Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1288/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1048/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Kniebeschwerden rechts als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht (in der BKV seit 1. Juli 2009).
Der 1956 geborene Kläger, der seit Januar 2007 Erwerbsminderungsrente bezieht, war von 1973 bis 1989 in Polen als Fliesenleger tätig, von August 1990 bis zum Rentenbeginn stand er als Fachwerker im Fertighausbau in einem Beschäftigungsverhältnis.
Am 5. September 2007 erstattete der behandelnde Arzt eine ärztliche Anzeige über den Verdacht des Vorliegens einer BK, da der Kläger am rechten Knie unter einer Meniskopathie leide. Die Beklagte nahm zunächst nur Ermittlungen zur BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) auf.
Sie beteiligte ihren Präventionsdienst und zog ärztliche Unterlagen bei, u.a. den Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. W. vom 7. Mai 2002, den Bericht über den Klinikaufenthalt zur Arthroskopie des rechten Knies (16./17. März 2006), den Reha-Bericht vom 13. Juni 2006 sowie den Bericht über den am 17. Januar 2006 gefertigten Kernspin am rechten Knie. Danach bestehe eine leichte laterale Gonarthrose bei diffuser myxoider Degeneration des Hinterhorns des Außenmeniskus bis zur Pars intermedia mit Ausfransungen/Einrissen am freien Rand.
Im Auftrag der Beklagten erstellte unter dem 10. Juni 2008 der Orthopäde und Chirurg Dr. F. ein Gutachten. Darin führte er als Befund rechts einen nach Außenmeniskusteilresektion viertgradigen weitgehend tibialen Knorpelschaden ohne Meniskusschädigung im Übrigen auf. Innenmeniskus sowie das linke Knie seien ohne Befund.
Mit Bescheid vom 6. August 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Kniebeschwerden als BK nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV ab, gestützt auf das Gutachten des Dr. F ... Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2009 zurückgewiesen.
Während des Widerspruchsverfahrens beantragte der Kläger, die Kniebeschwerden (auch) als BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung ab, da keine Gonarthrose im Stadium Kellgren II - IV vorliege und im Übrigen die Meniskusresektion als Schadensursache denkbar sei. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit "Widerspruchsschreiben" vom 3. Februar 2010 erhob der Kläger dagegen Einwände und beantragte zugleich nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung des Bescheids vom 17. Dezember 2009. Konkurrenzursachen für die Entstehung der Gonarthrose seien nicht ersichtlich, so dass die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) greifen müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Röntgenologisch liege lediglich eine Gonarthrose Grad I nach Kellgren vor; § 9 Abs. 3 SGB VII greife nicht, da mit der Außenmeniskusteilresektion eine Konkurrenzursache gegeben sei.
Dagegen hat der Kläger am 7. April 2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Das SG hat den Orthopäden Dr. B. als Gutachter zur BK 2102 wie auch der BK 2112 beauftragt. In seinem Gutachten vom 30. Juni 2010 hat er ausgeführt, er schlage keine Anerkennung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV vor. Es lägen schon keine Bewegungsstörungen im Kniegelenk vor, die Gonarthrose sei nur nach Kellgren Grad I ausgeprägt und im Übrigen liege der Knorpelschaden nicht in dem Bereich vor, der zu erwarten wäre, wenn die Ursache im Knien liegen würde (kein belastungskonformes Schadensbild). Darüber hinaus liege der starke Knorpelschaden in dem Bereich des ehemaligen Außenmeniskuslappenrisses; die Muskelminderung betreffe nicht nur den rechten Oberschenkel, sondern auch den Unterschenkel und den rechten Arm. Konkurrierende Ursache könnte diesbezüglich der bekannte Tumor im Halsmark sowie das Wirbelsäulenleiden bei Wirbelgleiten LWK 5/SWK 1 Grad II nach Meyerding sein.
Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, die ersten Beschwerden im Knie seien bereits 1990 und nicht erst 2002 eingetreten. Dr. B. habe eine Gonarthrose Kellgren Grad I beschrieben, während die behandelnden Ärzte einen zweit- bis viertgradigen Knorpelschaden festgestellt hätten. Darüber hinaus liege auch keine arbeitstechnische Stellungnahme der Beklagten vor. Nicht zuletzt habe er am 2. September 1998 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich eine Quetschwunde am rechten Unterschenkel zugezogen habe. Dies müsse bei der Frage der Entstehung der Gonarthrose mit berücksichtigt werden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2000 hat Dr. B. ausgeführt, valide Befunde bezüglich der Meniskuserkrankung lägen erst seit 2002 vor. Knorpelschäden und ihre Graduierung hätten nichts mit einem Arthrosestadium, wie es nach Kellgreen beschrieben werde, zu tun. Unterlagen über einen Arbeitsunfall aus dem Jahr 1998 hätten nicht vorgelegen. Er schließe aber aus, dass eine Weichteilquetschung am Unterschenkel ohne knöcherne Läsion zu arthrotischen Veränderungen führe.
Mit Urteil vom 4. Februar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach den schlüssigen Ausführungen des Dr. B. die für die Anerkennung einer beruflich bedingten Gonarthrose nach der BK-Ziffer 2112 der Anlage 1 zur BKV notwendigen Voraussetzungen, nämlich u.a. ein ausgeprägt starker Grad der Arthrose (Stadium Kellgreen II bis IV) oder eine Bewegungsstörung am Kniegelenk nicht vorliegen würden. Die Muskelarthrophie könne auch auf der Tumorerkrankung beruhen, die auch auf den rechten Arm des Klägers ausstrahle. Auch liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Da bereits die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK nicht vorliegen würden, komme es nicht darauf an, ob die Einwirkungskausalität (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) bejaht werden könne. Ebenso finde aus diesem Grund § 9 Abs. 3 SGB VII keine Anwendung. Da die Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV von der Beklagten abgelehnt worden sei, sei des Weiteren auch nicht die Frage zu prüfen, ob es sich bei der Gonarthrose um eine Verschlimmerung dieser BK handle. Letztlich spreche auch nichts für einen Zusammenhang des Unfalls aus 1998 mit der Gonarthrose, worauf Dr. B. hingewiesen habe.
Gegen das dem Kläger durch Postzustellungsurkunde vom 17. Februar 2011 zugestellte Urteil hat dieser am 11. März 2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, seine Ärzte hätten die Ursächlichkeit seiner Beschwerden abweichend von Dr. B. beurteilt. Alle seien sich aber einig, dass bei ihm eine Gonarthrose vorliege. Im Übrigen sei ihm nicht klar, was "Kellgren I" bedeute und warum ein viertgradiger Knorpelschaden nicht ausreiche, um eine BK zu bejahen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2011 sowie den Bescheid vom 17. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2010 aufzuheben und bei ihm eine BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat ohne Rechtsfehler die Anerkennung der Kniebeschwerden rechts als Berufskrankheit abgelehnt.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).
In Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist seit 1. Juli 2009 als Listen-Berufskrankheit erfasst eine Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung als BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV.
Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger ausreichend lang, d.h. mindestens 13.000 Stunden bei einer Mindestdauer von einer Stunde pro Schicht, kniebelastend tätig war (sog. Einwirkungskausalität). Denn es mangelt an den medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der bei ihm unzweifelhaft bestehenden Gonarthrose, d.h. die haftungsbegründende Kausalität zwischen berufsbedingten Einwirkungen und dem Krankheitsbild ist nicht hinreichend wahrscheinlich.
Der Senat stützt sich hierbei, wie das SG, auf die Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten vom 30. Juni 2010 sowie die ergänzende Stellungnahme, die mit der Wissenschaftlichen Begründung zur Aufnahme der Gonarthrose in die BK-Liste [vgl. BArbBl Heft 10 (2005) Seite 46] übereinstimmt. Danach fehlen als Anerkennungsvoraussetzung zum einen bereits Funktionsstörungen im Knie bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Beugung oder Streckung im Gelenk, die beim Kläger nicht festzustellen waren. Entscheidend ist aber, dass röntgenologisch eine Gonarthrose lediglich im Stadium Grad I nach Kellgren, also eine fragliche Verschmälerung des Gelenkspalts und mögliche Osteophytenbildung, bestehen, während zur Anerkennung einer Gonarthrose als BK jedenfalls ein Stadium Kellgren II und mehr erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese röntgenologische Klasseneinteilung nicht gleichzusetzen mit dem Ausmaß der Knorpelschäden, die beim Kläger zwischen Grad 2 und 4 angegeben werden, worauf auch Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme hingewiesen hat. Vielmehr ist die Gradeinteilung nach Kellgren im Wesentlichen nur Ausdruck des Grads der Gelenkspaltverschmälerung und begleitender Veränderungen, die vom Ausmaß bestehender Knorpelschäden zu differenzieren sind.
Ob mit Dr. B. aufgrund der Lokalisation der Knorpelschäden auch vom Fehlen eines belastungskonformen Schadensbilds auszugehen ist oder ob diese Kriterium nach jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen keine tragfähige Unterscheidung darstellt, kann offen bleiben. Denn auch ohne dieses Kriterium liegen Ausschlussgründe vor, die der Anerkennung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV entgegen stehen. Nicht zuletzt ist der Knorpelschaden genau in dem Teil des Kniegelenks anzutreffen, der der durch den Außenmeniskuslappenriss geschädigten Region entspricht, so dass dies jedenfalls eine plausible Erklärung für die Entstehung der Erkrankung bildet und damit auch der Anwendung des § 9 Abs. 3 SGB VII entgegen steht. Ob es sich bei § 9 Abs. 3 SGB VII dogmatisch um eine unwiderlegbare Rechtsvermutung (Benz, SGb 8/98 S. 353 ff), eine gesetzlich angeordnete Beweislastumkehr (Hessisches LSG vom 31. August 2010 – L 3 U 162/05, juris), eine bloße Beweiserleichterung (LSG Berlin-Brandenburg vom 29. August 2005 – L 27 U 71/02, juris) oder einen Anscheinsbeweis (LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Juli 1997 – L 7 U 18/97, juris; so auch vom 2. Juli 1998 – L 7 U 348/97, juris und vom 18. März 1997 – L 7U 30/95, juris) handelt, wird unterschiedlich beurteilt. Allerdings ist die rechtliche Einordnung der Norm, die auch nach der Gesetzesbegründung nicht eindeutig erfolgen kann (BT-Drucks 13/2204 S. 77) für die hier relevante Fragestellung ohne Belang. Denn die Vermutungsregelung greift ihrem Wortlaut und nach übereinstimmender Auffassung in der Kommentarliteratur nur dann, wenn keine außerberuflichen Konkurrenzursachen vorliegen und auch auf medizinischem Fachgebiet alle Voraussetzungen für die Anerkennung als BK grundsätzlich erfüllt sind. Dies ist jedoch, wie dargelegt, beim Kläger nicht der Fall, so dass die Vermutungsregelung zu Gunsten des Klägers nicht greift.
Soweit sich der Kläger auf die Beurteilung der behandelnden Ärzte beruft, haben diese, ebenso wie Dr. B., das Bestehen einer Gonarthrose bejaht. Auch der Senat zieht dies nicht in Zweifel. Allerdings hat keiner der behandelnden Ärzte eine klare, von der Einschätzung des Dr. B. abweichende Beurteilung abgegeben, sondern allenfalls einen Zusammenhang der Tätigkeit als Fliesenleger mit den Kniebeschwerden für möglich gehalten. Dies genügt jedoch nicht zur positiven gerichtlichen Feststellung eines Ursachenzusammenhangs. Hinsichtlich des Unfalls aus dem Jahr 1998 und der Gonarthrose ist nicht nur aufgrund der aktenkundigen damaligen Diagnose (Risswunde Unterschenkel rechts), sondern auch aufgrund der Lokalisation und fehlender knöcherner Begleitverletzungen ein Ursachenzusammenhang unwahrscheinlich. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht angezeigt. Wenn der Kläger weiter einwendet, er habe bereits viel früher, nämlich schon 1990, unter Kniebeschwerden gelitten, sind diese auch von seinem Hausarzt Dr. Dylla, der den Kläger seit 1994 behandelt, nicht dokumentiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Kniebeschwerden rechts als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht (in der BKV seit 1. Juli 2009).
Der 1956 geborene Kläger, der seit Januar 2007 Erwerbsminderungsrente bezieht, war von 1973 bis 1989 in Polen als Fliesenleger tätig, von August 1990 bis zum Rentenbeginn stand er als Fachwerker im Fertighausbau in einem Beschäftigungsverhältnis.
Am 5. September 2007 erstattete der behandelnde Arzt eine ärztliche Anzeige über den Verdacht des Vorliegens einer BK, da der Kläger am rechten Knie unter einer Meniskopathie leide. Die Beklagte nahm zunächst nur Ermittlungen zur BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) auf.
Sie beteiligte ihren Präventionsdienst und zog ärztliche Unterlagen bei, u.a. den Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. W. vom 7. Mai 2002, den Bericht über den Klinikaufenthalt zur Arthroskopie des rechten Knies (16./17. März 2006), den Reha-Bericht vom 13. Juni 2006 sowie den Bericht über den am 17. Januar 2006 gefertigten Kernspin am rechten Knie. Danach bestehe eine leichte laterale Gonarthrose bei diffuser myxoider Degeneration des Hinterhorns des Außenmeniskus bis zur Pars intermedia mit Ausfransungen/Einrissen am freien Rand.
Im Auftrag der Beklagten erstellte unter dem 10. Juni 2008 der Orthopäde und Chirurg Dr. F. ein Gutachten. Darin führte er als Befund rechts einen nach Außenmeniskusteilresektion viertgradigen weitgehend tibialen Knorpelschaden ohne Meniskusschädigung im Übrigen auf. Innenmeniskus sowie das linke Knie seien ohne Befund.
Mit Bescheid vom 6. August 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Kniebeschwerden als BK nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV ab, gestützt auf das Gutachten des Dr. F ... Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2009 zurückgewiesen.
Während des Widerspruchsverfahrens beantragte der Kläger, die Kniebeschwerden (auch) als BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung ab, da keine Gonarthrose im Stadium Kellgren II - IV vorliege und im Übrigen die Meniskusresektion als Schadensursache denkbar sei. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit "Widerspruchsschreiben" vom 3. Februar 2010 erhob der Kläger dagegen Einwände und beantragte zugleich nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung des Bescheids vom 17. Dezember 2009. Konkurrenzursachen für die Entstehung der Gonarthrose seien nicht ersichtlich, so dass die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) greifen müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Röntgenologisch liege lediglich eine Gonarthrose Grad I nach Kellgren vor; § 9 Abs. 3 SGB VII greife nicht, da mit der Außenmeniskusteilresektion eine Konkurrenzursache gegeben sei.
Dagegen hat der Kläger am 7. April 2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Das SG hat den Orthopäden Dr. B. als Gutachter zur BK 2102 wie auch der BK 2112 beauftragt. In seinem Gutachten vom 30. Juni 2010 hat er ausgeführt, er schlage keine Anerkennung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV vor. Es lägen schon keine Bewegungsstörungen im Kniegelenk vor, die Gonarthrose sei nur nach Kellgren Grad I ausgeprägt und im Übrigen liege der Knorpelschaden nicht in dem Bereich vor, der zu erwarten wäre, wenn die Ursache im Knien liegen würde (kein belastungskonformes Schadensbild). Darüber hinaus liege der starke Knorpelschaden in dem Bereich des ehemaligen Außenmeniskuslappenrisses; die Muskelminderung betreffe nicht nur den rechten Oberschenkel, sondern auch den Unterschenkel und den rechten Arm. Konkurrierende Ursache könnte diesbezüglich der bekannte Tumor im Halsmark sowie das Wirbelsäulenleiden bei Wirbelgleiten LWK 5/SWK 1 Grad II nach Meyerding sein.
Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, die ersten Beschwerden im Knie seien bereits 1990 und nicht erst 2002 eingetreten. Dr. B. habe eine Gonarthrose Kellgren Grad I beschrieben, während die behandelnden Ärzte einen zweit- bis viertgradigen Knorpelschaden festgestellt hätten. Darüber hinaus liege auch keine arbeitstechnische Stellungnahme der Beklagten vor. Nicht zuletzt habe er am 2. September 1998 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich eine Quetschwunde am rechten Unterschenkel zugezogen habe. Dies müsse bei der Frage der Entstehung der Gonarthrose mit berücksichtigt werden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2000 hat Dr. B. ausgeführt, valide Befunde bezüglich der Meniskuserkrankung lägen erst seit 2002 vor. Knorpelschäden und ihre Graduierung hätten nichts mit einem Arthrosestadium, wie es nach Kellgreen beschrieben werde, zu tun. Unterlagen über einen Arbeitsunfall aus dem Jahr 1998 hätten nicht vorgelegen. Er schließe aber aus, dass eine Weichteilquetschung am Unterschenkel ohne knöcherne Läsion zu arthrotischen Veränderungen führe.
Mit Urteil vom 4. Februar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach den schlüssigen Ausführungen des Dr. B. die für die Anerkennung einer beruflich bedingten Gonarthrose nach der BK-Ziffer 2112 der Anlage 1 zur BKV notwendigen Voraussetzungen, nämlich u.a. ein ausgeprägt starker Grad der Arthrose (Stadium Kellgreen II bis IV) oder eine Bewegungsstörung am Kniegelenk nicht vorliegen würden. Die Muskelarthrophie könne auch auf der Tumorerkrankung beruhen, die auch auf den rechten Arm des Klägers ausstrahle. Auch liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Da bereits die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK nicht vorliegen würden, komme es nicht darauf an, ob die Einwirkungskausalität (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) bejaht werden könne. Ebenso finde aus diesem Grund § 9 Abs. 3 SGB VII keine Anwendung. Da die Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV von der Beklagten abgelehnt worden sei, sei des Weiteren auch nicht die Frage zu prüfen, ob es sich bei der Gonarthrose um eine Verschlimmerung dieser BK handle. Letztlich spreche auch nichts für einen Zusammenhang des Unfalls aus 1998 mit der Gonarthrose, worauf Dr. B. hingewiesen habe.
Gegen das dem Kläger durch Postzustellungsurkunde vom 17. Februar 2011 zugestellte Urteil hat dieser am 11. März 2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, seine Ärzte hätten die Ursächlichkeit seiner Beschwerden abweichend von Dr. B. beurteilt. Alle seien sich aber einig, dass bei ihm eine Gonarthrose vorliege. Im Übrigen sei ihm nicht klar, was "Kellgren I" bedeute und warum ein viertgradiger Knorpelschaden nicht ausreiche, um eine BK zu bejahen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2011 sowie den Bescheid vom 17. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2010 aufzuheben und bei ihm eine BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat ohne Rechtsfehler die Anerkennung der Kniebeschwerden rechts als Berufskrankheit abgelehnt.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).
In Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist seit 1. Juli 2009 als Listen-Berufskrankheit erfasst eine Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung als BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV.
Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger ausreichend lang, d.h. mindestens 13.000 Stunden bei einer Mindestdauer von einer Stunde pro Schicht, kniebelastend tätig war (sog. Einwirkungskausalität). Denn es mangelt an den medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der bei ihm unzweifelhaft bestehenden Gonarthrose, d.h. die haftungsbegründende Kausalität zwischen berufsbedingten Einwirkungen und dem Krankheitsbild ist nicht hinreichend wahrscheinlich.
Der Senat stützt sich hierbei, wie das SG, auf die Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten vom 30. Juni 2010 sowie die ergänzende Stellungnahme, die mit der Wissenschaftlichen Begründung zur Aufnahme der Gonarthrose in die BK-Liste [vgl. BArbBl Heft 10 (2005) Seite 46] übereinstimmt. Danach fehlen als Anerkennungsvoraussetzung zum einen bereits Funktionsstörungen im Knie bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Beugung oder Streckung im Gelenk, die beim Kläger nicht festzustellen waren. Entscheidend ist aber, dass röntgenologisch eine Gonarthrose lediglich im Stadium Grad I nach Kellgren, also eine fragliche Verschmälerung des Gelenkspalts und mögliche Osteophytenbildung, bestehen, während zur Anerkennung einer Gonarthrose als BK jedenfalls ein Stadium Kellgren II und mehr erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese röntgenologische Klasseneinteilung nicht gleichzusetzen mit dem Ausmaß der Knorpelschäden, die beim Kläger zwischen Grad 2 und 4 angegeben werden, worauf auch Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme hingewiesen hat. Vielmehr ist die Gradeinteilung nach Kellgren im Wesentlichen nur Ausdruck des Grads der Gelenkspaltverschmälerung und begleitender Veränderungen, die vom Ausmaß bestehender Knorpelschäden zu differenzieren sind.
Ob mit Dr. B. aufgrund der Lokalisation der Knorpelschäden auch vom Fehlen eines belastungskonformen Schadensbilds auszugehen ist oder ob diese Kriterium nach jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen keine tragfähige Unterscheidung darstellt, kann offen bleiben. Denn auch ohne dieses Kriterium liegen Ausschlussgründe vor, die der Anerkennung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV entgegen stehen. Nicht zuletzt ist der Knorpelschaden genau in dem Teil des Kniegelenks anzutreffen, der der durch den Außenmeniskuslappenriss geschädigten Region entspricht, so dass dies jedenfalls eine plausible Erklärung für die Entstehung der Erkrankung bildet und damit auch der Anwendung des § 9 Abs. 3 SGB VII entgegen steht. Ob es sich bei § 9 Abs. 3 SGB VII dogmatisch um eine unwiderlegbare Rechtsvermutung (Benz, SGb 8/98 S. 353 ff), eine gesetzlich angeordnete Beweislastumkehr (Hessisches LSG vom 31. August 2010 – L 3 U 162/05, juris), eine bloße Beweiserleichterung (LSG Berlin-Brandenburg vom 29. August 2005 – L 27 U 71/02, juris) oder einen Anscheinsbeweis (LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Juli 1997 – L 7 U 18/97, juris; so auch vom 2. Juli 1998 – L 7 U 348/97, juris und vom 18. März 1997 – L 7U 30/95, juris) handelt, wird unterschiedlich beurteilt. Allerdings ist die rechtliche Einordnung der Norm, die auch nach der Gesetzesbegründung nicht eindeutig erfolgen kann (BT-Drucks 13/2204 S. 77) für die hier relevante Fragestellung ohne Belang. Denn die Vermutungsregelung greift ihrem Wortlaut und nach übereinstimmender Auffassung in der Kommentarliteratur nur dann, wenn keine außerberuflichen Konkurrenzursachen vorliegen und auch auf medizinischem Fachgebiet alle Voraussetzungen für die Anerkennung als BK grundsätzlich erfüllt sind. Dies ist jedoch, wie dargelegt, beim Kläger nicht der Fall, so dass die Vermutungsregelung zu Gunsten des Klägers nicht greift.
Soweit sich der Kläger auf die Beurteilung der behandelnden Ärzte beruft, haben diese, ebenso wie Dr. B., das Bestehen einer Gonarthrose bejaht. Auch der Senat zieht dies nicht in Zweifel. Allerdings hat keiner der behandelnden Ärzte eine klare, von der Einschätzung des Dr. B. abweichende Beurteilung abgegeben, sondern allenfalls einen Zusammenhang der Tätigkeit als Fliesenleger mit den Kniebeschwerden für möglich gehalten. Dies genügt jedoch nicht zur positiven gerichtlichen Feststellung eines Ursachenzusammenhangs. Hinsichtlich des Unfalls aus dem Jahr 1998 und der Gonarthrose ist nicht nur aufgrund der aktenkundigen damaligen Diagnose (Risswunde Unterschenkel rechts), sondern auch aufgrund der Lokalisation und fehlender knöcherner Begleitverletzungen ein Ursachenzusammenhang unwahrscheinlich. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht angezeigt. Wenn der Kläger weiter einwendet, er habe bereits viel früher, nämlich schon 1990, unter Kniebeschwerden gelitten, sind diese auch von seinem Hausarzt Dr. Dylla, der den Kläger seit 1994 behandelt, nicht dokumentiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved