L 11 KR 3230/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 5076/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3230/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.05.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation streitig.

Der am 02.02.1987 geborene Kläger, der bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, ist mehrfach behindert und leidet unter geistiger Retardierung, spastischer Hemiparese, Blindheit, Hypophyseninsuffizienz, Diabetes insipidus und einem Zustand nach mehreren Grandmalanfällen. Er erhält Leistungen nach Pflegestufe II der sozialen Pflegeversicherung. Tagsüber hält er sich in einer Behinderteneinrichtung auf. Seit Jahren erhält er jeweils einmal wöchentlich manuelle Therapie, Musiktherapie und manuelle Therapie mit Fango sowie jeweils zweimal wöchentlich Rückenschule und Krankengymnastik.

Am 19.02.2008 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV Baden-Württemberg) unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichts zum Rehabilitationsantrag der Rentenversicherung der Internistin Dr G. vom 08.12.2007 sowie unter Vorlage diverser ärztlicher Befundberichte die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Dr G. führte zur Begründung der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aus, der Kläger leide aufgrund seiner Mehrfachbehinderung an erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen. Unter Bezugnahme auf ihre eigene ärztliche Bescheinigung vom 02.08.2006 legte sie dar, sie empfehle die begehrte Maßnahme zur allgemeinen Roborisierung und Gewichtsreduktion. Mit Bescheid vom 22.02.2008 lehnte die DRV Baden-Württemberg Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wegen mangelnder Zuständigkeit ab. Im Übrigen könnten medizinische Rehabilitationsleistungen nur dann erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Kläger erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen nach § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Daher werde der Antrag nach § 14 Abs 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Beklagte weitergeleitet.

Nach Eingang des Antrags bei der Beklagten am 28.02.2008 holte diese eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr G. führte in ihrer Stellungnahme vom 05.03.2008 aus, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme seien nicht erfüllt, da keine Rehabilitationsprognose und kein realistisches Rehabilitationsziel bestünden. Mit Bescheid vom 06.03.2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seine Mutter, Widerspruch mit der Begründung, die Rehabilitationsmaßnahme solle der Stabilisierung seines durch Behinderung und chronische Erkrankung angegriffenen Gesundheitszustandes dienen. Ausweislich des Attests von Dr G. vom 01.04.2008 sollte die Maßnahme dazu dienen, beim multimorbiden Kläger eine Gewichtsreduktion mit dem Ziel der dauerhaften Änderung seiner Essgewohnheiten anzustreben. Die Beklagte veranlasste im Anschluss daran die Erstattung eines sozialmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage durch den MDK. Dr W. legte in seinem Gutachten vom 10.04.2008 dar, der Kläger leide an Panhypotuitarismus, geistiger Retardierung, spastischer Hemiparese, Hypoosmolarität und Hyponatriämie, Sinusbradycardie, Eisenmangelanämie, abnormer Gewichtszunahme und generalisierter Epilepsie. Mit einem Bodymaßindex (BMI) von 25 liege unter Berücksichtigung des Alters des Klägers lediglich leichtes Übergewicht vor. Es bestehe auch eine kognitive Einschränkung bei geistiger Behinderung mit zeitweisen Unruhezuständen, Verwirrung und eingeschränkter Kommunikation. Ferner sei die Alltagskompetenz des Klägers erheblich eingeschränkt. Ungeachtet dessen, dass keine belegte Adipositas vorliege, sei beim Kläger keine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit für das Rehabilitationsziel Gewichtsreduktion vorhanden. Eine Rehabilitationsfähigkeit und ein Rehabilitationspotenzial seien unter Berücksichtigung der multiplen Defizite des Klägers nicht gegeben. Er bekomme die Nahrung zubereitet und werde teilweise bei der Nahrungsaufnahme unterstützt. Die Regulierung der Ernährung erfolge primär durch die Pflegeperson. Deren Schulung sei im ambulanten Bereich möglich und begründe keine Rehabilitationsmaßnahme für den Kläger selbst. Bezüglich der anderen vorliegenden Defizite bei bekannter spastischer Hemiparese, sei weiter auf die ambulante fachärztliche Mitbehandlung und ambulante Heilmittelanwendung zu verweisen. Diese sei ausreichend und zweckmäßig.

