L 5 R 3848/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 111/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3848/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm 8.8.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene Klägerin absolvierte von 1971 bis 1973 eine Ausbildung zur Bürogehilfin, war danach aber als Arbeiterin und Verkäuferin, zuletzt als Telefonistin und Bürokraft versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 5.6.2008 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung; sie leide unter Bandscheibenschäden und psychischen Beschwerden.

Die Beklagte erhob die Gutachten des Orthopäden Dr. Sch. vom 10.7.2008 und des Allgemeinarztes, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. K. vom 17.7.2008.

Dr. Sch. diagnostizierte Ischiolumbalgie bei linkskonvexer thorakolumbaler Torsionsskoliose mit Osteochondrose L1 - L5 und erhob einen altersentsprechenden Hüftbefund. Die degenerativen Veränderungen an LWS und Hüften seien im Wesentlichen altersentsprechend. Darüber hinaus bestünden keine Funktionseinschränkungen. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang auch als Bürogehilfin arbeiten.

Dr. K. (bei dem die - nicht in psychiatrischer Behandlung befindliche - Klägerin auf einem Fragebogen als Interessen Reisen, fremde Länder, Haus und Garten, Sport) angegeben hatte, führte u.a. psychologische Selbstbeurteilungsverfahren durch und diagnostizierte eine schwere depressive Störung, eine generalisierte Angststörung und eine Panikstörung. Die Klägerin können nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten; eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung solle eingeleitet werden.

Mit Bescheid vom 5.8.2008 (Änderungsbescheid vom 26.2.2010) gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.8.2008 bis 31.7.2010 (ab 1.10.2008: 824,95 EUR monatlich).

Am 9.2.2010 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.7.2010 hinaus.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 1.7.2010. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, in nervenärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung sei sie nie gewesen; weshalb seinerzeit (auf ihren Rentenantrag vor zwei Jahren) ein psychiatrisches Gutachten erstellt worden sei, wisse sie nicht. Vor kurzem habe sie alleine eine lange Flugreise nach Ch. zu ihrer Tochter und dem Enkel unternommen. Sie beschäftige sich gerne mit dem Hund, mit dem sie mindestens zweimal täglich längere Spaziergänge unternehme, arbeite auch gerne im Garten und treffe sich regelmäßig mit Bekannten (Hundefreunden). Trotz eines gelegentlichen Stimmungstiefs (seit der Auswanderung der Tochter nach Ch.) komme sie im Alltag problemlos zurecht; aus ihrer Sicht beruhten die Leistungseinschränkungen hauptsächlich auf Kreuzschmerzen. Dr. K. diagnostizierte eine Anpassungsstörung mit rezidivierender ängstlich-depressiver Symptomatik, Herzangst bei Zustand nach Herzinfarkt (1997), chronische wechselseitige Lumboischialgien bei degenerativen LWS-Veränderungen, ein chronisches HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen der HWS und Nikotinabusus. Anamnestisch würde es Hinweise auf eine seit einem Herzinfarkt vor 13 Jahren bestehende leichte Angststörung geben. Die Anpassungsstörung begründe nur gelegentlich eine leichte, ängstlich depressive Symptomatik. Weder aus den Akten noch aufgrund der jetzigen Untersuchung sei ein von einer depressiven Störung ausgehender Leidensdruck erkennbar, weswegen die Klägerin zu einer entsprechenden Behandlung auch nicht motiviert sei. Sie könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang auch als Bürogehilfin arbeiten.

Mit Bescheid vom 20.7.2010 lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Erwerbsminderungsrente über den 31.7.2010 hinaus ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, ihre orthopädischen Gesundheitsstörungen stünden im Vordergrund. Auch die psychischen Probleme hätten sich nicht gebessert.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. Sch. vom 18.10.2010. Dieser diagnostizierte (wiederum) Ischiolumbalgie bei linkskonvexer thorakolumbaler Torsionsskoliose mit Osteochondrose L1 - L5 und erhob einen altersentsprechenden Hüftbefund; außerdem bestehe ein Zustand nach einer Fraktur des linken Sprunggelenks. Die degenerativen Veränderungen an LWS, Hüften und linkem Sprunggelenk seien im Wesentlichen altersentsprechend. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang auch als Bürogehilfin arbeiten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6.1.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 12.1.2011 Klage beim Sozialgericht Ulm erhob. Ihre Leiden hätten sich eher verschlechtert.

Das Sozialgericht befragte den behandelnden Orthopäden Dr. F. (Bericht vom 8.2.2011: wenn überhaupt, nur leichte Tätigkeiten 6 Stunden/täglich möglich; Klägerin sehe sich dazu aber außerstande) und erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. B. vom 10.5.2011. Dr. B. eruierte einen Tagesablauf (Aufstehen gegen 8.00 Uhr, Haushalt, Spaziergänge mit dem Hund, kleiner Garten, wenig Lesen, Fernsehen, zu Bett gegen 22.00 bis 23.00 Uhr, wenig Kontaktpflege, Einkäufe im Ort mit dem Auto) und diagnostizierte eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei multietageren Bandscheibenvorwölbungen, Hyperkyphose im dorsolumbalen Übergangsbereich, Insuffizienz der Rückenmuskulatur, zeitweilige ISG-Blockierungen, muskuläre Reizerscheinungen, nur geringe Bewegungseinschränkungen, keine Hinweise auf belangvolle Nervenwurzelreize oder gar neurologische Ausfälle; ein HWS-Syndrom bei degenerativem Bandscheibenschaden HWK 5/6, muskuläre Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung und ohne Hinweise auf belangvolle Nervenwurzelreize; einen Zustand nach Außenknöchelfraktur links und operativer Versorgung mit geringer Bewegungseinschränkung und gelegentlicher belastungsabhängiger Schwellneigung; eine Anpassungsstörung, Konzentrationseinschränkungen und eine somatoforme Schmerzstörung, im Verlauf gebessert, aktuell ohne Hinweise auf Beeinträchtigungen der persönlichen Erlebnis- und/oder Gestaltungsmöglichkeiten; koronare Eingefäßerkrankung, Zustand nach Vorderwandinfarkt 1997 ohne Angina-pectoris-Beschwerden und ohne wesentliche Minderung der Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts überwiegend im Sitzen (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten. Sie sei auch wegefähig.

Mit Gerichtsbescheid vom 8.8.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin könne die Weitergewährung von Erwerbsminderungsrente über den 31.7.2010 hinaus nicht beanspruchen, da Erwerbsminderung nicht mehr vorliege. Sie sei nämlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Das gehe aus den im Verwaltungsverfahren (Weitergewährungsverfahren) und Gerichtsverfahren erhobenen Gutachten hervor. Auch auf orthopädischem Fachgebiet lägen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen, wie Dr. B. festgestellt habe, nicht vor. Wegen der bei Rentenbewilligung durch Bescheid vom 5.8.2008 im Vordergrund stehenden psychiatrischen Erkrankung sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Tätigkeiten nicht (mehr) gemindert. Seit dem Weitergewährungsantrag finde eine nervenärztliche bzw. psychiatrische Behandlung nicht statt. Dr. K. habe demzufolge eine wesentliche psychiatrische Symptomatik nicht gefunden und hinsichtlich der chronischen Lumboischialgie und des HWS-Syndroms auch neurologische Ausfälle nicht festgestellt.

Auf den ihr am 17.8.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 7.9.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, man habe nicht berücksichtigt, dass ihr aufgrund des Gutachtens des Dr. K. (das ihr nicht vorliege) Rente bewilligt worden sei. Seinerzeit habe der Schwerpunkt auf psychischen Leiden gelegen, was nicht ausreichend verifiziert worden sei. Der Orthopäde Dr. F. habe Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit angenommen. Man möge ergänzende ärztliche Feststellungen bei Dr. K. veranlassen, nachdem sie nach wir vor an erheblichen psychischen Beeinträchtigungen leide.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 8.8.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.1.2011 zu verurteilen, ihr über den 31.7.2010 hinaus Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr über den 31.7.2010 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten und in gleichem Umfang im erlernten Beruf der Bürogehilfin arbeiten kann, weshalb Erwerbsminderung und auch Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs. 3 bzw. § 240 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB VI) nicht vorliegt. Das geht aus den Verwaltungsgutachten der Dres. Krüger und Schroedl und dem Gerichtsgutachten des Dr. B. überzeugend hervor. Dagegen ist Stichhaltiges nicht eingewandt. Die Klägerin hat vielmehr nur pauschal eine Leidensverschlechterung behauptet, wofür (neue) Befunde oder ärztliche Feststellungen nicht vorliegen. Solche gehen auch aus dem Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. F. vom 8.2.2011, der sich im Kern auf Beschwerdeschilderungen der Klägerin bezieht, nicht hervor; dieser Bericht lag dem Gerichtsgutachter Dr. B. vor und ist in dessen Gutachten berücksichtigt worden. Für die ebenfalls pauschal behauptete psychische Erkrankung ist nichts ersichtlich. Eine zu rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen führende Erkrankung des psychiatrischen Fachgebiets hat Dr. K. im Gutachten vom 1.7.2010 vielmehr überzeugend ausgeschlossen. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung findet und fand ersichtlich mangels Notwendigkeit auch zu keiner Zeit statt. Die Klägerin hat sich im Übrigen selbst nicht erklären können, weshalb auf ihren (erstmaligen) Rentenantrag durch Dr. K. überhaupt ein psychiatrisches Gutachten erstellt worden ist. Ob der Klägerin seinerzeit (bis 31.7.2010) zu Recht Rente gewährt worden ist, ist daher zweifelhaft, vom Senat indessen nicht zu überprüfen; die Weitergewährung dieser Rente kann die Klägerin jedenfalls nicht beanspruchen.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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