L 8 SB 2074/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 2478/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2074/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) wegen wesentlicher Verschlimmerung der Funktionsstörungen von 60 auf 70 zu erhöhen ist.

Bei der 1952 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt K. - in Ausführung des im Rechtsstreit S 4 SB 2200/02 vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) geschlossenen Vergleichs - mit Bescheid vom 28.07.2003 einen GdB von 60 seit 17.10.2001 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden der Verlust der linken Niere (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des Hüftgelenks (Teil-GdB 20), ein Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 20), eine Depression (Teil-GdB 20) und eine Instabilität beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) berücksichtigt.

Den von der Klägerin am 31.05.2006 beim nunmehr zuständigen Landratsamt K. (LRA) gestellten Antrag auf Erhöhung des GdB lehnte der Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung (Befundberichte Internist Dr. T. , Urologe Dr. F. und Nervenarzt Dr. D. ) mit Bescheid vom 10.07.2006 und Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 ab. Die dagegen zum SG erhobene Klage (S 4 SB 5211/06) wurde nach weiterer medizinischer Sachaufklärung (schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. T. vom 19.01.2007, dem Orthopäden Dr. O. vom 25.01.2007 und Dr. F. vom 30.01.2007) mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2007 abgewiesen. Dagegen legte die Klägerin Berufung (L 6 SB 5445/07) ein. Im Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten am 10.09.2009 einen Vergleich, worin sich der Beklagte verpflichtete, den GdB der Klägerin insbesondere mit Blick auf die Beschwerden des rechten Fußes und den Diabetes mellitus erneut zu überprüfen und einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.

Die danach erfolgte Überprüfung durch den Ärztlichen Dienst des LRA führte nach der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 29.09.2009 zur Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen:

1. Verlust der linken Niere GdB 30 2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des Hüftgelenks, chronisches Schmerzsyndrom GdB 20 3. Fibromyalgiesyndrom GdB 20 4. Depression GdB 20 5. Instabilität beider Kniegelenke GdB 10 6. Bluthochdruck GdB 10 7. Diabetes mellitus (mit Diät und oralem Antidiabetika einstellbar) GdB 20 8. Veränderungen rechter Vorfuß GdB 10.

Der Gesamt-GdB wurde weiter mit 60 eingeschätzt. Daraufhin lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 29.10.2009 wegen fehlenden Auswirkungen der hinzu gekommenen weiteren Funktionsbeeinträchtigungen auf die Höhe des GdB ab.

Dagegen legte die Klägerin am 12.11.2009 Widerspruch ein und machte einen GdB von 80 geltend. Die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem GdB von 60 zu niedrig bewertet. Nicht ausreichend berücksichtigt worden sei insbesondere, dass nach der Operation des Hallux valgus ihre Beschwerden weiter zugenommen hätten. Ihr behandelnder Chirurg Dr. R. - bei diesem sei sie im Januar 2010 vorstellig geworden - habe ihr erklärt, unter Umständen sei eine neue Operation möglich. Auf Veranlassung des LRA übersandte Dr. R. den Operationsbericht vom 16.01.2007 und das an ihn gerichtete Schreiben des Chirurgen Dr. Ra. , Bad S. , vom 20.11.2009, in dem dieser die Möglichkeiten einer (erneuten) Operation erörterte und ausführte, seines Erachtens sei bei der Klägerin durchaus eine Rearthrodese als Lapidusarthrodese indiziert. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach die Funktionsbeeinträchtigung der Klägerin im Bereich des rechten Fußes nach den jetzt vorgelegten ärztlichen Unterlagen zutreffend bewertet sei, wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2010 zurück.

Am 14.06.2010 erhob die Klägerin Klage zum SG. Sie machte geltend, ihre Funktionsbeeinträchtigungen bedingten einen GdB von 70. Der Beklagte hielt ihren Bescheid für zutreffend.

