Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 452/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 244/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.12.2011 wird zurückwiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbs-minderung streitig.
Der am 1954 geborene Kläger hat keine Ausbildung absolviert. Im Jahr 1977 siedelte er aus der T. kommend in die Bundesrepublik Deutschland über, war zunächst als Arbeiter in einer Polste-rei und sodann von 1978 bis September 2004 als Verpacker in einer Glasfabrik beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis endete wegen Insolvenz des Arbeitgebers. Seither war der Kläger nicht mehr beruflich tätig.
Ende 2004 wurde beim Kläger ein Prostatakarzinom diagnostiziert und eine Prostatektomie durchgeführt. Aus der sodann vom 04. bis 25.01.2005 durchgeführten Anschlussheilbehandlung in der R. Bad R. wurde der Kläger in körperlich gekräftigtem und psychisch gefestigtem Zustand entlassen. Auf Dauer wurde die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr für zumutbar erachtet, jedoch hielten die behandelnden Ärzte leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen, ohne Zwangshaltungen, häufiges Bücken, fixiertes Sitzen sowie ohne häufige starke Stoß- und Erschütterungsbelastungen vollschichtig für möglich.
Am 07.05.2008 beantragte der Kläger wegen der Folgen der Tumorerkrankung die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Internisten Dr. S. aufgrund Untersuchung des Klägers am 26.06.2008. Der Gutachter führte im Hinblick auf die Tumorerkrankung aus, es bestehe kein Anhalt für eine Progression der Grunderkrankung; er diagnostizierte im Übrigen ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit cervikaler und lumbaler Manifestation, einen HWS-Verschleiß mit multietageren Bandscheibenprotrusionen ohne Spinalkanaleinengung (keine nennenswerte Funktionseinschränkung des Achsenorgans und keine belangvollen Nervenwurzelreizsymptomatik) und äußert den Verdacht auf einen in-termittierend auftretenden paroxysmalen Lagerungsschwindel. Auf Grund der erhobenen Befun-de könne der Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes voll-schichtig verrichten. Dr. H. , Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, der den Kläger am 26.06.2008 auf Veranlassung der Beklagten von nervenärztlicher Seite untersuchte, diagnostizierte auf seinem Fachgebiet einen Zustand nach Anpassungsstörung. Eine depressive Symptomatik fand er nicht. Er erachtete den Kläger für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Bücken sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin mit der Begrün-dung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Im Widerspruchsverfahren äußerte sich für den Kläger der behandelnde Allgemeinarzt Dr. L. , nach dessen Auffassung das Gutachten des Dr. H. nicht den Ansprüchen an eine medizinische Begutachtung genüge, wobei schon mangels wechselseitigen Sprachkenntnissen eine nervenärztliche Exploration weitgehend utopisch gewesen sei. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärztin für Neuro-logie und Psychiatrie Dr. K. und des behandelnden Urologen Dr. R. wies die Beklagte den Wi-derspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2009 zurück.
Am 12.02.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, auf die Widerspruchsbegründung des Dr. L. verwiesen und im Wesentlichen geltend gemacht, auf Grund seiner psychiatrischen Erkrankung könne er nicht länger als zwei Stunden täglich arbeiten.
Das SG hat Dr. L. , Dr. R. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. L. hat den Kläger auf Grund seiner psychischen Beeinträchtigung nicht mehr für fähig erachtet, eine leichte Tätigkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu verrichten. Dr. R. , bei dem der Klä-ger bei den letzten Kontrolluntersuchungen keine wesentlichen Beschwerden mehr angegeben hatte, hat den Kläger mindestens drei bis sechs Stunden täglich für leistungsfähig erachtet. Dr. K. hat beim Kläger eine chronische depressive Erkrankung mit mittelgradigen und schweren depressiven Episoden, zum Teil mit psychotischen Elementen, beschrieben und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst teilschichtig nicht mehr für möglich gehalten. Das SG hat sodann ein psychiatrisches Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. auf Grund Untersuchung des Klägers am 22.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige hat eine Dys-thymia diagnostiziert und den Kläger für eine berufliche Tätigkeit von sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ferner das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. T. , Institut für psychiatrische Begutachtung, auf Grund Untersuchung des Klägers vom 08.02.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat ein auffälliges Zustandsbild beschrieben, das durch Verlangsamung, Teilnahmslosigkeit, einen scheinbaren Erschöpfungszustand, eine sicherlich etwas herabgesetzte Stimmungslage, Schwerbesinnlichkeit und Rückzugstendenzen gekennzeichnet sei, jedoch kaum depressive Elemente enthalte, weshalb eine Depression nicht zu diagnostizieren sei. Es liege ein ängstlich-vermeidendes Verhalten im Sinne einer Dysthymie vor, zudem eine Anpassungsstörung neben einer in Richtung des abhängigen und asthenischen gehenden Persönlichkeitsstörung. Wenn auch das äußere Bild des Klägers mitleiderweckend unselbständig wirke, müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seiner Umgebung das ganze Ausmaß seiner Hilflosigkeit und seines persönlichen Elends vorführen wolle. Ein derartiges Ausdrucksverhalten sei bei Angehörigen von Mittelmeervölkern immer wieder zu beobachten; diese landsmannschaftliche Komponente müsse Berücksichtigung finden. Die äußere Darstellung mache zwar die persönliche Situation deutlich, allerdings sei der Kläger dennoch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Auffassung ergänzend geäußert. Den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, den der Kläger mit rassistischen und diffamierenden Pauschalverurteilungen anderer Völker und Rassen begründet hat, hat das SG mit rechtskräftigem Beschluss vom 25.05.2010 abgelehnt.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.12.2010 hat das SG die Klage im Wesentlichen gestützt auf die im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten abgewiesen.
Am 17.01.2011 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, die Unverwertbarkeit des Gutachtens des Prof. Dr. T. wegen rassistischen Vorurteilen gegenüber Mittelmeervölkern geltend gemacht und zur Verdeutlichung seines katastrophalen Gesundheits-zustandes das Attest des Internisten Dr. B. vom 09.05.2011 vorgelegt, wonach er zweifelsfrei an einer Dementia praecox (= Schizophrenie) und einem schweren dementiellen Syndrom leide. Dass die genannten Erkrankungen tatsächlich vorliegen, sieht der Kläger durch die weiter vorge-legten Arztbriefe der Dr. K. und den Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin im Kran-kenhaus B. über die stationäre Behandlung am 22.05.2009 bestätigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.12.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.02.2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminde-rung nach § 43 SGB VI ab 01.06.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten beider Rechtszüge Be-zug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Klä-ger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begrün-dung ausgeführt, dass der Kläger diese nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Ge-sundheitsstörungen zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch wenigs-tens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in seiner beruflichen Leis-tungsfähigkeit nicht durch die von ihm in den Vordergrund gestellten Beeinträchtigungen von nervenärztlicher Seite eingeschränkt ist, diese der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich vielmehr nicht entgegenstehen. Hierin sind sich sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen, die den Kläger von Seiten des psy-chiatrischen Fachgebietes untersucht und begutachtet haben, einig, so namentlich der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. , die Ärztin für Psychiatrie und Psycho-therapie Dr. D. sowie der vom Kläger als Arzt seines Vertrauens benannte Facharzt für Psychiat-rie und Neurologie Prof. Dr. T. , der als langjähriger Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Kli-nik am Bürgerhospital Stuttgart über eine umfangreiche klinische Erfahrung verfügt.
