L 4 KR 5866/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2519/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5866/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. August 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten in Höhe von EUR 291,99 für eine am 9. August 2007 durchgeführte Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule zu erstatten hat.

Der 1988 geborene Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Er begab sich wegen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule am 7. August 2007 nachmittags in die Behandlung des Orthopäden Dr. S ... Es erfolgte eine chirotherapeutische Behandlung zur Lösung von Blockaden der Kreuzbein-/Darmbeingelenke und eine Kortisoninjektion mit Lokalanästhetika vermischt im Bereich der Spinalnervenwurzel L 5 sowie beider Kreuzbein-/Darmbeingelenke. Nachdem am Morgen des darauf folgenden Tages sich keine signifikante Befundverbesserung zeigte, hielt Dr. S. eine Magnetresonanztomographie für erforderlich. Nach Behauptung des Klägers erklärte Dr. S., eine solche könne erst in zwei Wochen durchgeführt werden. Der Kläger stellte sich am 8. August 2007 bei Prof. Dr. B. (Chefarzt der Klinik für Radiologie des Krankenhauses A. des Z.-Klinikums gGmbH), der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nur auf Überweisung ermächtigt ist, in dessen Privatsprechstunde vor. Prof. Dr. B. führte am 9. August 2007 eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule durch. Diese ergab in Höhe der Lendenwirbelkörper 4/5 einen dorso-medianen, beidseits paramedianen Massenvorfall, der den Duralsack zu zwei Dritteln komprimierte, zusätzlich eine geringe spinale Enge in Höhe der Lendenwirbelkörper 4/5, einen Irritationszustand des rechten Facettengelenks L 4 sowie geringe knöcherne Foramenstenosen beidseits in Höhe der Lendenwirbelkörper 5/S 1. Prof. Dr. B. vertrat die Auffassung, dass bei diesem ausgeprägten Befund in Höhe der Lendenwirbelkörper 4/5 eine Operationsindikation in Erwägung zu ziehen sei (Befundbericht vom 9. August 2007). Der Kläger wurde am selben Tag zur stationären Behandlung in das Universitätsklinikum T. eingewiesen, die bis 23. August 2007 dauerte. Am 20. August 2007 erfolgte ein operativer Eingriff zur Entfernung von Bandscheibengewebe.

Prof. Dr. B. berechnete dem Kläger über ein ärztliches Rechnungszentrum für die am 9. August 2007 durchgeführte Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) den Gesamtbetrag von EUR 291,99 (Rechnung vom 17. Oktober 2007), der sich wie folgt zusammensetzt:

Gebührennummer Leistung Faktor Betrag 5705 GOÄ Magnetresonanztomographie, Wirbelsäule 1,00 EUR 244,81 5733 GOÄ Zuschlag, computergesteuerte Analyse 1,00 EUR 46,63 Porto EUR 0,55

Nachdem sich der Vater des Klägers bereits am 10. August 2007 wegen der Übernahme der Kosten der Magnetresonanztomographie telefonisch bei der Beklagten erkundigt hatte, reichte er am 24. Oktober 2007 die Rechnung des Prof. Dr. B. vom 17. Oktober 2007 bei der Beklagten ein. Auf Anfrage der Beklagten vertrat Dr. S. die Auffassung (Schreiben vom 26. November 2007), es habe sich um eine Notfallbehandlung gehandelt, da rein medizinisch der Kläger an einer massivsten, absolut therapieresistenten Wurzelreizsymptomatik gelitten habe, die auf lokale Kortisoninjektionen keinerlei anhaltende Besserung gezeigt habe. Den klinischen Verdacht auf einen geklagten Bandscheibenring mit breitbasigem Massenvorfall habe die Magnetresonanztomographie bestätigt. Erste Anzeichen eines beginnenden Caudasyndroms seien mit einer seit drei Tagen anhaltenden Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion bereits am 9. August 2007 vorhanden gewesen.

Die Beklagte unterrichtete den Vater des Klägers unter dem 12. Dezember 2007, dass die Erstattung von Privatrechnungen grundsätzlich nicht möglich sei. Die Magnetresonanztomographie sei nicht direkt über die Krankenversichertenkarte im Rahmen der vertraglichen Regelungen abgerechnet, sondern es sei eine Privatrechnung erstellt worden. Der Vater des Klägers sah dies als Ablehnung der Kostenübernahme an und erhob Widerspruch. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem an den Vater des Klägers gerichteten Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 zurück. Dem Antrag, die Kosten zu erstatten, könne nicht entsprochen werden. Der Kläger nehme nicht am Kostenerstattungsverfahren teil. Auch habe er sich vor der Durchführung der Untersuchung nicht bezüglich einer möglichen Kostenübernahme mit ihr (der Beklagten) in Verbindung gesetzt. Sie (die Beklagte) habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, sich mit Dr. S. und Prof. Dr. B. in Verbindung zu setzen, um für eine adäquate vertragsärztliche Versorgung des Klägers zu sorgen sowie notfalls andere behandlungsbereite Ärzte zu benennen. Eine dringliche Operationsindikation habe offenbar nicht bestanden, denn nach der stationären Aufnahme im Krankenhaus am 9. August 2007 sei zunächst eine konservative physikalische Therapie versucht und erst am 20. August 2007 operiert worden. Bei einem unabweisbaren Notfall hätte der Kläger von sich aus die Krankenhausambulanz aufsuchen können.

Eine Anfrage der Beklagten im Widerspruchsverfahren beantwortete die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids mit Schreiben vom 15. Juli 2008, nachdem sie eine Stellungnahme des Prof. Dr. B. eingeholt hatte. Da der Kläger nicht sofort notfallmäßig in ein Krankenhaus eingewiesen worden sei, sondern die medikamentöse Behandlung habe fortgesetzt werden sollen, sei auszuschließen, dass es sich beim Kläger um einen medizinischen Notfall gehandelt habe. Der Vater des Klägers habe vielmehr die sich abzeichnende Wartezeit auf eine Kernspintomographie nicht hinnehmen wollen und mit Verweis auf eine entsprechende Bereitschaft zur Übernahme der Kosten einen Termin in der Privatsprechstunde des Prof. Dr. B. gewünscht.

Der Kläger erhob am 11. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Bei einem Notfall, der vorgelegen habe, sei nicht zuerst die Zustimmung der Beklagten (zur Behandlung) einzuholen. Gegebenenfalls sei auch von einem Mangel des Leistungssystems auszugehen, wenn nach dem von der Beklagten betriebenen Leistungssystem eine Untersuchung erst nach zwei Wochen möglich gewesen wäre, bei privatärztlicher Behandlung aber sofort am nächsten Tag.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 sowie das Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 15. Juli 2008 entgegen und führte ergänzend aus, Notfallbehandlungen seien auch von nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten nicht über eine Privatrechnung, sondern mit der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen.

Das SG hörte Prof. Dr. B. und Dr. S. als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. B. gab an (Auskunft vom 11. November 2008), für die Magnetresonanztomographie liege derzeit eine Ermächtigung auf Zuweisung von niedergelassenen Neurochirurgen, auf zeitgleiche Zuweisung von Chefärzten des Z.-Klinikums und eine Ermächtigung für die Magnetresonanztomographie der Mamma vor. Der Kläger sei von Dr. S. nicht als Notfall, sondern als Selbstzahler zugewiesen worden, was zwischen ihm (dem Kläger) und Dr. S. vereinbart worden sei. Eine Notfallsituation habe sich erst aus dem von ihm erhobenen Befund ergeben. Dr. S. berichtete in seiner Auskunft vom 5. Februar 2009 über die durchgeführte Behandlung. Die klinische und neurologische Untersuchung habe den Nachweis einer akuten Lumboischialgie rechtsbetont ohne neurologische Ausfälle ergeben. Aufgrund der Therapieresistenz habe er (am 8. August 2007) sofort eine Überweisung zum Radiologen veranlasst mit der Bitte, eine Magnetresonanztomographie durchzuführen, um den Verdacht eines Bandscheibenvorfalls als Schmerzursache weiter abzuklären. Da aber keine klinischen Symptome für einen Bandscheibenvorfall im Sinne von neurologischen Defiziten vorgelegen hätten, sei trotz seiner persönlicher Bemühungen bei keinem der niedergelassenen Fachärzte für Radiologie ein vorgezogener Notfalltermin zu erhalten gewesen. Der Versuch einer akuten Klinikeinweisung in die Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. sei ohne eindeutige neurologische Defizite und ohne vorliegende magnetresonanztomographische Diagnostik hoffnungslos. Die Problematik zunehmender Wartezeiten für entscheidende bildgebende Diagnostikverfahren speziell der Magnetresonanztomographie stelle ein tägliches Problem dar. Die aus seiner Sicht sich abzeichnende Notfallsituation habe in dem vertragsärztlichen System mit klaren Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit und medizinischen Notwendigkeit basierend auf der aktuellen medizinischen Befundlage leider nicht bewiesen werden können. Entsprechend habe auch kein glaubhafter Grund für die radiologischen Kollegen des vertragsärztlichen Systems resultiert, den Kläger gegenüber anderen Schmerzpatienten vorzuziehen.

Mit Urteil vom 4. August 2010 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2008 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die für die Magnetresonanztomographie vom 9. August 2007 aufgewendeten Kosten in Höhe von EUR 291,99 zu erstatten. Die Kosten für die durchgeführte Magnetresonanztomographie seien zu erstatten, weil die Beklagte diese unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können. Der Kläger habe am 7. August 2007 unter heftigen Schmerzen gelitten, die im Rahmen der ambulanten fachärztlichen Behandlung nicht hätten beseitigt oder zumindest gebessert werden können. Deshalb habe die Möglichkeit eines schweren Krankheitsbefundes, insbesondere eines Bandscheibenvorfalls, bestanden, zu dessen Klärung und auch zur Klärung des weiteren therapeutischen Vorgehens zur Behandlung der Schmerzen eine Magnetresonanztomographie erforderlich gewesen sei. Offenbar seien allein die heftigen Schmerzen für die beteiligten Ärzte noch kein Grund gewesen, sofort eine Magnetresonanztomographie durchzuführen oder auch "formal" eine Notfallbehandlung einzuleiten. Ob objektive Engpässe und/oder auch andere Gründe dazu beigetragen hätten, dass die Magnetresonanztomographie im vertragsärztlichen Bereich nicht sofort durchgeführt worden sei, könne dahinstehen. Jedenfalls sei es für den Kläger nicht zumutbar gewesen, trotz seiner heftigen Schmerzen eine Wartezeit von ein bis zwei Wochen in Kauf zu nehmen. Hiervon werde aufgrund der Behauptung des Klägers, dass Dr. S. eine Wartezeit von zwei Wochen in Aussicht gestellt habe, sowie den Angaben des Dr. S. über Wartezeiten für akute Schmerzpatienten von häufig mehr als einer Woche ausgegangen. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, sich vor Durchführung der Untersuchung an die Beklagte zu wenden oder eine Krankenhausambulanz aufzusuchen. Aus dem Vortrag des Klägers und den Angaben des Dr. S. ergebe sich, dass Dr. S. versucht habe, einen sofortigen Termin für eine Magnetresonanztomographie zu erhalten, und dem Kläger keinen anderen Weg aufgezeigt habe, als die Untersuchung bei Prof. Dr. B. durchführen zu lassen. Wenn ein Versicherter, der nicht im Rahmen einer Notfallbehandlung, sondern ausdrücklich im Rahmen einer Privatbehandlung Leistungen in Anspruch nehme, im Nachhinein geltend mache, es habe sich um eine Notfallbehandlung gehandelt, begründe dies zwar keinen Erstattungsanspruch, sondern er müsse seine in diesem Fall rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen von dem Leistungserbringer nach bürgerlichem Recht zurückfordern. Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Aufgrund des Umfangs der ihm erteilten Ermächtigung habe Prof. Dr. B. den Kläger nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung behandeln können und die Magnetresonanztomographie auch nicht als Notfallbehandlung durchgeführt, weil der Kläger nicht als Notfall zugewiesen worden sei.