Das SG hörte zunächst Dr. T. , Dr. R. und Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. T. schilderte unter Vorlage des Berichts von Dr. R. vom 05.01.2010 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit 03.09.2009 und gab an, da seit September 2009 keine erneute Operation erfolgt sei, könnten sich die Beschwerden nur verschlechtert haben, da die Erkrankung per se keine spontane Besserung erwarten lasse. Dr. R. übersandte am 30.07.2010 weitere ärztliche Unterlagen, insbesondere seine Untersuchungsberichte vom 09.09.2009 und 26.07.2010, und verwies auf seine früheren Angaben. Seit September 2009 sei keine wesentliche Befundänderung eingetreten. Der Urologe Dr. F. berichtete am 02.08.2010 über die Untersuchung der Klägerin am 04.05.2010 und teilte mit, sonographisch sei die rechte Niere unverändert normal 14 cm groß. Angesichts der zusätzlichen Risikofaktoren für die Niere (arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II) gehe er von einer mittelschweren Gesundheitsstörung aus. Anschließend holte das SG von dem Orthopäden Dr. C. , K. , ein fachärztliches Gutachten ein. Nach ambulanter und röntgenologischer Untersuchung der Klägerin gelangte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.10.2010 zu der Beurteilung, aufgrund der schwerwiegenden Fehlstellung der rechten Großzehe und der hieraus resultierenden Beeinträchtigung der Gehfähigkeit seien die Veränderungen am rechten Vorfuß mit einem GdB von 10 zu niedrig bewertet. Auch unter Berücksichtigung der Hyperalgesie und Elektrisierungsempfindlichkeit im Narbenverlauf über dem I. Strahl schlage er vor, insoweit entsprechend einer Versteifung der Großzehengelenke in ungünstiger Stellung einen GdB von 20 anzunehmen. Ferner sei die von ihm festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Fehlstatik, degenerative Veränderungen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" ebenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Eine höhere Bewertung des Wirbelsäulenleidens sei aufgrund mehr end- als mittelgradig eingeschränkter Beweglichkeit und mangels segmentaler neurologischer Ausfälle nicht zu rechtfertigen, weshalb auch ein Gesamt-GdB von 80 nicht erreicht werde. Eine Funktionsbehinderung des Hüftgelenks, ein Fibromyalgiesyndrom und eine Instabilität beider Kniegelenke habe er entgegen der gutachtlichen Stellungnahme vom 22.09.2009 bei seiner Untersuchung nicht vorgefunden. Unter Berücksichtigung der übrigen nicht auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Funktionsstörungen, insbesondere dem Verlust der linken Niere und der Depression, ergäbe sich im Hinblick darauf, dass es sich um voneinander unabhängige Gesundheitsstörungen handele, ein Gesamt-GdB von 70.

Mit Urteil vom 12.04.2011 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es folge der Bewertung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Funktionsstörungen der Klägerin durch den Sachverständigen Dr. C ... Seinem Vorschlag, einen Gesamt-GdB von 70 anzunehmen, schließe es sich jedoch nicht an, da ein Gesamt-GdB von 60 weiterhin leidensgerecht erscheine. Dies insbesondere deshalb, weil lediglich eine Funktionsbeeinträchtigung nunmehr mit einem GdB von 20 (statt 10) zu bewerten sei, während mehrere andere bislang berücksichtigte Funktionsstörungen nicht mehr vorlägen, so dass insgesamt keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei.

Dagegen hat die Klägerin am 12.05.2011 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Zur Begründung verweist sie auf das vom SG eingeholte Gutachten von Dr. C. , der ihre Funktionsstörungen zu Recht mit einem GdB von 70 bewertet habe. Dieser Bewertung sei das SG zu Unrecht nicht gefolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. April 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 70 seit 10. September 2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das SG sei zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. (zur Höhe des Gesamt-GdB) nicht mit den Regelungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen übereinstimme.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte und dass diese Möglichkeit nach dem Inhalt der vorliegenden Akten in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Vorakten S 4 SB 2200/02, S 4 SB 5211/06 und L 6 SB 5445/07 sowie die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 70.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 29.10.2009 (Widerspruchsbescheid vom 27.05.2010), mit dem der Beklagte eine Erhöhung des bisherigen GdB von 60 mangels wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse abgelehnt hat. Die Klägerin macht demgegenüber unter Hinweis auf das orthopädische Gutachten von Dr. C. vom 30.10.2010 geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 70 gerechtfertigt sei.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Das SG ist im angefochtenen Urteil unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nicht wesentlich verschlechtert haben und mit einem GdB von 60 weiterhin angemessen bewertet sind. Der Senat kommt nach eigener Würdigung des medizinischen Sachverhalts zum selben Ergebnis. Diese Beurteilung gründet sich in erster Linie auf das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. C. vom 30.10.2010, die Angaben der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin sowie die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte.

