Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 7756/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1364/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2008 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligungen von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und damit verbundene Erstattungsforderungen der Beklagten für den Zeitraum 5. November 2001 bis 31. August 2004 in Höhe von insgesamt 38.424,55 EUR.
Der 1944 geborene Kläger bezog bis 4. November 2001 Arbeitslosengeld. In seinem Antrag vom 4. Oktober 2001 auf Gewährung von Alhi verneinte er die Fragen nach Einkommen und Vermögen, insbesondere nach Girokonten, Sparbüchern, Sparbriefen, Bargeld, Wertpapieren, Grundstücken oder Eigentumswohnungen etc. Er versicherte, dass seine Angaben zutreffend seien und er vom Inhalt des Merkblattes 1 b Arbeitslosenhilfe Kenntnis genommen habe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 5. November 2001 Alhi unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe von 1.128,29 DM. Auf die Folgeanträge vom 1. Oktober 2002 und 7. Oktober 2003, in denen der Kläger die Fragen nach Vermögen jeweils verneinte, gewährte die Beklagte dem Kläger weiter Alhi bis zum 31. August 2004.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 teilte das Hauptzollamt S. der Beklagten mit, dass der Kläger die leistungsrechtlich relevanten Fragen zu Kapitalanlagen und Zinseinkünften zumindest bezüglich Anlagen bei der Türkischen Nationalbank (TCMB) wahrheitswidrig verneint habe. Beigefügt war eine Mitteilung des Finanzamtes N., wonach der Kläger im Januar 1994 60.000 DM und im Dezember 1994 weitere 70.000 DM bei der TCMB angelegt habe. Ausweislich des Kontoauszugs der TCMB vom 21. April 2005 hatte der Kläger bis zum 21. Februar 2001 dort noch 108.563,08 DM angelegt.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 4. Juli 2005 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2005 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 ganz zurück und verlangte die Erstattung der geleisteten Alhi in Höhe von 32.086,14 EUR nebst Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 5.759,48 EUR und Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 578,93 EUR. Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung über kein Geldvermögen bei der TCMB mehr verfügt habe. Er habe bis August 1999 in der Türkei ein Bauvorhaben verwirklicht. Das Gebäude befinde sich in einer ländlichen Gegend und sei praktisch unverkäuflich. Zwar habe er objektiv betrachtet im Antragsformular die Frage nach bebauten Grundstücken falsch beantwortet, er sei jedoch davon ausgegangen, dass nach Grundstücken in Deutschland gefragt werde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2005 zurück und verwies darauf, dass das Haus des Klägers in der Türkei Vermögen darstelle, welches durch Verkauf oder Beleihung verwertbar gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die am 6. Dezember 2005 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger weiterhin vor, zwar ein Geldvermögen von rund 130.000 DM angespart zu haben, dieses jedoch komplett für das Bauvorhaben in der Türkei verwendet zu haben. Die Immobilie sei unverkäuflich und nicht beleihbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2008 hat das SG den Bescheid vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2005 insoweit aufgehoben, als die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 5. November 2001 bis zum 31. August 2004 in Höhe von insgesamt 6.338,41 EUR verlangt wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die ursprüngliche Bewilligung von Alhi auf der Grundlage des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen und überzahlte Leistungen sowie Beiträge gemäß § 50 SGB X bzw. § 335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zurückgefordert. Maßgebend sei zunächst, ob die Bewilligung von Alhi rechtswidrig gewesen sei, was davon abhänge, ob der Kläger bedürftig gewesen sei. Bei Erstbewilligung zum 5. November 2001 habe das Vermögen des Klägers den Freibetrag für sich und seine Ehefrau von 16.000 DM überstiegen. Am 21. Februar 2001 habe sein Konto ein Guthaben von 108.563,08 DM aufgewiesen. Über den Verbleib dieses Guthabens liege keinerlei Nachweis vor. Die Behauptung, er habe das Geldvermögen zur Verwirklichung eines Bauvorhabens im Zeitraum bis August 1999 verbraucht, sei durch den Kontoauszug widerlegt, wonach der Kläger noch im Februar 2001 über das beträchtliche Kontoguthaben verfügt habe. Da sich nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr feststellen lasse, in welcher Höhe zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich Vermögen vorhanden gewesen sei, stelle sich die Frage der Beweislast. Diese treffe zwar bei Rücknahme- und Rückforderungsbescheiden auf der Grundlage des § 45 SGB X grundsätzlich die Beklagte, vorliegend trete jedoch eine Umkehr der Beweislast ein, da im Verantwortungsbereich des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar seien. Somit sei ein Vermögen in Höhe von 92.653,08 DM als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Bedürftigkeit bestehe nach § 9 Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-V) in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergebe, nach dem sich die Alhi richte. Demnach hätte dem Kläger die Bewilligung von Alhi für 82 Wochen (92.563,08 DM / 1.128,29 DM) versagt werden müssen. Hinsichtlich der Weiterbewilligung der Alhi sei zu berücksichtigen, dass die mit Wirkung zum 1. Januar 2002 eingeführte Alhi-V eine dem § 9 Alhi-V 2001 entsprechende Regelung nicht enthalte und dessen übergangsweise Anwendung ausschließe, so dass sich die Weitergewährung als rechtswidrig darstelle. Aufgrund der fehlenden Nachweise über die Verwendung des Vermögens gehe das SG davon aus, dass dieses auch in den Folgejahren dem Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts noch zur Verfügung gestanden habe und er deshalb nicht bedürftig gewesen sei. Der Kläger habe jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht, indem er das vorhandene Grund- und Geldvermögen bei der Antragstellung nicht mitgeteilt habe. Die Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt. Nach Rücknahme der Bewilligung sei der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die ihm geleistete Alhi zu erstatten. Dagegen fehle für die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine Rechtsgrundlage, so dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich der begehrten Erstattung in Höhe von 6.338,41 EUR aufzuheben gewesen sei.
