L 10 R 571/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 5707/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 571/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.01.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1959 geborene Klägerin war nur kurz in ihrem Ausbildungsberuf als Arzthelferin und gar nicht in ihrem Umschulungsberuf zur Fachassistentin für Bürokommunikation tätig. Über die Jahre hinweg arbeitete sie als Springerin in einer Schuhfabrik, Kassiererin - unter anderem auch in einer "Spielothek" - sowie als Spülerin in einem Labor. Seit Mai 2007 liegt bei der Klägerin Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit vor. Wegen der rentenrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den Feststellungsbescheid vom 29.04.2009 (Bl. 247 VA) Bezug genommen.

Der Gesundheitszustand der Klägerin ist im Wesentlichen durch eine Pollenallergie sowie psychische Beschwerden beeinträchtigt. Am 26.02.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Sie verwies hierzu u.a. auf die für die Agentur für Arbeit F. durch die Vertragsärztin Dr. E. (Diagnosen: seelische Störung mit Ängsten und Depressionen sowie Neigung zur Panikstörung, vielfältige Allergien, zuletzt saisongebundene Nasenschleimhautentzündung, Venenleiden) und den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. D. (Diagnosen: emotionale Anpassungsstörung mit Reaktion mit Angst und Depression, allergische Polynosis mit starker Sensibilisierung gegen Gräser u.a.) zum Jahreswechsel 2007/2008 erstellten Gutachten. Die Gutachter gingen von einem halbschichtigen bzw. drei- bis unter sechsstündigen beruflichen Leistungsvermögen aus.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2009 ab. Die Klägerin könne trotz einer saisonalen allergischen Rhinitis, einem saisonalen allergischen Asthma bronchiale, einer Unterschenkelvarikosis links, einer somatoformen Störung, einer Anpassungsstörung, Panikattacken sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, ohne erhöhte Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und an soziale Kompetenzen, ohne übermäßigen Zeitdruck, ohne Gefährdung durch inhalative Belastungen durch atemwegsreizende Gase, Dämpfe, Stäube und dergleichen mindestens sechs Stunden täglichen verrichten. Dem lagen die Gutachten des Internisten Dr. C. und der Ärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Psych. B. mit entsprechender Leistungsbeurteilung zu Grunde. Dr. C. hatte darauf hingewiesen, bei der Therapie der Polyallergie eine gewisse Stetigkeit zu vermissen. Der ständige Wechsel zwischen verschiedenen Substanzen wegen Wirkungslosigkeit bzw. unerträglicher Nebenwirkungen überzeuge ebenso wenig, wie dass die Klägerin bei allgegenwärtigem Pollenflug ihre Wohnung nicht verlassen könne. Der von der Klägerin mittels Vorlage von Fotografien (Bl. 101 VA) dargestellte Gebrauch von Brille, Mund- und Nasenschutz sowie Handschuhen entferne sich vom somatisch Nachvollziehbaren. Die Ärztin für Nervenheilkunde B. hatte beschrieben, dass die Klägerin sehr zu dramatischen Darstellungen und drastischen, teilweise auch generalisierenden Formulierungen neige.

Deswegen hat die Klägerin am 12.11.2009 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat u.a. die behandelnde Dipl.-Psych. M. und den behandelnden Arzt für Innere Medizin M. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dipl.-Psych. M. hat die Klägerin angesichts einer aus ihrer Sicht vorliegenden andauernden Persönlichkeitsstörung nach einer posttraumatischen Belastungsstörung auf Grund multipler Traumen, die zur sozialer Isolation, verminderten Interessen und Vernachlässigung von Beschäftigungen sowie insbesondere zu ständigen Beschwerden über das Kranksein führe, für nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt integrierbar gehalten. Dr. M. hat im Juni 2010 ausgeführt, die Klägerin habe sei dem Jahr 2008 keine wesentlichen Erkrankungen durchgemacht. Es habe sich um eine normale hausärztliche Behandlung bei einem im Vordergrund stehenden depressiven Leiden gehandelt. Die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten vollzeitig ausüben.

