L 8 AL 3093/11 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 881/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3093/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.05.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 174,64 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren S 14 AL 1847/10 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) war (u.a.) die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens bezüglich der Bewilligung von Arbeitslosengeld an die Beklagte streitig. Der Rechtsstreit wurde durch einen vom SG vorgeschlagenen Vergleich dahin beigelegt, dass die Klägerin der Beklagten Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 309,40 EUR erstattet und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt (Beschluss vom 27.07.2010).

Mit Schreiben vom 05.08.2010 machte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten von der Klägerin zu erstattende Kosten in Höhe von insgesamt 1047,20 EUR geltend. Die Klägerin anerkannte Kosten in Höhe von insgesamt 880,60 EUR (Terminsgebühr nur 100 EUR statt 240 EUR), die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten überwiesen wurden (Kassenanordnung vom 21.08.2010).

Am 02.09.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beim SG die Festsetzung restlicher Kosten in Höhe von insgesamt 138,28 EUR. Er teilte mit, die Klägerin habe in Höhe von insgesamt 880,60 EUR - einschließlich des Vergleichsbetrages - am 27.08.2010 bezahlt, wobei der geltend gemachte Restbetrag noch offen sei. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.09.2010 setzte das SG die gemäß § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erstattenden Kosten auf insgesamt 761,60 EUR (nebst Zinsen) fest. Dabei wurde vom SG eine vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten geltend gemachte Terminsgebühr in Höhe von 200 EUR sowie eine Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung nicht berücksichtigt. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 13.09.2010 Erinnerung ein, die er auf einen telefonischen, richterlichen Hinweis am 03.11.2010 zurücknahm.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten leitete in der Folgezeit gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung über einen Betrag von 174,64 EUR (Forderung nebst Kosten der Zwangsvollstreckung) ein.

Am 10.03.2011 erhob die Klägerin beim SG Vollstreckungsgegenklage ( S 14 AL 881/11) und beantragte gleichzeitig, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.09.2010 einstweilen einzustellen. Die Klägerin machte zur Begründung geltend, die mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellte Forderung in Höhe von 761,60 EUR sei bereits am 24.08.2010 in Höhe von 880,60 EUR erfüllt worden. Mit Beschluss vom 15.03.2011 lehnte das SG den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab und wies mit Urteil vom 19.05.2011 die Klage der Klägerin ab. Das SG führte zur Begründung aus, der zulässig geltend gemachte Einwand der Erfüllung der Forderung könne im Verfahren nach § 767 nicht mehr geltend gemacht werden, da der Einwand vor Ergehen des Kostenfestsetzungsbeschlusses entstanden und auch Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens gewesen sei. Zwar sei der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.09.2010 materiell-rechtlich falsch. Es wäre jedoch Aufgabe der Klägerin gewesen, gegen diesen Beschluss fristgerecht Erinnerung einzulegen. Dies sei nicht geschehen. Die Berufung wurde im Urteil vom 19.05.2011 nicht zugelassen.

Gegen das der Klägerin am 06.07.2011 zugestellte Urteil hat sie am 21.07.2011 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, die Rechtsauffassung des SG werde nicht geteilt. Der vorliegende Rechtsstreit werfe die klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, ob Einwände gegen rechtskräftige, rechtswidrige Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen seien. Ferner sei die Klärung der Rechtsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlich gelagerter Fälle aber wünschenswert. Entgegen der Ansicht des SG sei die Vollstreckungsgegenklage auch begründet. Der Einwand, dass der Erstattungsanspruch bereits durch die Zahlung von 880,60 EUR erfüllt worden sei, sei nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Mai 2011 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Rechtsstreit werfe keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Die Frage, ob Einwände gegen rechtskräftige Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage präkludiert seien, sei ober- bzw. höchstrichterlich geklärt. Die Vollstreckungsgegenklage sei auch nicht begründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss sei, soweit er den beantragten und vollstreckten Teilbetrag tituliert habe, rechtmäßig. Hinsichtlich des darüberhinausgehenden Betrages bestehe kein Rechtsschutzinteresse, da die Beklagte von vornherein auf eine weitergehende Vollstreckung verzichtet habe.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Klägerin Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung betrifft, 750 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01.04.2008 geltenden und hier anzuwendenden Fassung). Das Landessozialgericht entscheidet über die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden (§ 145 Abs. 4 SGG).