Gegen das ihr am 13. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Dezember 2010 - die vom SG zugelassene - Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten habe. Eine Kernspintomographie sei nicht sofort erforderlich gewesen und es hätte zunächst mit Schmerzmitteln, entzündungshemmenden Mitteln und physikalischer Therapie weiterbehandelt werden können, bis ein regulärer Termin für eine Magnetresonanztomographie zur Verfügung gestanden habe. Eine unaufschiebbare Leistung habe nicht vorgelegen. Wenn mit dem SG von einem Notfall auszugehen sei, sei auch ein Krankenhausarzt ohne Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung oder ausreichende Ermächtigung verpflichtet, mit der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob der Notfall erst nach der ärztlichen Untersuchung bestätigt werde. Prof. Dr. B. habe gewusst, dass der Kläger gesetzlich versichert sei, weshalb er seine Abrechnung "entgegenkommenderweise" auf den einfachen Satz nach der GOÄ beschränkt habe. Sie (die Beklagte) gehe davon aus, dass der Kläger von vornherein als Notfall bei Prof. Dr. B. angemeldet worden sei. Auch ein Selbstzahler oder Privatpatient erhalte bei der Anmeldung nicht ohne weiteres bereits einen Termin für den nächsten Vormittag. Richtigerweise hätte er die Privatrechnung beim tatsächlichen Vorliegen eines Notfalls nicht versenden dürfen, weshalb der Kläger auf eine Nichtschuld geleistet habe und die Zahlung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern könne. Sie stelle seit längerem fest, dass Radiologen reguläre Untersuchungstermine für Kassenpatienten so weit wie möglich zeitlich hinauszuschieben versuchten, damit um ihre Gesundheit besorgte Kassenpatienten geneigt gemacht würden, radiologische Untersuchungen privat zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Magnetresonanztomographie sei unaufschiebbar gewesen. Um einen Notfall habe es sich nicht gehandelt. Denn er (der Kläger) sei nicht als Notfall an Prof. Dr. B. überwiesen worden. Erforderliche und mögliche Sachleistungen würden aus sachfremden Erwägungen nicht rechtzeitig geleistet.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Denn das SG hat die Berufung zugelassen.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 291,99 für die am 9. August 2007 durchgeführte Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule.

1. Da der Kläger im Jahre 2007 nicht nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 291,99 für die am 9. August 2007 durchgeführte Magnetresonanztomographie nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alternative 2) und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung reicht dieser Anspruch jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 - = SozR 3 2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - = SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.). Obgleich die Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule zu den von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der hierfür aufgewendeten Kosten, weil weder ein Notfall (a) noch eine unaufschiebbare Leistung (b) noch eine von der Beklagten zu Unrecht abgelehnte Leistung (c) noch der Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens (d) vorlag.

a) Die Erstattung der Kosten kann nicht darauf gestützt werden, es habe ein Notfall vorgelegen. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 9). Ein solcher Notfall lag nicht vor. Der Kläger selbst geht im Berufungsverfahren hiervon aus. Der Senat entnimmt auch den Angaben des Dr. S. vom 5. Februar 2009 als sachverständiger Zeuge gegenüber dem SG, dass Dr. S. selbst davon ausging, der von ihm festgestellte Befund rechtfertige nicht die Annahme eines Notfalls, weil hierfür neurologische Ausfälle fehlten.

Wenn ein Notfall vorgelegen hätte, müsste im Übrigen der in Anspruch genommenen Arzt (hier Prof. Dr. B.) unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen und dürfte dem Versicherten selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - m.w.N.; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B -; beide veröffentlicht in juris). Der Arzt, der Leistungen als Notfall erbringt, hat keinen Vergütungsanspruch gegen den Versicherten, so dass dem Versicherten auch keine Kosten entstehen können.

b) Der Fall einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V) lag nicht vor. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung des Leistungsträgers mehr besteht. Die Fähigkeit der Krankenkasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung des Leistungsträgers vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - = SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Der Kläger oder stellvertretend für ihn sein Vater hätten sich bei der Beklagten bereits vor der Durchführung einer Magnetresonanztomographie erkundigen können, welche zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte, die in ausreichender Zahl vorhanden sind, hierfür in Anspruch genommen werden können. Dies ist nicht erfolgt. Vielmehr begab sich der Kläger zunächst bewusst in die privatärztliche Behandlung des Prof. Dr. B., ohne sich auch nur ansatzweise um die im vertragsärztlichen System zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu kümmern. Erst nach Durchführung der Magnetresonanztomographie ersuchte der Vater des Klägers die Beklagte am 10. August 2007 um Beratung wegen der angefallenen Kosten.

Wenn aufgrund des von Dr. S. erhobenen Befunds, etwa wegen einer drohenden Querschnittssymptomatik oder eines Caudasyndroms, eine Magnetresonanztomographie zur weiteren Abklärung umgehend erforderlich war und die üblichen Wartezeiten für die Durchführung einer Magnetresonanztomographie nicht zumutbar waren, hätte Dr. S. die erforderliche Überweisung für die Magnetresonanztomographie als Notfall vornehmen müssen. Dies hat er nicht getan. Hieraus leitet der Senat ab, dass auch Dr. S. davon ausging, dass die ihm bekannten üblichen Wartezeiten zur Durchführung der Magnetresonanztomographie bei dem erhobenen Befund unter Anwendung weiterer therapeutischer Maßnahmen noch zumutbar waren. Dafür spricht auch, dass im Rahmen der stationären Behandlung ab 9. August 2007 zunächst eine weitere konservative Therapie und erst am 20. August 2007 der operative Eingriff erfolgte.

Der Senat verkennt nicht, dass eine Wartezeit für weitergehende diagnostische Untersuchungen bei akuten Beschwerden, insbesondere Schmerzen, unangenehm ist. Allerdings ist auch im vorliegenden Fall die Magnetresonanztomographie erst zwei Tage nach der ersten Diagnostik durch Dr. S. erfolgt. Ebenso führte Prof. Dr. B. die Magnetresonanztomographie nicht bereits am 8. August 2007, als der Kläger sich erstmals bei ihm vorstellte, durch, sondern erst am darauf folgenden Tag, dem 9. August 2007. Auch dies belegt, dass jedenfalls eine umgehende weitere Diagnostik durch die Magnetresonanztomographie nicht erforderlich war, sondern diese noch unter Berücksichtigung freier Termine planbar war.

c) Weiter liegen auch die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung wegen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V) nicht vor. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 15/07 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 16). Nach der Rechtsprechung des BSG sind Versicherte vor der Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich gehalten, sich an ihre Krankenkasse zu wenden, die Leistungsgewährung zu beantragen und die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 1). Die Beklagte war - wie unter b) dargelegt - vor dem 9. August 2007 mit der Durchführung der Magnetresonanztomographie nicht befasst.

d) Schließlich kann der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf den Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens, nämlich dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 1 und vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 38/06 R -), stützen. Ein Versicherter, der nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch nehmen will, ist gehalten, vor Beginn der Behandlung sich mit der Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems zu erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen (BSG, Urteile vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 1 und vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 38/06 R - in juris). Dies tat der Kläger - wie unter b) dargelegt - nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved