L 8 AL 5902/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 464/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5902/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Mannheim vom 18. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung eines Existenzgründungszuschusses (EXGZ) streitig.

Der 1950 geborene Kläger nahm am 01.06.2004 als Selbstständiger Tätigkeiten im Bereich Reisebüro und Hausverwaltung auf (Gewerbeanmeldung der Stadt M. vom 10.05.2004). Für diese Tätigkeiten wurde ihm von der Agentur für Arbeit M. (AA) für die Zeit vom 01.06.2004 bis 31.05.2005 ein EXGZ mit einem monatlichen Förderungssatz von 600 EUR bewilligt. Am 25.08.2005 erkundigte sich der Kläger bei der AA telefonisch nach dem Bearbeitungsstand eines Folgeantrages auf den EXGZ zweites Förderjahr vom 10.07.2005. Zum 01.05.2007 gab der Kläger seine selbstständige Tätigkeit (aus gesundheitlichen Gründen) auf.

Der Kläger legte dem AA die Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes M.-Stadt für die Jahre 2004 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 10.000 EUR), 2005 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 3.058 EUR) und 2006 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 7.206 EUR) vor.

Am 20.07.2009 wandte sich der Kläger wegen der Weiterbewilligung des EXGZ ab 01.06.2005 erneut an die AA. Er machte geltend, bis heute keine Ablehnung oder Bewilligung erhalten zu haben. Am 04.11.2009 reichte der Kläger bei der AA einen (auf den 10.07.2005 datierten) Antrag auf Weitergewährung eines EXGZ ein.

Mit Bescheid vom 20.01.2010 entsprach die AA dem Antrag des Klägers "vom 30.06.2005" auf Weitergewährung eines EXGZ nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Jahre 2004, 2005 und 2006 habe der Kläger geringes oder gar kein Einkommen nachgewiesen. Aus diesen Gründen mache eine Weiterförderung keinen Sinn und diene keinem Zweck.

Gegen den Bescheid vom 20.01.2007 legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug zur Begründung vor, er habe die Leistung des EXGZ auch für das zweite Jahr beantragt. Die Bewilligung sei zunächst daran gescheitert, dass die Steuerbescheide fehlten. Diese seien nachgereicht worden. Der Verdienst habe in jedem Fall unter der Höchstgrenze gelegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2010 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Weiterbewilligungsantrag sei am 04.11.2009 verspätet gestellt worden. Auch bei rechtzeitiger Antragstellung wäre der Antrag zurückzuweisen gewesen. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich durch die selbständige Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu sichern und eine tragfähige Existenzgrundlage zu schaffen, was Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.02.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug vor, er habe den Folgeantrag für das zweite Jahr rechtzeitig stellen wollen. Ihm sei die Auskunft erteilt worden, dass er ohne Steuerbescheid des Finanzamtes den Antrag nicht abgeben könne. Eine von ihm selbst erstellte Gewinn- und Verlustrechnung sei nicht akzeptiert worden. Ihm sei zugesagt worden, dass ihm durch die spätere Abgabe kein Schaden entstehe. Nach Erhalt der Steuerbescheide habe er das Antragsformular für das zweite Jahr eingereicht. Bei mehrfachen telefonischen Nachfragen, wann er den Bewilligungsbescheid erhalte, sei er vertröstet worden. In einem weiteren Telefongespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass der Antrag nicht vorliege. Am 04.11.2009 habe er eine Kopie des Originalantrages abgegeben. Daraufhin habe er einen Ablehnungsbescheid erhalten. Er habe seinen Lebensunterhalt durch seine selbstständige Tätigkeit finanziert. Dazu habe er auch Ersparnisse aufbrauchen müssen. Im Jahr 2005 sei er schwer erkrankt. Durch die Mitarbeit seiner Schwester habe er den Betrieb weiterführen können. Wegen der Nichtgewährung des EXGZ habe er Beiträge zur Rentenversicherung nicht leisten können und die Krankenversicherung habe Nachforderungen an ihn gestellt. Er sei auf den EXGZ angewiesen, da er die offenen Forderungen der Rentenversicherung ausgleichen müsse und die Nachforderung der Krankenkasse entfiele.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.11.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der Weitergewährungsantrag sei verspätet gestellt worden. Der Antrag auf Weitergewährung sei vor Beginn des zweiten bzw. dritten Förderzeitraumes zu stellen. Der Antrag sei jedoch erst am 04.11.2009 bei der AA eingegangen. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Weiterbewilligung des EXGZ lägen nicht vor. Vor der Neubewilligung für das jeweils nächste Jahr müsse geprüft werden, ob die Förderungsvoraussetzungen weiterhin vorlägen. Die Verwaltung könne auch noch nach der begonnenen Existenzgründung die Tragfähigkeit prüfen. Den Kläger treffe insoweit die Verpflichtung, der AA die notwendigen Angaben zur Prüfung der Weitergewährungsvoraussetzungen zugänglich zu machen. Die Existenzgründung des Klägers sei nach Ablauf des ersten Förderungszeitraumes nicht mehr tragfähig gewesen. Der Kläger habe aus seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2005 ein monatliches Einkommen in Höhe von 254,83 EUR und im Jahr 2006 in Höhe von 600,50 EUR nachgewiesen. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass eine tragfähige Existenzgründung vorliege. Im Übrigen verblieben erhebliche Zweifel an der Existenzgründung, da die Einkommensteuerbescheide keine Betriebsausgaben auswiesen und der Kläger den EXGZ für die Begleichung von Verbindlichkeiten bei der Rentenversicherung und nicht für seine Existenzgründung benötige.

Gegen den dem Kläger am 25.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 27.12.2010 (einem Montag) Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, er habe am 10.07.2005 den Antrag auf Gewährung eines EXGZ für das zweite Jahr eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits an Depressionen erkrankt gewesen. Er habe einiges schleifen lassen. Er sei weiterhin bei der Krankenkasse versichert gewesen, da diese bzw. er sicher davon ausgegangen seien, dass der Zuschuss der AA weiter gewährt werde. Zum 01.05.2007 habe er seine Selbstständigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen und eine unselbstständige Tätigkeit mit geringem Einkommen aufgenommen. Nach Beendigung seiner selbstständigen Tätigkeit sei er von seiner Krankenkasse zu Nachzahlungen für 24 Monate aufgefordert worden. Der EXGZ für das zweite und dritte Jahr sei für die Beiträge der Rentenversicherung vorgesehen. Für ihn stelle es eine Härte dar, wenn der Zuschuss nicht ausbezahlt werde, da er erhebliche Teile seiner Altersversorgung für die Existenzgründung verwendet habe und er eine sehr geringe Rente erhalten würde. Der Kläger hat eine Einnahmenüberschussrechnung für die Jahre 2005 und 2006 (Gewinn 3057,98 EUR und 7206,10 EUR) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2010 aufzuheben und ihm einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Entgegen der Ausführungen des Klägers sei nicht entscheidend, ob die Antragsfrist eingehalten worden sei. Die Existenzgründung des Klägers sei nach Ablauf des ersten Förderungszeitraumes nicht mehr tragfähig gewesen. Auf die vom Kläger geltend gemachten subjektiven Gründe komme es nicht an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und insgesamt zulässig. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für Weiterbewilligung des EXGZ für das zweite und dritte Förderjahr liegen nicht vor.

Rechtsgrundlage für den erhobenen Anspruch auf den Existenzgründungszuschuss ist die Bestimmung des § 421l SGB III. Nach § 421l Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird nach § 421l Abs. 1 Satz 2 SGB III geleistet, wenn der Existenzgründer (1.) in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat, (2.) nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird. Der Zuschuss wird für bis zu drei Jahre erbracht und wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600 Euro, im zweiten Jahr monatlich 360 Euro und im dritten Jahr monatlich 240 Euro (§ 421l Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB III).

Es handelt sich um einen einheitlichen Anspruch, der in Abschnitten verwirklicht wird, wie sich aus § 421l Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 SGB III ergibt. Da der EXGZ zu den Leistungen der Arbeitsförderung gehört, besteht ein Antragserfordernis (vgl. § 323 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Antrag ist gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 31.03.2009 - L 13 AL 4390/08 - und vom 24.05.2007 - L 7 AL 4485/05 -, veröffentlicht in Juris). Vor der Neubewilligung für das nächste Jahr muss geprüft werden, ob die Fördervoraussetzungen weiterhin vorliegen. Die dazu notwendigen Angaben hat der Existenzgründer beizubringen (Winkler in: Gagel, SGB III, § 421l RdNr. 19; Brandts in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. § 421l RdNr. 35f.). Vom 01.06.2006 an findet § 421 l SGB III nur noch Anwendung, wenn der Anspruch auf Förderung vor diesem Tag bestanden hat (§ 421 l Abs. 5 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2005 [BGBl. I S. 3676]).

Hiervon ausgehend hat das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger die Weitergewährung des EXGZ für das zweite und dritte Förderjahr verspätet gestellt hat. Allerdings kann dabei nicht auf den am 04.11.2009 bei der AA nachgereichten Antrag des Klägers auf Weitergewährung eines EXGZ abgestellt werden, wovon das SG ausgeht. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe sich vor Ablauf des ersten Förderjahres bei der AA wegen der Gewährung des zweiten Förderjahres informiert und am 10.07.2005 den Antrag auf Weitergewährung eingereicht. Zwar findet sich ein im Juli 2005 eingegangener Weitergewährungsantrag nicht in der Leistungsakte des Klägers. Sein Vorbringen wird jedoch durch einen Vermerk der AA stützt, wonach sich der Kläger telefonisch am 25.08.2005 nach dem Bearbeitungsstand eines Antrages vom 10.07.2005 erkundigt hat. Doch selbst wenn von einem Weitergewährungsantrag vom 10.07.2005 ausgegangen wird, wäre dieser Antrag erst nach Ablauf des ersten Förderjahres (31.05.2005) verspätet gestellt worden. Ein Weiterförderungsantrag für das dritte Förderjahr lässt sich der Leistungsakte des Klägers nicht entnehmen. Die Stellung eines solchen Antrags hat der Kläger auch nicht vorgetragen.

Ob bereits eine verspätete Antragstellung der Weitergewährung des EXGZ entgegensteht, ist vorliegend nicht entscheidend. Denn der Kläger erfüllt die Förderungsvoraussetzungen für die Weitergewährung des EXGZ unabhängig davon nicht. Offen bleiben kann dabei, ob nach der begonnenen Existenzgründung die Prüfung sich nur auf die weitere Ausübung der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit und das Einkommen bis zur Obergrenze von 25&8201;000 EUR beschränkt (so Winkler in: Gagel, a.a.O.), oder ob die Beklagte darüber hinaus auch die Tragfähigkeit der Existenzgründung zu prüfen hat, wovon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid - die Tragfähigkeit der Existenzgründung verneinend - ausgeht.

Der Kläger hat der Beklagten für die Entscheidung über den Weitergewährung des EXGZ notwendige Unterlagen zum erzielten Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit (vgl. Brandts a.a.O. § 421l RdNr. 36) erst im Zusammenhang mit dem am 04.11.2009 nachgereichten Weitergewährungsantrag (Einkommensteuerbescheide für 2004, 2005 und 2006) - frühestens am 20.03.2007, 17.08.2007 bzw. 09.07.2008 - vorgelegt und damit der Beklagten eine Entscheidung über die Weitergewährung des EXGZ erst zu diesem Zeitpunkt ermöglicht (Entscheidungsreife). Zu diesem Zeitpunkt der Entscheidungsreife über die Weitergewährung des EXGZ hatte der Kläger - nach seinem eigenen Vorbringen - jedoch bereits seine Existenzgründung, die Grundlage des bewilligten EXGZ war, zum 01.05.2007 aufgegeben. Somit lagen die Förderungsvoraussetzungen für eine weitere Gewährung des EXGZ nicht mehr vor. Dass der Kläger die Existenzgründung aus gesundheitlichen Gründen hat aufgeben müssen, wie er vorträgt, ist vorliegend rechtlich nicht von Belang. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 421l SGB III, u.a. Arbeitslosigkeit durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu beenden (vgl. Brandts a.a.O, § 421l RdNr. 2), war die Beklagte nicht gehalten, für die nicht mehr ausgeübte selbständige Tätigkeit weiter einen EXGZ zu gewähren. Daran vermögen auch die vom Kläger genannten persönlichen Gründe nichts zu ändern. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger nach Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit nicht erneut arbeitslos wurde.

Die Berufung des Klägers war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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