Soweit der Kläger das Gutachten des Prof. Dr. T. , das auf seinen eigenen Antrag hin eingeholt worden ist, deshalb nicht für verwertbar erachtet, weil darin rassistische Vorurteile des Sachver-ständigen gegenüber Mittelmeervölkern zum Ausdruck kämen, trifft dies nicht zu. Der Sachver-ständige hat sich weder pauschal über andere Völker oder gar "Rassen" geäußert noch diese pau-schal diffamiert oder verurteilt. Insbesondere hat er diesen Personengruppen auch nicht ganz allgemein eine Simulations- oder Aggravationsneigung bescheinigt und daraus Schlussfolgerun-gen im Hinblick auf das Leistungsvermögen des Klägers abgeleitet. Dem Gutachten des Sach-verständigen ist vielmehr zu entnehmen, dass er sich intensiv mit dem Einzelfall des Klägers befasst hat, die aktenkundigen medizinischen Unterlagen ausgewertet und unter Berücksichti-gung der Angaben des Klägers, seines Verhaltens in der Untersuchungssituation und des von ihm selbst erhobenen Befundes zu seiner diagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes gelangt ist. Dabei hat er anschaulich deutlich gemacht, dass das vom Kläger gezeigte auffällige mitleiderweckende und unselbstständige Zustandsbild, nicht zwangsläufig die von den behan-delnden Ärzten gezogene Schlussfolgerung rechtfertigt, dass der Kläger keiner beruflichen Tä-tigkeit mehr gewachsen sei. Er hat in diesem Zusammenhang Ausführungen zum Ausdrucksver-halten von Personen gemacht, das bei den verschiedenen europäischen Völkern sich durchaus unterschiedlich darstelle. So sei ein Ausdrucksverhalten, das der Umgebung das ganze Ausmaß der eigenen Hilflosigkeit und des eigenen Elends vorführe, immer wieder bei Angehörigen von Mittelmehrvölkern zu beobachten, und zwar in viel ausgeprägterer Weise als dies bei mittel-, ost- oder westeuropäischen Völkern der Fall sei. Diese landsmannschaftliche Komponente müsse Berücksichtigung finden, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Im Rahmen seiner weiteren Ausführungen hat der Sachverständige darüber hinaus deutlich zum Ausdruck gebracht, dass mit der Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht die Annahme verbunden ist, dass der Kläger sein Leiden simuliere oder übertreibe, er vielmehr davon ausgehe, dass die äußere Darstellung des Klägers auf seinen eigenen Empfindungen und seinem eigenen Gefühl beruht. Gleichzeitig hat er für den Senat überzeugend aber auch deutlich gemacht, dass das beim Kläger vorzufindende auffällige, geradezu mitleiderweckend unselbständige Zustandsbild nicht irrtümlich auf Grund der eigenen Empfindungen und des eigenen Gefühls für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit herangezogen werden darf. Das Ausdrucksverhalten dokumentiert demnach zwar die persönliche Situation des Klägers, nicht aber gleichzeitig auch die Erwerbsfähigkeit und das Leistungsvermögen. Denn ungeachtet seiner Persönlichkeitsstruktur ist ein Mensch im Regelfall gleichwohl im Stande einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Im Übrigen hat der Sachverständige dargelegt, dass die angesprochenen Unterschiede im Aus-drucksverhalten auch Gegenstand empirischer Untersuchungen des Prof. Dr. T. in Zusammen-arbeit mit Dr. Schröder waren und insoweit auf eine Veröffentlichung "Ein psychogener Symp-tomkomplex bei südländischen Rentenbewerbern" in der Zeitschrift "Der medizinische Sachver-ständige" 1989, Seite 174 ff. hingewiesen.
Die Ausführungen des Sachverständigen machen sein Gutachten nach alledem somit nicht un-verwertbar. Im Übrigen wäre auch bei Nichtverwertung des Gutachtens eine dem Kläger günsti-ge Entscheidung nicht möglich. Denn auch die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. D. hat - ebenso wenig wie Dr. H. - eine rentenrelevant geminderte Leistungsfähigkeit be-schrieben.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren auf die vorgelegte Bescheinigung des Internisten Dr. B. vom 09.05.2011 bezogen hat, wonach "zweifelsfrei eine Demetia praecox und ein schwe-res dementielles Syndrom" bestehe, sieht der Senat hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Daher sind auch diesbezügliche Ermittlungen nicht veranlasst. Diese erstmals von einem Internisten fach-fremd behaupteten schwerwiegenden nervenärztlichen Diagnosen entbehren einer hinreichenden Grundlage. Auf die entsprechende Aufforderung, dem Senat mitzuteilen, welcher Facharzt diese Erkrankungen diagnostiziert hat, hat der Kläger zwar mehrere Arztbriefe vorgelegt, insbesondere auch solche der Dr. K. , jedoch finden sich hierin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass beim Klä-ger eine Schizophrenie oder eine Demenz diagnostiziert worden wäre oder solche Erkrankungen vorliegen könnten. Den Arztbriefen und auch dem sonstigen Akteninhalt sind weder Befunde zu entnehmen, die auf entsprechende Erkrankungen hindeuten würden noch enthalten diese eine entsprechende Diagnose. Dies gilt auch für den vom Kläger vorgelegten Entlassungsbericht des Krankenhauses Bietigheim.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbs-minderung streitig.
Der am 1954 geborene Kläger hat keine Ausbildung absolviert. Im Jahr 1977 siedelte er aus der T. kommend in die Bundesrepublik Deutschland über, war zunächst als Arbeiter in einer Polste-rei und sodann von 1978 bis September 2004 als Verpacker in einer Glasfabrik beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis endete wegen Insolvenz des Arbeitgebers. Seither war der Kläger nicht mehr beruflich tätig.
Ende 2004 wurde beim Kläger ein Prostatakarzinom diagnostiziert und eine Prostatektomie durchgeführt. Aus der sodann vom 04. bis 25.01.2005 durchgeführten Anschlussheilbehandlung in der R. Bad R. wurde der Kläger in körperlich gekräftigtem und psychisch gefestigtem Zustand entlassen. Auf Dauer wurde die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr für zumutbar erachtet, jedoch hielten die behandelnden Ärzte leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen, ohne Zwangshaltungen, häufiges Bücken, fixiertes Sitzen sowie ohne häufige starke Stoß- und Erschütterungsbelastungen vollschichtig für möglich.
Am 07.05.2008 beantragte der Kläger wegen der Folgen der Tumorerkrankung die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Internisten Dr. S. aufgrund Untersuchung des Klägers am 26.06.2008. Der Gutachter führte im Hinblick auf die Tumorerkrankung aus, es bestehe kein Anhalt für eine Progression der Grunderkrankung; er diagnostizierte im Übrigen ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit cervikaler und lumbaler Manifestation, einen HWS-Verschleiß mit multietageren Bandscheibenprotrusionen ohne Spinalkanaleinengung (keine nennenswerte Funktionseinschränkung des Achsenorgans und keine belangvollen Nervenwurzelreizsymptomatik) und äußert den Verdacht auf einen in-termittierend auftretenden paroxysmalen Lagerungsschwindel. Auf Grund der erhobenen Befun-de könne der Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes voll-schichtig verrichten. Dr. H. , Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, der den Kläger am 26.06.2008 auf Veranlassung der Beklagten von nervenärztlicher Seite untersuchte, diagnostizierte auf seinem Fachgebiet einen Zustand nach Anpassungsstörung. Eine depressive Symptomatik fand er nicht. Er erachtete den Kläger für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Bücken sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin mit der Begrün-dung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Im Widerspruchsverfahren äußerte sich für den Kläger der behandelnde Allgemeinarzt Dr. L. , nach dessen Auffassung das Gutachten des Dr. H. nicht den Ansprüchen an eine medizinische Begutachtung genüge, wobei schon mangels wechselseitigen Sprachkenntnissen eine nervenärztliche Exploration weitgehend utopisch gewesen sei. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärztin für Neuro-logie und Psychiatrie Dr. K. und des behandelnden Urologen Dr. R. wies die Beklagte den Wi-derspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2009 zurück.
Am 12.02.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, auf die Widerspruchsbegründung des Dr. L. verwiesen und im Wesentlichen geltend gemacht, auf Grund seiner psychiatrischen Erkrankung könne er nicht länger als zwei Stunden täglich arbeiten.
Das SG hat Dr. L. , Dr. R. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. L. hat den Kläger auf Grund seiner psychischen Beeinträchtigung nicht mehr für fähig erachtet, eine leichte Tätigkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu verrichten. Dr. R. , bei dem der Klä-ger bei den letzten Kontrolluntersuchungen keine wesentlichen Beschwerden mehr angegeben hatte, hat den Kläger mindestens drei bis sechs Stunden täglich für leistungsfähig erachtet. Dr. K. hat beim Kläger eine chronische depressive Erkrankung mit mittelgradigen und schweren depressiven Episoden, zum Teil mit psychotischen Elementen, beschrieben und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst teilschichtig nicht mehr für möglich gehalten. Das SG hat sodann ein psychiatrisches Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. auf Grund Untersuchung des Klägers am 22.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige hat eine Dys-thymia diagnostiziert und den Kläger für eine berufliche Tätigkeit von sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ferner das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. T. , Institut für psychiatrische Begutachtung, auf Grund Untersuchung des Klägers vom 08.02.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat ein auffälliges Zustandsbild beschrieben, das durch Verlangsamung, Teilnahmslosigkeit, einen scheinbaren Erschöpfungszustand, eine sicherlich etwas herabgesetzte Stimmungslage, Schwerbesinnlichkeit und Rückzugstendenzen gekennzeichnet sei, jedoch kaum depressive Elemente enthalte, weshalb eine Depression nicht zu diagnostizieren sei. Es liege ein ängstlich-vermeidendes Verhalten im Sinne einer Dysthymie vor, zudem eine Anpassungsstörung neben einer in Richtung des abhängigen und asthenischen gehenden Persönlichkeitsstörung. Wenn auch das äußere Bild des Klägers mitleiderweckend unselbständig wirke, müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seiner Umgebung das ganze Ausmaß seiner Hilflosigkeit und seines persönlichen Elends vorführen wolle. Ein derartiges Ausdrucksverhalten sei bei Angehörigen von Mittelmeervölkern immer wieder zu beobachten; diese landsmannschaftliche Komponente müsse Berücksichtigung finden. Die äußere Darstellung mache zwar die persönliche Situation deutlich, allerdings sei der Kläger dennoch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Auffassung ergänzend geäußert. Den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, den der Kläger mit rassistischen und diffamierenden Pauschalverurteilungen anderer Völker und Rassen begründet hat, hat das SG mit rechtskräftigem Beschluss vom 25.05.2010 abgelehnt.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.12.2010 hat das SG die Klage im Wesentlichen gestützt auf die im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten abgewiesen.
Am 17.01.2011 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, die Unverwertbarkeit des Gutachtens des Prof. Dr. T. wegen rassistischen Vorurteilen gegenüber Mittelmeervölkern geltend gemacht und zur Verdeutlichung seines katastrophalen Gesundheits-zustandes das Attest des Internisten Dr. B. vom 09.05.2011 vorgelegt, wonach er zweifelsfrei an einer Dementia praecox (= Schizophrenie) und einem schweren dementiellen Syndrom leide. Dass die genannten Erkrankungen tatsächlich vorliegen, sieht der Kläger durch die weiter vorge-legten Arztbriefe der Dr. K. und den Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin im Kran-kenhaus B. über die stationäre Behandlung am 22.05.2009 bestätigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.12.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.02.2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminde-rung nach § 43 SGB VI ab 01.06.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten beider Rechtszüge Be-zug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Klä-ger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begrün-dung ausgeführt, dass der Kläger diese nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Ge-sundheitsstörungen zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch wenigs-tens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in seiner beruflichen Leis-tungsfähigkeit nicht durch die von ihm in den Vordergrund gestellten Beeinträchtigungen von nervenärztlicher Seite eingeschränkt ist, diese der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich vielmehr nicht entgegenstehen. Hierin sind sich sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen, die den Kläger von Seiten des psy-chiatrischen Fachgebietes untersucht und begutachtet haben, einig, so namentlich der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. , die Ärztin für Psychiatrie und Psycho-therapie Dr. D. sowie der vom Kläger als Arzt seines Vertrauens benannte Facharzt für Psychiat-rie und Neurologie Prof. Dr. T. , der als langjähriger Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Kli-nik am Bürgerhospital Stuttgart über eine umfangreiche klinische Erfahrung verfügt.
Soweit der Kläger das Gutachten des Prof. Dr. T. , das auf seinen eigenen Antrag hin eingeholt worden ist, deshalb nicht für verwertbar erachtet, weil darin rassistische Vorurteile des Sachver-ständigen gegenüber Mittelmeervölkern zum Ausdruck kämen, trifft dies nicht zu. Der Sachver-ständige hat sich weder pauschal über andere Völker oder gar "Rassen" geäußert noch diese pau-schal diffamiert oder verurteilt. Insbesondere hat er diesen Personengruppen auch nicht ganz allgemein eine Simulations- oder Aggravationsneigung bescheinigt und daraus Schlussfolgerun-gen im Hinblick auf das Leistungsvermögen des Klägers abgeleitet. Dem Gutachten des Sach-verständigen ist vielmehr zu entnehmen, dass er sich intensiv mit dem Einzelfall des Klägers befasst hat, die aktenkundigen medizinischen Unterlagen ausgewertet und unter Berücksichti-gung der Angaben des Klägers, seines Verhaltens in der Untersuchungssituation und des von ihm selbst erhobenen Befundes zu seiner diagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes gelangt ist. Dabei hat er anschaulich deutlich gemacht, dass das vom Kläger gezeigte auffällige mitleiderweckende und unselbstständige Zustandsbild, nicht zwangsläufig die von den behan-delnden Ärzten gezogene Schlussfolgerung rechtfertigt, dass der Kläger keiner beruflichen Tä-tigkeit mehr gewachsen sei. Er hat in diesem Zusammenhang Ausführungen zum Ausdrucksver-halten von Personen gemacht, das bei den verschiedenen europäischen Völkern sich durchaus unterschiedlich darstelle. So sei ein Ausdrucksverhalten, das der Umgebung das ganze Ausmaß der eigenen Hilflosigkeit und des eigenen Elends vorführe, immer wieder bei Angehörigen von Mittelmehrvölkern zu beobachten, und zwar in viel ausgeprägterer Weise als dies bei mittel-, ost- oder westeuropäischen Völkern der Fall sei. Diese landsmannschaftliche Komponente müsse Berücksichtigung finden, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Im Rahmen seiner weiteren Ausführungen hat der Sachverständige darüber hinaus deutlich zum Ausdruck gebracht, dass mit der Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht die Annahme verbunden ist, dass der Kläger sein Leiden simuliere oder übertreibe, er vielmehr davon ausgehe, dass die äußere Darstellung des Klägers auf seinen eigenen Empfindungen und seinem eigenen Gefühl beruht. Gleichzeitig hat er für den Senat überzeugend aber auch deutlich gemacht, dass das beim Kläger vorzufindende auffällige, geradezu mitleiderweckend unselbständige Zustandsbild nicht irrtümlich auf Grund der eigenen Empfindungen und des eigenen Gefühls für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit herangezogen werden darf. Das Ausdrucksverhalten dokumentiert demnach zwar die persönliche Situation des Klägers, nicht aber gleichzeitig auch die Erwerbsfähigkeit und das Leistungsvermögen. Denn ungeachtet seiner Persönlichkeitsstruktur ist ein Mensch im Regelfall gleichwohl im Stande einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Im Übrigen hat der Sachverständige dargelegt, dass die angesprochenen Unterschiede im Aus-drucksverhalten auch Gegenstand empirischer Untersuchungen des Prof. Dr. T. in Zusammen-arbeit mit Dr. Schröder waren und insoweit auf eine Veröffentlichung "Ein psychogener Symp-tomkomplex bei südländischen Rentenbewerbern" in der Zeitschrift "Der medizinische Sachver-ständige" 1989, Seite 174 ff. hingewiesen.
Die Ausführungen des Sachverständigen machen sein Gutachten nach alledem somit nicht un-verwertbar. Im Übrigen wäre auch bei Nichtverwertung des Gutachtens eine dem Kläger günsti-ge Entscheidung nicht möglich. Denn auch die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. D. hat - ebenso wenig wie Dr. H. - eine rentenrelevant geminderte Leistungsfähigkeit be-schrieben.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren auf die vorgelegte Bescheinigung des Internisten Dr. B. vom 09.05.2011 bezogen hat, wonach "zweifelsfrei eine Demetia praecox und ein schwe-res dementielles Syndrom" bestehe, sieht der Senat hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Daher sind auch diesbezügliche Ermittlungen nicht veranlasst. Diese erstmals von einem Internisten fach-fremd behaupteten schwerwiegenden nervenärztlichen Diagnosen entbehren einer hinreichenden Grundlage. Auf die entsprechende Aufforderung, dem Senat mitzuteilen, welcher Facharzt diese Erkrankungen diagnostiziert hat, hat der Kläger zwar mehrere Arztbriefe vorgelegt, insbesondere auch solche der Dr. K. , jedoch finden sich hierin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass beim Klä-ger eine Schizophrenie oder eine Demenz diagnostiziert worden wäre oder solche Erkrankungen vorliegen könnten. Den Arztbriefen und auch dem sonstigen Akteninhalt sind weder Befunde zu entnehmen, die auf entsprechende Erkrankungen hindeuten würden noch enthalten diese eine entsprechende Diagnose. Dies gilt auch für den vom Kläger vorgelegten Entlassungsbericht des Krankenhauses Bietigheim.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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