Eine Würdigung dieser ärztlichen Unterlagen durch den Senat ergibt, dass die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist. Die einzelnen Funktionsstörungen der Klägerin, die im angefochtenen Urteil mit einem GdB von 30 (Verlust der linken Niere), 20 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule), 20 (Depression), 10 (Bluthochdruck), 20 (Diabetes mellitus) und 20 (Veränderungen rechter Vorfuß) bewertet worden sind, bedingen jeweils keinen höheren GdB. Die diesbezüglichen, im Wesentlichen auf der Beurteilung des Sachverständigen Dr. C. und - in geringerem Maße - den Angaben von Dr. R. beruhenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung hält der Senat für überzeugend; er macht sie sich deshalb zu eigen und nimmt insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist noch Folgendes auszuführen: Eine wesentliche Verschlimmerung der Funktionsstörungen der Klägerin, die eine Erhöhung des GdB von 60 auf 70 rechtfertigt, ist nicht eingetreten. Die Funktionsstörungen der Klägerin sind mit einem GdB von 60 weiter ausreichend bewertet. Zwar sind seit dem Bescheid vom 28.07.2003, mit dem der GdB (aufgrund eines Vergleichs) mit einem GdB von 60 festgestellt worden war, weitere Funktionsstörungen, nämlich ein Bluthochdruck, ein Diabetes mellitus und Veränderungen am rechten Vorfuß, hinzugekommen. Diese bedingen einen GdB von 10 (Bluthochdruck) bzw. 20. Die Gesamtbeeinträchtigung ist aber weiter mit einem GdB von 60 zu bewerten, da ein Fibromyalgiesyndrom (bisheriger GdB 20), eine Instabilität beider Kniegelenke (bisheriger GdB 10) und auch eine Hüftgelenksbehinderung nach dem insoweit überzeugenden orthopädischen Gutachten von Dr. C. nicht mehr besteht und somit bei der Beurteilung des Gesamt-GdB auch nicht mehr zu berücksichtigen ist. Bei Teil-GdB-Werten von 30, 20, 20, 20, 20 und 10 läßt sich ein höherer GdB als 60 nicht begründen, zumal dies bedeuten würde, dass jede der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Funktionsstörungen zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB um jeweils 10 führt, obwohl es nach Teil A 3 d) ee) der VG bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Auch der Umstand, dass nur eine Funktionsstörung, nämlich der Verlust der linken Niere, einen GdB von 30 bedingt, mithin nur eine mittelgradige Funktionsstörung und ansonsten nur leichte Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 und 10 vorliegen, spricht bei der Beurteilung des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung gegen einen höheren GdB als 60.

Soweit der Sachverständige Dr. C. seine Einschätzung eines Gesamt-GdB von 70 damit begründet hat, dass es sich um voneinander unabhängige Gesundheitsstörungen handele, geht der Sachverständige offenbar von unrichtigen Maßstäben aus. Die Eigenständigkeit der Gesundheitsstörungen (Funktionsstörungen) ist zwingende Voraussetzung für ihre Berücksichtigung bei der Bildung des Gesamt-GdB. Entscheidend für die Höhe des Gesamt-GdB sind die jeweiligen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen. Dabei ist zu beachten, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können: sie können verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, sie können sich auf eine andere Funktionsstörung besonders nachteilig auswirken, sie können sich überschneiden und sie können durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt werden. Im vorliegenden Fall wirken sich sowohl die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule als auch die Veränderungen am rechten Vorfuß auf die Beweglichkeit und das Gehvermögen aus. Der Verlust der linken Niere und der Diabetes mellitus haben ähnliche Beeinträchtigungen zur Folge. Die sich nicht gegenseitig verstärkenden Auswirkungen dieser Funktionsstörungen betreffen somit nicht verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens, sondern überschneiden sich zumindest teilweise. Ein Gesamt-GdB von 70 wäre deshalb überhöht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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