Zur weiteren Widerspruchsbegründung führte die Mutter des Klägers daraufhin aus, ihr schwer kranker Sohn habe wie alle anderen ein Recht auf stationäre Rehabilitation. Dies werde ua durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung von Dr G. vom 06.05.2008 bestätigt, in der diese weiterhin die Durchführung einer Kur empfohlen habe. Ziel solle neben einer Gewichtsreduktion eine allgemeine Roborisierung sowie die Suche nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für den Kläger sein. Vorgelegt wurde ferner ein Schreiben der Ärztin für Allgemeinmedizin G. vom 09.05.2008. Darin führte diese aus, beim Kläger bestehe aufgrund seines perinatalen Traumas eine spastische Bewegungsstörungen der linken oberen und unteren Extremität mit erheblicher Bewegungsstörung. Dies stelle eine gute Basis für einen Komplex von physikalischen und krankengymnastischen Maßnahmen dar, die man im Rahmen einer Kurbehandlung erfolgreich anwenden könne. Dies könne am besten durch eine Reha-Behandlung erreicht werden. Die Prognose sei als sehr positiv zu bezeichnen. Nach weiterer Einschaltung des MDK (Stellungnahme von Dr. D., Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, vom 23.05.2008) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2008 zurück. Zur Begründung führte Sie aus, beim Kläger bestehe keine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit für das Rehabilitationsziel der Gewichtsreduktion. Er bekomme die Nahrung zubereitet und werde teilweise bei der Nahrungsaufnahme unterstützt. Die Regulierung der Ernährung übernehme eine Pflegeperson. Die Schulung der Pflegeperson sei im ambulanten Bereich möglich und begründe keine Rehabilitationsmaßnahme für den Kläger. Bezüglich der beim Kläger vorhandenen Defizite bei bekannter spastischer Hemiparese seien ambulante fachärztliche Behandlungen und Heilmittelanwendungen ausreichend.

Der Kläger hat am 23.07.2008, vertreten durch seine Mutter, unter Bezugnahme auf den Vortrag im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur weiteren Begründung einen Arztbericht der Allgemeinmedizinerin G. vom 16.09.2008 vorgelegt, die zur Integration des Klägers in die Gesellschaft und die hierzu erforderliche Förderung seiner Motorik die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme empfahl. Als vom SG beauftragte sachverständige Zeugin hat sie mitgeteilt (Auskunft vom 28.10.2008), zur Abwendung, Beseitigung, Minderung bzw zum Ausgleich von Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder Milderung ihrer Folgen seien ambulante Behandlungen im Hinblick auf die spastische Hemiparese nicht sinnvoll; eine stationäre Behandlung sei vorteilhafter. Auf die Frage, ob stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erforderlich seien, legte sie dar, sie seien "sehr gewünscht", um effizienter die bestehenden Funktionsdefizite zu minimieren. Die spastische Hemiparese mit Bewegungseinschränkungen und sonstigen Funktionseinschränkungen könnten im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme sehr positiv beeinflusst werden, wobei eine komplette Heilung nicht zu erwarten sei bzw nie erreicht werden könne.

Nachdem die Beklagte ein hierzu von Dr. T. nach Aktenlage erstelltes MDK-Gutachten vom 21.11.2008 vorgelegt hat, in dem dieser wiederholt, dass kein realistisches Rehabilitationsziel bestehe, hat das SG zwei ergänzende Stellungnahmen der Allgemeinmedizinerin G. vom 13.10.2009 und vom 10.12.2009 eingeholt. Darin hat sie mitgeteilt, die regelmäßigen physikalischen Anwendungen würden lediglich einer Stabilisierung des Zustandes des Klägers dienen. Es sei nicht zu erwarten, dass jemals eine Besserung im Sinne einer Funktionsverbesserung oder einer Beseitigung von vorhandenen Defiziten auftrete. Auch durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme könnten viele funktionelle und motorische Störungen nicht gebessert werden, jedoch seien eine sorgfältige und ständige Krankengymnastik, Wassertherapie und Massage von großem Nutzen zum Erhalt der bleibenden Funktionen und zur Förderung der motorischen und kognitiven Prozesse.

Mit Urteil vom 17.05.2010 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei hinsichtlich des Rehabilitationsziels einer Gewichtsreduktion wegen seiner Mehrfachbehinderung mit kognitiven Einschränkungen nicht ausreichend rehabilitationsfähig. Eine Kontrolle des Essverhaltens könne nur durch die Schulung der Pflegeperson erreicht werden. Im Übrigen lasse sich eine dauerhafte Gewichtsreduktion bzw. Kontrolle des Essverhaltens nur mit andauernden ambulanten Maßnahmen, nicht jedoch mit einer drei- bis vierwöchigen Rehabilitationsmaßnahme erreichen. Auch das vom Kläger gleichzeitig verfolgte Ziel der nachhaltigen Verbesserung seiner motorischen Fähigkeiten sei mit einer drei- bis vierwöchigen Rehabilitationsmaßnahme nicht realistisch zu erreichen. Dies werde durch die Ausführungen der Allgemeinmedizinerin G. bestätigt, die eine Funktionsverbesserung auch bei der Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ausgeschlossen habe. Durch die dem Kläger von der Beklagten gewährten engmaschigen Heilmittelanwendungen, könnten seine motorischen Funktionen erhalten und stabilisiert werden. Mehr sei auch mit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht zu erreichen. Die Fortführung der ambulanten Heilmittelanwendungen sei damit ausreichend und allein zweckmäßig.

Gegen das dem Kläger am 25.06.2010 per Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil hat er beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 12.07.2010 Berufung eingelegt. Er sei mit der Entscheidung des SG nicht einverstanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.05.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und die Durchführung der ambulanten Behandlungen mit regelmäßigen Heilmittelanwendungen und flankierenden Maßnahmen wie zB Ernährungsberatung für ausreichend.

Mit Schreiben vom 25.02.2011 hat der Senat – nach Durchführung eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes - den Kläger darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Nach § 11 Abs 1 Nr 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Nach § 11 Abs 2 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltsichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu vermindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist. Nach § 40 Abs 1 SGB V gilt für die ambulante Rehabilitation: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Leistungen nach Satz 1 sind auch in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu erbringen. Reicht eine Leistung der ambulanten Rehabilitation wiederum nicht aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 3 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Wählt der Versicherte eine andere zertifizierte Einrichtung, mit der kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, so hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten zu tragen (Satz 1 und 2 der Vorschrift). Die Krankenkasse bestimmt nach § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Abs 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Leistungen nach Abs 1 (ambulante Rehabilitation) sollen für längstens 20 Behandlungstage, Leistungen nach Abs 2 (stationäre Rehabilitation) für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn, eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich (Satz 2 der Vorschrift; vgl Beschluss des Senats vom 27.07.2010, L 11 KR 389/10, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Stationäre Rehabilitationsleistungen kommen danach erst dann in Betracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dies folgt im Übrigen auch aus dem in § 12 Abs 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot, das für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gilt und dem im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Grundsatz "ambulant vor stationär" entnommen werden kann (vgl Senatsurteil vom 28.06.2011, L 11 KR 1164/11, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation setzt insoweit Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine Rehabilitationsprognose voraus. Dies wird durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinien (Reha-RL)) vom 16.03.2004 (BAnz Nr 63, S 6769) idF des Beschlusses vom 22.01.2009 (BAnz Nr 87, S 2131) konkretisiert. Danach besteht Rehabilitationsbedürftigkeit, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist (§ 8 Satz 1 Reha-RL). Rehabilitationsfähig ist nach § 9 aaO ein Versicherter, wenn er aufgrund seiner somatischen und psychischen Verfassung die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besitzt. Die notwendige Rehabilitationsprognose ist nach § 10 aaO eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistung der medizinischen Rehabilitation auf der Basis der Erkrankung oder Behinderung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials und der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller positiver Kontextfaktoren sowie über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels durch eine geeignete Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einem notwendigen Zeitraum (vgl Beschluss des Senats vom 27.07.2010 aaO).

Ausgehend hiervon vermag der Senat im Einklang mit dem SG bezogen auf die vom Kläger beanspruchte stationäre medizinische Rehabilitation weder eine Rehabilitationsfähigkeit noch eine positive Rehabilitationsprognose festzustellen. Nach dem Ergebnis der von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen und der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger zwar mehrere Behinderungen bestehen, jedoch eine engmaschige ambulante Krankenbehandlung und Heilmittelanwendung bzw die Schulung seiner Pflegeperson im Hinblick auf die Kontrolle des Essverhaltens ausreicht, um eine Verschlimmerung der bestehenden Behinderungen zu verhüten und deren Folgen zu mindern. Der Senat entnimmt dies den Stellungnahmen und Gutachten des MDK vom 05.03.2008 (Dr G.), 10.04.2008 (Dr W.), 23.05.2008 (Dr D.) und 21.11.2008 (Dr T.) sowie der sachverständigen Zeugenauskunft der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin G ... Auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils, denen er sich in vollem Umfang anschließt, nimmt der Senat deshalb Bezug; von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sieht er nach § 153 Abs 2 SGG insoweit ab.

Für das zunächst im Vordergrund stehende Rehabilitationsziel der Gewichtsreduzierung des Klägers besteht weder Rehabilitationsfähigkeit noch eine Rehabilitationsprognose. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr W. vom 10.04.2008. Darin hat dieser nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, beim Kläger seinen unter Berücksichtigung der multiplen Defizite Rehabilitationsfähigkeit und ein Rehabilitationspotenzial für das Ziel der Gewichtsreduktion nicht gegeben. Ausweislich des Gutachtens und den Angaben seiner Mutter bekommt der Kläger die Nahrung zubereitet und wird teilweise bei der Nahrungsaufnahme unterstützt. Die Regulierung der Ernährung erfolgt primär durch die Pflegeperson. Deren Schulung ist im ambulanten Bereich möglich und begründet keine Rehabilitationsmaßnahme für den Kläger, da er infolge seiner kognitiven Defizite selbst keinen Einfluss auf die Zusammensetzung und Menge der Nahrung nehmen kann.

Soweit die stationäre Rehabilitationsmaßnahme auf die allgemeine Roborisierung des Klägers, die Suche nach weiteren Unterstützungsmaßnahmen für den Kläger und die Behandlung seiner spastischen Bewegungsstörung gerichtet ist, scheiden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem oben ausgeführten Stufenschema aus. Denn ambulante fachärztliche Behandlungen und Heilmittelanwendungen sind hierfür ausreichend und zweckmäßig. Dies ergibt sich für den Senat aus der sachverständigen Zeugenauskunft der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin G. vom 28.10.2008, 13.10.2009 und 10.12.2009. Darin hat die Ärztin für den Senat schlüssig dargelegt, dass stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zwar vorteilhafter und "sehr gewünscht" seien, um effizienter die bestehenden Funktionsdefizite zu minimieren; allerdings könnten die spastische Hemiparese mit Bewegungseinschränkungen und sonstigen Funktionseinschränkungen im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme lediglich positiv beeinflusst werden, eine komplette Heilung sei nicht zu erwarten bzw könne nie erreicht werden. Die regelmäßigen physikalischen Anwendungen dienten bereits einer Stabilisierung des Zustandes des Klägers. Hier wird der Kläger bereits in großem Umfang von der Beklagten versorgt. Eine über die bisher in Anspruch genommenen Therapieeinheiten (jeweils einmal wöchentlich manuelle Therapie, Musiktherapie und manuelle Therapie mit Fango sowie jeweils zweimal wöchentlich Rückenschule und Krankengymnastik) hinausgehende Versorgung des Klägers dürfte weder im normalen Alltag noch im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll und möglich sein.

Soweit Dr G. dennoch die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme für den Kläger befürwortet, legt sie aus den oben dargestellten Erwägungen keine medizinische Begründung hierfür vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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