L 13 R 3937/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 768/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3937/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1959 in T. geborene Kläger zog 1988 in die Bundesrepublik Deutschland zu. Er hat keinen Beruf erlernt, keine Umschulung, Qualifikation oder Anlernverhältnis absolviert und war bis 29. Dezember 1991 als Montagearbeiter versicherungspflichtig beschäftigt (s. Anlage zum Rentenantrag vom 16. Juli 2007 und seine Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H.). Seither ist er -von einer kurzen Zeit vom 13. bis 21. Juli 1992 abgesehen (s. Versicherungsverlauf vom 5. September 2008)- arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Am 16. Juli 2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Daraufhin erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. M. zu V. im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. In dem Gutachten vom 11. September 2007 nannte er als Diagnosen des Klägers ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie rechts bei bekanntem Bandscheibenvorfall L4/5 rechtsseitig, eine Periarthrosis humeroscapularis links mit partieller Schultersteife mit deutlicher Funktions- und Belastungseinschränkung, ein chronisches degeneratives Cervicalsyndrom mit zeitweiliger Brachialgie linksseitig, einen Diabetes mellitus (insulinpflichtig) und eine mittelgradige depressive Episode mit deutlicher Funktions- und Belastungseinschränkung. Er kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen und dadurch bedingten Funktions- und Belastungseinschränkungen dem Kläger noch eine leichte Tätigkeit in regelmäßigem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und sitzender Körperhaltung, ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten sowie ohne besondere Beanspruchung des linken Armes mit Bewegungen über Horizontalen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar sei. Mit Bescheid vom 24. September 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 5. Oktober 2007 Widerspruch. Zu dessen Begründung machte er geltend, dass er weiterhin der Ansicht sei, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegeben seien. Er leide unter Depressionen und an Gefühlsstörungen im Bereich des linken Armes.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sie sich auf die Beurteilung des sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme vom 2. Januar 2008). Dem Kläger seien unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Volle bzw. teilweise Erwerbsminderung liege beim Kläger nicht vor. Der Kläger sei nicht berufsunfähig; er müsse sich auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit sei angesichts der Vielzahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten nicht erforderlich.

Der Kläger hat am 10. März 2008 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er geltend gemacht, dass sich die Beeinträchtigungen in den letzten Monaten verschlimmert hätten. Er sei nicht in der Lage, seine rechte Hand zu benutzen. Er könne nicht mal mit der rechten Hand etwas aus der Tasche herausnehmen. Die Beklagte hat unter Vorlage des Versicherungsverlaufes vom 5. September 2008 vorgetragen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmals am 31. Juli 2007 erfüllt. Im Versicherungsverlauf sind zuletzt bis 31. Dezember 2004 von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Zeiten (Pflichtbeitragszeit), danach bis 12. November 2006 lediglich Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug aufgeführt.

Das SG hat bei dem Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. Sp., bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. G., bei dem Facharzt für Augenheilkunde Dr. K. und bei dem Facharzt für Orthopädie D. schriftliche sachverständige Zeugenaussagen eingeholt. Dr. Sp. hat wegen eines nur einmaligen Kontaktes die Beweisfragen nicht zu beantworten vermocht (Aussage vom 29. August 2008). Dr. W. hat unter dem 1. September 2008 mitgeteilt, bei fehlendem Nachweis einer neurologischen Erkrankung ergebe sich keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Dr. G. hat von in ca. zweimonatlichen Abständen stattfindenden Behandlungen vom 19. Oktober 2007 bis 16. Mai 2008 berichtet. Der Kläger leide an einer paranoiden Psychose, die möglicherweise seit mindestens zwei Jahren vorliege. Der Kläger sei nicht vollschichtig leistungsfähig (Aussage vom 10. September 2008). Dr. K. hat von ophtalmologischer Seite keine Einschränkung festgestellt (Aussage vom 10. September 2008), Orthopäde D. leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von 6 Stunden für möglich erachtet (Aussage vom 7. Oktober 2008). Außerdem hat das Gericht von Amts wegen bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. H. vom Klinikum am W. ein schriftliches Sachverständigengutachten vom 21. Januar 2009 eingeholt. Dr. H. hat eine rezidivierende depressive Störung bei derzeit leichter Episode diagnostiziert. Die Kriterien für eine Angsterkrankung, psychotische Symptome, schizophrenen Psychose, schizoaffektiven oder somatoformen Störung seien nicht erfüllt. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Akkordarbeit, Wechselschicht, Nachtarbeit, besonderer Zeitdruck, besondere Ansprüche an Auffassung, Konzentration, Verantwortung und geistige Beanspruchung seien zu vermeiden. Nach Aktenlage seien Fluktuationen der depressiven Störung beschrieben worden. Nachdem der Kläger den Kurzbrief des Klinikums am W. vom 24. März 2009 vorgelegt hat, nach dem eine schizoaffektive Störung vorliege, hat das SG von Dr. H. eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme -vom 10. Mai 2009- eingeholt. Dr. H. hat ausgeführt, dass nach den dort beschriebenen Symptomatik die Diagnose nachvollziehbar sei. Der Entlassungsbefund sei aber mit seinen erhobenen Befunden gut in Einklang zu bringen. Der Kläger sei nach wie vor vollschichtig leistungsfähig.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, insbesondere sei er nicht bis zum 31. Juli 2007 erwerbsgemindert geworden.

Gegen die dem Kläger am 29. Juli 2009 zugestellte Entscheidung des SG hat der Kläger am 24. August 2009 Berufung eingelegt. Unstreitig stehe fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals am 31. Juli 2007 erfüllt seien. Jedoch sei er bereits zu diesem Zeitpunkt erwerbsgemindert gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2008 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat von dem behandelnden Arzt Dr. W. eine schriftliche Zeugenaussage vom 23. November 2009 eingeholt. Hiernach hat er den Kläger vom 1. Januar 2006 bis 31. Juli 2007 einmalig am 24. Mai 2007 behandelt; dabei habe der Kläger weder über Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet geklagt noch derartige Auffälligkeiten gezeigt. Des Weiteren hat der Senat sämtliche ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2006 und 2007 von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. beigezogen und vom Klinikum am W. alle Entlassungsberichte eingeholt. Der Kläger hat noch den Bericht des Klinikums vom 6. Dezember 2010 nachgereicht. Auf Antrag gemäß § 109 SGG hat der Senat von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie Dr. B. das Gutachten vom 2. März 2011 und die ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 8. Juni 2011 eingeholt. Hiernach liege eine leichte schizoaffektive Störung, gegenwärtig eine leichte depressive Episode vor. Die Leistungsbeurteilung des Dr. H. sei zuzustimmen.

Im Termin Zur Erörterung des Sachverhalts am 28. Oktober 2011 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Er ist weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Er ist noch vollschichtig, d.h. 6-stündig am Tag leistungsfähig, weshalb eine Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 3 SGB VI) nicht vorliegt. Als ungelernter Montagearbeiter ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, weshalb er auch nicht berufsunfähig ist.

Der Senat schließt sich den zutreffenden Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides an und sieht von einer Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch die Gutachterin des Vertrauens das Begehren nicht stützt und überzeugend -von vorübergehenden Fluktuationen abgesehen- ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt hat. Die von Dr. H. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 10. Mai 2009 als nachvollziehbar angesehene Diagnose einer schizoaffektive Störung hat Dr. B. bestätigen können. Diese ist aber nach ihren schlüssig und nachvollziehbaren Ausführungen als leicht einzustufen, da lediglich drei schwere depressive Episoden aufgetreten sind, die unter angemessener Behandlung zügig zu einer Remission kamen, eine Chronizität nicht vorliegt, Rehabilitationsbehandlungen nicht notwendig waren, ein "rapid-cycling", also eine rasche Folge von gegensätzlichen Stimmungen, nicht besteht und eine ambulante Behandlung fortgeführt wird. Da lediglich eine leichte depressive Episode vorlag, was angesichts einer nur leicht gedrückten Stimmungslage und Schwingungsfähigkeit überzeugt, hat sie sich nachvollziehbar der Leistungsbeurteilung des Dr. H. anschließen können.

Da weder Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vorliegen, waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die sich nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit richten, nicht mehr zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei berücksichtigt der Senat, dass das Klageverfahren in beiden Rechtszügen erfolglos geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass hierfür gegeben hat.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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