Ferner hat das Sozialgericht das Gutachten des Leiters der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Universitätsklinikum F. Prof. Dr. E. eingeholt. Er hat nach Untersuchungen der Klägerin am 10. und 13.09.2010 bei dieser eine rezidivierende depressive Störung (in Kombination mit rezidivierenden kurzen depressiven Episoden), eine Panikstörung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Soweit die Klägerin Belastungen durch die allergischen Erkrankungen schildere, handle es sich um keine psychische Störung im eigentlichen Sinne. Die tatsächlich vorhandenen Ausfälle müssten durch das entsprechende internistische Fachgebiet beurteilt werden. Unter Berücksichtigung der Angaben zu den allergischen Erkrankungen und zum Asthma hat er leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und im Freien sowie ohne Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen für möglich erachtet. Zu vermeiden seien außerdem mittelschwierige Tätigkeiten geistiger Art, Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr sowie mit besonderer nervlicher Beanspruchung. Diese Tätigkeiten seien seitens des psychiatrischen Fachgebiets noch mindestens sechs Stunden möglich. In Zeiten schwerer depressiver Episoden, die jedoch behandelbar seien, könnte theoretisch auch immer wieder Arbeitsunfähigkeit auftreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.01.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich von den von Prof. Dr. E. gestellten Diagnosen und von dessen Leistungseinschätzung überzeugt gezeigt. Bei der Möglichkeit, eine leichte Tätigkeit tagsüber in geschlossenen Räumen und ohne vermehrten Publikumsverkehr bzw. besonderer nervlicher Anspannung durchzuführen, stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Vielzahl von Tätigkeiten offen. Unerheblich sei, dass vorübergehende krankheitsbedingte Fehlzeiten auftreten könnten, denn für einen Anspruch auf die Gewährung einer Rente müsse eine Leistungseinschränkung auf nicht absehbare Zeit gegeben sein. Es sei auch weder dargetan noch ersichtlich, dass bei der Klägerin in einem außergewöhnlichen Maß mit Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu rechnen sei. Zudem habe Prof. Dr. E. ausdrücklich auf die Behandelbarkeit der depressiven Episoden hingewiesen. Soweit Prof. Dr. E. keine Aussage zum zeitlichen Leistungsvermögen hinsichtlich der allergischen Erkrankungen gemacht habe, habe er dennoch erklärt, dass er die Einholung zusätzlicher Gutachten auf einem weiteren Fachgebiet nicht für erforderlich halte. Zudem habe Dr. M. angegeben, die Klägerin habe seit dem Jahr 2008 keine wesentlichen Erkrankungen durchgemacht.

Gegen den ihr am 26.01.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.02.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht hätte die tatsächlich vorhandenen Ausfälle auf dem internistischen Fachgebiet noch klären müssen. Sie leide nahezu ganzjährig unter allergischen Reaktionen. Die vom Sozialgericht herangezogenen schriftlichen Angaben der behandelnden Ärzte seien nicht ausreichend. Dr. E. habe eine mehr als 4-stündige Tätigkeit nicht für möglich erachtet. Dies habe das Sozialgericht nicht berücksichtigt. Da zu der allergischen Reaktion die depressive Verstimmung hinzukomme, die es ihr unmöglich mache, Publikumsverkehr auszuhalten, sei ihr eine Arbeitstätigkeit von sechs Stunden nicht zumutbar. Angesichts der zu erwartenden häufigen Fehlzeiten sei eine Arbeitsstelle für sie nicht vorhanden. Die Klägerin hat das Attest des Augenarztes Sch. vom Juni 2011 vorgelegt. Darin hat dieser eine laufende Behandlung wegen rezidivierender allergischer Konjunktivitis bestätigt und ausgeführt, eine deutliche allergische Reizung der Lider und der Bindehäute habe unter antiallergischer Therapie mit Tropfen gebessert werden können.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 04.02.2011, sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.01.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat den HNO-Facharzt Dr. K. , den Augenarzt Sch. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. K. hat mitgeteilt, die Klägerin zuletzt im Jahr 2007 behandelt zu haben. Soweit aus seinen Unterlagen ersichtlich, sei der Klägerin eine sechsstündige Tätigkeit möglich. Augenarzt Sch. hat im Juni 2011 von zwei Vorsprachen der Klägerin im Jahr 2008 und 2011 berichtet und ebenfalls keine Bedenken gegen eine sechsstündige Tätigkeit gesehen. Dr. M. hat mitgeteilt, der Zustand der Klägerin habe sich seit seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht nicht verändert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ausweislich des von der rechtskundig vertretenen Klägerin schriftsätzlich sowohl im erstinstanzlichen als auch im zweitinstanzlichen Verfahren gestellten Antrags (ausschließlich) die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nicht Gegenstand der Beurteilung des Senats ist damit ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Soweit das Sozialgericht gleichwohl in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides hierzu Ausführungen gemacht hat, gehen diese am eigentlichen Streitgegenstand vorbei. Auch das Sozialgericht hat ausweislich des im Tatbestand des Gerichtsbescheides wiedergegebenen Antrages allein über einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung entscheiden.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen (ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten ohne Witterungseinflüsse, Staub, Gasen oder Dämpfen, ohne mittelschwierige Tätigkeiten geistiger Art, ohne Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr sowie besonderer nervlicher Anspannung) noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Wie das Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im Wesentlichen durch die psychischen Beschwerden, die Prof. Dr. E. überzeugend als rezidivierende depressive Störung (in Kombination mit rezidivierenden kurzen depressiven Episoden), Panikstörung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert hat, eingeschränkt wird. Diesen Gesundheitsstörungen wird jedoch mit den dargestellten qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende quantitative Einschränkung auf unter sechsstündige Tätigkeiten liegt - so überzeugend Prof. Dr. E. - nicht vor. Denn dazu fehlen - wie vom Sozialgericht gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. E. bereits ausgeführt - ein Energieverlust und eine ausgeprägte Verlangsamung im Rahmen einer Antriebshemmung. Dazu ist insbesondere zu bemerken, dass Prof. Dr. E. zum Zeitpunkt seiner Untersuchung - entsprechend der Selbsteinschätzung der Klägerin - nur Restsymptome der depressiven Störung hat feststellen können (u.a. eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit, deprimiert ausgelenkter Affekt, Bl. 57, 61 SG-Akte). Soweit Prof. Dr. E. darauf hingewiesen hat, dass hinsichtlich der depressiven Störung auch immer wieder schwerere depressive Episoden auftreten können, hat er dies zutreffend der Frage des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn zugeordnet. Das Sozialgericht hat hierzu zu Recht ausgeführt, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer (rentenrechtlichen) Erwerbsminderung auf einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten abzustellen ist. Es wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich, dass seit der Rentenantragstellung bei der Klägerin ein Zustand mit einer schweren depressiven Episode für mehr als sechs Monate andauerte. Dagegen spricht die Zeugenaussage der Dipl.-Psych. M. , die die Klägerin zuletzt im Jahr 2007 über einen längeren Zeitraum hinweg behandelte. Soweit sie im Hinblick auf eine einmalige Untersuchung der Klägerin im März 2010, die, wie sich aus ihrer Zeugenaussage ergibt, anlässlich der Klage vor dem Sozialgericht erfolgte, eine Verschlimmerung der Beschwerden angenommen und eine nicht mehr gegebene Integrationsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt gesehen hat, ist dies durch das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. E. gerade nicht bestätigt worden. Soweit die Klägerin im Übrigen zur Begründung der Berufung vorgetragen hat, angesichts häufig wiederkehrender Arbeitsunfähigkeitszeit, sei von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen, da sie in diesem Zustand keinen Arbeitsplatz finden könne, kann der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. E. nicht entnehmen, dass mit derart massiv gehäuften Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen wäre. Dem stehen auch die Zeugenaussagen der Dipl.-Psych. M. sowie des Dr. M. entgegen. Eine langfristige engmaschige psychiatrische bzw. psychologische Behandlung fand/findet danach nicht statt.

Soweit Prof. Dr. E. auf Grund der Panikstörung nur die Notwendigkeit qualitativer Einschränkungen zur Vermeidung der Gefahr der Auslösung von Panikattacken gesehen hat, ist dies für den Senat überzeugend. Schließlich hat die Klägerin gegenüber Prof. Dr. E. angegeben, schon seit der Kindheit unter diesen Angstzuständen zu leiden. Die Klägerin hat sich somit über Jahre hinweg in der Lage gezeigt, trotz dieser Angstzustände einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die posttraumatische Belastungsstörung, die u.a. auf einen von der Klägerin während ihrer Tätigkeit bei der Spielothek erlebten Überfall zurückgeht, hat - so Prof. Dr. E. - an Intensität verloren und tritt nur noch manchmal auf. Damit kommen ihr - so wiederum Prof. Dr. E. - in sozialmedizinischer Hinsicht keine (weitergehenden) relevanten Auswirkungen zu.

Soweit Dr. D. in psychiatrischer Hinsicht nur noch ein halbschichtiges Leistungsvermögen nahm, beruhte diese Einschätzung auf einer Untersuchung im November 2007, die vom Zeitpunkt her angesichts eines erst im Februar 2009 gestellten Rentenantrags von untergeordneter Bedeutung ist. Es mag sein, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der damaligen gutachtlichen Untersuchung, so wie von Prof. Dr. E. als möglich erachtet, vorübergehend unter einer schwereren Ausprägung der depressiven Episode litt. Dafür spricht die damals durch die Dipl.-Psych. M. erfolgte längere Behandlung (siehe oben). Der Senat geht jedoch davon aus, dass es sich dabei aber um keinen dauerhaften Zustand handelte, denn bei der nachfolgenden Begutachtung durch die Ärztin für Nervenheilkunde B. im Juli 2009 zeigten sich die im nervenärztlichen Gutachten von Dr. D. beschriebenen Hinweise auf eine Depression nicht mehr.

Somit ergibt sich hinsichtlich der psychiatrischen Gesundheitsstörungen - selbst wenn die genauere diagnostische Zuordnung, wie Prof. Dr. E. dargestellt hat, angesichts der von den Vorgutachtern anderweitig gestellten Diagnosen offen gelassen würde - keine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung. Dies hat die Klägerin letztlich auch gar nicht mehr behauptet. Denn sie hat ihre Berufung mit Ausnahme ihres Vorbringens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarkts angesichts zu erwartender Fehlzeiten (dazu s.o.) nicht mit den Folgen ihrer psychischen Beschwerden, sondern mit den Folgen der ihrem Vorbringen nach nahezu ganzjährig bestehenden allergischen Reaktionen begründet.

Diesbezüglich ist der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. C. davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine saisonale allergische Rhinitis und ein saisonales allergisches Asthma bronchiale vorliegen. Den sachverständigen Zeugenaussagen des HNO-Facharztes Dr. K. und des Augenarztes Sch. entnimmt der Senat, dass dahinter eine Allergie gegen Gräser, Getreide, Birke, Erle, Hasel, Buche und Kräuter steht, ferner dass die Klägerin auch an einer rezidivierenden allergischen Konjunktivitis leidet.

Die damit verbundenen tatsächlichen Ausfälle - und nur im Hinblick darauf hat Prof. Dr. E. auf eine Bewertung seitens des internistischen Fachgebiets verwiesen - liegen zur Überzeugung des Senats nicht in dem von der Klägerin behaupteten Ausmaß vor. Der Senat schließt aus, dass es der Klägerin objektiv nahezu ganzjährig unmöglich ist, das Haus zu verlassen. Ebenso schließt der Senat aus, dass sich die Klägerin objektiv gesehen im Haus nur mit Brille und Atemschutz (s. u.a. Bl. 35 SG-Akte) aufhalten kann. Der Senat stützt sich dabei auf das Gutachten des Dr. C. sowie die sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. M. , Dr. K. und Augenarzt Sch ... Dr. M. hat gegenüber dem Sozialgericht von einer normalen hausärztlichen Behandlung ohne wesentliche Erkrankungen berichtet und gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt, dass sich an diesem Zustand bis August 2011 nichts geändert hat. Dr. K. hat anhand der ihm noch vorliegenden Unterlagen betreffend die Behandlung bis in das Jahr 2007 aus Sicht des HNO-Fachgebiets ebenfalls keine zeitliche Leistungseinschränkung gesehen. Der Augenarzt Sch. , bei dem die Klägerin in den vergangenen Jahren nur zwei Mal in Behandlung gestanden hat, hat - wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest ergibt - eine allergische Konjunktivitis durch Verordnung entsprechender Tropfen erfolgreich behandeln können. Die Beschwerdeschilderungen der Klägerin sind damit nicht in Einklang zu bringen.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat die von der Klägerin geschilderten gravierenden Beschwerden gestützt auf das Gutachten der Nervenärztin B. vielmehr als Ausdruck ihrer Neigung zu dramatischen Darstellungen und drastischen, teilweise auch nur generalisierenden Formulierungen. Die Schilderungen der Klägerin können damit nicht die Grundlage für die Feststellung tatsächlich bestehender allergischer Reaktionen sein. Überzeugend führte Dr. C. zu den von der Klägerin vorgelegten Fotografien (Bl. 101 VA, s. auch Bl. 35-37 SG-Akte) aus, dass sich das Vorbringen der Klägerin vom somatisch Nachvollziehbaren entfernt. Die Nervenärztin B. sah das Beschwerdevorbringen der Klägerin im Übrigen überzeugend dadurch relativiert, dass die Klägerin letztlich nicht behauptete, gar nicht das Haus zu verlassen, da sie beispielsweise einkaufen geht und selbst mit dem Auto zur Begutachtung gefahren ist - und dies auch einräumte. Wie die Nervenärztin B. kann auch der Senat durchaus nachvollziehen, dass die Klägerin zur Pollenflugzeit unnötige Aufenthalte im Freien vermeidet. Das darüber hinausgehende von der Klägerin behauptete Ausmaß (s.o.) der allergischen Reaktionen ist von internistischer bzw. hno- bzw. augenfachärztlicher Seite jedoch nicht objektiviert. Den sachverständigen Zeugenaussagen lassen sich nicht einmal im Ansatz objektive Hinweise auf derart gravierende Auswirkungen der Allergien entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist - zumal Dr. C. bereits ein internistisches Gutachten erstellte - eine weitere Ermittlung durch Einholung eines Gutachtens nicht veranlasst.

Für maßgeblich erachtet der Senat vielmehr auch hier das psychiatrische Fachgebiet. Denn Prof. Dr. E. hat Hinblick auf das Beschwerdevorbringen der Klägerin zu seinem Fachgebiet - wie schon die Nervenärztin B. - durchaus eine Verbindung gesehen. Er hat hinsichtlich der von der Klägerin geschilderten Belastungen durch die allergischen Erkrankungen zwar keine psychische Störung im eigentlichen Sinne angenommen, diese "Phänomene" - soweit über tatsächlich vorhandene Ausfälle hinausgehend - aber durch die Kombination aus der Angststörung und der depressiven Störung erklärt gesehen und berücksichtigt. Damit betrifft die von Prof. Dr. E. vorgenommene Leistungseinschätzung auch die von der Klägerin behaupteten, jedoch zur Überzeugung des Senats nicht objektiv durch die allergische Disposition erklärbaren, Einschränkungen.

Soweit die Klägerin zur weiteren Berufungsbegründung auf das ärztliche Gutachten von Dr. E. hinweist, lag diesem Gutachten die Leistungseinschätzung von Dr. D. zu Grunde, die vom Senat nicht für maßgeblich erachtet wird (s.o.).

Ferner kann der Senat aus der Kombination der allergischen Reaktion und dem Ausschluss von Publikumsverkehr auf Grund der depressiven Erkrankung der Klägerin entgegen deren Berufungsvorbringen nicht schließen, dass ihr eine Arbeitstätigkeit von sechs Stunden nicht mehr zumutbar wäre. Hinsichtlich des Ausschlusses von Publikumsverkehr sind vielmehr eine Vielzahl von Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden in geschlossenen Räumen, in denen objektiv nicht mit allergischen Reaktionen zu rechnen ist, denkbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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