Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 2420/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1886/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für hauswirtschaftliche Versorgung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der am 937 geborene allein lebende Kläger sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl und ist halbseitig gelähmt. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "B", "G" und "aG" anerkannt. Aufgrund der bei ihm festgestellten Pflegestufe I erhält der Kläger aus der sozialen Pflegeversicherung Pflegegeld in Höhe von derzeit 225,00 EUR monatlich. Weiter erhält er neben einem monatlichen Altersruhegeld von derzeit 621,78 EUR von der Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, zuletzt ab 1. Mai 2011 in Höhe von 321,18 EUR monatlich (vgl. Bescheid vom 27. April 2011).
Am 22. Februar 2010 beantragte er bei der Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form einer Haushaltshilfe, da er als alleinstehender Rollstuhlfahrer hierauf angewiesen sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. März 2010 diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger erhalte von der Pflegekasse Pflegegeld nach Pflegestufe I. Da hierin Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung beinhaltet sei, müsse das Pflegegeld für den Einsatz einer Haushaltshilfe verwendet werden. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. April 2010).
Hiergegen hat der Kläger am 7. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, das Pflegegeld, das zweckgebunden sei, reiche bei Weitem nicht aus. Er brauche unbedingt eine Haushaltshilfe. Eine frühere Arbeitskollegin habe sich hierzu bereit erklärt. Sie komme fünfmal die Woche zu ihm, immer zwei bis drei Stunden. Im Monat zahle er ihr ca. 360,00 EUR. Für körperliche Hilfe habe er technische Hilfsmittel von der Krankenkasse. Das bringe er noch einigermaßen hin.
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erhalte bereits Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung, um die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherzustellen. Lediglich ergänzend zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung kämen Hilfeleistungen nach dem SGB XII in Betracht. Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den sonstigen erkennbaren Umständen sei ersichtlich, dass ein nach Art und Umfang bestimmbarer Hilfebedarf bestehen würde, dessen Kosten bezifferbar und im konkreten Fall nicht bereits durch das Pflegegeld gedeckt wären. Die Bezahlung der vom Kläger angestellten Vertrauensperson sei lediglich höher vereinbart als das Pflegegeld. Diese Kostendifferenz könne nicht ohne Weiteres auf den Träger der Sozialhilfe umgelegt werden. Vielmehr wäre der Kläger gehalten, entweder die hauswirtschaftliche Versorgung günstiger zu besorgen oder - falls ihm dies nicht möglich wäre - von der Pflegekasse anstelle des Pflegegeldes entsprechende Pflegesachleistungen zu beziehen.
Gegen dieses ihm am 20. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2011 beim SG Berufung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2010 zu verurteilen, ihm ab 22. Februar 2010 Leistungen der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten für die hauswirtschaftliche Versorgung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat sich vollinhaltlich den Entscheidungsgründen im Urteil des SG angeschlossen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes bei der vom Kläger begehrten Leistung 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für die hauswirtschaftliche Versorgung verneint.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt allein § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 61 SGB XII in Betracht. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 sind nach § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen. Der Kläger gehört zum Personenkreis des § 61 SGB XII, da er aufgrund seiner körperlichen Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens Hilfe bedarf. Insbesondere benötigt der Kläger auch Hilfe im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Dies belegt bereits die Tatsache, dass bei ihm im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I festgestellt wurde. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Die Pflegebedürftigkeit des Klägers, insbesondere auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, ist zwischen den Beteiligten überdies unstrittig.
