechen ist, sieht gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück, zumal nicht einmal eine Berufungsbegründung und ein Berufungsantrag vorgelegt worden sind.

Ergänzend ist auszuführen, dass die Tätigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin weder umfangreich noch besonders schwierig und die Angelegenheit für die Klägerin von weit unterdurchschnittlicher Bedeutung war. Es handelte sich nämlich vorliegend lediglich um einen Versagungsbescheid aufgrund fehlender Mitwirkung der Klägerin, wobei bis zum Beginn der (begehrten) Regelaltersrente noch genügend Zeit für die Nachholung der von der Beklagten geforderten Mitwirkungshandlung war, so dass negative Auswirkungen auf die Rente nicht zu befürchten waren. Zu Recht hat das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG auch die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr verneint. Die vom SG genannte Rechtsprechung des BSG wurde durch weitere Urteile des BSG (Urt. vom 9.12.2010 - B 13 R 63/09 R - und vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - in Juris) bestätigt. Danach kann eine Erledigungsgebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur beansprucht werden, wenn der Anwalt (bzw. hier: Rentenberater) eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird. An dieser besonderen Tätigkeit mangelt es hier. Damit besteht kein Anspruch auf Erstattung höherer Kosten als der vom SG zugesprochenen 192,11 EUR und kann - weil nicht zu prüfen - dahingestellt bleiben, ob nicht bereits die von der Beklagten zuerkannten 168,39 EUR angemessen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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