L 11 R 1216/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 370/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1216/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.01.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Die am 25.11.1958 in G. geborene Klägerin erlernte nach ihren eigenen Angaben von September 1973 bis Oktober 1975 den Beruf einer Wirtschaftsgehilfin. Sie war bis Dezember 1991 als Lagerarbeiterin im Großhandel beschäftigt. Im Jahr 1992 zog sie nach B. und ist seit dem 15.09.1992 bei der Firma S. als Lagerarbeiterin (zunächst vollschichtig) in Teilzeit (4,5 Stunden an fünf Tagen) beschäftigt. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt (Schwerbehindertenausweis vom 21.09.2004 des Versorgungsamtes F.).

Im September 2003 wurde bei ihr ein Mamakarzinom diagnostiziert, wobei es im Mai 2004 zu einer entsprechenden Operation mit anschließender Chemotherapie kam. Im September 2004 nahm sie deshalb an einer Anschlussheilbehandlung in Bad M. teil. Prof Dr R.-B. gab im Entlassungsbericht vom 19.10.2004 an, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten und auch eine Tätigkeit als Lagerarbeiterin sechs Stunden und mehr täglich verrichten, wobei zunächst Arbeitsunfähigkeit bestehe. Die Klägerin nehme an einer Tamoxifen-Therapie teil und leide an einer Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Schulter und an einem LWS-Syndrom.

Am 17.10.2005 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst das Gutachten des Internisten Dr C. vom 22.03.2005 bei, das dieser im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erstellt hatte. Er vertrat hierin die Ansicht, die Klägerin könne als Lagerarbeiterin nur noch unter drei Stunden arbeiten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könnten aber unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Die Beklagte lehnte deshalb den Antrag mit Bescheid vom 19.10.2005 ab. Im Widerspruchsverfahren erhob die Beklagte das Gutachten des Dr C. vom 17.02.2006 (Diagnosen: rezidivfreies Mamakarzinom rechts, leichtes Armlymphödem rechts und Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und längerdauernde depressive Reaktion; Leistungsvermögen: als Lagerarbeiterin drei bis unter sechs Stunden und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich) und das Gutachten der Ärztin für Nervenheilkunde B. vom 10.02.2006 (Diagnosen: länger andauernde depressive Reaktion und Schwerhörigkeit beidseits durch Hörgeräte korrigiert; Leistungsvermögen: mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich - auch als Lagerarbeiterin). Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (Az: S 6 R 2340/06) erstattete Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof Dr H. das Gutachten vom 02.04.2007, wonach die Klägerin nur noch in der Lage sei, drei bis unter sechsstündig täglich zu arbeiten (Diagnosen: rezidivierende leichte bis mittelschwere depressive Episoden, leichter neurogener Narbenschmerz rechte Axilla und Lese-/ Rechtschreibstörung). Die Beteiligten schlossen daraufhin einen Vergleich dahingehend, dass die Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Leistungsfall 13.08.2004) vom 01.03.2005 bis 30.04.2009 erhalte.

Am 30.12.2008 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung über den Wegfallmonat hinaus. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die Beklagte die weiteren Gutachten des Dr C. vom 31.03.2009 und der Ärztin B. vom 27.03.2009 ein. Dr C. gelangte für die Klägerin zu folgenden Diagnosen: rezidivfreies Mamakarzinom rechts, belastungsabhängiges leichtes Armlymphödem rechts, leichte depressive Episode und Schwerhörigkeit beidseits durch Hörgeräte kompensiert. Die Klägerin arbeite seit einer Wiedereingliederung im Jahr 2005 weiter bei ihrem früheren Arbeitgeber halbtags als Lagerarbeiterin. Als Lagerarbeiterin könne sie nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne sie aber noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Zu vermeiden seien eine Belastung des rechten Arms durch regelmäßiges Heben/Tragen über ca 5 kg sowie Arbeiten in Armvorhalte, mit Überkopfarbeiten und dergleichen. Es dürften auch keine erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen gestellt werden. Zu vermeiden seien auch Nachtarbeit und übermäßiger Zeitdruck. Ärztin B. stellte fest, dass die Klägerin an einer leichten depressiven Episode mit Hörminderung beidseits leide. Aus rein nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin sowohl ihre derzeitige Tätigkeit als auch andere mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne Nachtschicht und ohne übermäßigen Zeitdruck sechs Stunden und mehr ausüben. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 06.04.2009 den Antrag ab, da die Klägerin mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Bei diesem Leistungsvermögen liege eine teilweise Erwerbsminderung bzw Berufsunfähigkeit nicht vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 06.05.2009 Widerspruch. Nachdem der sozialmedizinische Dienst der Beklagten, Arzt für Chirurgie Dr S., am 12.08.2009 darauf hingewiesen hatte, dass die Leistungseinschätzung des Prof Dr H. bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar gewesen sei, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 zurück. Eine volle bzw teilweise Erwerbsminderung über den 30.04.2009 liege nicht vor. Dies habe der Sozialmedizinische Dienst bestätigt. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.01.2010 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (Az: S 4 R 370/10) und vorgetragen, die Leistungseinschätzung des Prof Dr H. sei nach wie vor zutreffend. Insbesondere sei das Gutachten der Ärztin B. nicht schlüssig, da sie die trotz medikamentöser Behandlung unvermindert vorhandene depressive Symptomatik nicht adäquat würdige. Schließlich sei bei ihr auch keine Besserung des Beschwerdebilds eingetreten, so dass sie nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten könne.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin sowie deren Psychotherapeutin als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Fachärztin für Innere Medizin Dr F. hat mitgeteilt (Auskunft vom 01.04.2010), bei der Klägerin sei eine subdepressive Grundstimmung, Angst verbunden mit Schlafstörung und eine rasche Ermüdbarkeit auffällig gewesen. Darüber hinaus bestehe ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Lymphödem im Schulter-Arm-Bereich. Die gesundheitliche Situation sei gleichgeblieben bzw habe sich verschlechtert. Dies müsse aber aus nervenärztlicher Sicht beantwortet werden. Ihres Erachtens sei die Klägerin allenfalls noch unter vollschichtig einsetzbar, dh weniger als sechs Stunden täglich. Diplompsychologin W. hat angegeben (Auskunft vom 24.04.2010), die Klägerin befinde sich seit Juli 2008 kontinuierlich (in der Regel eine Therapiestunde pro Monat) in ihrer Behandlung. Die affektive Schwingungsbreite sei eingeengt mit einer Verschiebung der Stimmung zum depressiven Pol hin. Allerdings bestünden keine Hinweise auf formale oder inhaltliche Denkstörungen. Eine akute suizidale Gefährdung bestehe nicht.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr K. vom 14.07.2010 eingeholt. Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin hielt er fest, dass diese wieder Freude empfinden könne, zB bei den häufigen Besuchen des Nachbarkindes. Sie sei aber mehr erschöpfbar und ermüde im Tagesverlauf oft vorzeitig, wobei sie gerne zur Arbeit gehe und dort nette Leute treffe. Die alltäglichen Aufgaben bewältige sie insgesamt gut und es gebe auch Phasen mit weitgehendem Wohlbefinden. Aufgrund der psychischen Stabilisierung habe sie die Antidepressiva bereits vor mehr als zwei Jahren aus eigener Initiative abgesetzt. Im Hinblick auf den neuropsychologisch-psychischen Befund hat der Gutachter angegeben, die Klägerin sei offen und kooperativ gewesen, wobei keine Anhaltspunkte für eine Störung von Psychomotorik, Antrieb, Denkgeschwindigkeit, kognitive Funktion und dem Sprachablauf bestanden hätten. Die Klägerin sei gut auslenkbar und emotional zu beiden Polen hin schwingungsfähig, auch wenn sie bei belastenden Situationen zu weinen begonnen habe. Es bestehe nach den verschiedenen Testungen eine leichtgradige depressive Störung. Insgesamt sei es zu einer Rückbildung des Beschwerdebildes und zu einer deutlichen Befindensbesserung gekommen. Die Klägerin leide nunmehr an einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik. Qualitative Einschränkungen bestünden für Tätigkeiten, die mit einem erhöhten Maße an psychischer Belastung verbunden seien. Hierzu zählten Tätigkeiten im Schichtdienst, unter hohem zeitlichen Druck und mit vorhersehbaren psychischen Belastungssituationen. Ansonsten seien körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Einschränkungen auf anderen Fachgebieten (zB rechter Arm) möglich. Derartige Tätigkeiten könne die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof Dr H. das Gutachten vom 12.11.2010 erstattet. Hierbei gab die Klägerin an, sie müsse bei ihrer derzeitigen Halbtagstätigkeit im Stehen, Gehen und Bücken wie bei einer Fließbandarbeit arbeiten. Sie packe leere Flaschen in Kartons und müsse diese dann mit Kunststofffolie verschweißen und die Paletten mit den Flaschen auf Hubwagen heben. Sie habe schon versucht, fünf Stunden zu arbeiten, sie sei danach aber "total kaputt" gewesen. Im Hinblick auf den psychischen Befund hat der Gutachter angegeben, dass gewisse Unterschiede zum Vorbefund hinsichtlich der Stimmungslage bestünden. Depressive Momente seien während der Untersuchung nicht hervorgetreten. Psychisch sei in Übereinstimmung mit Dr K. von Episoden mit leicht reaktiv-depressiven Verstimmungen auszugehen. Körperlich seien die glaubhaft erhöhte Ermüdbarkeit und der damit verbundene Trainingsrückstand Folgen der Gewichtszunahme durch Flüssigkeitsretention als eine häufige Nebenwirkung des Tamoxifen. Demnächst solle auch das Tamoxifen abgesetzt werden. Außerdem leide die Klägerin an Hitzewallungen, die ebenfalls eine häufige Nebenwirkung lang andauernder Tamoxifen-Medikation seien. Zur Zeit bestehe eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit der Klägerin. Die Klägerin leide mithin auf nervenärztlichem Fachgebiet an einer rezidivierenden, leicht reaktiv-depressiven Episode, an einem leichten neurogenen Narbenschmerz (rechte Axilla) infolge intraoperativer Läsion kleiner Hautnervenäste sowie an einer Lese- und Rechtsschreibstörung als intellektuelle Teilleistungsschwäche. Sie könne noch "knapp unter sechs Stunden pro Tag" ohne Gefährdung ihrer weiteren Gesundheit arbeiten. Die erhöhte Einstufung rechtfertige sich mit dem Rückgang der depressiven Symptomatik. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich.

Für die Beklagte hat Arzt für Innere Medizin Dr M. am 07.12.2010 Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass sich aus den beschriebenen Befunden keine quantitative Leistungseinschränkung ableiten lasse.

Mit Urteil vom 26.01.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten des Dr K ... Den Einschätzungen der behandelnden Ärztin Dr F. und des Prof Dr H. könne hingegen nicht gefolgt werden. Denn der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seit Mai 2005 gebessert. Die Auskunft von Dr F. überzeuge schon deshalb nicht, da diese selbst mitgeteilt habe, dass der Schwerpunkt der Leiden auf nervenärztlichem Fachgebiet liege. Prof Dr H. habe hingegen die Leistungseinschränkung der Klägerin im Wesentlichen mit den Nebenwirkungen der zytostatischen Therapie begründet. Dr K. sei die Einnahme des Zytostatikums Tamoxifen jedoch bekannt gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass dieser das Medikament in seinem Gutachten aufgelistet habe, so dass davon auszugehen sei, dass der Gutachter die Einschränkungen durch die Medikamenteneinnahme bei seiner Leistungsbeurteilung hinreichend berücksichtigt habe. Warum der Klägerin bei der von Prof Dr H. festgestellten Verbesserung des Leistungsvermögens eine Berufstätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden nicht mehr möglich sein solle, erschließe sich dem Gericht nicht.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 24.02.2011 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.03.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, das SG habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung verkannt, dass das nach § 109 SGG von Herrn Prof Dr H. eingeholte Gutachten keinen geringeren Beweiswert habe als das Gutachten des Dr K ... Das SG sei in unzulässiger Weise davon ausgegangen, dass Dr K. die Einnahme des Zytostatikums Tamoxifen bei seiner Leistungseinschätzung mitberücksichtigt habe. Hierfür bestünden keine Anhaltspunkte. Schließlich habe sich auch das Gericht nicht hinreichend mit der Argumentation des Prof Dr H. auseinandergesetzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.01.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 30.04.2009 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts bei Dr K. ergänzende Stellungnahmen eingeholt. Dieser hat mitgeteilt (Stellungnahme vom 06.05.2011), er teile Prof Dr H. Einschätzung bezüglich der genannten körperlichen Symptomatik und der damit verbundenen Leistungsminderung, die nicht Gegenstand seines psychiatrischen Gutachtens gewesen seien. Bezüglich der psychiatrischen Beeinträchtigungen und des damit verbundenen Leistungsbildes bestünden keine gutachterlich relevanten Differenzen. Es sei von einem leichten depressiven Zustandsbild bei insgesamt wechselnder Ausprägung auszugehen, das keine quantitativen Leistungseinschränkungen bedinge. In seiner weiteren Stellungnahme vom 17.07.2011 hat Dr K. ausgeführt, dass sich nun tatsächlich eine Diskrepanz in der quantitativen Leistungseinschätzung ergebe. Prof Dr H. sei unter Berücksichtigung des neurologischen Faktors (Tamoxifen) von einer quantitativen Leistungsfähigkeit von knapp unter sechs Stunden ausgegangen; er hingegen habe eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr für möglich erachtet. Diese Diskrepanz ergebe sich daraus, dass die Aussagen aus den Blickwinkeln der jeweiligen Fachgebiete getroffen worden seien. Prof Dr H. Einschätzung auf neurologischem Fachgebiet sei nachvollziehbar. Unter Zusammenführung der Aussagen schließe er sich weiterhin Prof Dr H. Einschätzung an. Die quantitative Einschränkung bestehe, solange Tamoxifen eingenommen werde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 30.04.2009 hinaus.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I 2007, 554). Versicherte haben gemäß Abs 2 dieser Vorschrift Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß Abs 1 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Eine befristet gewährte Rente wegen Erwerbsminderung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 Satz 3 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01.01.2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin seit Mai 2009 weder voll noch teilweise (auch nicht bei Berufsunfähigkeit) erwerbsgemindert. Sie ist zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Erwerbsminderung der Klägerin nach Ablauf des Monats, bis zu dessen Ende eine Erwerbsminderungsrente bewilligt worden war (hier 30.04.2009), ohne Bindung an frühere Entscheidungen zu beurteilen ist.

Die Klägerin leidet an einem Zustand nach rezidivfreiem Mamakarzinom rechts und an einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr K. vom 14.07.2010. Ärztin B. (Gutachten vom 27.03.2009) und Dr C. (Gutachten vom 31.03.2009) haben bei der Klägerin ebenfalls nur noch eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Dr C. hat zudem dargelegt, dass ein belastungsabhängiges leichtes Armlymphödem rechts besteht. Aus dem Gutachten der Ärztin B. folgt, dass die Klägerin auch an einer Hörminderung beidseits leidet. Prof Dr H. konnte in seinem Gutachten vom 12.11.2010 keinen depressiven Hintergrund mehr feststellen. Er geht von rezidivierenden, leicht reaktiv-depressiven Episoden aus. Er beschrieb des Weiteren leichte neurogene Narbenschmerzen (rechte Axilla) infolge intraoperativer Läsion kleiner Hautnervenäste sowie eine Lese- und Rechtschreibstörung als intellektuelle Teilleistungsschwäche.

Die genannten Gesundheitsstörungen wirken sich jedoch auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin nur in qualitativer Hinsicht aus. Zu vermeiden sind schwere körperliche Arbeiten und Arbeiten, die mit einem erhöhten Maße an psychischer Belastung (bspw Schichtdienst, Tätigkeiten unter hohem zeitlichen Druck, mit vorhersehbaren psychischen Belastungssituation sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr) einhergehen. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr K ... Des Weiteren sind Tätigkeiten mit Belastungen des rechten Armes durch regelmäßiges Heben/Tragen über 5 kg sowie Arbeiten in Armvorhalte, Überkopfarbeiten und dergleichen zu vermeiden. Gleiches gilt für erhöhte Anforderungen an das Hörvermögen. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr C. vom 31.03.2009. Aufgrund der Lese-Rechtschreib-Schwäche sind darüber hinaus mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art zu vermeiden. Dies hat Dr K. in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt.

Mit den genannten Gesundheitsstörungen sind der Klägerin ab Mai 2009 leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den bereits genannten Einschränkungen sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche möglich. Der Senat schließt sich insofern der Beurteilung durch Dr C. (Gutachten vom 31.03.2009) und der Ärztin B. (Gutachten vom 27.03.2009) an. Auch die im Klageverfahren erhobenen Gutachten des Dr K. und Prof Dr H. führen nicht dazu, dass von einer geringeren zeitlichen Leistungsfähigkeit auszugehen ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sowohl Dr K. als auch Prof Dr H. eine wesentliche Gesundheitsbesserung im psychischen Bereich festgestellt haben. Danach liegt bei der Klägerin allenfalls noch eine leichte depressive Symptomatik vor. Vor diesem Hintergrund ist der Senat mit Dr K. davon überzeugt, dass auf psychiatrischem Fachgebiet keine Einschränkungen bestehen, die zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung führen. Der Senat folgt insofern der Leistungseinschätzung des Dr K., die er insbesondere vor dem Hintergrund für überzeugend hält, als bei der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine Störung der Psychomotorik, des Antriebs, der Denkgeschwindigkeit, der kognitiven Funktionen und des Sprachablaufs bestehen. Aus dem Gutachten des Dr K. ist zu entnehmen, dass die Klägerin stets gut auslenkbar und emotional zu beiden Polen hin schwingungsfähig ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem von der Klägerin gegenüber den Gutachtern im Klageverfahren jeweils geschilderten Tagesablauf, dass sie in der Lage ist, sowohl ihre Teilzeittätigkeit (4,5 Stunden an fünf Tagen) zu verrichten als auch den Haushalt zu führen, wobei sie nach ihren eigenen Angaben auch immer wieder Freude empfindet bei den häufigen Besuchen des Nachbarkindes. Schließlich ist sie auch in der Lage, Nordic-Walking zu betreiben, was der Senat dem Gutachten des Prof Dr H. vom 12.11.2010 entnimmt. Hinzu kommt, dass Dr K. seine Leistungseinschätzung in der ergänzenden Stellungnahme vom 06.05.2011 - im Hinblick auf das psychiatrische Fachgebiet - ausdrücklich bestätigt hat.

Soweit Prof Dr H. und - mittlerweile auch - Dr K. (Stellungnahme vom 17.07.2011) davon ausgehen, dass bei der Klägerin aufgrund des "neurologischen Faktors (Tamoxifen)" die Leistungsfähigkeit auf "knapp unter sechs Stunden" begrenzt sei, überzeugt dies den Senat nicht. Beide Gutachter haben nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Klägerin nur noch in der Lage sein soll, "knapp" unter sechs Stunden täglich zu arbeiten, nicht aber mehr als sechs Stunden. Soweit Prof Dr H. dies auf eine erhöhte Ermüdbarkeit und den damit verbundenen Trainingsrückstand bei Gewichtszunahme durch Flüssigkeitsretention als eine häufige Nebenwirkung des Tamoxifen zurückführt, überzeugt dies den Senat nicht. Zum einen hat er nicht dargestellt, weshalb die Klägerin trotz der von ihm angenommenen Nebenwirkungen in der Lage sein soll, fünf Stunden und 50 Minuten zu arbeiten, nicht hingegen sechs Stunden und zehn Minuten. Die Ausführungen des Prof Dr H. sind diesbezüglich zu allgemein, um eine zeitliche Leistungseinschränkung begründen zu können. Darüber hinaus hat Dr F. in ihrer Auskunft vom 01.04.2010 nicht auf Nebenwirkungen der Tamoxifen-Behandlung hingewiesen. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Klägerin noch in der Lage ist, als Lagerarbeiterin 4,5 Stunden an fünf Tagen zumindest mittelschwere Tätigkeiten mit Fließbandcharakter auszuüben, gegen die Annahme, dass sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechs-stündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19.08.1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Die Klägerin kann zwar - wie oben ausgeführt - bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber kaum über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird; sie führen nicht dazu, dass die auf nur noch leichte körperliche Tätigkeiten (zB leichte Montagetätigkeiten) begrenzte berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin zusätzlich eingeschränkt wird. Daher besteht keine Pflicht, der Klägerin konkrete Tätigkeiten, die sie mit ihrem Leistungsvermögen noch verrichten kann, zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken von kleinen Teilen. Für die der Klägerin noch möglichen Arbeiten ist die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderlich. Es ist offensichtlich und bedarf daher keines weiteren Beweises, dass die für derartige einfache Arbeiten erforderlichen Kenntnisse auch durch Erklären und Vormachen vermittelt werden können.

Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs 1 SG VI liegen nicht vor, da die Klägerin nicht berufsunfähig ist. Sie kann - wie bereits dargelegt - eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerarbeiterin kann sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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