Die am 21.07.2011 beim Landessozialgericht eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist. Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 19.05.2011 ist nicht statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht wird. Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage der Klägerin sind von der Beklagten vollstreckte Kosten in Höhe von insgesamt 174,64 EUR aus dem Kostenfeststellungsbeschluss des SG vom 06.09.2010. Damit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da ein Berufungszulassungsgrund nicht vorliegt. Zuzulassen ist die Berufung nur, wenn eine der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Rechtssache hat entgegen der Ansicht der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Eine solche ist nur gegeben, wenn der Rechtssache eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung zukommt. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Rechtsstreit eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Ob Einwände gegen rechtskräftige, rechtswidrige Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen sind, wirft entgegen der Ansicht der Klägerin keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf. Der Ausschluss von Einwendungen gemäß 767 Abs. 2 ZPO bei einer Vollstreckungsgegenklage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und durch die Kommentarliteratur geklärt (vgl. z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Auflage, § 767 RdNr. 50ff. mit Rechtsprechungsnachweisen). Grundsätzliche Bedeutung kommt dem vorliegenden Rechtsstreit auch dann nicht zu, wenn mit der Klägerin davon ausgegangen wird, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.09.2010 rechtswidrig ist. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist geklärt, dass die Vollstreckungsabwehrklage nicht zu einer Unterwanderung der Rechtskraft führen darf. Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage ist nicht das Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruches, sondern nur die Unzulässigkeit der Vollstreckung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O, § 767 RdNr. 2, 47 mit Rechtsprechungsnachweisen). Danach scheidet eine Vollstreckungsgegenklage zur Korrektur eines fehlerhaften Kostenfestsetzungsbeschlusses aus (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.1996 - IX ZR 67/96, NJW 1997, 743).

Mit der von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage wendet sie sich im Grunde gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, worauf die Zulassung der Berufung aber (grundsätzlich) nicht gestützt werden kann. Denn nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur findet § 767 Abs. 2 ZPO (Einwendungsausschluss) bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen keine Anwendung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O, § 767 RdNr. 13, § 795 RdNr. 13; Münchner Kommentar, ZPO, 3. Auflage, § 767 RdNr. 75; Musielak, ZPO, 8. Auflage, § 767 RdNr. 31; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 197 RdNr 8; jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Damit wirft der vorliegende Rechtsstreit im Ergebnis keine nicht geklärte Rechtsfrage auf, sondern die Klägerin wendet sich gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, mit dem ihr - entgegen der dargestellten allgemeinen Rechtsauffassung - gemäß § 767 Abs. 2 ZPO der Einwand der Erfüllung als präkludiert abgeschnitten wurde. Hiervon geht auch die Klägerin aus, wenn sie zur Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage vorträgt, ihr Einwand der Erfüllung sei entgegen der Ansicht des SG nicht präkludiert.

Dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, wird von der Klägerin nicht geltend gemacht. Sie rügt zwar eine fehlerhafte Anwendung der Präklusionsregelung nach § 767 Abs. 2 ZPO. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine verfahrensrechtliche Regelung, wie etwa § 106a Abs. 3 SGG (vgl. zur Präklusion: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O. § 144 RdNr. 34), sondern um die materiell-rechtliche Ausgestaltung des prozessualen Anspruchs der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO (vgl. Lackmann in Musielak, ZPO, 8. Auflage, § 767 RdNr. 30).

Nach alledem war die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückzuweisen.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des SG vom 13.10.2010 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. § 193 SGG findet keine Anwendung. Die Voraussetzungen des § 183 SGG sind hier nicht erfüllt. Es liegt ein Fall des § 197a SGG vor. Zwar war die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreites im Ausgangsrechtsstreit S 14 AL 1847/10 Versicherte, auch wenn der Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren nicht der Verwirklichung sozialer Rechte des Einzelnen dient und daher keine Sozialleistung ist. Er beruht außerdem nur auf Verwaltungsverfahrensrecht (BSG 24.07.1986 - 7 RAr 86/84 - USK 86242). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 01.07.2011 - L 8 U 1114/10 -, veröffentlicht im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) rechtfertigt jedoch der Zusammenhang einer geltend gemachten Kostenerstattung mit Sozialleistungen, sie auch bei der gerichtlichen Geltendmachung seiner Kosten für das Widerspruchsverfahren als Leistungsempfänger i.S.d. des § 183 SGG anzusehen. Diese Grundsätze sind aber auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Der Wortlaut des § 183 SGG bedarf auch nach der Rechtsprechung des BSG der einschränkenden Auslegung (BSG 20.12.2005 SozR 4-1500 § 183 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat das Kostenprivileg des § 183 SGG zwar nicht ausdrücklich daran geknüpft, dass es um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I geht. Jedoch sprechen Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 183 SGG dafür, dessen Kostenprivileg in erster Linie Personen einzuräumen, die als Kläger oder Beklagte um derartige Leistungen streiten. Dies trifft vorliegend nicht zu. Ein Zusammenhang mit Sozialleistungen ist nicht mehr gegeben. Vielmehr ist die vorliegend streitgegenständliche Vollstreckungsabwehrklage ein gegenüber dem Ausgangsrechtstreit S 14 AL 1847/10 neues selbständiges Verfahren (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O, § 767 RdNr. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 29. Auflage, § 767 RdNr. 1).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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