Seinem Begehren, von der Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege für hauswirtschaftliche Versorgung nach dem SGB XII zu erhalten, steht jedoch der in § 2 Abs. 1 SGB XII enthaltene Nachranggrundsatz entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer u.a. die erforderliche Leistung von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Deren Verpflichtungen bleiben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII unberührt. Dieser Nachranggrundsatz ist ein den Leistungsberechtigten bindendes Gebot der Sozialhilfe, sodass es nicht in seinem Belieben steht, zwischen Selbsthilfe und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu wählen. Zur Selbsthilfeverpflichtung des Leistungsberechtigten gehört auch die Geltendmachung realisierbarer Ansprüche bei einem anderen Sozialleistungsträger (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - und vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - (beide juris); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Mai 1983 - 5 C 112/81 - BVerwGE 67, 163; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 2; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 2 Rdnr. 7)). Mit dem Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII korrespondiert der Subsidiaritätsgrundsatz des § 13 Abs. 3 SGB XI. Nach Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift gehen die Leistungen der Pflegeversicherung den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem SGB XII vor. Sozialhilferechtliche Leistungen zur Pflege sind daher nur zu gewähren, wenn und soweit Leistungen der Pflegeversicherung nicht erbracht werden oder das SGB XII dem Grunde oder der Höhe nach weitergehende Leistungen als die Pflegeversicherung vorsieht. Das Verhältnis der verschiedenen Leistungen der Hilfe zur Pflege untereinander ist schließlich in der Konkurrenznorm des § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII geregelt. Danach werden Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 SGB XII insoweit nicht erbracht, als Pflegebedürftige in der Lage sind, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Aus diesem im Bereich der Pflegeleistungen geltenden Nachranggrundsatz ergibt sich, dass der Pflegebedürftige alles zu unternehmen hat, um die Belastung der Sozialhilfe möglichst gering zu halten. Es trifft zwar zu, dass die soziale Pflegeversicherung nach dem SGB XI und die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in ihrem Grundsatz und Wesen unterschiedlich ausgestaltet sind. Während es sich bei der sozialen Pflegeversicherung um eine partielle Grundsicherung handelt, die durch Höchstbeträge gedeckelt ist und nicht den gesamten pflegebedingten Bedarf einschließt, stellt die Sozialhilfe eine Vollabsicherung dar, die von einer vollständigen Bedarfsdeckung und der ganzheitlichen Hilfe ausgeht. Hilfe zur Pflege können daher auch Pflegebedürftige erhalten, bei denen die der Höhe nach begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, um den bestehenden Pflegebedarf in vollem Umfang abzudecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 - 5 C 34/99 - BVerwGE 111, 241; Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. April 2008 - L 1 SO 23/07 - (juris); Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 61 Rdnr. 4). Ein solcher durch die Sozialhilfe zu sichernder Aufstockungsbedarf ist beim Kläger allerdings nicht ersichtlich.
Er erhält aufgrund der bei ihm festgestellten Pflegestufe I nach § 37 Abs. 1 SGB XI aus der sozialen Pflegeversicherung ein Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen in Höhe von derzeit 225,00 EUR monatlich. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Damit wird dem Pflegebedürftigen die Möglichkeit eingeräumt, anstelle der häuslichen Pflegehilfe als Pflegesachleistung (vgl. § 36 SGB XI) ein Pflegegeld zu beantragen. Das Pflegegeld soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stärken, indem es ihn befähigt, seine Pflege selbst zu gestalten. Ein Entgelt für die Pflegeperson soll das Pflegegeld nicht sein. Eine echte Gegenleistung kann es schon wegen seiner geringen Höhe nicht darstellen. Das Pflegegeld ist vielmehr als Anerkennung oder als Anreiz zur Erhaltung der Pflegebereitschaft von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn gedacht (Mühlenbruch in Hauck/Wilde, SGB XI, Loseblattsammlung, 27. Lieferung V/07, K § 37 Rdnr. 1; Udsching in Udsching, SGB XI, 3. Auflage, § 37 Rdnr. 2). Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für das Pflegegeld ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, dass der Pflegebedürftige die seiner Pflegestufe entsprechend erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Ist die Sicherstellung der erforderlichen Pflege nicht gewährleistet, so besteht ein Anspruch auf Pflegegeld selbst dann nicht, wenn das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit festgestellt ist. Die in § 37 Abs. 1 Satz 2 SGBXI enthaltene Einschränkung, wonach der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld (nur) "dessen Umfang entsprechend" die Pflege selbst sicherzustellen habe, stellt allein auf den abgestuften Umfang des Pflegebedarfs ab, wie er sich aus § 15 SGB XI ergibt. Sie bedeutet nicht, dass sich die Pflege auf die Leistungen beschränken kann, die der Pflegebedürftige konkret aus dem Pflegegeld finanzieren kann, auch wenn dies keine ausreichende Versorgung sicherstellt (Udsching, a.a.O., Rdnr. 8).
Sollte die hauswirtschaftliche Versorgung, wie vom Kläger vorgetragen, entgegen § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI mit dem Pflegegeld nicht sichergestellt sein, würde somit der entsprechende Anspruch auf Pflegegeld entfallen. In diesem Falle wäre der Kläger gehalten, entweder sich die hauswirtschaftliche Versorgung "günstiger zu besorgen" oder - falls ihm dies nicht möglich wäre - anstelle des Pflegegeldes die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI aus der sozialen Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen. Diese umfasst nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für Pflegebedürftige der Pflegestufe I Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von derzeit 440,00 EUR monatlich. Erst dann, wenn auch diese "gedeckelte" Leistung nicht ausreicht, um neben der erforderlichen Grundpflege auch die hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen, kommen ergänzend zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung die vom Kläger hier begehrten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII in Betracht (BVerwG, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; Grube, a.a.O.). Von der Möglichkeit, Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI zu beziehen, hat der Kläger bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die häusliche Pflegehilfe nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI vorliegend nicht ausreicht, um seinen Pflegebedarf einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung zu decken.
Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für hauswirtschaftliche Versorgung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der am 937 geborene allein lebende Kläger sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl und ist halbseitig gelähmt. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "B", "G" und "aG" anerkannt. Aufgrund der bei ihm festgestellten Pflegestufe I erhält der Kläger aus der sozialen Pflegeversicherung Pflegegeld in Höhe von derzeit 225,00 EUR monatlich. Weiter erhält er neben einem monatlichen Altersruhegeld von derzeit 621,78 EUR von der Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, zuletzt ab 1. Mai 2011 in Höhe von 321,18 EUR monatlich (vgl. Bescheid vom 27. April 2011).
Am 22. Februar 2010 beantragte er bei der Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form einer Haushaltshilfe, da er als alleinstehender Rollstuhlfahrer hierauf angewiesen sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. März 2010 diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger erhalte von der Pflegekasse Pflegegeld nach Pflegestufe I. Da hierin Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung beinhaltet sei, müsse das Pflegegeld für den Einsatz einer Haushaltshilfe verwendet werden. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. April 2010).
Hiergegen hat der Kläger am 7. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, das Pflegegeld, das zweckgebunden sei, reiche bei Weitem nicht aus. Er brauche unbedingt eine Haushaltshilfe. Eine frühere Arbeitskollegin habe sich hierzu bereit erklärt. Sie komme fünfmal die Woche zu ihm, immer zwei bis drei Stunden. Im Monat zahle er ihr ca. 360,00 EUR. Für körperliche Hilfe habe er technische Hilfsmittel von der Krankenkasse. Das bringe er noch einigermaßen hin.
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erhalte bereits Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung, um die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherzustellen. Lediglich ergänzend zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung kämen Hilfeleistungen nach dem SGB XII in Betracht. Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den sonstigen erkennbaren Umständen sei ersichtlich, dass ein nach Art und Umfang bestimmbarer Hilfebedarf bestehen würde, dessen Kosten bezifferbar und im konkreten Fall nicht bereits durch das Pflegegeld gedeckt wären. Die Bezahlung der vom Kläger angestellten Vertrauensperson sei lediglich höher vereinbart als das Pflegegeld. Diese Kostendifferenz könne nicht ohne Weiteres auf den Träger der Sozialhilfe umgelegt werden. Vielmehr wäre der Kläger gehalten, entweder die hauswirtschaftliche Versorgung günstiger zu besorgen oder - falls ihm dies nicht möglich wäre - von der Pflegekasse anstelle des Pflegegeldes entsprechende Pflegesachleistungen zu beziehen.
Gegen dieses ihm am 20. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2011 beim SG Berufung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2010 zu verurteilen, ihm ab 22. Februar 2010 Leistungen der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten für die hauswirtschaftliche Versorgung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat sich vollinhaltlich den Entscheidungsgründen im Urteil des SG angeschlossen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes bei der vom Kläger begehrten Leistung 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für die hauswirtschaftliche Versorgung verneint.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt allein § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 61 SGB XII in Betracht. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 sind nach § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen. Der Kläger gehört zum Personenkreis des § 61 SGB XII, da er aufgrund seiner körperlichen Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens Hilfe bedarf. Insbesondere benötigt der Kläger auch Hilfe im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Dies belegt bereits die Tatsache, dass bei ihm im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I festgestellt wurde. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Die Pflegebedürftigkeit des Klägers, insbesondere auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, ist zwischen den Beteiligten überdies unstrittig.
Seinem Begehren, von der Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege für hauswirtschaftliche Versorgung nach dem SGB XII zu erhalten, steht jedoch der in § 2 Abs. 1 SGB XII enthaltene Nachranggrundsatz entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer u.a. die erforderliche Leistung von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Deren Verpflichtungen bleiben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII unberührt. Dieser Nachranggrundsatz ist ein den Leistungsberechtigten bindendes Gebot der Sozialhilfe, sodass es nicht in seinem Belieben steht, zwischen Selbsthilfe und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu wählen. Zur Selbsthilfeverpflichtung des Leistungsberechtigten gehört auch die Geltendmachung realisierbarer Ansprüche bei einem anderen Sozialleistungsträger (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - und vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - (beide juris); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Mai 1983 - 5 C 112/81 - BVerwGE 67, 163; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 2; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 2 Rdnr. 7)). Mit dem Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII korrespondiert der Subsidiaritätsgrundsatz des § 13 Abs. 3 SGB XI. Nach Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift gehen die Leistungen der Pflegeversicherung den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem SGB XII vor. Sozialhilferechtliche Leistungen zur Pflege sind daher nur zu gewähren, wenn und soweit Leistungen der Pflegeversicherung nicht erbracht werden oder das SGB XII dem Grunde oder der Höhe nach weitergehende Leistungen als die Pflegeversicherung vorsieht. Das Verhältnis der verschiedenen Leistungen der Hilfe zur Pflege untereinander ist schließlich in der Konkurrenznorm des § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII geregelt. Danach werden Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 SGB XII insoweit nicht erbracht, als Pflegebedürftige in der Lage sind, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Aus diesem im Bereich der Pflegeleistungen geltenden Nachranggrundsatz ergibt sich, dass der Pflegebedürftige alles zu unternehmen hat, um die Belastung der Sozialhilfe möglichst gering zu halten. Es trifft zwar zu, dass die soziale Pflegeversicherung nach dem SGB XI und die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in ihrem Grundsatz und Wesen unterschiedlich ausgestaltet sind. Während es sich bei der sozialen Pflegeversicherung um eine partielle Grundsicherung handelt, die durch Höchstbeträge gedeckelt ist und nicht den gesamten pflegebedingten Bedarf einschließt, stellt die Sozialhilfe eine Vollabsicherung dar, die von einer vollständigen Bedarfsdeckung und der ganzheitlichen Hilfe ausgeht. Hilfe zur Pflege können daher auch Pflegebedürftige erhalten, bei denen die der Höhe nach begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, um den bestehenden Pflegebedarf in vollem Umfang abzudecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 - 5 C 34/99 - BVerwGE 111, 241; Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. April 2008 - L 1 SO 23/07 - (juris); Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 61 Rdnr. 4). Ein solcher durch die Sozialhilfe zu sichernder Aufstockungsbedarf ist beim Kläger allerdings nicht ersichtlich.
Er erhält aufgrund der bei ihm festgestellten Pflegestufe I nach § 37 Abs. 1 SGB XI aus der sozialen Pflegeversicherung ein Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen in Höhe von derzeit 225,00 EUR monatlich. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Damit wird dem Pflegebedürftigen die Möglichkeit eingeräumt, anstelle der häuslichen Pflegehilfe als Pflegesachleistung (vgl. § 36 SGB XI) ein Pflegegeld zu beantragen. Das Pflegegeld soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stärken, indem es ihn befähigt, seine Pflege selbst zu gestalten. Ein Entgelt für die Pflegeperson soll das Pflegegeld nicht sein. Eine echte Gegenleistung kann es schon wegen seiner geringen Höhe nicht darstellen. Das Pflegegeld ist vielmehr als Anerkennung oder als Anreiz zur Erhaltung der Pflegebereitschaft von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn gedacht (Mühlenbruch in Hauck/Wilde, SGB XI, Loseblattsammlung, 27. Lieferung V/07, K § 37 Rdnr. 1; Udsching in Udsching, SGB XI, 3. Auflage, § 37 Rdnr. 2). Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für das Pflegegeld ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, dass der Pflegebedürftige die seiner Pflegestufe entsprechend erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Ist die Sicherstellung der erforderlichen Pflege nicht gewährleistet, so besteht ein Anspruch auf Pflegegeld selbst dann nicht, wenn das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit festgestellt ist. Die in § 37 Abs. 1 Satz 2 SGBXI enthaltene Einschränkung, wonach der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld (nur) "dessen Umfang entsprechend" die Pflege selbst sicherzustellen habe, stellt allein auf den abgestuften Umfang des Pflegebedarfs ab, wie er sich aus § 15 SGB XI ergibt. Sie bedeutet nicht, dass sich die Pflege auf die Leistungen beschränken kann, die der Pflegebedürftige konkret aus dem Pflegegeld finanzieren kann, auch wenn dies keine ausreichende Versorgung sicherstellt (Udsching, a.a.O., Rdnr. 8).
Sollte die hauswirtschaftliche Versorgung, wie vom Kläger vorgetragen, entgegen § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI mit dem Pflegegeld nicht sichergestellt sein, würde somit der entsprechende Anspruch auf Pflegegeld entfallen. In diesem Falle wäre der Kläger gehalten, entweder sich die hauswirtschaftliche Versorgung "günstiger zu besorgen" oder - falls ihm dies nicht möglich wäre - anstelle des Pflegegeldes die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI aus der sozialen Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen. Diese umfasst nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für Pflegebedürftige der Pflegestufe I Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von derzeit 440,00 EUR monatlich. Erst dann, wenn auch diese "gedeckelte" Leistung nicht ausreicht, um neben der erforderlichen Grundpflege auch die hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen, kommen ergänzend zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung die vom Kläger hier begehrten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII in Betracht (BVerwG, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; Grube, a.a.O.). Von der Möglichkeit, Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI zu beziehen, hat der Kläger bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die häusliche Pflegehilfe nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI vorliegend nicht ausreicht, um seinen Pflegebedarf einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung zu decken.
Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
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