Gegen diesen Gerichtsbescheid haben sowohl Kläger als auch Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, er habe in der Zeit zwischen Juni 1997 und Juni 1999 in der Türkei ein Einfamilienhaus gebaut zum Festpreis von 130.000 DM. Er habe zu Beginn eine Anzahlung von 21.000 DM geleistet, die Schlusszahlung sei im Februar 2001 in Höhe von 109.000 DM in bar erfolgt. Hierzu hat er eine Bestätigung des Bauhandwerkers I. A. vorgelegt, welcher das Haus gebaut habe. Das Haus sei "im hintersten Winkel der Türkei" gebaut worden und praktisch unverkäuflich. Der Kläger habe sein Geld "in den Sand gesetzt", so dass zur Antragstellung kein Vermögen mehr vorhanden gewesen sei. Seit dem 1. September 2004 bewohne der Kläger das Haus dauerhaft selbst; es sei zuvor nicht vermietet gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2008 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2005 ganz aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2008 abzuändern, die Klage ganz abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die vom Kläger behaupteten Zahlungsmodalitäten könnten nicht nachvollzogen werden. Spätestens bei Fertigstellung sei die letzte Rate fällig. Die Behauptung, das Haus sei nicht verwertbar, entbehre jeder Grundlage.
Der Senat hat zur Feststellung des Verkehrswertes der Immobilie des Klägers in der Türkei ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Türkischen Rechtsanwalt M. K. aus Istanbul eingeholt, welcher die Immobilie unter Hinzuziehung eines regionalen Immobilienmaklers besichtigt hat. In seinem Gutachten vom 12. September 2011 führt der Sachverständige aus, dass es sich um ein zweistöckiges Massivhaus mit Garten handele. Auf dem Grundstück seien nach Überprüfung beim Grundbuchamt keinerlei Belastungen eingetragen. Die gesamte Nutzfläche des Hauses betrage 426,5 qm (brutto). Für das Jahr 2001 hat der Gutachter einen Verkehrswert von 94.957.800.000 türkische Lira (TRY) ermittelt, für das Jahr 2002 155.455.800.000 TRY, für das Jahr 2003 195.081.000.000 TRY und für das Jahr 2004 206.152.600.000 TRY. Im Jahr 2001 fand nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Türkei eine folgenschwere Wirtschaftskrise statt, dieser Umstand sei bei der Bewertung der Immobilie nur für dieses Jahr zu beachten. Der Umstand, dass sich die Immobilie außerhalb der Stadt in einer kleinen Gemeinde befinde, habe keinerlei Auswirkungen auf den Verkauf der Immobilie, es seien keinerlei beeinträchtigende Aspekte vorhanden. Ca. 80 % der Bewohner des Wohngebiets seien oder waren in Europa tätig und hätten großes Interesse daran, in ihre Gemeinde zu investieren und zu bauen, die Region befinde sich weiterhin im Bau. Zur Frage, ob es in der Türkei üblich sei, dass eine Zahlung der Baukosten erst mehr als anderthalb Jahre nach Fertigstellung des Anwesens erfolge, hat der Gutachter ausgeführt, dass dies nicht der Fall sei. Das zu beurteilende Gebäude sei vom Bauhandwerker I. A. dem gegenwärtigen Bürgermeister von I. und Cousin des Klägers gebaut worden. Nach dessen Aussage sei mehr als die Hälfte der Bauten in der Gemeinde von ihm selbst errichtet worden unter Nutzung von Materialien aus seinem eigenen Lagerbestand. Angesichts der Tatsache, dass vorliegend Bauherr und Bauhandwerker Cousins seien und der Bauhandwerker Baumaterialien aus eigenem Bestand benutzt habe, sei es möglich und auch unter Verwandten in der Türkei üblich, dass die Zahlungen an den Bauhandwerker erst mehr als 1,5 Jahre nach Fertigstellung erfolgten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufungen gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegten Berufungen sind statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes jeweils 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn die Beklagte war berechtigt, die Leistungsbewilligungen in vollem Umfang für die hier streitigen Zeiträume zurückzunehmen und die erbrachten Leistungen nebst der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern. Entsprechend ist die Berufung der Beklagten begründet, denn die Aufhebung der Bescheide durch das SG hinsichtlich der Rückforderung der Beiträge erfolgte zu Unrecht.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahme der Bewilligungen ist mit Blick auf die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell-rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheids (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127).
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide liegen hier vor. Die Bewilligungsbescheide waren rechtswidrig, weil der Kläger wegen seines Vermögens keinen Anspruch auf Alhi hatte.
Nach § 190 Abs. 1 SGB III (in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004 - a.F.) sind Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi (1.) Arbeitslosigkeit, (2.) Arbeitslosmeldung, (3.) fehlender Arbeitslosengeldanspruch, (4.) Vorbezug von Arbeitslosengeld und (5.) Bedürftigkeit. Nach § 193 Abs. 2 SGB III a.F. ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Alhi mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen (§ 206 Nr. 1 SGB III a.F.). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 ist die Alhi-V gemäß Artikel 81 Arbeitsförderungs- Reformgesetz (BGBl. I 1997 S. 594) noch in der Fassung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929; in der Fassung des Artikel 2 Gesetz vom 24. Juni 1996, BGBl. I S. 878 - (Alhi-V 1974)) maßgeblich. Nach § 6 Abs. 1 Alhi-V 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 8.000 DM übersteigt. Vermögen ist nach § 6 Abs. 2 Alhi-V 1974 insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-V 1974). Nach § 9 Alhi-V 1974 besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet (Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen, vgl. hierzu BSGE 88, 252 ff. = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; ferner BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 7 a 7 AL 38/04 R - (juris)).
Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass dieser das bei der TCMB angelegte Vermögen vollständig für den Bau seines Hauses verbraucht hat. Als Vermögen ist somit allein das in der Türkei 1999 fertiggestellte Haus des Klägers zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um geschütztes Vermögen, denn der Kläger hat diese Immobilie zum damaligen Zeitpunkt nicht selbst bewohnt (§ 6 Abs. 3 Satz 3 Nr. 7 Alhi-V 1974 bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 5 Alhi-V ab 2002). Es bestehen auch keinerlei Zweifel an der Verwertbarkeit der Immobilie. Wie der Gutachter überzeugend ausgeführt hat, steht die Lage im ländlichen Raum (Zentralanatolien) der Verkäuflichkeit in keiner Weise entgegen. Diese Einschätzung wurde auch durch den vom Sachverständigen hinzugezogenen regionalen Immobilienmakler H. B. K. bestätigt. Im Jahr 2001 hatte die Immobilie nach dem überzeugenden, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten von Rechtsanwalt K., das der Senat zur Grundlage seiner Beurteilung macht, einen Verkehrswert von 94.957.800.000 TRY. Nach den vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskursen ist für November 2001 für eine Million TRY ein Wert von 1,4484 DM anzusetzen (BMF, Schreiben vom 21. Januar 2002 - IV D 1 - S7329 - 2/02). Der Senat hat keine Bedenken, diesen Umrechnungskurs seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Danach ergibt sich ein Verkehrswert von 137.536,88 DM. Damit liegt der Wert sogar über dem vom Kläger für den Bau zu entrichtenden Festpreis von 130.000 DM, sodass auch keinerlei Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit der Verwertung der Immobilie bestehen. Abzüglich des Freibetrags von 16.000 DM verfügte der Kläger somit über verwertbares Vermögen in Höhe von 121.536,88 DM. Angesichts des Bemessungsentgelts von 1.128,29 DM wöchentlich bestand somit für die Dauer von 107 Wochen keine Bedürftigkeit.
Am 1. Januar 2002 trat die Alhi-V 2002 in Kraft (Gesetz vom 13. Dezember 2001, BGBl. I S. 3734; vgl. BSG SozR 4-4200 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Das in §§ 9 Alhi-V 1974 geregelt Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen ist in der Alhi-V 2002 nicht mehr vorgesehen, vielmehr ist das tatsächlich vorhandene Vermögen maßgebend, welches, solange es vorhanden ist, der Bewilligung entgegen steht. Nach § 1 Abs. 1 Alhi-V 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alhi-V 2002 näher beschriebenen Partners zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Nach § 1 Abs. 2 Alhi-V 2002 ist dies ein Betrag von 520 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser Betrag darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 33.800 EUR nicht übersteigen. Die Vorschriften der Alhi-V 1974 gelten grundsätzlich bis 31. Dezember 2001. Mit Ausnahme des § 9 galten sie darüber hinaus für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2001 vorlagen, mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Freibetrags von 8.000 DM ein Betrag von 4.100 EUR trat (§ 4 Alhi-V 2002). Die Übergangsregelung findet hier keine Anwendung, da der Kläger im letzten Quartal 2001 keinen Leistungsanspruch hatte. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt 1. Januar 2002 verfügten der Kläger und seine am 1. März 1948 geborene Ehefrau insgesamt über einen Freibetrag in Höhe von 57.200 EUR. Im Jahr 2002 betrug der Verkehrswert der Immobilie 155.455.800.000 TRY. Ein US-Dollar entsprach damals einem Wert von 1.490.000 TRY (Quelle: Wikipedia/türkische Lira). Umgerechnet in Euro entsprach dies einem Wert zwischen 89.469,63 EUR und 109.413,75 EUR (Jahrestiefststand 2002 am 28.01. 0,8578 US-Dollar = 1 EUR; Jahreshöchststand am 31. Dezember: 1,0487 US-Dollar = 1 EUR). Damit übersteigt der Verkehrswert der Immobilie in jedem Fall deutlich den Freibetrag. In den Folgejahren stieg der Wert der Immobilie sogar noch weiter an auf 195.081.000.000 TRY im Jahr 2003 und 206.152.600.000 TRY im Jahr 2004. Gleichzeitig wurden die Freibeträge ab dem 1. Januar 2003 auf 200 EUR pro Lebensjahr abgesenkt (Alhi-V 2002 in der Fassung des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. 1 S. 4607, 4619). Der insoweit ab 1. Januar 2003 maßgebliche Freibetrag von 22.400 EUR (58 Lebensjahre und 54 Lebensjahre à 200 EUR) und ab 1. Januar 2004 von 22.800 EUR wird daher auch in den Jahren 2003 und 2004 durch den Wert der Immobilie sogar ganz erheblich überschritten. Damit steht fest, dass die Bewilligungen von Alhi im gesamten Bewilligungszeitraum vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 rechtswidrig waren.
Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er bei der Antragstellung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), denn er hat bei allen Anträgen die in der Türkei gelegene Immobilie verschwiegen. Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAR 89/96 - (juris)).
Hiervon ausgehend hat der Kläger schon entgegen der klaren und unmissverständlichen Fragestellung in den jeweiligen Antragsformularen bzw. dem Zusatzblatt Bedürftigkeitsprüfung unrichtige Angaben bezüglich seiner Vermögensverhältnisse gemacht, in dem er jeweils das Vorhandensein von Vermögen verneint hat. Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger - unter Zugrundelegung der eindeutigen Fragestellung - auch bei der ihm eingeräumten eigenen rechtlichen Wertung (vgl. BSGE 42, 184, 188 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 6) ohne weitere Überlegung klar war, dass zu den anzugebenden Vermögenswerten nicht nur die im Inland, sondern auch die im Ausland gelegenen gehören (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2009 - L 12 AL 2120/09 - (juris)). Nach alledem ist dem Kläger Fehlverhalten im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X anzulasten. Da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes zwingend vorschreibt, treffen Härtegesichtspunkte nicht zu. Der Gesetzgeber hat bewusst im Bereich des Arbeitsförderungsrechts im Hinblick auf die häufig kurzfristig zu erbringenden und ebenso kurzfristig zu beendenden Leistungen, bei denen Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden sind, anstelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung vorgesehen (vgl. BT-Drucks. 12/5502 S. 37 zu Nr. 43 zur Vorgängerregelung des § 152 Arbeitsförderungsgesetz).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Bewilligungen ab 2001 konnten daher auch noch im Jahr 2005 zurückgenommen werden. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Die Beklagte hat mit Schreiben des Hauptzollamts vom 9. Mai 2005 erstmals überhaupt konkrete Hinweise darauf erhalten, dass der Kläger während des Leistungsbezugs über zu berücksichtigendes Vermögen verfügte. Bereits zwei Monate später folgte die Rücknahme, so dass an der Einhaltung der Jahresfrist keinerlei Zweifel bestehen.
Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Zeitraum vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 überzahlte Alhi zu erstatten. Der Rückforderungsbetrag für diese Zeiträume ist von der Beklagten zutreffend mit 32.086,14 EUR festgesetzt worden. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S. 84).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der in diesem Zeitraum von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Zwar wird in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III (Gesetz vom 24. Dezember 2003 - BGBl. I S. 2954) Alhi nicht mehr genannt, nach der neuesten Rechtsprechung des BSG ist die durch die versehentliche Streichung des Gesetzgebers entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung jedoch dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleichzustellen sind (BSGE 104, 285 = SozR 4-4300 § 335 Nr. 2). Der Kläger ist daher auch zur Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.759,48 EUR und der Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 578,93 EUR verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligungen von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und damit verbundene Erstattungsforderungen der Beklagten für den Zeitraum 5. November 2001 bis 31. August 2004 in Höhe von insgesamt 38.424,55 EUR.
Der 1944 geborene Kläger bezog bis 4. November 2001 Arbeitslosengeld. In seinem Antrag vom 4. Oktober 2001 auf Gewährung von Alhi verneinte er die Fragen nach Einkommen und Vermögen, insbesondere nach Girokonten, Sparbüchern, Sparbriefen, Bargeld, Wertpapieren, Grundstücken oder Eigentumswohnungen etc. Er versicherte, dass seine Angaben zutreffend seien und er vom Inhalt des Merkblattes 1 b Arbeitslosenhilfe Kenntnis genommen habe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 5. November 2001 Alhi unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe von 1.128,29 DM. Auf die Folgeanträge vom 1. Oktober 2002 und 7. Oktober 2003, in denen der Kläger die Fragen nach Vermögen jeweils verneinte, gewährte die Beklagte dem Kläger weiter Alhi bis zum 31. August 2004.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 teilte das Hauptzollamt S. der Beklagten mit, dass der Kläger die leistungsrechtlich relevanten Fragen zu Kapitalanlagen und Zinseinkünften zumindest bezüglich Anlagen bei der Türkischen Nationalbank (TCMB) wahrheitswidrig verneint habe. Beigefügt war eine Mitteilung des Finanzamtes N., wonach der Kläger im Januar 1994 60.000 DM und im Dezember 1994 weitere 70.000 DM bei der TCMB angelegt habe. Ausweislich des Kontoauszugs der TCMB vom 21. April 2005 hatte der Kläger bis zum 21. Februar 2001 dort noch 108.563,08 DM angelegt.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 4. Juli 2005 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2005 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 ganz zurück und verlangte die Erstattung der geleisteten Alhi in Höhe von 32.086,14 EUR nebst Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 5.759,48 EUR und Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 578,93 EUR. Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung über kein Geldvermögen bei der TCMB mehr verfügt habe. Er habe bis August 1999 in der Türkei ein Bauvorhaben verwirklicht. Das Gebäude befinde sich in einer ländlichen Gegend und sei praktisch unverkäuflich. Zwar habe er objektiv betrachtet im Antragsformular die Frage nach bebauten Grundstücken falsch beantwortet, er sei jedoch davon ausgegangen, dass nach Grundstücken in Deutschland gefragt werde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2005 zurück und verwies darauf, dass das Haus des Klägers in der Türkei Vermögen darstelle, welches durch Verkauf oder Beleihung verwertbar gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die am 6. Dezember 2005 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger weiterhin vor, zwar ein Geldvermögen von rund 130.000 DM angespart zu haben, dieses jedoch komplett für das Bauvorhaben in der Türkei verwendet zu haben. Die Immobilie sei unverkäuflich und nicht beleihbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2008 hat das SG den Bescheid vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2005 insoweit aufgehoben, als die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 5. November 2001 bis zum 31. August 2004 in Höhe von insgesamt 6.338,41 EUR verlangt wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die ursprüngliche Bewilligung von Alhi auf der Grundlage des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen und überzahlte Leistungen sowie Beiträge gemäß § 50 SGB X bzw. § 335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zurückgefordert. Maßgebend sei zunächst, ob die Bewilligung von Alhi rechtswidrig gewesen sei, was davon abhänge, ob der Kläger bedürftig gewesen sei. Bei Erstbewilligung zum 5. November 2001 habe das Vermögen des Klägers den Freibetrag für sich und seine Ehefrau von 16.000 DM überstiegen. Am 21. Februar 2001 habe sein Konto ein Guthaben von 108.563,08 DM aufgewiesen. Über den Verbleib dieses Guthabens liege keinerlei Nachweis vor. Die Behauptung, er habe das Geldvermögen zur Verwirklichung eines Bauvorhabens im Zeitraum bis August 1999 verbraucht, sei durch den Kontoauszug widerlegt, wonach der Kläger noch im Februar 2001 über das beträchtliche Kontoguthaben verfügt habe. Da sich nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr feststellen lasse, in welcher Höhe zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich Vermögen vorhanden gewesen sei, stelle sich die Frage der Beweislast. Diese treffe zwar bei Rücknahme- und Rückforderungsbescheiden auf der Grundlage des § 45 SGB X grundsätzlich die Beklagte, vorliegend trete jedoch eine Umkehr der Beweislast ein, da im Verantwortungsbereich des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar seien. Somit sei ein Vermögen in Höhe von 92.653,08 DM als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Bedürftigkeit bestehe nach § 9 Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-V) in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergebe, nach dem sich die Alhi richte. Demnach hätte dem Kläger die Bewilligung von Alhi für 82 Wochen (92.563,08 DM / 1.128,29 DM) versagt werden müssen. Hinsichtlich der Weiterbewilligung der Alhi sei zu berücksichtigen, dass die mit Wirkung zum 1. Januar 2002 eingeführte Alhi-V eine dem § 9 Alhi-V 2001 entsprechende Regelung nicht enthalte und dessen übergangsweise Anwendung ausschließe, so dass sich die Weitergewährung als rechtswidrig darstelle. Aufgrund der fehlenden Nachweise über die Verwendung des Vermögens gehe das SG davon aus, dass dieses auch in den Folgejahren dem Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts noch zur Verfügung gestanden habe und er deshalb nicht bedürftig gewesen sei. Der Kläger habe jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht, indem er das vorhandene Grund- und Geldvermögen bei der Antragstellung nicht mitgeteilt habe. Die Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt. Nach Rücknahme der Bewilligung sei der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die ihm geleistete Alhi zu erstatten. Dagegen fehle für die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine Rechtsgrundlage, so dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich der begehrten Erstattung in Höhe von 6.338,41 EUR aufzuheben gewesen sei.
Gegen diesen Gerichtsbescheid haben sowohl Kläger als auch Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, er habe in der Zeit zwischen Juni 1997 und Juni 1999 in der Türkei ein Einfamilienhaus gebaut zum Festpreis von 130.000 DM. Er habe zu Beginn eine Anzahlung von 21.000 DM geleistet, die Schlusszahlung sei im Februar 2001 in Höhe von 109.000 DM in bar erfolgt. Hierzu hat er eine Bestätigung des Bauhandwerkers I. A. vorgelegt, welcher das Haus gebaut habe. Das Haus sei "im hintersten Winkel der Türkei" gebaut worden und praktisch unverkäuflich. Der Kläger habe sein Geld "in den Sand gesetzt", so dass zur Antragstellung kein Vermögen mehr vorhanden gewesen sei. Seit dem 1. September 2004 bewohne der Kläger das Haus dauerhaft selbst; es sei zuvor nicht vermietet gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2008 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2005 ganz aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2008 abzuändern, die Klage ganz abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die vom Kläger behaupteten Zahlungsmodalitäten könnten nicht nachvollzogen werden. Spätestens bei Fertigstellung sei die letzte Rate fällig. Die Behauptung, das Haus sei nicht verwertbar, entbehre jeder Grundlage.
Der Senat hat zur Feststellung des Verkehrswertes der Immobilie des Klägers in der Türkei ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Türkischen Rechtsanwalt M. K. aus Istanbul eingeholt, welcher die Immobilie unter Hinzuziehung eines regionalen Immobilienmaklers besichtigt hat. In seinem Gutachten vom 12. September 2011 führt der Sachverständige aus, dass es sich um ein zweistöckiges Massivhaus mit Garten handele. Auf dem Grundstück seien nach Überprüfung beim Grundbuchamt keinerlei Belastungen eingetragen. Die gesamte Nutzfläche des Hauses betrage 426,5 qm (brutto). Für das Jahr 2001 hat der Gutachter einen Verkehrswert von 94.957.800.000 türkische Lira (TRY) ermittelt, für das Jahr 2002 155.455.800.000 TRY, für das Jahr 2003 195.081.000.000 TRY und für das Jahr 2004 206.152.600.000 TRY. Im Jahr 2001 fand nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Türkei eine folgenschwere Wirtschaftskrise statt, dieser Umstand sei bei der Bewertung der Immobilie nur für dieses Jahr zu beachten. Der Umstand, dass sich die Immobilie außerhalb der Stadt in einer kleinen Gemeinde befinde, habe keinerlei Auswirkungen auf den Verkauf der Immobilie, es seien keinerlei beeinträchtigende Aspekte vorhanden. Ca. 80 % der Bewohner des Wohngebiets seien oder waren in Europa tätig und hätten großes Interesse daran, in ihre Gemeinde zu investieren und zu bauen, die Region befinde sich weiterhin im Bau. Zur Frage, ob es in der Türkei üblich sei, dass eine Zahlung der Baukosten erst mehr als anderthalb Jahre nach Fertigstellung des Anwesens erfolge, hat der Gutachter ausgeführt, dass dies nicht der Fall sei. Das zu beurteilende Gebäude sei vom Bauhandwerker I. A. dem gegenwärtigen Bürgermeister von I. und Cousin des Klägers gebaut worden. Nach dessen Aussage sei mehr als die Hälfte der Bauten in der Gemeinde von ihm selbst errichtet worden unter Nutzung von Materialien aus seinem eigenen Lagerbestand. Angesichts der Tatsache, dass vorliegend Bauherr und Bauhandwerker Cousins seien und der Bauhandwerker Baumaterialien aus eigenem Bestand benutzt habe, sei es möglich und auch unter Verwandten in der Türkei üblich, dass die Zahlungen an den Bauhandwerker erst mehr als 1,5 Jahre nach Fertigstellung erfolgten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufungen gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegten Berufungen sind statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes jeweils 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn die Beklagte war berechtigt, die Leistungsbewilligungen in vollem Umfang für die hier streitigen Zeiträume zurückzunehmen und die erbrachten Leistungen nebst der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern. Entsprechend ist die Berufung der Beklagten begründet, denn die Aufhebung der Bescheide durch das SG hinsichtlich der Rückforderung der Beiträge erfolgte zu Unrecht.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahme der Bewilligungen ist mit Blick auf die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell-rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheids (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127).
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide liegen hier vor. Die Bewilligungsbescheide waren rechtswidrig, weil der Kläger wegen seines Vermögens keinen Anspruch auf Alhi hatte.
Nach § 190 Abs. 1 SGB III (in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004 - a.F.) sind Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi (1.) Arbeitslosigkeit, (2.) Arbeitslosmeldung, (3.) fehlender Arbeitslosengeldanspruch, (4.) Vorbezug von Arbeitslosengeld und (5.) Bedürftigkeit. Nach § 193 Abs. 2 SGB III a.F. ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Alhi mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen (§ 206 Nr. 1 SGB III a.F.). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 ist die Alhi-V gemäß Artikel 81 Arbeitsförderungs- Reformgesetz (BGBl. I 1997 S. 594) noch in der Fassung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929; in der Fassung des Artikel 2 Gesetz vom 24. Juni 1996, BGBl. I S. 878 - (Alhi-V 1974)) maßgeblich. Nach § 6 Abs. 1 Alhi-V 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 8.000 DM übersteigt. Vermögen ist nach § 6 Abs. 2 Alhi-V 1974 insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-V 1974). Nach § 9 Alhi-V 1974 besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet (Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen, vgl. hierzu BSGE 88, 252 ff. = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; ferner BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 7 a 7 AL 38/04 R - (juris)).
Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass dieser das bei der TCMB angelegte Vermögen vollständig für den Bau seines Hauses verbraucht hat. Als Vermögen ist somit allein das in der Türkei 1999 fertiggestellte Haus des Klägers zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um geschütztes Vermögen, denn der Kläger hat diese Immobilie zum damaligen Zeitpunkt nicht selbst bewohnt (§ 6 Abs. 3 Satz 3 Nr. 7 Alhi-V 1974 bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 5 Alhi-V ab 2002). Es bestehen auch keinerlei Zweifel an der Verwertbarkeit der Immobilie. Wie der Gutachter überzeugend ausgeführt hat, steht die Lage im ländlichen Raum (Zentralanatolien) der Verkäuflichkeit in keiner Weise entgegen. Diese Einschätzung wurde auch durch den vom Sachverständigen hinzugezogenen regionalen Immobilienmakler H. B. K. bestätigt. Im Jahr 2001 hatte die Immobilie nach dem überzeugenden, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten von Rechtsanwalt K., das der Senat zur Grundlage seiner Beurteilung macht, einen Verkehrswert von 94.957.800.000 TRY. Nach den vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskursen ist für November 2001 für eine Million TRY ein Wert von 1,4484 DM anzusetzen (BMF, Schreiben vom 21. Januar 2002 - IV D 1 - S7329 - 2/02). Der Senat hat keine Bedenken, diesen Umrechnungskurs seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Danach ergibt sich ein Verkehrswert von 137.536,88 DM. Damit liegt der Wert sogar über dem vom Kläger für den Bau zu entrichtenden Festpreis von 130.000 DM, sodass auch keinerlei Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit der Verwertung der Immobilie bestehen. Abzüglich des Freibetrags von 16.000 DM verfügte der Kläger somit über verwertbares Vermögen in Höhe von 121.536,88 DM. Angesichts des Bemessungsentgelts von 1.128,29 DM wöchentlich bestand somit für die Dauer von 107 Wochen keine Bedürftigkeit.
Am 1. Januar 2002 trat die Alhi-V 2002 in Kraft (Gesetz vom 13. Dezember 2001, BGBl. I S. 3734; vgl. BSG SozR 4-4200 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Das in §§ 9 Alhi-V 1974 geregelt Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen ist in der Alhi-V 2002 nicht mehr vorgesehen, vielmehr ist das tatsächlich vorhandene Vermögen maßgebend, welches, solange es vorhanden ist, der Bewilligung entgegen steht. Nach § 1 Abs. 1 Alhi-V 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alhi-V 2002 näher beschriebenen Partners zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Nach § 1 Abs. 2 Alhi-V 2002 ist dies ein Betrag von 520 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser Betrag darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 33.800 EUR nicht übersteigen. Die Vorschriften der Alhi-V 1974 gelten grundsätzlich bis 31. Dezember 2001. Mit Ausnahme des § 9 galten sie darüber hinaus für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2001 vorlagen, mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Freibetrags von 8.000 DM ein Betrag von 4.100 EUR trat (§ 4 Alhi-V 2002). Die Übergangsregelung findet hier keine Anwendung, da der Kläger im letzten Quartal 2001 keinen Leistungsanspruch hatte. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt 1. Januar 2002 verfügten der Kläger und seine am 1. März 1948 geborene Ehefrau insgesamt über einen Freibetrag in Höhe von 57.200 EUR. Im Jahr 2002 betrug der Verkehrswert der Immobilie 155.455.800.000 TRY. Ein US-Dollar entsprach damals einem Wert von 1.490.000 TRY (Quelle: Wikipedia/türkische Lira). Umgerechnet in Euro entsprach dies einem Wert zwischen 89.469,63 EUR und 109.413,75 EUR (Jahrestiefststand 2002 am 28.01. 0,8578 US-Dollar = 1 EUR; Jahreshöchststand am 31. Dezember: 1,0487 US-Dollar = 1 EUR). Damit übersteigt der Verkehrswert der Immobilie in jedem Fall deutlich den Freibetrag. In den Folgejahren stieg der Wert der Immobilie sogar noch weiter an auf 195.081.000.000 TRY im Jahr 2003 und 206.152.600.000 TRY im Jahr 2004. Gleichzeitig wurden die Freibeträge ab dem 1. Januar 2003 auf 200 EUR pro Lebensjahr abgesenkt (Alhi-V 2002 in der Fassung des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. 1 S. 4607, 4619). Der insoweit ab 1. Januar 2003 maßgebliche Freibetrag von 22.400 EUR (58 Lebensjahre und 54 Lebensjahre à 200 EUR) und ab 1. Januar 2004 von 22.800 EUR wird daher auch in den Jahren 2003 und 2004 durch den Wert der Immobilie sogar ganz erheblich überschritten. Damit steht fest, dass die Bewilligungen von Alhi im gesamten Bewilligungszeitraum vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 rechtswidrig waren.
Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er bei der Antragstellung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), denn er hat bei allen Anträgen die in der Türkei gelegene Immobilie verschwiegen. Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAR 89/96 - (juris)).
Hiervon ausgehend hat der Kläger schon entgegen der klaren und unmissverständlichen Fragestellung in den jeweiligen Antragsformularen bzw. dem Zusatzblatt Bedürftigkeitsprüfung unrichtige Angaben bezüglich seiner Vermögensverhältnisse gemacht, in dem er jeweils das Vorhandensein von Vermögen verneint hat. Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger - unter Zugrundelegung der eindeutigen Fragestellung - auch bei der ihm eingeräumten eigenen rechtlichen Wertung (vgl. BSGE 42, 184, 188 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 6) ohne weitere Überlegung klar war, dass zu den anzugebenden Vermögenswerten nicht nur die im Inland, sondern auch die im Ausland gelegenen gehören (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2009 - L 12 AL 2120/09 - (juris)). Nach alledem ist dem Kläger Fehlverhalten im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X anzulasten. Da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes zwingend vorschreibt, treffen Härtegesichtspunkte nicht zu. Der Gesetzgeber hat bewusst im Bereich des Arbeitsförderungsrechts im Hinblick auf die häufig kurzfristig zu erbringenden und ebenso kurzfristig zu beendenden Leistungen, bei denen Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden sind, anstelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung vorgesehen (vgl. BT-Drucks. 12/5502 S. 37 zu Nr. 43 zur Vorgängerregelung des § 152 Arbeitsförderungsgesetz).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Bewilligungen ab 2001 konnten daher auch noch im Jahr 2005 zurückgenommen werden. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Die Beklagte hat mit Schreiben des Hauptzollamts vom 9. Mai 2005 erstmals überhaupt konkrete Hinweise darauf erhalten, dass der Kläger während des Leistungsbezugs über zu berücksichtigendes Vermögen verfügte. Bereits zwei Monate später folgte die Rücknahme, so dass an der Einhaltung der Jahresfrist keinerlei Zweifel bestehen.
Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Zeitraum vom 5. November 2001 bis 31. August 2004 überzahlte Alhi zu erstatten. Der Rückforderungsbetrag für diese Zeiträume ist von der Beklagten zutreffend mit 32.086,14 EUR festgesetzt worden. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S. 84).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der in diesem Zeitraum von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Zwar wird in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III (Gesetz vom 24. Dezember 2003 - BGBl. I S. 2954) Alhi nicht mehr genannt, nach der neuesten Rechtsprechung des BSG ist die durch die versehentliche Streichung des Gesetzgebers entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung jedoch dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleichzustellen sind (BSGE 104, 285 = SozR 4-4300 § 335 Nr. 2). Der Kläger ist daher auch zur Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.759,48 EUR und der Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 578,93 EUR verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved