Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 2727/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1062/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.491,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger eine Vergütung für 3.850 Ampullen Triamhexal 10 sowie 50 Ampullen Triam in Höhe von 5.491,58 EUR beanspruchen können, die sie in den Quartalen 2/04 bis 1/05 als Sprechstundenbedarf Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen verabreicht haben.
Die Kläger sind als Orthopäden in S. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und üben ihren Beruf in Gemeinschaftspraxis aus.
Unter dem 11.12.2003 verordneten sie ihrer Praxis 150 Ampullen Lipotalon als Sprechstundenbedarf. Dies beanstandete die beigeladene A. mit Schreiben vom 27.9.2004 gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen KV S., und verlangte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung sowie die Zurückvergütung des Differenzbetrages zwischen verordneter und zulässiger Menge. Mit Bescheid vom 11.1.2005 berichtigte die Beklagte die Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 11.12.2003 und kündigte an, nach Ablauf der Widerspruchsfrist das Quartalskonto der Kläger mit dem Betrag von 240,12 EUR zu belasten. Die Beigeladene habe fristgerecht einen Antrag gestellt. Bei den nicht verordnungsfähigen Mitteln handele es sich um solche, die nach den Bestimmungen der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung (SpBV) als Sprechstundenbedarf nicht zulässig seien. Hiergegen erhoben die Kläger am 3.2.2005 Widerspruch.
Im Quartal 2/04 verordneten die Kläger 150 Ampullen Lipotalon, 100 Ampullen Triam 10 und 500 Ampullen Triamhexal 10 als Sprechstundenbedarf (Verordnungen vom 5.4.2004). Dies beanstandete die Beigeladene gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 24.3.2005 und verlangte eine Richtigstellung unter Anerkennung eines Sprechstundenbedarfs von 50 Ampullen Lipotalon. Mit Bescheid vom 14.6.2005 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie habe eine entsprechend sachlich-rechnerische Richtigstellung anerkannt. Nach Ablauf der Widerspruchsfrist werde das Quartalskonto mit einem Betrag von 953,46 EUR belastet. Hiergegen erhoben die Kläger am 25.7.2005 Widerspruch.
Vergleichbare Kürzungen erfolgten auf Anträge der Beigeladenen durch die Richtigstellung eines Betrages von weiteren 3.492,09 EUR mit Bescheid vom 21.11.2005 auch für die Quartale 3 bis 4 2004 (Verordnung von 150 Ampullen Lipotalon, dreimal 500 Ampullen Triamhexal 10, 150 Ampullen Lipotalon sowie zweimal Triamhexal 10 - Verordnungen vom 8.7.2004 und 6.10.2004) sowie für das Quartal 1/05 wegen der Verordnung von 150 Ampullen Lipotalon sowie dreimal 500 Ampullen Triamhexal 10 (Beanstandungsschreiben vom 27.3.2006) durch Bescheid vom 12.6.2006 mit einem Kürzungsbetrag von 2.060,97 EUR. Auch hiergegen erhoben die Kläger jeweils fristgerecht Widerspruch (Schreiben vom 4.12.2005 sowie 21.6.2006).
Zur Begründung ihres Widerspruchs brachten die Kläger vor, nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung dürften maximal 50 Ampullen Corticoid mit Depotwirkung pro Quartal als Sprechstundenbedarf verabreicht werden. Diese Regelung sei absolut unsinnig. Statt teure Klein- und Kleinstpackungen zu verordnen, müsse auf unvergleichlich billigere Großpackungen zurückgegriffen werden. Sie würden zwar inzwischen widerwillig die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung einhalten (Schreiben vom 4.12.2005), die Verordnung einzelner Ampullen Triamhexal sei jedoch extrem unwirtschaftlich (1 Ampulle: 11,43 EUR). Sie bekämen die Ampulle für 1,26 EUR beim Apotheker, die Pharmaindustrie verkaufe sie aber schon für ca. 30 Cent. Es sei ein unglaublicher Aufwand bei hunderten von Spritzen täglich diese jeweils einzeln zu rezeptieren und den Patienten, der unter Umständen starke Schmerzen habe, zunächst in die Apotheke zu schicken, um die Ampulle zu holen. Patienten würden abgezockt, sie müssten 4 EUR für ein Medikament zuzahlen, welches ein Wert von objektiv 40 Cent habe und dies unter Umständen mehrfach. Krankenhäuser könnten billigst ihre benötigten Medikamente beim Hersteller kaufen, was ihnen als Vertragsärzten verwehrt sei. Die horrenden Summen würden ihrem Arzneimittelbudget sogar noch zugeschlagen. Für die Quartale 3 und 4/2004 werde von ihnen ein Regress von 3.492,09 EUR verlangt, obwohl sie objektiv den Krankenkassen 40.300 EUR erspart hätten. Selbst wenn die Zuzahlungen der Patienten (2.500 x 4,00 EUR) einbezogen würden, ergäbe sich immer noch eine Ersparnis von 28.411,- EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 gab die Beklagte den Widersprüchen bezüglich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung des Medikaments Lipotalon statt und berücksichtigte bezüglich der Medikamente Triam und Triamhexal 10, dass nach der neuen Sprechstundenbedarfsvereinbarung die Verordnung von 50 (statt wie bisher 10) Ampullen als Sprechstundenbedarf zulässig sei. Bezüglich Triam und Triamhexal 10 wies die Beklagte die Widersprüche im Übrigen zurück. Der Regressbetrag verringerte sich deswegen von insgesamt 6.746,64 EUR um 1.255,06 EUR auf 5.491,58 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei Triamhexal 10 handele es sich um ein Depot-Corticoid, dessen Verordnung einer Mengenbegrenzung von 50 Ampullen pro Quartal und Praxis unterliege. Die zulässige Bezugsmenge sei in den Quartalen 2/04 bis 1/05 überschritten worden. Würden Mittel als Sprechstundenbedarf bezogen, welche nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien, so stelle das im gesamten Zusammenhang eine unrechtmäßige Belastung aller Kassen dar, die an der SpBV teilnähmen.
Die Kläger erhoben deswegen am 5.4.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), bezogen sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und brachten vor, in B. würden die Ärzte gesetzlich angehalten, die beanstandeten Medikamente billigst über den Sprechstundenbedarf in großen Mengen zu beziehen. Andere deutsche Bundesländer hätten hier eine genau gegensätzliche Rechtslage. Hierdurch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Soweit in anderen Bundesländern in den Sprechstundenbedarfs-Vereinbarungen andere Regelungen getroffen worden seien, sei dies im Hinblick auf die räumliche Geltung der jeweiligen Sprechstundenbedarfsvereinbarung irrelevant. Insoweit bestehe kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern auch unterschiedliche Regelungen legitimierten.
Auch müsse berücksichtigt werden, dass Kostenträger bei den Sprechstundenbedarfsverordnungen sämtliche Krankenkassen seien, die Kosten würden nach einem bestimmten Verfahren auf alle Kassen umgelegt, während bei einer Verordnung auf einzelnen Rezepten nur die jeweilige Krankenkasse mit den konkreten Verordnungskosten des Patienten belastet werde. Mit der Regelung der Sprechstundenbedarfsvereinbarung solle im Vorhinein Klarheit geschaffen werden, was "allgemeiner Bedarf" (Sprechstundenbedarf) und was "individueller Bedarf" (Einzelverordnung) sei. Das BSG habe schon früher darauf hingewiesen, dass Sprechstundenbedarf und Einzelverordnung nicht beliebig austauschbar seien und es insbesondere nicht erlaubt sei, statt mit Einzelverordnungen mit Sprechstundenbedarf zu arbeiten. Denn die Verordnung von Medikamenten im Rahmen des Sprechstundenbedarfs gehe zu Lasten sämtlicher Krankenkassen.
Die von den Klägern weiter vorgetragenen praktischen Erwägungen, dass die Patienten mit Schmerzen zuerst in die Apotheke geschickt werden müssten, bevor sie dann das entsprechende Medikament verabreicht erhielten, stelle sich in der Praxis nicht oder nur selten. Denn es sei üblich, dass die Arztpraxis ein gewisses Depot in der Praxis vorhalte, aus denen der Patient das Medikament zunächst erhalte. Nach dessen Verabreichung hole der Patient dann das auf Einzelrezept verordnete Medikament aus der Apotheke, übergebe es der Praxis und fülle deren Depot somit wieder auf.
Mit Urteil vom 31.1.2008 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zurecht wegen der Verordnung von einmal 500 Ampullen Triamhexal 10, einmal 1000 Ampullen Triamhexal 10 und zweimal 1500 Ampullen Triamhexal 10 als Sprechstundenbedarf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen. Diese Arzneimittel seien nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nicht verordnungsfähig. Durch ihre Verordnung hätten die Kläger gegen die Bestimmungen dieser Vereinbarung verstoßen. Nach § 2 Nr. 1 SpBV seien als Sprechstundenbedarf nur die in den Anlagen 1 und 2 SpBV genannten Mittel verordnungsfähig. Bei Triamhexal 10 handele es sich um ein Depotcorticoid, dessen Verordnung nach Anlage 1 Nr. 4 SpBV einer Mengenbegrenzung von 10 Ampullen unterliege. Diese zulässige Bezugsmenge sei in den hier streitigen Quartalen deutlich überschritten worden. Mithin sei ein Regress in Höhe von 5.491,58 EUR zurecht festgesetzt worden. Gegen die einzelnen Beträge seien keine substantiierten Einwendungen vorgebracht worden, weswegen die Kammer kein Anlass gehabt habe, an der Richtigkeit der regressierten Beträge zu zweifeln. Mithin und da die Berichtigungsanträge der Beigeladenen auch jeweils innerhalb der Jahresfrist gestellt worden seien, habe die streitgegenständliche Richtigstellung der Regelung des § 3 Nr. 1 und 2 SpBV entsprochen, weswegen es auf die sonstigen von den Klägern vorgebrachten Argumente nicht ankomme.
Gegen das ihnen am 8.2.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 3.3.2008 Berufung eingelegt. Die Beschaffung und Praxishaltung der hier streitigen Medikamente diene nach der SpBV auch der Versorgung von Akutpatienten. Dabei sei die im vorliegenden Fall in der Verordnung festgesetzte Bezugsmenge von 50 Ampullen offensichtlich eine willkürliche, nicht am Bedarf der jeweiligen Praxis orientierte Menge. 50 Ampullen pro Quartal und Praxis seien im Falle ihrer Praxiserfordernisse weder ausreichend noch wirtschaftlich. Sie hätten ein weitaus höheres Aufkommen an Akutpatienten, die das benannte Mittel sofort und unmittelbar benötigten. Diese Zahl liege deutlich über 50 Ampullen. Ein Vergleich der Bundesländer zeige, dass in B., in R.-Pf. und im S. Corticoide mit Depotwirkung nicht unter die Sprechstundenbedarfsvereinbarung fielen, auch in Berlin werde ausdrücklich auf Einzelfallbesonderheiten eingegangen. Insgesamt zwinge die dem Regress zu Grunde liegende Regelung die Kläger zu einem extrem unwirtschaftlichen Verhalten. Zum Nachweis des tatsächlichen konkreten Bedarfs an Depotcorticoiden in ihrer Praxis legten sie eine anonymisierte Liste von Patienten vor, die von ihnen mit Triam versorgt worden seien. Die praktischen Auswirkungen seien wie folgt darzustellen: Patient Nr. 50 erscheine mit akuten Schmerzen und erhalte umgehend das Medikament gespritzt, etwas später am Tag erscheine Patient Nr. 51, ebenfalls mit einem akuten Schmerzzustand. Dieser erhalte ein Rezept, müsse sich in die nächste Apotheke begeben, bezahle dort die Rezeptgebühr, erhalte die Ampulle, und kehre in die Praxis der Kläger zurück. Die hier im Streit befindliche Vereinbarung sei rechtstechnisch schlecht gemacht und fehlerhaft. Sie erfülle die Mindestanforderung an eine Regelung nicht. Hierzu gehörten Widerspruchsfreiheit und Funktionsgerechtigkeit, wobei hierunter Adressatengerechtigkeit und Anwendungsgeeignetheit zu verstehen sei. An beiden fehle es hier.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.1.2008 sowie die Bescheide vom 11.1.2005, 14.6.2005, 21.11.2005 und 12.6.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Als Kollektiv-Vertrag komme der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung normative Wirkung zu, die die Vertragsparteien binde. Die Vertragspartner hätten bei der Vereinbarung des Sprechstundenbedarfs dementsprechend eine weite Einschätzungsprärogative. Als Normgeber müssten sie nicht auf jede einzelne Konstellation eingehen und seien auch nicht zur Schaffung entsprechender Ausnahmetatbestände verpflichtet. Ohne solche Ausnahmeregelungen bestehe kein Anspruch der Kläger auf Zuerkennung eines entsprechend höheren Sprechstundenbedarfs. Die Rechtswidrigkeit der Sprechstundenbedarfsvereinbarung mit der Folge, dass die darin enthaltenen Regelungen nicht bindend wären, komme nur in Betracht, wenn sich die Vertragspartner von willkürlichen, sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen. Dies sei jedoch im Bezug auf die Beschränkung von 50 Ampullen im Quartal und die Verwendung ausschließlich bei Notfallpatienten bzw. solchen mit akuten Schmerzzuständen nicht der Fall.
Richtig sei, dass auch im Rahmen des Sprechstundenbedarfs die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten seien, dies bedeute jedoch nicht, dass insoweit unterschiedliche Versorgungswege miteinander verwoben werden dürften.
Auch der gerügte Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz greife nicht durch. Soweit in anderen Bundesländern Corticoide mit Depotwirkung nicht unter die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung fielen, sei darauf hinzuweisen, dass dies bedeute, dass in diesen Bundesländern Corticoide mit Depotwirkung überhaupt nicht als Sprechstundenbedarf bezogen werden könnten. Die Kläger seien gegenüber diesen Regelungen also klar im Vorteil.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Verordnung von Arzneimitteln im Sprechstundenbedarf sei nach der Sprechstundenbedarfsvereinbarung grundsätzlich begrenzt auf zur Notfallbehandlung geeignete Präparate und auf Mittel zur unmittelbaren Anwendung bei mehreren Patienten, wenn von diesen nur ein geringer Teil der kleinsten Handelspackung benötigt werde. Nicht zum Sprechstundenbedarf zählten dagegen Arzneimittel, die nur für einen Patienten bestimmt seien und z.B. für im Voraus geplante therapeutische Maßnahmen eingesetzt würden - diese seien auf den Namen des Patienten zu verordnen.
Das Argument des Preisvorteils bei der Verordnung von Großpackungen ließe sich auf nahezu alle Indikationsgebiete ausdehnen. Wollte man dem folgen, wäre es vordergründig immer wirtschaftlicher, den Ärzten den Bezug von Anstaltspackungen zu ermöglichen. Dann wäre jedoch keine patientenbezogene Zuordnung der Arzneimittel mehr möglich. Die Kosten für Verordnungen im Sprechstundenbedarf werden im Verhältnis der Fallzahlen über ein Umlageverfahren auf die verschiedenen Kassenarten aufgeteilt. Es erfolge somit keine Zuordnung der tatsächlich im Einzelfall entstandenen Kosten auf die jeweils zuständige Krankenkasse. Mangelnde Transparenz und die daraus resultierenden fehlenden Steuerungsmöglichkeiten seien aber erfahrungsgemäß wesentliche Ursachen für ungünstige Kostenentwicklungen im Arzneimittelmarkt.
Bei der Mengenbegrenzung bei Depotcorticoiden auf 10 bzw. später 50 Ampullen pro Praxis und Quartal sei zu beachten gewesen, dass Verordnungen nach dem SGB V grundsätzlich in der Regel auf den Namen des jeweiligen Patienten zu erfolgen hätten und die Verordnung von Sprechstundenbedarf hiervon die Ausnahme darstelle. Das SGB V sehe den Sprechstundenbedarf als solchen überhaupt nicht vor. Aus Gründen der Praktikabilität hätten die gesetzlichen Krankenkassen und die KVen hiervon abweichend Produkte oder Produktgruppen, die patientenunabhängig für die Arztpraxis bezogen werden könnten, festgelegt. Depotcorticoide seien keine Notfallarzneimittel und seien auch bei akuten Schmerz- und Erregungszuständen nicht primär sinnvoll einzusetzen, da kein sofortiger oder auch kurzfristiger Wirkungseintritt stattfinde. Die Erhöhung der Menge von 10 auf 50 Ampullen sei bei Depotcorticoiden allein der Praktikabilität und nicht der pharmazeutisch/medizinischen Notwendigkeit geschuldet. Die Aufnahme von 50 Ampullen sei durch die vertragliche Gestaltungsfreiheit der gesetzlichen Krankenkassen in der KV für den Sprechstundenbedarf gedeckt. Die Menge sei dabei unter Berücksichtigung der praxisorganisatorischen Belange von der KV als ausreichend beurteilt worden, um eine Erstanwendung bei Patienten zu ermöglichen, ohne diese mit einer Einzelverordnung vor der Behandlung erst in die nächstliegende Apotheke schicken zu müssen. Maßgabe sei aber nicht gewesen, dass die 50 Ampullen den Bedarf für 1 Quartal abdecken müssten.
Auf gerichtliche Anfrage hat die Beklagte mitgeteilt, dass die nächstgelegenen Apotheken zu der Praxis der Kläger in der H. Straße die Zentralapotheke in der H. Straße und die H. Apotheke in der H. Straße sind, die beide in einem Bereich von 100 Metern zur Praxis der Kläger liegen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist statthaft. Bei einem Regress über 5.491,58 EUR wird der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bei weitem überschritten.
Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen. Die Bescheide vom 14.6.2005, 21.11.2005 und 12.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2007 sind nicht zu beanstanden.
Vorliegend geht es um einen Regress nach vorheriger sachlich-rechnerischer Prüfung. Die Kläger haben sich Sprechstundenbedarf verordnet und diesen von der jeweiligen Apotheke auch bezogen. Die Apotheker haben die Rezepte den Krankenkassen weitergeleitet und von diesen das vorgesehene Entgelt erhalten. Da die Krankenkasse der Auffassung ist, dass sie zu Unrecht Beträge für Sprechstundenbedarf aufgewendet hat, verlangt sie über die Beklagte die Rückerstattung der von ihr verauslagten Beträge.
Rechtsgrundlage für die hier streitigen Regresse über insgesamt 5.491,58 EUR sind die Vorschriften der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen KV S. und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Sprechstundenbedarfsvereinbarung vom 20.2.1996, deren Gültigkeit über die vereinbarte Vertragslaufzeit bis 31.12.2003 durch Erklärungen der Beigeladenen vom 15.09.2003 und 19.12.2003 für das Jahr 2004 verlängert wurde und die mit Wirkung ab 1.1.2005 durch die Ergänzungsvereinbarung vom 22.2.2005 modifiziert wurde.
Die Beklagte war danach für die getroffene sachlich-rechnerische Richtigstellung die zuständige Behörde. Nach § 3 Nr. 1 SpBV sind Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellung innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ende des Kalendervierteljahres, in dem das Rezept ausgestellt wurde, bei der KV zu stellen. Richtigstellungen betreffen dabei insbesondere die Verordnung von Mitteln, die nicht in den Anlagen zu dieser Vereinbarung aufgeführt sind oder den dortigen Bestimmungen nicht entsprechen (§ 3 Nr. 2 , zweiter Spiegelstrich SpBV). Die Bearbeitung der Berichtigungsanträge durch die KV soll innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Geltendmachung erfolgen. Gegen die Entscheidung der KV kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch beim Vorstand der KV eingelegt werden. (§ 3 Nr. 4 und 5 SpBV). Demgegenüber sieht § 3 Nr. 1 Satz 1 SpBV für die Wirtschaftlichkeitsprüfung vor, dass die Prüfung der Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf in der Prüfvereinbarung geregelt ist.
Die Partner dieses Gesamtvertrages haben sich somit darauf geeinigt, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung von den nach der Prüfvereinbarung zuständigen Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen durchgeführt wird (deren Aufgaben seit 1.1.2004 gem. § 106 Abs. 4 SGB V die Prüfungsstellen und der Gemeinsamen Beschwerdeausschuss wahrnehmen), während die sachlich-rechnerische Richtigstellung bei der Beklagten verbleibt. Gegen diese Zuständigkeitsverteilung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die gesamtvertragliche Zuständigkeitsregelung widerspricht nicht höherrangigem Gesetzesrecht. Der Gesetzgeber hat in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung von § 106 SGB V und § 106 a SGB V die Aufgaben zwischen den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Prüfgremien und der KVen in gleicher Weise verteilt. Nach § 106 a Abs. 2 SGB V stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest, während nach § 106 Abs. 4 SGB V die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei den dort genannten speziellen Prüfgremien liegt. Die Rechtslage vor dem 1.1.2004 war dadurch gekennzeichnet, dass die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit lediglich auf der Ebene der Bundesmantelverträge in § 45 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 GKV-Ä den KVen übertragen war. Die Regelung in § 3 SpBV über die Verteilung der Prüfungszuständigkeiten entspricht somit der vom Gesetzgeber angeordneten Zuständigkeit bei der Prüfung der vertragsärztlichen Abrechnungen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 48 BMV-Ä. Danach wird durch die Prüfungseinrichtung nach § 106 SGB V der sonstige durch einen Vertragsarzt verursachte Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entstehen, festgestellt. Nach § 48 Abs. 2 BMV-Ä bzw. § 44 Abs. 2 GKV- Ä kann mit Zustimmung des Vertragsarztes der Schadensersatzanspruch auch durch die KV festgestellt und im Wege der Aufrechnung gegen den Honoraranspruch erfüllt werden. § 48 Abs. 1 BMV-Ä, § 44 Abs. 1 GKV-Ä sind indessen nicht einschlägig. Es handelt sich nicht um einen Schaden aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, auch liegt hier keine fehlerhafte Verordnung vor, vielmehr sind die betreffenden Arzneimittel grundsätzlich verordnungsfähig. Zweifelhaft ist nur, ob sie im Einzelfall - und zwar als Sprechstundenbedarf - verordnet werden durften (ebenso LSG R.-Pf. Urteil vom 15.2.2007 - L 5 KA 9/06 sowie Sächsisches LSG vom 26.1.2005 - L 1 KA 30/02).
Die Berichtigung ist von der Beklagten auch fristgerecht geltend gemacht worden. Nach § 3 Nr. 1 Satz 2 SpBV sind die Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellung innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ende des Kalendervierteljahres, in dem das Rezept ausgestellt wurde, bei der KV zu stellen. Diese hat wiederum innerhalb von sechs Monaten (§ 3 Nr. 4) die Berichtigungsanträge zu bearbeiten. Die Verordnung vom 5.4.2004 ist mit dem am 29.3.2005 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 24.3.2005 beanstandet worden, wobei eine Mehrfertigung zeitgleich den Klägern zugegangen ist. Die Einjahresfrist des § 3 Nr. 1 Satz 2 SpBV ist damit eingehalten worden. Auch hat die Beklagte die Sechsmonatsfrist mit dem am 14.6.2005 ergangenen Bescheid gewahrt. Auch bezüglich der übrigen streitigen Quartale sind die Fristen eingehalten: Quartal III/04 - Verordnung vom 8.7.2004 (eingereicht mit den Verordnungen vom 6.10.2004) - Beanstandung vom 27.9.2005 - Bescheid der Beklagten vom 21.11.2005; Quartal IV/05 - Verordnung vom 6.10.2004 - Beanstandung vom 27.9.2005 - Bescheid vom 21.11.2005; Quartal 1/05 - Verordnung vom 4.1.2005 - Beanstandung vom 27.3.2006 - Bescheid vom 12.6.2006.
Die Regressbescheide der Beklagten sind damit nicht nur formell rechtmäßig, sie sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Gem. § 1 Nr. 1 SpBV verordnen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte Sprechstundenbedarf zur Ersatzbeschaffung der in den Anlagen zu dieser Vereinbarung genannten Mittel, die bei der ambulanten Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen verbraucht werden. Die Erstbeschaffung (Grundausstattung) zu bei Beginn der vertragsärztlichen Tätigkeit ist Sache des Arztes (§ 1 Nr. 5 Satz 1 SpBV). Die Verordnung von Sprechstundenbedarf erfolgt zu Lasten der für den Praxisort zuständigen Bezirksdirektion der A. (§ 1 Nr. 6 SpBV). Zum Sprechstundenbedarf zählen dabei die in den Anlagen 1 und 2 zu dieser Vereinbarung genannten Mittel. Nicht zum Sprechstundenbedarf gehören Mittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind, Mittel die unter die allgemeinen Praxiskosten fallen und Mittel die gemäß den Bestimmungen des EBM mit den Gebühren für vertragsärztliche Leistungen abgegolten sind (§ 2 Nr. 2 SpBV). In Anlage 1 zur Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung vom 20.2.1996 wird für Depot-Corticoide der Sprechstundenbedarf auf 10 Ampullen zur Erstanwendung am Patienten beschränkt. Der Ersatz für diese Erstanwendung sowie eventuell notwendige Folgeinjektionen sind auf den Namen des Patienten zu verordnen (Anlage 2 Nr. 4 Satz 2 SpBV). In der Ergänzungsvereinbarung vom 20.2.2005 werden Corticoide als für Sprechstundenbedarf zulässige Mittel bezeichnet, jedoch maximal 50 Ampullen mit Depotwirkung pro Praxis und Quartal. Die zulässige Menge von 50 Ampullen liegt auch - zugunsten der Kläger - der Kürzungsberechnung im Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 zu Grunde.
Gegen die Beschränkung der Depotcorticoide auf 10 bzw. ab 1.1.2005 50 Ampullen haben die Kläger aus den von ihnen insbesondere in der Widerspruchsbegründung genannten Gründen absichtlich verstoßen. Triam und Triamhexal 10 zählen nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten zu den Depotcorticoiden. Über die Zahl der in Regress genommenen Ampullen besteht zwischen den Beteiligten ebenso wenig Streit wie über die Höhe des daraus resultierenden Regressbetrages. Der Umstand, dass die Kläger ihren Beruf in der damaligen Form der Gemeinschaftspraxis ausgeübt haben, führt dabei nicht zu einer Verdoppelung des Sprechstundenbedarfs, weil die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nur auf die jeweilige Praxis abstellt und die Zahl der dort arbeitenden Ärzte unberücksichtigt lässt. Damit hat die Beklagte den Regress sachlich und rechnerisch zutreffend festgestellt.
Mit ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die Beschränkung der als Sprechstundenbedarf verordnungsfähigen Zahl an Depotcorticoiden können die Kläger auch sonst nicht durchdringen. Die von ihnen dargelegten Vorteile sowohl in der praktischen Abwicklung als auch bezüglich des Preises der Depotcorticoide verkennen, dass weder die Beklagte noch die Verbände der Krankenkassen befugt sind, entsprechende Regelungen in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zu treffen. Das SGB V erwähnt den Sprechstundenbedarf nicht. Eine Sonderregelung für Sprechstundenbedarf ist somit gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen. Medikamente/Medizinprodukte sind entweder in den ärztlichen Gebührenordnungen bereits berücksichtigt, oder sie sind als Teil der Praxiskosten vom Arzt zu tragen. Speziell Medikamente sind auf den Versicherten zu verordnen, damit die Krankenkasse ihrer Verpflichtung zur Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln nachkommen kann. Der Versicherte hat gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nach Maßgabe der §§ 31 und 34 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Krankenkassen, als deren Vertragspartner der behandelnde Arzt eine konkrete Verschreibung vornimmt, damit der Patient das Medikament bei einer Apotheke einlösen kann. Die Aufgaben der Apotheken im Rahmen der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ist in § 129 SGB V und im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V im Wesentlichen geregelt. Für Krankenhausapotheken trifft § 129 a eine Spezialregelung, die Preisfindung für Arzneimittel wird in § 130 a, 131 SGB V detailliert vom Gesetzgeber vorgegeben. Hinzu kommt, dass für jedes in Anspruch genommene Arzneimittel die Versicherten gem. § 61 SGB V i.V.m. § 31 Abs. 3 SGB V eine Zuzahlung zu leisten haben, deren Höhe ebenfalls genau vorgeschrieben ist. Lediglich § 62 SGB V lässt für bestimmte Personenkreise eine Ausnahme von der Zuzahlungspflicht nach Erfüllung der zumutbaren Eigenbeteiligung zu.
Ausgehend von den dargestellten Regelungen der Versorgung Versicherter mit Medikamenten stellen die Regelungen des Sprechstundenbedarfs eine Begünstigung der Vertragsärzte dar, die von der Rechtsprechung allerdings schon seit langem gebilligt wird. Wie alle Ausnahmen von gesetzlichen Regelungen ist deshalb auch die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung eng auszulegen. Keinesfalls darf die Auslegung einer Sprechstundenbedarfsvereinbarung dazu führen, das vom Gesetzgeber in zahlreichen Gesetzen und Gesetzesnovellierungen vorgegebene System der Medikamentenverteilung zu unterlaufen. Wenn die Vereinbarung über Sprechstundenbedarf gleich wohl von Aufsichtsbehörden und Gerichten unbeanstandet praktiziert wird, so sind hierfür Gründe der Praktikabilität, insbesondere bei der Notfallversorgung von Patienten maßgebend. Bezüglich der Depotcorticoide haben sich die Vertragspartner in Baden-Württemberg darauf geeinigt, dass der Arzt, einen Grundbestand von 50 Ampullen als Sprechstundenbedarf vorrätig halten kann. Rechtlich zwingend ist dies nicht, denn in anderen Bundesländern sind Depotcorticoide - wie die Beklagte dargelegt hat - teilweise überhaupt nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig. Ansonsten gilt der Grundsatz, dass entsprechend den gesetzlichen Regelungen die Medikamentenverordnung grundsätzlich auf den Namen des Patienten auszustellen ist. Angesichts der aufgezeigten zwingenden gesetzlichen Regelungen besteht kein Anspruch des Arztes auf eine höhere Grundausstattung seiner Praxis mit Depotcorticoiden. Dass die Regelung in der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung, wonach die Zahl der Depotcorticoide pro Quartal auf 50 zu beschränken ist, praktikabel ist, zeigt die Umsetzung dieser Regelung durch eine Vielzahl von Orthopäden. Auch die Kläger haben zuletzt die tatsächlichen Unbequemlichkeiten für ihre Patienten nicht mehr in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückt. Dass sich diese Unbequemlichkeiten in erträglichem Rahmen halten, zeigt der Umstand, dass allein im Umkreis von 100 Metern um die Praxis der Kläger zwei Apotheken für die Versorgung der Versicherten mit Medikamenten zur Verfügung stehen.
Die Vorstellungen der Klägers sind somit nicht mit dem gesetzlichen System der Versorgung von Versicherten mit Medikamenten vereinbar.
Nach alledem hat die Beklagte zurecht ein Regress gegen die Kläger in Höhe von 5.491,58 EUR festgesetzt. Ihre Berufung musste deswegen erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Voraussetzungen des § 160 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.491,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger eine Vergütung für 3.850 Ampullen Triamhexal 10 sowie 50 Ampullen Triam in Höhe von 5.491,58 EUR beanspruchen können, die sie in den Quartalen 2/04 bis 1/05 als Sprechstundenbedarf Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen verabreicht haben.
Die Kläger sind als Orthopäden in S. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und üben ihren Beruf in Gemeinschaftspraxis aus.
Unter dem 11.12.2003 verordneten sie ihrer Praxis 150 Ampullen Lipotalon als Sprechstundenbedarf. Dies beanstandete die beigeladene A. mit Schreiben vom 27.9.2004 gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen KV S., und verlangte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung sowie die Zurückvergütung des Differenzbetrages zwischen verordneter und zulässiger Menge. Mit Bescheid vom 11.1.2005 berichtigte die Beklagte die Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 11.12.2003 und kündigte an, nach Ablauf der Widerspruchsfrist das Quartalskonto der Kläger mit dem Betrag von 240,12 EUR zu belasten. Die Beigeladene habe fristgerecht einen Antrag gestellt. Bei den nicht verordnungsfähigen Mitteln handele es sich um solche, die nach den Bestimmungen der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung (SpBV) als Sprechstundenbedarf nicht zulässig seien. Hiergegen erhoben die Kläger am 3.2.2005 Widerspruch.
Im Quartal 2/04 verordneten die Kläger 150 Ampullen Lipotalon, 100 Ampullen Triam 10 und 500 Ampullen Triamhexal 10 als Sprechstundenbedarf (Verordnungen vom 5.4.2004). Dies beanstandete die Beigeladene gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 24.3.2005 und verlangte eine Richtigstellung unter Anerkennung eines Sprechstundenbedarfs von 50 Ampullen Lipotalon. Mit Bescheid vom 14.6.2005 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie habe eine entsprechend sachlich-rechnerische Richtigstellung anerkannt. Nach Ablauf der Widerspruchsfrist werde das Quartalskonto mit einem Betrag von 953,46 EUR belastet. Hiergegen erhoben die Kläger am 25.7.2005 Widerspruch.
Vergleichbare Kürzungen erfolgten auf Anträge der Beigeladenen durch die Richtigstellung eines Betrages von weiteren 3.492,09 EUR mit Bescheid vom 21.11.2005 auch für die Quartale 3 bis 4 2004 (Verordnung von 150 Ampullen Lipotalon, dreimal 500 Ampullen Triamhexal 10, 150 Ampullen Lipotalon sowie zweimal Triamhexal 10 - Verordnungen vom 8.7.2004 und 6.10.2004) sowie für das Quartal 1/05 wegen der Verordnung von 150 Ampullen Lipotalon sowie dreimal 500 Ampullen Triamhexal 10 (Beanstandungsschreiben vom 27.3.2006) durch Bescheid vom 12.6.2006 mit einem Kürzungsbetrag von 2.060,97 EUR. Auch hiergegen erhoben die Kläger jeweils fristgerecht Widerspruch (Schreiben vom 4.12.2005 sowie 21.6.2006).
Zur Begründung ihres Widerspruchs brachten die Kläger vor, nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung dürften maximal 50 Ampullen Corticoid mit Depotwirkung pro Quartal als Sprechstundenbedarf verabreicht werden. Diese Regelung sei absolut unsinnig. Statt teure Klein- und Kleinstpackungen zu verordnen, müsse auf unvergleichlich billigere Großpackungen zurückgegriffen werden. Sie würden zwar inzwischen widerwillig die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung einhalten (Schreiben vom 4.12.2005), die Verordnung einzelner Ampullen Triamhexal sei jedoch extrem unwirtschaftlich (1 Ampulle: 11,43 EUR). Sie bekämen die Ampulle für 1,26 EUR beim Apotheker, die Pharmaindustrie verkaufe sie aber schon für ca. 30 Cent. Es sei ein unglaublicher Aufwand bei hunderten von Spritzen täglich diese jeweils einzeln zu rezeptieren und den Patienten, der unter Umständen starke Schmerzen habe, zunächst in die Apotheke zu schicken, um die Ampulle zu holen. Patienten würden abgezockt, sie müssten 4 EUR für ein Medikament zuzahlen, welches ein Wert von objektiv 40 Cent habe und dies unter Umständen mehrfach. Krankenhäuser könnten billigst ihre benötigten Medikamente beim Hersteller kaufen, was ihnen als Vertragsärzten verwehrt sei. Die horrenden Summen würden ihrem Arzneimittelbudget sogar noch zugeschlagen. Für die Quartale 3 und 4/2004 werde von ihnen ein Regress von 3.492,09 EUR verlangt, obwohl sie objektiv den Krankenkassen 40.300 EUR erspart hätten. Selbst wenn die Zuzahlungen der Patienten (2.500 x 4,00 EUR) einbezogen würden, ergäbe sich immer noch eine Ersparnis von 28.411,- EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 gab die Beklagte den Widersprüchen bezüglich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung des Medikaments Lipotalon statt und berücksichtigte bezüglich der Medikamente Triam und Triamhexal 10, dass nach der neuen Sprechstundenbedarfsvereinbarung die Verordnung von 50 (statt wie bisher 10) Ampullen als Sprechstundenbedarf zulässig sei. Bezüglich Triam und Triamhexal 10 wies die Beklagte die Widersprüche im Übrigen zurück. Der Regressbetrag verringerte sich deswegen von insgesamt 6.746,64 EUR um 1.255,06 EUR auf 5.491,58 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei Triamhexal 10 handele es sich um ein Depot-Corticoid, dessen Verordnung einer Mengenbegrenzung von 50 Ampullen pro Quartal und Praxis unterliege. Die zulässige Bezugsmenge sei in den Quartalen 2/04 bis 1/05 überschritten worden. Würden Mittel als Sprechstundenbedarf bezogen, welche nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien, so stelle das im gesamten Zusammenhang eine unrechtmäßige Belastung aller Kassen dar, die an der SpBV teilnähmen.
Die Kläger erhoben deswegen am 5.4.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), bezogen sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und brachten vor, in B. würden die Ärzte gesetzlich angehalten, die beanstandeten Medikamente billigst über den Sprechstundenbedarf in großen Mengen zu beziehen. Andere deutsche Bundesländer hätten hier eine genau gegensätzliche Rechtslage. Hierdurch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Soweit in anderen Bundesländern in den Sprechstundenbedarfs-Vereinbarungen andere Regelungen getroffen worden seien, sei dies im Hinblick auf die räumliche Geltung der jeweiligen Sprechstundenbedarfsvereinbarung irrelevant. Insoweit bestehe kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern auch unterschiedliche Regelungen legitimierten.
Auch müsse berücksichtigt werden, dass Kostenträger bei den Sprechstundenbedarfsverordnungen sämtliche Krankenkassen seien, die Kosten würden nach einem bestimmten Verfahren auf alle Kassen umgelegt, während bei einer Verordnung auf einzelnen Rezepten nur die jeweilige Krankenkasse mit den konkreten Verordnungskosten des Patienten belastet werde. Mit der Regelung der Sprechstundenbedarfsvereinbarung solle im Vorhinein Klarheit geschaffen werden, was "allgemeiner Bedarf" (Sprechstundenbedarf) und was "individueller Bedarf" (Einzelverordnung) sei. Das BSG habe schon früher darauf hingewiesen, dass Sprechstundenbedarf und Einzelverordnung nicht beliebig austauschbar seien und es insbesondere nicht erlaubt sei, statt mit Einzelverordnungen mit Sprechstundenbedarf zu arbeiten. Denn die Verordnung von Medikamenten im Rahmen des Sprechstundenbedarfs gehe zu Lasten sämtlicher Krankenkassen.
Die von den Klägern weiter vorgetragenen praktischen Erwägungen, dass die Patienten mit Schmerzen zuerst in die Apotheke geschickt werden müssten, bevor sie dann das entsprechende Medikament verabreicht erhielten, stelle sich in der Praxis nicht oder nur selten. Denn es sei üblich, dass die Arztpraxis ein gewisses Depot in der Praxis vorhalte, aus denen der Patient das Medikament zunächst erhalte. Nach dessen Verabreichung hole der Patient dann das auf Einzelrezept verordnete Medikament aus der Apotheke, übergebe es der Praxis und fülle deren Depot somit wieder auf.
Mit Urteil vom 31.1.2008 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zurecht wegen der Verordnung von einmal 500 Ampullen Triamhexal 10, einmal 1000 Ampullen Triamhexal 10 und zweimal 1500 Ampullen Triamhexal 10 als Sprechstundenbedarf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen. Diese Arzneimittel seien nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nicht verordnungsfähig. Durch ihre Verordnung hätten die Kläger gegen die Bestimmungen dieser Vereinbarung verstoßen. Nach § 2 Nr. 1 SpBV seien als Sprechstundenbedarf nur die in den Anlagen 1 und 2 SpBV genannten Mittel verordnungsfähig. Bei Triamhexal 10 handele es sich um ein Depotcorticoid, dessen Verordnung nach Anlage 1 Nr. 4 SpBV einer Mengenbegrenzung von 10 Ampullen unterliege. Diese zulässige Bezugsmenge sei in den hier streitigen Quartalen deutlich überschritten worden. Mithin sei ein Regress in Höhe von 5.491,58 EUR zurecht festgesetzt worden. Gegen die einzelnen Beträge seien keine substantiierten Einwendungen vorgebracht worden, weswegen die Kammer kein Anlass gehabt habe, an der Richtigkeit der regressierten Beträge zu zweifeln. Mithin und da die Berichtigungsanträge der Beigeladenen auch jeweils innerhalb der Jahresfrist gestellt worden seien, habe die streitgegenständliche Richtigstellung der Regelung des § 3 Nr. 1 und 2 SpBV entsprochen, weswegen es auf die sonstigen von den Klägern vorgebrachten Argumente nicht ankomme.
Gegen das ihnen am 8.2.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 3.3.2008 Berufung eingelegt. Die Beschaffung und Praxishaltung der hier streitigen Medikamente diene nach der SpBV auch der Versorgung von Akutpatienten. Dabei sei die im vorliegenden Fall in der Verordnung festgesetzte Bezugsmenge von 50 Ampullen offensichtlich eine willkürliche, nicht am Bedarf der jeweiligen Praxis orientierte Menge. 50 Ampullen pro Quartal und Praxis seien im Falle ihrer Praxiserfordernisse weder ausreichend noch wirtschaftlich. Sie hätten ein weitaus höheres Aufkommen an Akutpatienten, die das benannte Mittel sofort und unmittelbar benötigten. Diese Zahl liege deutlich über 50 Ampullen. Ein Vergleich der Bundesländer zeige, dass in B., in R.-Pf. und im S. Corticoide mit Depotwirkung nicht unter die Sprechstundenbedarfsvereinbarung fielen, auch in Berlin werde ausdrücklich auf Einzelfallbesonderheiten eingegangen. Insgesamt zwinge die dem Regress zu Grunde liegende Regelung die Kläger zu einem extrem unwirtschaftlichen Verhalten. Zum Nachweis des tatsächlichen konkreten Bedarfs an Depotcorticoiden in ihrer Praxis legten sie eine anonymisierte Liste von Patienten vor, die von ihnen mit Triam versorgt worden seien. Die praktischen Auswirkungen seien wie folgt darzustellen: Patient Nr. 50 erscheine mit akuten Schmerzen und erhalte umgehend das Medikament gespritzt, etwas später am Tag erscheine Patient Nr. 51, ebenfalls mit einem akuten Schmerzzustand. Dieser erhalte ein Rezept, müsse sich in die nächste Apotheke begeben, bezahle dort die Rezeptgebühr, erhalte die Ampulle, und kehre in die Praxis der Kläger zurück. Die hier im Streit befindliche Vereinbarung sei rechtstechnisch schlecht gemacht und fehlerhaft. Sie erfülle die Mindestanforderung an eine Regelung nicht. Hierzu gehörten Widerspruchsfreiheit und Funktionsgerechtigkeit, wobei hierunter Adressatengerechtigkeit und Anwendungsgeeignetheit zu verstehen sei. An beiden fehle es hier.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.1.2008 sowie die Bescheide vom 11.1.2005, 14.6.2005, 21.11.2005 und 12.6.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Als Kollektiv-Vertrag komme der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung normative Wirkung zu, die die Vertragsparteien binde. Die Vertragspartner hätten bei der Vereinbarung des Sprechstundenbedarfs dementsprechend eine weite Einschätzungsprärogative. Als Normgeber müssten sie nicht auf jede einzelne Konstellation eingehen und seien auch nicht zur Schaffung entsprechender Ausnahmetatbestände verpflichtet. Ohne solche Ausnahmeregelungen bestehe kein Anspruch der Kläger auf Zuerkennung eines entsprechend höheren Sprechstundenbedarfs. Die Rechtswidrigkeit der Sprechstundenbedarfsvereinbarung mit der Folge, dass die darin enthaltenen Regelungen nicht bindend wären, komme nur in Betracht, wenn sich die Vertragspartner von willkürlichen, sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen. Dies sei jedoch im Bezug auf die Beschränkung von 50 Ampullen im Quartal und die Verwendung ausschließlich bei Notfallpatienten bzw. solchen mit akuten Schmerzzuständen nicht der Fall.
Richtig sei, dass auch im Rahmen des Sprechstundenbedarfs die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten seien, dies bedeute jedoch nicht, dass insoweit unterschiedliche Versorgungswege miteinander verwoben werden dürften.
Auch der gerügte Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz greife nicht durch. Soweit in anderen Bundesländern Corticoide mit Depotwirkung nicht unter die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung fielen, sei darauf hinzuweisen, dass dies bedeute, dass in diesen Bundesländern Corticoide mit Depotwirkung überhaupt nicht als Sprechstundenbedarf bezogen werden könnten. Die Kläger seien gegenüber diesen Regelungen also klar im Vorteil.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Verordnung von Arzneimitteln im Sprechstundenbedarf sei nach der Sprechstundenbedarfsvereinbarung grundsätzlich begrenzt auf zur Notfallbehandlung geeignete Präparate und auf Mittel zur unmittelbaren Anwendung bei mehreren Patienten, wenn von diesen nur ein geringer Teil der kleinsten Handelspackung benötigt werde. Nicht zum Sprechstundenbedarf zählten dagegen Arzneimittel, die nur für einen Patienten bestimmt seien und z.B. für im Voraus geplante therapeutische Maßnahmen eingesetzt würden - diese seien auf den Namen des Patienten zu verordnen.
Das Argument des Preisvorteils bei der Verordnung von Großpackungen ließe sich auf nahezu alle Indikationsgebiete ausdehnen. Wollte man dem folgen, wäre es vordergründig immer wirtschaftlicher, den Ärzten den Bezug von Anstaltspackungen zu ermöglichen. Dann wäre jedoch keine patientenbezogene Zuordnung der Arzneimittel mehr möglich. Die Kosten für Verordnungen im Sprechstundenbedarf werden im Verhältnis der Fallzahlen über ein Umlageverfahren auf die verschiedenen Kassenarten aufgeteilt. Es erfolge somit keine Zuordnung der tatsächlich im Einzelfall entstandenen Kosten auf die jeweils zuständige Krankenkasse. Mangelnde Transparenz und die daraus resultierenden fehlenden Steuerungsmöglichkeiten seien aber erfahrungsgemäß wesentliche Ursachen für ungünstige Kostenentwicklungen im Arzneimittelmarkt.
Bei der Mengenbegrenzung bei Depotcorticoiden auf 10 bzw. später 50 Ampullen pro Praxis und Quartal sei zu beachten gewesen, dass Verordnungen nach dem SGB V grundsätzlich in der Regel auf den Namen des jeweiligen Patienten zu erfolgen hätten und die Verordnung von Sprechstundenbedarf hiervon die Ausnahme darstelle. Das SGB V sehe den Sprechstundenbedarf als solchen überhaupt nicht vor. Aus Gründen der Praktikabilität hätten die gesetzlichen Krankenkassen und die KVen hiervon abweichend Produkte oder Produktgruppen, die patientenunabhängig für die Arztpraxis bezogen werden könnten, festgelegt. Depotcorticoide seien keine Notfallarzneimittel und seien auch bei akuten Schmerz- und Erregungszuständen nicht primär sinnvoll einzusetzen, da kein sofortiger oder auch kurzfristiger Wirkungseintritt stattfinde. Die Erhöhung der Menge von 10 auf 50 Ampullen sei bei Depotcorticoiden allein der Praktikabilität und nicht der pharmazeutisch/medizinischen Notwendigkeit geschuldet. Die Aufnahme von 50 Ampullen sei durch die vertragliche Gestaltungsfreiheit der gesetzlichen Krankenkassen in der KV für den Sprechstundenbedarf gedeckt. Die Menge sei dabei unter Berücksichtigung der praxisorganisatorischen Belange von der KV als ausreichend beurteilt worden, um eine Erstanwendung bei Patienten zu ermöglichen, ohne diese mit einer Einzelverordnung vor der Behandlung erst in die nächstliegende Apotheke schicken zu müssen. Maßgabe sei aber nicht gewesen, dass die 50 Ampullen den Bedarf für 1 Quartal abdecken müssten.
Auf gerichtliche Anfrage hat die Beklagte mitgeteilt, dass die nächstgelegenen Apotheken zu der Praxis der Kläger in der H. Straße die Zentralapotheke in der H. Straße und die H. Apotheke in der H. Straße sind, die beide in einem Bereich von 100 Metern zur Praxis der Kläger liegen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist statthaft. Bei einem Regress über 5.491,58 EUR wird der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bei weitem überschritten.
Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen. Die Bescheide vom 14.6.2005, 21.11.2005 und 12.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2007 sind nicht zu beanstanden.
Vorliegend geht es um einen Regress nach vorheriger sachlich-rechnerischer Prüfung. Die Kläger haben sich Sprechstundenbedarf verordnet und diesen von der jeweiligen Apotheke auch bezogen. Die Apotheker haben die Rezepte den Krankenkassen weitergeleitet und von diesen das vorgesehene Entgelt erhalten. Da die Krankenkasse der Auffassung ist, dass sie zu Unrecht Beträge für Sprechstundenbedarf aufgewendet hat, verlangt sie über die Beklagte die Rückerstattung der von ihr verauslagten Beträge.
Rechtsgrundlage für die hier streitigen Regresse über insgesamt 5.491,58 EUR sind die Vorschriften der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen KV S. und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Sprechstundenbedarfsvereinbarung vom 20.2.1996, deren Gültigkeit über die vereinbarte Vertragslaufzeit bis 31.12.2003 durch Erklärungen der Beigeladenen vom 15.09.2003 und 19.12.2003 für das Jahr 2004 verlängert wurde und die mit Wirkung ab 1.1.2005 durch die Ergänzungsvereinbarung vom 22.2.2005 modifiziert wurde.
Die Beklagte war danach für die getroffene sachlich-rechnerische Richtigstellung die zuständige Behörde. Nach § 3 Nr. 1 SpBV sind Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellung innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ende des Kalendervierteljahres, in dem das Rezept ausgestellt wurde, bei der KV zu stellen. Richtigstellungen betreffen dabei insbesondere die Verordnung von Mitteln, die nicht in den Anlagen zu dieser Vereinbarung aufgeführt sind oder den dortigen Bestimmungen nicht entsprechen (§ 3 Nr. 2 , zweiter Spiegelstrich SpBV). Die Bearbeitung der Berichtigungsanträge durch die KV soll innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Geltendmachung erfolgen. Gegen die Entscheidung der KV kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch beim Vorstand der KV eingelegt werden. (§ 3 Nr. 4 und 5 SpBV). Demgegenüber sieht § 3 Nr. 1 Satz 1 SpBV für die Wirtschaftlichkeitsprüfung vor, dass die Prüfung der Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf in der Prüfvereinbarung geregelt ist.
Die Partner dieses Gesamtvertrages haben sich somit darauf geeinigt, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung von den nach der Prüfvereinbarung zuständigen Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen durchgeführt wird (deren Aufgaben seit 1.1.2004 gem. § 106 Abs. 4 SGB V die Prüfungsstellen und der Gemeinsamen Beschwerdeausschuss wahrnehmen), während die sachlich-rechnerische Richtigstellung bei der Beklagten verbleibt. Gegen diese Zuständigkeitsverteilung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die gesamtvertragliche Zuständigkeitsregelung widerspricht nicht höherrangigem Gesetzesrecht. Der Gesetzgeber hat in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung von § 106 SGB V und § 106 a SGB V die Aufgaben zwischen den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Prüfgremien und der KVen in gleicher Weise verteilt. Nach § 106 a Abs. 2 SGB V stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest, während nach § 106 Abs. 4 SGB V die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei den dort genannten speziellen Prüfgremien liegt. Die Rechtslage vor dem 1.1.2004 war dadurch gekennzeichnet, dass die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit lediglich auf der Ebene der Bundesmantelverträge in § 45 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 GKV-Ä den KVen übertragen war. Die Regelung in § 3 SpBV über die Verteilung der Prüfungszuständigkeiten entspricht somit der vom Gesetzgeber angeordneten Zuständigkeit bei der Prüfung der vertragsärztlichen Abrechnungen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 48 BMV-Ä. Danach wird durch die Prüfungseinrichtung nach § 106 SGB V der sonstige durch einen Vertragsarzt verursachte Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entstehen, festgestellt. Nach § 48 Abs. 2 BMV-Ä bzw. § 44 Abs. 2 GKV- Ä kann mit Zustimmung des Vertragsarztes der Schadensersatzanspruch auch durch die KV festgestellt und im Wege der Aufrechnung gegen den Honoraranspruch erfüllt werden. § 48 Abs. 1 BMV-Ä, § 44 Abs. 1 GKV-Ä sind indessen nicht einschlägig. Es handelt sich nicht um einen Schaden aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, auch liegt hier keine fehlerhafte Verordnung vor, vielmehr sind die betreffenden Arzneimittel grundsätzlich verordnungsfähig. Zweifelhaft ist nur, ob sie im Einzelfall - und zwar als Sprechstundenbedarf - verordnet werden durften (ebenso LSG R.-Pf. Urteil vom 15.2.2007 - L 5 KA 9/06 sowie Sächsisches LSG vom 26.1.2005 - L 1 KA 30/02).
Die Berichtigung ist von der Beklagten auch fristgerecht geltend gemacht worden. Nach § 3 Nr. 1 Satz 2 SpBV sind die Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellung innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ende des Kalendervierteljahres, in dem das Rezept ausgestellt wurde, bei der KV zu stellen. Diese hat wiederum innerhalb von sechs Monaten (§ 3 Nr. 4) die Berichtigungsanträge zu bearbeiten. Die Verordnung vom 5.4.2004 ist mit dem am 29.3.2005 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 24.3.2005 beanstandet worden, wobei eine Mehrfertigung zeitgleich den Klägern zugegangen ist. Die Einjahresfrist des § 3 Nr. 1 Satz 2 SpBV ist damit eingehalten worden. Auch hat die Beklagte die Sechsmonatsfrist mit dem am 14.6.2005 ergangenen Bescheid gewahrt. Auch bezüglich der übrigen streitigen Quartale sind die Fristen eingehalten: Quartal III/04 - Verordnung vom 8.7.2004 (eingereicht mit den Verordnungen vom 6.10.2004) - Beanstandung vom 27.9.2005 - Bescheid der Beklagten vom 21.11.2005; Quartal IV/05 - Verordnung vom 6.10.2004 - Beanstandung vom 27.9.2005 - Bescheid vom 21.11.2005; Quartal 1/05 - Verordnung vom 4.1.2005 - Beanstandung vom 27.3.2006 - Bescheid vom 12.6.2006.
Die Regressbescheide der Beklagten sind damit nicht nur formell rechtmäßig, sie sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Gem. § 1 Nr. 1 SpBV verordnen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte Sprechstundenbedarf zur Ersatzbeschaffung der in den Anlagen zu dieser Vereinbarung genannten Mittel, die bei der ambulanten Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen verbraucht werden. Die Erstbeschaffung (Grundausstattung) zu bei Beginn der vertragsärztlichen Tätigkeit ist Sache des Arztes (§ 1 Nr. 5 Satz 1 SpBV). Die Verordnung von Sprechstundenbedarf erfolgt zu Lasten der für den Praxisort zuständigen Bezirksdirektion der A. (§ 1 Nr. 6 SpBV). Zum Sprechstundenbedarf zählen dabei die in den Anlagen 1 und 2 zu dieser Vereinbarung genannten Mittel. Nicht zum Sprechstundenbedarf gehören Mittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind, Mittel die unter die allgemeinen Praxiskosten fallen und Mittel die gemäß den Bestimmungen des EBM mit den Gebühren für vertragsärztliche Leistungen abgegolten sind (§ 2 Nr. 2 SpBV). In Anlage 1 zur Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung vom 20.2.1996 wird für Depot-Corticoide der Sprechstundenbedarf auf 10 Ampullen zur Erstanwendung am Patienten beschränkt. Der Ersatz für diese Erstanwendung sowie eventuell notwendige Folgeinjektionen sind auf den Namen des Patienten zu verordnen (Anlage 2 Nr. 4 Satz 2 SpBV). In der Ergänzungsvereinbarung vom 20.2.2005 werden Corticoide als für Sprechstundenbedarf zulässige Mittel bezeichnet, jedoch maximal 50 Ampullen mit Depotwirkung pro Praxis und Quartal. Die zulässige Menge von 50 Ampullen liegt auch - zugunsten der Kläger - der Kürzungsberechnung im Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 zu Grunde.
Gegen die Beschränkung der Depotcorticoide auf 10 bzw. ab 1.1.2005 50 Ampullen haben die Kläger aus den von ihnen insbesondere in der Widerspruchsbegründung genannten Gründen absichtlich verstoßen. Triam und Triamhexal 10 zählen nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten zu den Depotcorticoiden. Über die Zahl der in Regress genommenen Ampullen besteht zwischen den Beteiligten ebenso wenig Streit wie über die Höhe des daraus resultierenden Regressbetrages. Der Umstand, dass die Kläger ihren Beruf in der damaligen Form der Gemeinschaftspraxis ausgeübt haben, führt dabei nicht zu einer Verdoppelung des Sprechstundenbedarfs, weil die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nur auf die jeweilige Praxis abstellt und die Zahl der dort arbeitenden Ärzte unberücksichtigt lässt. Damit hat die Beklagte den Regress sachlich und rechnerisch zutreffend festgestellt.
Mit ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die Beschränkung der als Sprechstundenbedarf verordnungsfähigen Zahl an Depotcorticoiden können die Kläger auch sonst nicht durchdringen. Die von ihnen dargelegten Vorteile sowohl in der praktischen Abwicklung als auch bezüglich des Preises der Depotcorticoide verkennen, dass weder die Beklagte noch die Verbände der Krankenkassen befugt sind, entsprechende Regelungen in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zu treffen. Das SGB V erwähnt den Sprechstundenbedarf nicht. Eine Sonderregelung für Sprechstundenbedarf ist somit gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen. Medikamente/Medizinprodukte sind entweder in den ärztlichen Gebührenordnungen bereits berücksichtigt, oder sie sind als Teil der Praxiskosten vom Arzt zu tragen. Speziell Medikamente sind auf den Versicherten zu verordnen, damit die Krankenkasse ihrer Verpflichtung zur Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln nachkommen kann. Der Versicherte hat gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nach Maßgabe der §§ 31 und 34 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Krankenkassen, als deren Vertragspartner der behandelnde Arzt eine konkrete Verschreibung vornimmt, damit der Patient das Medikament bei einer Apotheke einlösen kann. Die Aufgaben der Apotheken im Rahmen der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ist in § 129 SGB V und im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V im Wesentlichen geregelt. Für Krankenhausapotheken trifft § 129 a eine Spezialregelung, die Preisfindung für Arzneimittel wird in § 130 a, 131 SGB V detailliert vom Gesetzgeber vorgegeben. Hinzu kommt, dass für jedes in Anspruch genommene Arzneimittel die Versicherten gem. § 61 SGB V i.V.m. § 31 Abs. 3 SGB V eine Zuzahlung zu leisten haben, deren Höhe ebenfalls genau vorgeschrieben ist. Lediglich § 62 SGB V lässt für bestimmte Personenkreise eine Ausnahme von der Zuzahlungspflicht nach Erfüllung der zumutbaren Eigenbeteiligung zu.
Ausgehend von den dargestellten Regelungen der Versorgung Versicherter mit Medikamenten stellen die Regelungen des Sprechstundenbedarfs eine Begünstigung der Vertragsärzte dar, die von der Rechtsprechung allerdings schon seit langem gebilligt wird. Wie alle Ausnahmen von gesetzlichen Regelungen ist deshalb auch die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung eng auszulegen. Keinesfalls darf die Auslegung einer Sprechstundenbedarfsvereinbarung dazu führen, das vom Gesetzgeber in zahlreichen Gesetzen und Gesetzesnovellierungen vorgegebene System der Medikamentenverteilung zu unterlaufen. Wenn die Vereinbarung über Sprechstundenbedarf gleich wohl von Aufsichtsbehörden und Gerichten unbeanstandet praktiziert wird, so sind hierfür Gründe der Praktikabilität, insbesondere bei der Notfallversorgung von Patienten maßgebend. Bezüglich der Depotcorticoide haben sich die Vertragspartner in Baden-Württemberg darauf geeinigt, dass der Arzt, einen Grundbestand von 50 Ampullen als Sprechstundenbedarf vorrätig halten kann. Rechtlich zwingend ist dies nicht, denn in anderen Bundesländern sind Depotcorticoide - wie die Beklagte dargelegt hat - teilweise überhaupt nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig. Ansonsten gilt der Grundsatz, dass entsprechend den gesetzlichen Regelungen die Medikamentenverordnung grundsätzlich auf den Namen des Patienten auszustellen ist. Angesichts der aufgezeigten zwingenden gesetzlichen Regelungen besteht kein Anspruch des Arztes auf eine höhere Grundausstattung seiner Praxis mit Depotcorticoiden. Dass die Regelung in der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung, wonach die Zahl der Depotcorticoide pro Quartal auf 50 zu beschränken ist, praktikabel ist, zeigt die Umsetzung dieser Regelung durch eine Vielzahl von Orthopäden. Auch die Kläger haben zuletzt die tatsächlichen Unbequemlichkeiten für ihre Patienten nicht mehr in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückt. Dass sich diese Unbequemlichkeiten in erträglichem Rahmen halten, zeigt der Umstand, dass allein im Umkreis von 100 Metern um die Praxis der Kläger zwei Apotheken für die Versorgung der Versicherten mit Medikamenten zur Verfügung stehen.
Die Vorstellungen der Klägers sind somit nicht mit dem gesetzlichen System der Versorgung von Versicherten mit Medikamenten vereinbar.
Nach alledem hat die Beklagte zurecht ein Regress gegen die Kläger in Höhe von 5.491,58 EUR festgesetzt. Ihre Berufung musste deswegen erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Voraussetzungen des § 160 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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