Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 115/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1178/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. November 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 als Beihilfe.
Die 1987 geborene Klägerin zu 1) und der 1981 geborene Kläger zu 2) sind jedenfalls seit April 2006 verheiratet und beziehen vom Beklagten seit dem 2. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II). Am 4. Mai 2007 wurde die gemeinsame Tochter B. geboren (Klägerin zu 3).
Am 8. Januar 2008 erlangte der Beklagte im Rahmen eines Datenabgleichs für das dritte Quartal 2007 Kenntnis davon, dass der Kläger zu 2) Kapitalerträge in Höhe von 654,00 EUR erzielt hatte. Auf eine entsprechende Nachfrage des Beklagten hin legte der Kläger zu 2) einen Sparkassenkapitalbrief über 16.000,00 EUR mit Fälligkeitsdatum 12. November 2007 vor, sowie eine Abtretungserklärung über diesen Sparkassenkapitalbrief. Aus dieser ging hervor, dass zum Zeitpunkt der Abtretung am 24. Mai 2007 der bisherige Gläubiger der Kläger zu 2) war und die Abtretung unentgeltlich zugunsten des Herrn M.-M. M., dem Halbbruder des Klägers zu 2) erfolgt ist. Ausweislich eines vorgelegten Kontoauszugs der Kreissparkasse E.-N. vom 13. November 2007 ist am 12. November 2007 die Gutschrift des Sparkassenbriefs in Höhe von 16.000 EUR auf das Konto des Halbbruders erfolgt. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur beabsichtigten Aufhebung von Alg II teilte der Bevollmächtigte des Klägers zu 2) mit, dieser habe zum damaligen Zeitpunkt Verbindlichkeiten gegenüber seiner Mutter in Höhe von über 20.000 EUR gehabt. So habe die Mutter Honorar für einen Strafverteidiger des Klägers zu 2) in Höhe von 8.000 EUR bezahlen müssen und ihm während einer Untersuchungshaft für mehrere Monate Taschengeld in Höhe von mindestens 1.000 EUR überwiesen. Auch habe sie während der Zeit seines Aufenthalts in B. in den Jahren 2002 bis 2006 das Hausgeld für seine Eigentumswohnung sowie die Kosten für die Krankenversicherung bezahlt und habe ihm Taschengeld nach B. zukommen lassen. Zwischen der Mutter und dem Kläger zu 2) habe hinsichtlich aller genannten Beträge ein Darlehensvertrag in mündlicher Form bestanden. Der Kläger zu 2) habe sich verpflichtet, bei Fälligkeit im November 2007 den Forderungsbetrag aus dem Sparbrief an seine Mutter zu übergeben. Eine schriftliche Vereinbarung sei allerdings niemals erfolgt. Da es gegenüber dem Halbbruder des Klägers zu 2) unverantwortlich gewesen wäre, dem älteren Bruder, immerhin Eigentümer einer Eigentumswohnung, einen Betrag von über 20.000,00 EUR zu schenken, habe die Mutter den Kläger zu 2) veranlasst, die Forderung aus seinem Sparbrief auf den Halbbruder zu übertragen.
Der Beklagte verfügte daraufhin mit getrennten Bescheiden vom 13. März 2008 die Aufhebung und Erstattung des im Zeitraum vom 2. April 2007 bis 29. Februar 2008 geleisteten Alg II gegenüber den Klägern. Nach erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger hiergegen am 17. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 20 AS 6991/08 und S 20 AS 6992/08). In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) am 30. November 2010 schlossen die Kläger mit dem Beklagten auf Vorschlag des Gerichts in beiden Verfahren einen Vergleich, in welchem der Umfang der Aufhebung und Erstattung in den streitgegenständlichen Bescheiden geringfügig reduziert wurde und die Beteiligten im Übrigen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten.
Bereits am 26. März 2008 stellten die Kläger einen Antrag auf Fortzahlung von Alg II beim Beklagten. Auf Grundlage der am 26. März 2008 von den Klägern zu 1) und 2) unterzeichneten Darlehensbedingungen, wonach die Hilfegewährung in der Rechtsform eines Darlehens erfolge, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. Mai 2008 für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 Alg II, in Höhe von monatlich 816,43 EUR bzw. ab 1. Juli 2008 827,43 EUR als "Vorschuss" gemäß § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Bewilligung auf Grundlage der Darlehensvereinbarung bis zur Geltendmachung der Rückübertragungsansprüche erfolge. Am 25. August 2008 stellten die Kläger wiederum einen Antrag auf Fortzahlung von Alg II. Noch vor der Bewilligungsentscheidung verfügte der Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2008 eine Absenkung des Alg II des Klägers in Höhe von 94,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009. Nachdem die Kläger am 4. Dezember 2008 die vom Beklagten vorgegebenen Darlehensbedingungen für eine darlehensweise Hilfegewährung unterzeichnet hatten, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 2008 den Klägern für die Zeit vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 vorläufig Leistungen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von monatlich 827,43 EUR. Am 2. März 2008 unterschrieb der Kläger zu 2) erneut gleichlautende Darlehensbedingungen, auf deren Grundlage der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 16. März 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. Juni 2009 für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 30. Juni 2009 monatlich 817,43 EUR und für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 31. August 2009 monatlich 835,43 EUR bewilligte. Mit Schriftsatz vom 16. September 2009, eingegangen beim Beklagten am 17. September 2009 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 1. April 2008 sowie der folgenden Bescheide und der dort jeweils ausgesprochenen darlehensweisen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger verfügten ab dem 1. März 2008 mit Ausnahme der selbstgenutzten Wohnung über kein Vermögen. Der Sparkassenkapitalbrief sei am 24. Mai 2007 an den Halbbruder des Klägers zu 2) abgetreten worden. Wie sich aus dem im Verfahren S 20 AS 6992/08 vor dem SG vorgelegten Kontoauszug vom 13. November 2007 ergäbe, sei die Forderung aus dem Sparkassenkapitalbrief in Höhe von 16.000,00 EUR mit Fälligkeit am 12. November 2007 dem Halbbruder gutgeschrieben worden. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2009 lehnte der Beklagte eine Rücknahme der Bescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden seien. Den hiergegen am 19. Oktober 2009 eingelegten Widerspruch begründete der Bevollmächtigte der Kläger ergänzend damit, im Dezember 2007 habe der Halbbruder des Klägers zu 2) das Guthaben aus dem Sparbrief an die gemeinsame Mutter übertragen. Diese habe im Januar 2008 in B. für die Kläger zu 1) und 2) ein Hochzeitsfest für 110 Gäste sowie eine Tauffeier für die Klägerin zu 3) mit 30 Gästen ausgerichtet. Ferner habe sie dem Kläger zu 2) im Jahr 2008 ein Fernsehgerät für 900,00 EUR gekauft und ihm im Zusammenhang mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis die erforderliche medizinisch-psychologische Begutachtung bezahlt. Außerdem habe sie der Klägerin zu 1) einen PKW im Wert von 1.800,00 EUR gekauft.
Mit zwei getrennten Bescheiden vom 21. Oktober 2009 hob der Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Kläger für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Juli 2009 teilweise in Höhe von 511,31 EUR (Kläger zu 2) und 3)) bzw. in Höhe von 337,17 EUR (Klägerin zu 1)) wegen erzieltem Erwerbseinkommen auf und machte die Erstattung dieser Beträge geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 wies der Beklagte dann den Widerspruch vom 19. Oktober 2009 als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht erfüllt seien.
Hiergegen haben die Kläger am 7. Januar 2010 Klage zum SG erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2010 haben die Kläger klargestellt, dass sich der Überprüfungsantrag auf den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 bezieht. Das SG hat die Klage mit Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2010 abgewiesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum stünden den Klägern kein Anspruch auf die Bewilligung von Alg II als Beihilfe zu; die Bescheide über die darlehensweise Bewilligung erwiesen sich als rechtmäßig. Die Kläger seien nicht hilfebedürftig, da sie ihren Bedarf aus dem zu berücksichtigenden Vermögen im streitgegenständlichen Zeitraum hätten sichern können. Als Vermögen sei hier der Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB gegen den Halbbruder des Klägers zu 2) in Höhe von 16.000 EUR zu berücksichtigen. Die Abtretung des Sparkassenkapitalbriefs in dieser Höhe sei in Vollziehung eines Schenkungsversprechens zwischen dem Kläger zu 2) und seinem Halbbruder erfolgt. Das Vorbringen der Kläger, dass durch die Abtretung an den Halbbruder eine gegenüber der Mutter bestehende Darlehensschuld durch Leistungen an einen Dritten gemäß § 362 Abs. 2 BGB erfüllt werden habe sollen, überzeuge das Gericht nicht. Die Kläger hätten über die bloße Behauptung einer solchen Darlehensschuld weder Anhaltspunkte dafür vorgetragen noch Unterlagen dafür vorgelegt. Ein solcher Darlehensvertrag sei auch nicht wahrscheinlich, da die Mutter des Klägers zu 2) dem Vortrag der Kläger zufolge einen wesentlichen Teil dieser Summe wieder für die Klägerin zu 1) sowie den Kläger zu 2) aufgewandt haben will. Der Rückforderungsanspruch sei auch durchsetzbar. Die Kläger hätten weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass der beschenkte Halbbruder mit Recht die Einrede des Wegfalls der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB oder den Ausschluss des Rückforderungsanspruchs nach § 529 BGB geltend gemacht hätte oder hätte geltend machen können. Der Verwertbarkeit des Rückforderungsanspruchs stünden auch keine Erwägungen des Vertrauensschutzes entgegen. Die Kläger seien von Anfang an ausdrücklich (so mit Bescheid vom 1. April 2008 und in den jeweiligen Darlehensbedingungen) darauf hingewiesen worden, den Rückforderungsanspruch gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Den Klägern sei damit richtigerweise nur darlehensweise Leistungen bewilligt worden.
Die am 4. März 2011 eingelegte Berufung der Kläger gegen das ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnis am 2. März 2004 zugestellte Urteil des SG wird im Wesentlichen auf das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren gestützt. Ergänzend wird vorgetragen, der Kläger zu 2) sei aufgrund des vorliegenden Sachverhalts wegen Betrugs durch das Amtsgericht Nürtingen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Das Amtsgericht habe dabei festgestellt, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 2. April 2007 bis 30. September 2007 Leistungen im Wert von 5.800,00 EUR erhalten habe, auf die er keinen Anspruch habe. Bereits im Ermittlungsverfahren habe der Kläger zu 2) den Vorwurf eingestanden. Die Kläger hätten am 9. Juli 2009 vor dem SG einen Vergleich bezüglich der Erstattungsforderungen geschlossen und mittlerweile 7.500,00 EUR an den Beklagten erstattet. Der Beklagte habe sich in diesem Vergleich, den er allerdings später widerrufen habe, zugleich verpflichtet, die ab 1. März 2008 erbrachten Leistungen als Beihilfe zu erbringen. Zum Vermögen des Klägers zu 2) habe der Rückforderungsanspruch gegen seinen Halbbruder gehört. Nach Abzug der Freibeträge hätte demnach ein Betrag von 6.750,00 EUR zur Verfügung gestanden. Dem sei aber ein Erstattungsanspruch des Beklagten in Höhe von insgesamt 9.000,00 EUR gegenübergestanden. Zugleich hat der Bevollmächtigte der Kläger einen Strafbefehl des Amtsgerichts Nürtingen vom 01. Februar 2011 sowie ein auf Einspruch des Klägers zu 2) ergangenes Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 30. März 2010, in welchem der Kläger zu 2) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen Betrugs verurteilt wurde, vorgelegt.
Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 sowie Abänderung der Bescheide vom 21. Oktober 2009 zu verurteilen, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 Alg II für die Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 in gesetzlicher Höhe als Beihilfe zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 25. Oktober 2011 hat eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Streitgegenstands stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 25. Oktober 2011 verwiesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Band), die Klageakte des SG (S 20 AS 115/10) sowie die weiteren Klageakten des SG in den Verfahren S 20 AS 6991/08 und 6992/08 und auf die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 1178/11), die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2011 geworden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger bleibt ohne Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Kläger ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
1. Berufungskläger sind die Kläger zu 1) und 2) sowie die Klägerin zu 3). Zwar ist die Klägerin zu 3) vom SG nicht in dem angefochtenen Rubrum aufgenommen worden; sie hätte jedoch unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung berücksichtigt werden müssen. Aus dem gesamten Vorbringen der beiden Kläger zu 1) und zu 2), die als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Klägerin zu 3) berechtigt sind, diese prozessual zu vertreten und deren Rechte geltend zu machen, ist zu schließen, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im Berufungsverfahren auch die Ansprüche ihres Kindes auf Umwandlung der darlehensweise bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen verlorenen Zuschuss verfolgen. Mithin war die Klägerin zu 3) in das Rubrum aufzunehmen.
Gegenstand des Klageverfahrens ist die Entscheidung des Beklagten im Bescheid vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009, mit der die Rücknahme der bestandskräftigen Entscheidungen über die nur darlehensweise Bewilligung von Alg II abgelehnt wurde. Die Kläger begehren die Aufhebung der die Rücknahme ablehnenden Entscheidung, die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der bestandskräftigen Entscheidungen über die nur darlehensweise Gewährung ab 1. März 2008 und die Verurteilung des Beklagten zur zuschussweisen Leistungsgewährung für die Zeit vom 1. März 2008 bis einschließlich 30. Juni 2009. Dieses Begehren ist in Kombination von Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG - vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - Juris Rdnr. 17). Streitgegenständlich sind demnach die Bewilligungsbescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009; gem. § 86 SGG sind daneben die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 21. Oktober 2009, soweit darin die darlehensweise Bewilligung von Alg II für Juni 2009 teilweise aufgehoben wurde, in den Rechtsstreit miteinbezogen. 2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen, maßgeblichen Bewilligungsbescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009, da diese rechtmäßig sind, soweit der Beklagte darin eine zuschussweise Gewährung abgelehnt hat. Nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Mit den Bewilligungsbescheiden vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 hat der Beklagte den Klägern Alg II nur darlehensweise bewilligt. Dies ergibt sich zumindest durch die Bezugnahme in den einzelnen Bescheiden auf die so genannten "Darlehensbedingungen". Soweit darüber hinaus die Leistungsgewährung "als Vorschuss" (Bescheid vom 1. April 2008) bzw. "vorläufig" (Bescheid vom 3. Dezember 2008 und vom 16. März 2009) verfügt wurde, erscheint dies in Hinblick auf die ohnedies nur darlehensweise Gewährung überflüssig. Es ergibt sich hieraus indes keine zusätzliche Belastung der Kläger. Denn bereits durch die nur darlehensweise Gewährung stand die grundsätzliche Verpflichtung der Kläger zur Zurückerstattung der erhaltenen Leistungen fest.
b) Zu Recht hat der Beklagte den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen verlorenen Zuschuss abgelehnt. Dem Klägerbegehren steht zwar die Neuregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850 ff.) nicht entgegen: zum einen findet die Neufassung, wonach, anstelle des Zeitraums von vier Jahren in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ein Zeitraum von einem Jahr tritt, gemäß der Übergangsvorschrift in § 77 Abs. 13 SGB II keine Anwendung auf Anträge nach § 44 SGB X, die vor dem 1. April 2011 gestellt worden sind. Zum anderen wäre die Frist im Übrigen auch noch gewahrt. Die Voraussetzungen für eine Gewährung als Beihilfe lagen aber im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor:
aa) Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) haben im streitgegenständlichen Zeitraum als Ehepaar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II gebildet. Zur Bedarfsgemeinschaft hat auch die Klägerin zu 3) nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehört, da sie dem Haushalt ihrer Eltern angehört hat und als minderjähriges Kind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen - auch unter Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen - und Vermögen hat beschaffen können. Neben dem Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR mtl. hat sie über kein weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt. Die Klägerin zu 1) sowie der Kläger zu 2) sind leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt (Nr. 1). Sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt (Nr. 4) und sind erwerbsfähig gewesen (Nr. 2). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit vor, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hätte hindern können. Der Anspruch auf Alg II setzt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II darüber hinaus die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten voraus. Hilfebedürftig war nach § 9 Abs. 1 SGB II i.d.F. bis zum 31. Dezember 2010, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern konnte. Gemäß § 9 Abs. 4 SGB II ist auch derjenige hilfebedürftig, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigende Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. In diesem Fall waren gemäß § 23 Abs. 5 SGB II i.d.F. bis zum 31. Dezember 2010 Leistungen als Darlehen zu erbringen.
bb) Weder die Klägerin zu 1) noch der Kläger zu 2) noch ihr gemeinsames Kind, die Klägerin zu 3) waren in der Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, da sie ihren Bedarf von insgesamt 816,43 EUR (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. 827,43 EUR (1. Juli 2008 bis 28. Februar 2009) bzw. 817,43 EUR (1. März bis 31. Mai 2009) bzw. 56,40 EUR (Juni 2009, infolge in diesem Monat bezogenen Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1)) jeweils aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern konnten. Die Höhe der jeweiligen Bedarfe ist von den Klägern nicht beanstandet worden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bedarfsermittlung sind nicht ersichtlich. Dieser Bedarf wird indes im Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 durch zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 6.600 EUR (1. März 2008 bis 31. Juli 2008) bzw. 6.550 EUR (1. August 2008 bis 31. Januar 2009) bzw. 6.400 EUR (1. Februar 2009 bis 30. Juni 2009) gedeckt.
(cc) Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Hierzu können neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen gehören. Der Berücksichtigung von Forderungen als Vermögen i.S.v. § 12 SGB II steht nicht entgegen, dass weitere Verwertungshandlungen "zwischengeschaltet" werden müssen, um einen tatsächlichen Zufluss der Forderung als Einnahme in Geld oder Geldeswert und damit als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu erreichen (vgl. BSG vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - juris Rn 14 f.). Daher können auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte, die als Vollrecht begründet sind, Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 SGB II sein, die im Falle ihrer Verwertbarkeit zur Existenzsicherung einzusetzen sind (BSG a.a.O.).
(1) Um eine solche Forderung handelt es sich bei dem Herausgabeanspruch des Klägers zu 2) gegenüber seinem Halbbruder, gerichtet auf den aus der Gutschrift des Kapitalbriefs erlangten Betrag. Der Kläger zu 2) war zum 24. Mai 2007 - insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - Forderungsinhaber der im Sparkassenkapitalbrief Kto.-Nr. verbrieften Forderung gegen die Kreissparkasse E.-N. mit Fälligkeitsdatum 12. November 2007 über 16.000 EUR. Anstelle dieser auf Rückzahlung von 16.000 EUR gerichtete Forderung ist infolge der Abtretung und späteren Auszahlung an den Halbbruder als S. ein Herausgabeanspruch gegen diesen getreten. Das SG ist dabei davon ausgegangen, dass dem Kläger zu 2) ein Schenkungsrückforderungsanspruch gem. §528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zukomme. Ob es sich bei einem Schenkungsrückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB - also einer Forderung – überhaupt um Vermögen i.S.v. § 12 SGB II oder doch viel eher um Einkommen i.S.v. § 11 SGB II handelt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Während das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz entschieden hat, dass der Schenkungsrückforderungsanspruch bei einem wiederkehrenden Bedarf des Schenkers nicht als Vermögen, sondern als Einkommen zu betrachten sei (BVerwG vom 25.06.1992 - 5 C 37/88 = BVerwGE 90, 245 - Juris Rdnr. 13 f.), konnte das BSG diese Frage bislang offen lassen (so BSG vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R - Juris Rn 13).
Auch im vorliegenden Fall bedarf diese Frage keiner Klärung. Eine Schenkung - als vom SG angenommener Rechtsgrund für die unentgeltliche Übertragung der Forderung aus dem Kapitalbrief an den Halbbruder - wurde von den Klägern schon nicht vorgetragen; es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass eine schenkweise Abtretung tatsächlich gewollt war. Ein sonstiger wirksamer Rechtsgrund für ein dauerhaftes Behaltendürfen seitens des Halbbruders des Klägers zu 2) ist indes ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem der Abtretung zugrunde liegenden Kausalgeschäft, in welchem sich der Kläger zu 2) - ausweislich der Abtretungsurkunde - zu einer unentgeltlichen Überlassung an den Halbbruder verpflichtetet hat, um eine Treuhandabrede, deren einziger Sinn darin bestand, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung beim Kläger zu 2) zu berücksichtigende Vermögen (scheinbar) zu mindern. Dem Kläger zu 2) stand zur Überzeugung des Senats aus dieser Treuhandabrede ein jederzeit durchsetzbarer Herausgabeanspruch auf das Treugut zu.
(2) Mit dem SG geht der erkennende Senat zunächst davon aus, dass der Kläger zu 2) durch die Abtretung der Forderung an seinem Halbbruder nicht eine gegenüber seiner Mutter bestehende Darlehensschuld durch Leistung an einen Dritten gem. § 362 Abs. 2 BGB erfüllen wollte. In diesem Fall wäre die Schenkung an den Halbbruder durch die Mutter erfolgt, wohingegen der Kläger zu 2) "nur" seinen Darlehensverpflichtungen hätte nachkommen wollen. Die behauptete Darlehensforderung unterstellt, hätte die Bedienung dieses Darlehens durch Übertragung des Kapitalbriefs auf den Halbbruder des Klägers zu 2) möglicherweise einen Ersatzanspruch des Beklagten gem. § 34 SGB II gegen den Kläger wegen dieser Vermögensminderung nach sich gezogen, sofern sie ohne wichtigen Grund erfolgt wäre. Das in diesem Fall mit Rechtsgrund wirksam übertragene Vermögen hätte indes den Klägern nicht mehr entgegengehalten werden können. Vom Bestehen einer solchen Darlehensverpflichtung konnte sich der Senat aber nicht mit der notwendigen Sicherheit überzeugen. Die vom BSG zur Problematik eines zwischen Verwandten behaupteten Darlehens als Einkommen des Leistungsberechtigten entwickelte Rechtsprechung (vgl. BSG vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30 – Juris Rdnr. 21) kann auf den vorliegenden Fall wegen der hier gleichermaßen gegebenen Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln übertragen werden.
Demnach sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit des behaupteten Darlehensvertrags unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen (BSG a.a.O.): Weil der für die Kläger günstige Umstand, dass ein wirksames Darlehen und damit in Erfüllung dessen ein wirksamer und dauerhafter Vermögensverlust besteht, ihre Sphäre betrifft, obliegen ihnen bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu ihren Lasten (BSG a.a.O.; BSG vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05 R = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4 – Juris Rdnr. 33). Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (BSG vom 17.06.2010, a.a.O.). Die Parteien des behaupteten Darlehensvertrags, der Kläger zu 2) sowie seine als Zeugin vernommene Mutter haben weder schriftsätzlich noch in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung die unerlässlichen Essentialia eines solchen Darlehensvertrags benennen können. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat die Mutter von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Mangels schriftlicher Fixierung der Darlehensvereinbarung kam aber der Schlüssigkeit der Darstellungen der Parteien des behaupteten Darlehensvertrags besonderes Gewicht zu. Auf die zahlreichen Widersprüche in den Ausführungen zum vermeintlichen Darlehensvertrag, die auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht aufgeklärt werden konnten, hat bereits das SG hingewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen, die sich der erkennende Senat vollständig zu eigen macht. Der Senat bezweifelt dabei nicht, dass die Mutter des Klägers zu 2) diesen regelmäßig finanziell unterstützt hat. Inwieweit dabei eine Erwartung bestand, die erbrachten Unterstützungen ganz oder teilweise zurückerstattet zu bekommen, konnte nicht geklärt werden. Der Senats konnte sich jedoch aufgrund der Widersprüche in den schriftlichen Aussagen des Klägers zu 2) und seiner Mutter nicht davon überzeugen, dass ein Darlehensvertrag des behaupteten Inhalts, d.h. mit einer Forderung von mindestens 16.000,00 EUR bestand. Die Nichterweislichkeit der Darlehensforderung geht aber - wie ausgeführt - zu Lasten der Kläger.
(3) Ein sonstiger nachvollziehbarer Grund für die unentgeltliche dauerhafte Übertragung eines Vermögens von 16.000 EUR an den Halbbruder - insbesondere angesichts der wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die die Kläger infolge des Familienzuwachses durch die Geburt der Klägerin zu 3) bei gleichzeitiger Einkommenslosigkeit der Kläger zu 1) und 2) durchliefen - ist von den Klägern nicht vorgetragen worden und für den erkennenden Senat auch nicht ansatzweise ersichtlich. Insbesondere haben die Kläger zu keiner Zeit eine Schenkung zugunsten des Halbbruders vorgetragen; eine solche wäre angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch nicht glaubwürdig gewesen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat daraufhin, dass im Übrigen ein Schenkungsvertrag zwischen dem Kläger zu 2) und seinem Halbbruder gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig gewesen wäre, nachdem diesbezüglich keine andere Zielsetzung erkennbar gewesen wäre, als den Vermögensgegenstand bei der gegenwärtigen und absehbaren künftigen Inanspruchnahme von Alg II dem Zugriff des Leistungsträgers zu entziehen (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 27.09.2011 – L 13 AS 4496/10 – Juris Rdnr. 53 ff.).
Vielmehr sollte zur Überzeugung des Senats durch die Übertragung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Halbbruder eine leistungsmindernde Berücksichtigung des Vermögens im Rahmen des Bezugs von Alg II verhindert werden. Dies schlussfolgert der Senat – neben dem Umstand eines evident fehlenden Motivs für eine solche unentgeltliche Vermögensübertragung – auch aus der zeitlichen Nähe zum Alg II-Bezug: so folgte die Abtretung zeitlich der erstmaligen Antragstellung mit geringem Abstand nach; zu einem Zeitpunkt, als die Fälligkeit des Kapitalbriefs und dessen Gutschrift auf das Konto des Klägers zu 2) schon absehbar war. Dem Kläger zu 2) musste angesichts des soeben absolvierten Antragsprozedere – u.a. mit der Offenlegung von Kontoauszügen – offenbar sein, dass spätestens mit der Gutschrift der im Kapitalbrief verbrieften Forderung auf seinem Konto nachteilige Folgen für den Leistungsbezug kaum noch zu vermeiden sein würden. Um zu verhindern, dass dieses Vermögen mit der Gutschrift auf das Konto des Klägers zu 2) manifest wird, erfolgte die Übertragung auf den Halbbruder. Es bestand darüber hinaus aber keine Veranlassung, dass diesem auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Forderung bzw. später der ausbezahlte Geldbetrag endgültig zustehen sollte. Stattdessen sollte eine spätere "leistungsunschädliche" Herausgabe durch den Halbbruder erfolgen. Der Interessenlage der Parteien wird daher einzig eine Treuhandabrede gerecht. Dass hier auch im tatsächlichen Vollzug lediglich ein solches Treuhandverhältnis vorlag, wird dadurch bestätigt, dass der Kläger zu 2) die Verurteilung wegen Betrugs zu Lasten des Beklagten auch insoweit akzeptiert hat, als sich der Vorwurf strafbaren Verhaltens auf die Zeit nach Abtretung der Forderung gerichtet hatte; er sich folglich offenbar auch für den Zeitraum nach Abtretung als "Inhaber" des Geldvermögens sah. Auch haben die Kläger in den Vergleichen vor dem SG am 30. November 2011 die Aufhebung und Erstattung von Alg II - begründet mit verfügbarem Vermögen in Gestalt des abgetretenen Kapitalbriefes - weitestgehend anerkannt. Ebenso zeigt sich dies in der erfolgten Tilgung der vergleichsweise geregelten Erstattungsforderungen des Beklagten, die ab Vergleichsschluss vom 30. November 2010 aufgenommen worden ist und für die dem Kläger zu 2) - der ja nach eigenen Angaben ansonsten über kein Vermögen oder freies Einkommen, auch nicht im Wege der Darlehensaufnahme, verfügte - keine anderen bereiten Mittel zur Verfügung standen; weshalb vernünftigerweise als Mittel zur Tilgung nur das vorgeblich dem Halbbruder übertragene Geldvermögen in Betracht kommt, was andeutungsweise seinen Ausdruck auch im klägerischen Schriftsatz vom 7. November 2011 und in den Ausführungen des Bevollmächtigten in der mündlichen Sitzung findet.
(4) Aufgrund der treuhänderischen Abrede durfte der Halbbruder des Klägers zu 2) das ihm wirksam durch die Abtretung vom 24. Mai 2007 übertragene Recht zwar im eigenen Namen ausüben, es jedoch nicht zu seinem Vorteil gebrauchen; er durfte es vielmehr im Innenverhältnis ausschließlich im Interesse des Klägers zu 2) als dem Treugeber ausüben; diese Verpflichtung erstreckte sich auch auf die Gutschrift des Kapitalbriefs auf das Konto des Halbbruders. Aus dem Treuhandverhältnis stand dem Kläger zu 2) jederzeit ein Herausgabeanspruch auf das Vermögen von 16.000,00 EUR zu. Dieses Vermögen stand den Klägern zur Überzeugung des Senats auch während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums durchgehend zur Verfügung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Halbbruder des Klägers zu 2) das Vermögen abredewidrig verwendet oder eine Rückgabe verweigert hätte; es handelte sich demnach um bereites Vermögen, dass jederzeit verwertet werden konnte. Die Kläger haben auch im Berufungsverfahren keinerlei Nachweise für einen Verbrauch der 16.000,00 EUR vorgelegt; sie konnten – über die bloße, in sich widersprüchliche Behauptung hinaus - weder eine Weiterleitung dieses Vermögens durch den Halbbruder an die Mutter des Klägers zu 2), bspw. durch Vorlage von Kontoauszügen o.ä., noch die behaupteten, überwiegend nicht einmal ansatzweise der Höhe nach bestimmten Ausgaben für die Familienfeste usw. durch Vorlage von Einladungen, Rechnungen, Quittungen etc. nachweisen. Gegen einen Verbrauch im streitgegenständlichen Zeitraum spricht im Übrigen auch der Umstand, dass der Kläger zu 2) zur Überzeugung des Senats das Vermögen aus dem Kapitalbrief zur Tilgung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten aus den gerichtlichen Vergleichen vom 30. November 2010 verwendet hat (vgl. oben). Nachdem der Tilgungsbeginn nach dem hier maßgeblichen Zeitraum liegt, können die Tilgungsleistungen aber zum einen keinen Einfluss auf die Höhe des Vermögens im streitgegenständlichen Zeitraum gehabt haben und belegen zum anderen das Vorhandensein des Geldvermögens auch noch nach dem 30. Juni 2009.
dd) Demnach verfügten die Kläger – wie vom SG zutreffend ermittelt - über ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 6.600 EUR (1. März 2008 bis 31.Juli 2008) bzw. 6.550 EUR (1. August 2008 bis 31.Januar 2009) bzw. 6.400 EUR (1. Februar 2009 bis 30. Juni 2009), welches sich aus der Differenz des wirtschaftlichen Werts des Herausgabeanspruchs von 16.000,00 EUR und den Grund- und Anschaffungsfreibeträgen der Kläger gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II errechnet. Der Senat verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen des SG und sieht von einer eigenen Darstellung ab. Nur ergänzend soll ausgeführt werden, dass dem SG auch insoweit beizupflichten ist, als ein zusätzlicher Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nicht in Ansatz gebracht werden kann. Nach dieser Vorschrift in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. April 2007 sind vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind abzusetzen. Dieser Freibetrag kann nicht als so genannter "Kinderfreibetrag" angesehen werden, der der Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindes zu Gute kommt; vielmehr bezieht sich der Freibetrag ausschließlich auf tatsächlich beim Kind vorhandenes Vermögen (BSG vom 13.05.2009 - B 4 AS 58/08 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 13 – Juris Rdnr. 19).
ee) Dieses zu berücksichtigende Vermögen stand – ungeachtet seiner Berücksichtigung bei der Aufhebung von Leistungen für frühere Bewilligungsabschnitte - einer Bewilligung von Alg II als verlorenen Zuschuss auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum entgegen. Denn einsetzbares Vermögen, das tatsächlich für den Lebensunterhalt nicht verbraucht wird, kann der Hilfebedürftigkeit Monat für Monat aufs Neue entgegengehalten werden. So muss ein Leistungsberechtigter vor einer Leistungsbewilligung seinen Bedarf durch Verwertung des – jeweils noch vorhandenen – Vermögens decken. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist mit der Rechtsnatur von Alg II, welches nur einen tatsächlichen Bedarf decken soll, nicht vereinbar. Diese von der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Grundsätze zu § 88 BSHG (vgl. BVerwG vom 19.12.1997 – 5 C 7/96 = BVerwGE 106, 105 – Juris Rdnr. 33) beanspruchen auch für die Leistungen nach SGB II Geltung (Münder, SGB II, 4. Auflage 2011, § 12 Rdnr. 7).
c) Nachdem die Kläger damit ihren Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum durch Verwertung des als Vermögen zu berücksichtigenden Herausgabeanspruchs aus der Treuhandabrede gegen den Halbbruder des Klägers zu 2) vollständig decken konnten, kam ihnen kein Anspruch auf zuschussweise Bewilligung von Alg II zu. Auch begegnet die teilweise Aufhebung von darlehensweise gewährtem Alg II für den Monat Juni 2009 infolge erzielten Einkommens durch die Klägerin zu 1) weder dem Grunde nach noch nach der Höhe Bedenken. Ob darüber hinaus überhaupt die Voraussetzungen für eine wenigstens darlehensweise Bewilligung gegeben waren oder nicht vielmehr den Klägern angesichts bereitem Vermögen Alg II vollständig zu versagen gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Denn durch eine rechtswidrige darlehensweise Bewilligung trotz fehlender Bedürftigkeit auch in Ansehung von § 9 Abs. 4 SGB II wären die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt worden.
Die Berufung der Kläger konnte demnach keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; dabei wurde berücksichtigt, dass die Kläger mit ihrem Begehren letztlich in beiden Rechtszügen keinen Erfolg hatten.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 als Beihilfe.
Die 1987 geborene Klägerin zu 1) und der 1981 geborene Kläger zu 2) sind jedenfalls seit April 2006 verheiratet und beziehen vom Beklagten seit dem 2. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II). Am 4. Mai 2007 wurde die gemeinsame Tochter B. geboren (Klägerin zu 3).
Am 8. Januar 2008 erlangte der Beklagte im Rahmen eines Datenabgleichs für das dritte Quartal 2007 Kenntnis davon, dass der Kläger zu 2) Kapitalerträge in Höhe von 654,00 EUR erzielt hatte. Auf eine entsprechende Nachfrage des Beklagten hin legte der Kläger zu 2) einen Sparkassenkapitalbrief über 16.000,00 EUR mit Fälligkeitsdatum 12. November 2007 vor, sowie eine Abtretungserklärung über diesen Sparkassenkapitalbrief. Aus dieser ging hervor, dass zum Zeitpunkt der Abtretung am 24. Mai 2007 der bisherige Gläubiger der Kläger zu 2) war und die Abtretung unentgeltlich zugunsten des Herrn M.-M. M., dem Halbbruder des Klägers zu 2) erfolgt ist. Ausweislich eines vorgelegten Kontoauszugs der Kreissparkasse E.-N. vom 13. November 2007 ist am 12. November 2007 die Gutschrift des Sparkassenbriefs in Höhe von 16.000 EUR auf das Konto des Halbbruders erfolgt. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur beabsichtigten Aufhebung von Alg II teilte der Bevollmächtigte des Klägers zu 2) mit, dieser habe zum damaligen Zeitpunkt Verbindlichkeiten gegenüber seiner Mutter in Höhe von über 20.000 EUR gehabt. So habe die Mutter Honorar für einen Strafverteidiger des Klägers zu 2) in Höhe von 8.000 EUR bezahlen müssen und ihm während einer Untersuchungshaft für mehrere Monate Taschengeld in Höhe von mindestens 1.000 EUR überwiesen. Auch habe sie während der Zeit seines Aufenthalts in B. in den Jahren 2002 bis 2006 das Hausgeld für seine Eigentumswohnung sowie die Kosten für die Krankenversicherung bezahlt und habe ihm Taschengeld nach B. zukommen lassen. Zwischen der Mutter und dem Kläger zu 2) habe hinsichtlich aller genannten Beträge ein Darlehensvertrag in mündlicher Form bestanden. Der Kläger zu 2) habe sich verpflichtet, bei Fälligkeit im November 2007 den Forderungsbetrag aus dem Sparbrief an seine Mutter zu übergeben. Eine schriftliche Vereinbarung sei allerdings niemals erfolgt. Da es gegenüber dem Halbbruder des Klägers zu 2) unverantwortlich gewesen wäre, dem älteren Bruder, immerhin Eigentümer einer Eigentumswohnung, einen Betrag von über 20.000,00 EUR zu schenken, habe die Mutter den Kläger zu 2) veranlasst, die Forderung aus seinem Sparbrief auf den Halbbruder zu übertragen.
Der Beklagte verfügte daraufhin mit getrennten Bescheiden vom 13. März 2008 die Aufhebung und Erstattung des im Zeitraum vom 2. April 2007 bis 29. Februar 2008 geleisteten Alg II gegenüber den Klägern. Nach erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger hiergegen am 17. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 20 AS 6991/08 und S 20 AS 6992/08). In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) am 30. November 2010 schlossen die Kläger mit dem Beklagten auf Vorschlag des Gerichts in beiden Verfahren einen Vergleich, in welchem der Umfang der Aufhebung und Erstattung in den streitgegenständlichen Bescheiden geringfügig reduziert wurde und die Beteiligten im Übrigen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten.
Bereits am 26. März 2008 stellten die Kläger einen Antrag auf Fortzahlung von Alg II beim Beklagten. Auf Grundlage der am 26. März 2008 von den Klägern zu 1) und 2) unterzeichneten Darlehensbedingungen, wonach die Hilfegewährung in der Rechtsform eines Darlehens erfolge, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. Mai 2008 für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 Alg II, in Höhe von monatlich 816,43 EUR bzw. ab 1. Juli 2008 827,43 EUR als "Vorschuss" gemäß § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Bewilligung auf Grundlage der Darlehensvereinbarung bis zur Geltendmachung der Rückübertragungsansprüche erfolge. Am 25. August 2008 stellten die Kläger wiederum einen Antrag auf Fortzahlung von Alg II. Noch vor der Bewilligungsentscheidung verfügte der Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2008 eine Absenkung des Alg II des Klägers in Höhe von 94,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009. Nachdem die Kläger am 4. Dezember 2008 die vom Beklagten vorgegebenen Darlehensbedingungen für eine darlehensweise Hilfegewährung unterzeichnet hatten, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 2008 den Klägern für die Zeit vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 vorläufig Leistungen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von monatlich 827,43 EUR. Am 2. März 2008 unterschrieb der Kläger zu 2) erneut gleichlautende Darlehensbedingungen, auf deren Grundlage der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 16. März 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. Juni 2009 für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 30. Juni 2009 monatlich 817,43 EUR und für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 31. August 2009 monatlich 835,43 EUR bewilligte. Mit Schriftsatz vom 16. September 2009, eingegangen beim Beklagten am 17. September 2009 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 1. April 2008 sowie der folgenden Bescheide und der dort jeweils ausgesprochenen darlehensweisen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger verfügten ab dem 1. März 2008 mit Ausnahme der selbstgenutzten Wohnung über kein Vermögen. Der Sparkassenkapitalbrief sei am 24. Mai 2007 an den Halbbruder des Klägers zu 2) abgetreten worden. Wie sich aus dem im Verfahren S 20 AS 6992/08 vor dem SG vorgelegten Kontoauszug vom 13. November 2007 ergäbe, sei die Forderung aus dem Sparkassenkapitalbrief in Höhe von 16.000,00 EUR mit Fälligkeit am 12. November 2007 dem Halbbruder gutgeschrieben worden. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2009 lehnte der Beklagte eine Rücknahme der Bescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden seien. Den hiergegen am 19. Oktober 2009 eingelegten Widerspruch begründete der Bevollmächtigte der Kläger ergänzend damit, im Dezember 2007 habe der Halbbruder des Klägers zu 2) das Guthaben aus dem Sparbrief an die gemeinsame Mutter übertragen. Diese habe im Januar 2008 in B. für die Kläger zu 1) und 2) ein Hochzeitsfest für 110 Gäste sowie eine Tauffeier für die Klägerin zu 3) mit 30 Gästen ausgerichtet. Ferner habe sie dem Kläger zu 2) im Jahr 2008 ein Fernsehgerät für 900,00 EUR gekauft und ihm im Zusammenhang mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis die erforderliche medizinisch-psychologische Begutachtung bezahlt. Außerdem habe sie der Klägerin zu 1) einen PKW im Wert von 1.800,00 EUR gekauft.
Mit zwei getrennten Bescheiden vom 21. Oktober 2009 hob der Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Kläger für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Juli 2009 teilweise in Höhe von 511,31 EUR (Kläger zu 2) und 3)) bzw. in Höhe von 337,17 EUR (Klägerin zu 1)) wegen erzieltem Erwerbseinkommen auf und machte die Erstattung dieser Beträge geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 wies der Beklagte dann den Widerspruch vom 19. Oktober 2009 als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht erfüllt seien.
Hiergegen haben die Kläger am 7. Januar 2010 Klage zum SG erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2010 haben die Kläger klargestellt, dass sich der Überprüfungsantrag auf den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 bezieht. Das SG hat die Klage mit Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2010 abgewiesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum stünden den Klägern kein Anspruch auf die Bewilligung von Alg II als Beihilfe zu; die Bescheide über die darlehensweise Bewilligung erwiesen sich als rechtmäßig. Die Kläger seien nicht hilfebedürftig, da sie ihren Bedarf aus dem zu berücksichtigenden Vermögen im streitgegenständlichen Zeitraum hätten sichern können. Als Vermögen sei hier der Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB gegen den Halbbruder des Klägers zu 2) in Höhe von 16.000 EUR zu berücksichtigen. Die Abtretung des Sparkassenkapitalbriefs in dieser Höhe sei in Vollziehung eines Schenkungsversprechens zwischen dem Kläger zu 2) und seinem Halbbruder erfolgt. Das Vorbringen der Kläger, dass durch die Abtretung an den Halbbruder eine gegenüber der Mutter bestehende Darlehensschuld durch Leistungen an einen Dritten gemäß § 362 Abs. 2 BGB erfüllt werden habe sollen, überzeuge das Gericht nicht. Die Kläger hätten über die bloße Behauptung einer solchen Darlehensschuld weder Anhaltspunkte dafür vorgetragen noch Unterlagen dafür vorgelegt. Ein solcher Darlehensvertrag sei auch nicht wahrscheinlich, da die Mutter des Klägers zu 2) dem Vortrag der Kläger zufolge einen wesentlichen Teil dieser Summe wieder für die Klägerin zu 1) sowie den Kläger zu 2) aufgewandt haben will. Der Rückforderungsanspruch sei auch durchsetzbar. Die Kläger hätten weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass der beschenkte Halbbruder mit Recht die Einrede des Wegfalls der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB oder den Ausschluss des Rückforderungsanspruchs nach § 529 BGB geltend gemacht hätte oder hätte geltend machen können. Der Verwertbarkeit des Rückforderungsanspruchs stünden auch keine Erwägungen des Vertrauensschutzes entgegen. Die Kläger seien von Anfang an ausdrücklich (so mit Bescheid vom 1. April 2008 und in den jeweiligen Darlehensbedingungen) darauf hingewiesen worden, den Rückforderungsanspruch gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Den Klägern sei damit richtigerweise nur darlehensweise Leistungen bewilligt worden.
Die am 4. März 2011 eingelegte Berufung der Kläger gegen das ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnis am 2. März 2004 zugestellte Urteil des SG wird im Wesentlichen auf das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren gestützt. Ergänzend wird vorgetragen, der Kläger zu 2) sei aufgrund des vorliegenden Sachverhalts wegen Betrugs durch das Amtsgericht Nürtingen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Das Amtsgericht habe dabei festgestellt, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 2. April 2007 bis 30. September 2007 Leistungen im Wert von 5.800,00 EUR erhalten habe, auf die er keinen Anspruch habe. Bereits im Ermittlungsverfahren habe der Kläger zu 2) den Vorwurf eingestanden. Die Kläger hätten am 9. Juli 2009 vor dem SG einen Vergleich bezüglich der Erstattungsforderungen geschlossen und mittlerweile 7.500,00 EUR an den Beklagten erstattet. Der Beklagte habe sich in diesem Vergleich, den er allerdings später widerrufen habe, zugleich verpflichtet, die ab 1. März 2008 erbrachten Leistungen als Beihilfe zu erbringen. Zum Vermögen des Klägers zu 2) habe der Rückforderungsanspruch gegen seinen Halbbruder gehört. Nach Abzug der Freibeträge hätte demnach ein Betrag von 6.750,00 EUR zur Verfügung gestanden. Dem sei aber ein Erstattungsanspruch des Beklagten in Höhe von insgesamt 9.000,00 EUR gegenübergestanden. Zugleich hat der Bevollmächtigte der Kläger einen Strafbefehl des Amtsgerichts Nürtingen vom 01. Februar 2011 sowie ein auf Einspruch des Klägers zu 2) ergangenes Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 30. März 2010, in welchem der Kläger zu 2) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen Betrugs verurteilt wurde, vorgelegt.
Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 sowie Abänderung der Bescheide vom 21. Oktober 2009 zu verurteilen, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 Alg II für die Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 in gesetzlicher Höhe als Beihilfe zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 25. Oktober 2011 hat eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Streitgegenstands stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 25. Oktober 2011 verwiesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Band), die Klageakte des SG (S 20 AS 115/10) sowie die weiteren Klageakten des SG in den Verfahren S 20 AS 6991/08 und 6992/08 und auf die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 1178/11), die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2011 geworden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger bleibt ohne Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Kläger ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
1. Berufungskläger sind die Kläger zu 1) und 2) sowie die Klägerin zu 3). Zwar ist die Klägerin zu 3) vom SG nicht in dem angefochtenen Rubrum aufgenommen worden; sie hätte jedoch unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung berücksichtigt werden müssen. Aus dem gesamten Vorbringen der beiden Kläger zu 1) und zu 2), die als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Klägerin zu 3) berechtigt sind, diese prozessual zu vertreten und deren Rechte geltend zu machen, ist zu schließen, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im Berufungsverfahren auch die Ansprüche ihres Kindes auf Umwandlung der darlehensweise bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen verlorenen Zuschuss verfolgen. Mithin war die Klägerin zu 3) in das Rubrum aufzunehmen.
Gegenstand des Klageverfahrens ist die Entscheidung des Beklagten im Bescheid vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009, mit der die Rücknahme der bestandskräftigen Entscheidungen über die nur darlehensweise Bewilligung von Alg II abgelehnt wurde. Die Kläger begehren die Aufhebung der die Rücknahme ablehnenden Entscheidung, die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der bestandskräftigen Entscheidungen über die nur darlehensweise Gewährung ab 1. März 2008 und die Verurteilung des Beklagten zur zuschussweisen Leistungsgewährung für die Zeit vom 1. März 2008 bis einschließlich 30. Juni 2009. Dieses Begehren ist in Kombination von Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG - vgl. BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - Juris Rdnr. 17). Streitgegenständlich sind demnach die Bewilligungsbescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009; gem. § 86 SGG sind daneben die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 21. Oktober 2009, soweit darin die darlehensweise Bewilligung von Alg II für Juni 2009 teilweise aufgehoben wurde, in den Rechtsstreit miteinbezogen. 2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen, maßgeblichen Bewilligungsbescheide vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009, da diese rechtmäßig sind, soweit der Beklagte darin eine zuschussweise Gewährung abgelehnt hat. Nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Mit den Bewilligungsbescheiden vom 1. April 2008, 18. Mai 2008, 4. Dezember 2008, 16. März 2009 und 7. Juni 2009 hat der Beklagte den Klägern Alg II nur darlehensweise bewilligt. Dies ergibt sich zumindest durch die Bezugnahme in den einzelnen Bescheiden auf die so genannten "Darlehensbedingungen". Soweit darüber hinaus die Leistungsgewährung "als Vorschuss" (Bescheid vom 1. April 2008) bzw. "vorläufig" (Bescheid vom 3. Dezember 2008 und vom 16. März 2009) verfügt wurde, erscheint dies in Hinblick auf die ohnedies nur darlehensweise Gewährung überflüssig. Es ergibt sich hieraus indes keine zusätzliche Belastung der Kläger. Denn bereits durch die nur darlehensweise Gewährung stand die grundsätzliche Verpflichtung der Kläger zur Zurückerstattung der erhaltenen Leistungen fest.
b) Zu Recht hat der Beklagte den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen verlorenen Zuschuss abgelehnt. Dem Klägerbegehren steht zwar die Neuregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850 ff.) nicht entgegen: zum einen findet die Neufassung, wonach, anstelle des Zeitraums von vier Jahren in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ein Zeitraum von einem Jahr tritt, gemäß der Übergangsvorschrift in § 77 Abs. 13 SGB II keine Anwendung auf Anträge nach § 44 SGB X, die vor dem 1. April 2011 gestellt worden sind. Zum anderen wäre die Frist im Übrigen auch noch gewahrt. Die Voraussetzungen für eine Gewährung als Beihilfe lagen aber im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor:
aa) Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) haben im streitgegenständlichen Zeitraum als Ehepaar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II gebildet. Zur Bedarfsgemeinschaft hat auch die Klägerin zu 3) nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehört, da sie dem Haushalt ihrer Eltern angehört hat und als minderjähriges Kind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen - auch unter Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen - und Vermögen hat beschaffen können. Neben dem Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR mtl. hat sie über kein weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt. Die Klägerin zu 1) sowie der Kläger zu 2) sind leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt (Nr. 1). Sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt (Nr. 4) und sind erwerbsfähig gewesen (Nr. 2). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit vor, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hätte hindern können. Der Anspruch auf Alg II setzt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II darüber hinaus die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten voraus. Hilfebedürftig war nach § 9 Abs. 1 SGB II i.d.F. bis zum 31. Dezember 2010, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern konnte. Gemäß § 9 Abs. 4 SGB II ist auch derjenige hilfebedürftig, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigende Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. In diesem Fall waren gemäß § 23 Abs. 5 SGB II i.d.F. bis zum 31. Dezember 2010 Leistungen als Darlehen zu erbringen.
bb) Weder die Klägerin zu 1) noch der Kläger zu 2) noch ihr gemeinsames Kind, die Klägerin zu 3) waren in der Zeit vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, da sie ihren Bedarf von insgesamt 816,43 EUR (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. 827,43 EUR (1. Juli 2008 bis 28. Februar 2009) bzw. 817,43 EUR (1. März bis 31. Mai 2009) bzw. 56,40 EUR (Juni 2009, infolge in diesem Monat bezogenen Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1)) jeweils aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern konnten. Die Höhe der jeweiligen Bedarfe ist von den Klägern nicht beanstandet worden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bedarfsermittlung sind nicht ersichtlich. Dieser Bedarf wird indes im Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 durch zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 6.600 EUR (1. März 2008 bis 31. Juli 2008) bzw. 6.550 EUR (1. August 2008 bis 31. Januar 2009) bzw. 6.400 EUR (1. Februar 2009 bis 30. Juni 2009) gedeckt.
(cc) Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Hierzu können neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen gehören. Der Berücksichtigung von Forderungen als Vermögen i.S.v. § 12 SGB II steht nicht entgegen, dass weitere Verwertungshandlungen "zwischengeschaltet" werden müssen, um einen tatsächlichen Zufluss der Forderung als Einnahme in Geld oder Geldeswert und damit als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu erreichen (vgl. BSG vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - juris Rn 14 f.). Daher können auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte, die als Vollrecht begründet sind, Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 SGB II sein, die im Falle ihrer Verwertbarkeit zur Existenzsicherung einzusetzen sind (BSG a.a.O.).
(1) Um eine solche Forderung handelt es sich bei dem Herausgabeanspruch des Klägers zu 2) gegenüber seinem Halbbruder, gerichtet auf den aus der Gutschrift des Kapitalbriefs erlangten Betrag. Der Kläger zu 2) war zum 24. Mai 2007 - insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - Forderungsinhaber der im Sparkassenkapitalbrief Kto.-Nr. verbrieften Forderung gegen die Kreissparkasse E.-N. mit Fälligkeitsdatum 12. November 2007 über 16.000 EUR. Anstelle dieser auf Rückzahlung von 16.000 EUR gerichtete Forderung ist infolge der Abtretung und späteren Auszahlung an den Halbbruder als S. ein Herausgabeanspruch gegen diesen getreten. Das SG ist dabei davon ausgegangen, dass dem Kläger zu 2) ein Schenkungsrückforderungsanspruch gem. §528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zukomme. Ob es sich bei einem Schenkungsrückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB - also einer Forderung – überhaupt um Vermögen i.S.v. § 12 SGB II oder doch viel eher um Einkommen i.S.v. § 11 SGB II handelt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Während das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz entschieden hat, dass der Schenkungsrückforderungsanspruch bei einem wiederkehrenden Bedarf des Schenkers nicht als Vermögen, sondern als Einkommen zu betrachten sei (BVerwG vom 25.06.1992 - 5 C 37/88 = BVerwGE 90, 245 - Juris Rdnr. 13 f.), konnte das BSG diese Frage bislang offen lassen (so BSG vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R - Juris Rn 13).
Auch im vorliegenden Fall bedarf diese Frage keiner Klärung. Eine Schenkung - als vom SG angenommener Rechtsgrund für die unentgeltliche Übertragung der Forderung aus dem Kapitalbrief an den Halbbruder - wurde von den Klägern schon nicht vorgetragen; es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass eine schenkweise Abtretung tatsächlich gewollt war. Ein sonstiger wirksamer Rechtsgrund für ein dauerhaftes Behaltendürfen seitens des Halbbruders des Klägers zu 2) ist indes ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem der Abtretung zugrunde liegenden Kausalgeschäft, in welchem sich der Kläger zu 2) - ausweislich der Abtretungsurkunde - zu einer unentgeltlichen Überlassung an den Halbbruder verpflichtetet hat, um eine Treuhandabrede, deren einziger Sinn darin bestand, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung beim Kläger zu 2) zu berücksichtigende Vermögen (scheinbar) zu mindern. Dem Kläger zu 2) stand zur Überzeugung des Senats aus dieser Treuhandabrede ein jederzeit durchsetzbarer Herausgabeanspruch auf das Treugut zu.
(2) Mit dem SG geht der erkennende Senat zunächst davon aus, dass der Kläger zu 2) durch die Abtretung der Forderung an seinem Halbbruder nicht eine gegenüber seiner Mutter bestehende Darlehensschuld durch Leistung an einen Dritten gem. § 362 Abs. 2 BGB erfüllen wollte. In diesem Fall wäre die Schenkung an den Halbbruder durch die Mutter erfolgt, wohingegen der Kläger zu 2) "nur" seinen Darlehensverpflichtungen hätte nachkommen wollen. Die behauptete Darlehensforderung unterstellt, hätte die Bedienung dieses Darlehens durch Übertragung des Kapitalbriefs auf den Halbbruder des Klägers zu 2) möglicherweise einen Ersatzanspruch des Beklagten gem. § 34 SGB II gegen den Kläger wegen dieser Vermögensminderung nach sich gezogen, sofern sie ohne wichtigen Grund erfolgt wäre. Das in diesem Fall mit Rechtsgrund wirksam übertragene Vermögen hätte indes den Klägern nicht mehr entgegengehalten werden können. Vom Bestehen einer solchen Darlehensverpflichtung konnte sich der Senat aber nicht mit der notwendigen Sicherheit überzeugen. Die vom BSG zur Problematik eines zwischen Verwandten behaupteten Darlehens als Einkommen des Leistungsberechtigten entwickelte Rechtsprechung (vgl. BSG vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30 – Juris Rdnr. 21) kann auf den vorliegenden Fall wegen der hier gleichermaßen gegebenen Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln übertragen werden.
Demnach sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit des behaupteten Darlehensvertrags unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen (BSG a.a.O.): Weil der für die Kläger günstige Umstand, dass ein wirksames Darlehen und damit in Erfüllung dessen ein wirksamer und dauerhafter Vermögensverlust besteht, ihre Sphäre betrifft, obliegen ihnen bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu ihren Lasten (BSG a.a.O.; BSG vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05 R = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4 – Juris Rdnr. 33). Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (BSG vom 17.06.2010, a.a.O.). Die Parteien des behaupteten Darlehensvertrags, der Kläger zu 2) sowie seine als Zeugin vernommene Mutter haben weder schriftsätzlich noch in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung die unerlässlichen Essentialia eines solchen Darlehensvertrags benennen können. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat die Mutter von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Mangels schriftlicher Fixierung der Darlehensvereinbarung kam aber der Schlüssigkeit der Darstellungen der Parteien des behaupteten Darlehensvertrags besonderes Gewicht zu. Auf die zahlreichen Widersprüche in den Ausführungen zum vermeintlichen Darlehensvertrag, die auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht aufgeklärt werden konnten, hat bereits das SG hingewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen, die sich der erkennende Senat vollständig zu eigen macht. Der Senat bezweifelt dabei nicht, dass die Mutter des Klägers zu 2) diesen regelmäßig finanziell unterstützt hat. Inwieweit dabei eine Erwartung bestand, die erbrachten Unterstützungen ganz oder teilweise zurückerstattet zu bekommen, konnte nicht geklärt werden. Der Senats konnte sich jedoch aufgrund der Widersprüche in den schriftlichen Aussagen des Klägers zu 2) und seiner Mutter nicht davon überzeugen, dass ein Darlehensvertrag des behaupteten Inhalts, d.h. mit einer Forderung von mindestens 16.000,00 EUR bestand. Die Nichterweislichkeit der Darlehensforderung geht aber - wie ausgeführt - zu Lasten der Kläger.
(3) Ein sonstiger nachvollziehbarer Grund für die unentgeltliche dauerhafte Übertragung eines Vermögens von 16.000 EUR an den Halbbruder - insbesondere angesichts der wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die die Kläger infolge des Familienzuwachses durch die Geburt der Klägerin zu 3) bei gleichzeitiger Einkommenslosigkeit der Kläger zu 1) und 2) durchliefen - ist von den Klägern nicht vorgetragen worden und für den erkennenden Senat auch nicht ansatzweise ersichtlich. Insbesondere haben die Kläger zu keiner Zeit eine Schenkung zugunsten des Halbbruders vorgetragen; eine solche wäre angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch nicht glaubwürdig gewesen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat daraufhin, dass im Übrigen ein Schenkungsvertrag zwischen dem Kläger zu 2) und seinem Halbbruder gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig gewesen wäre, nachdem diesbezüglich keine andere Zielsetzung erkennbar gewesen wäre, als den Vermögensgegenstand bei der gegenwärtigen und absehbaren künftigen Inanspruchnahme von Alg II dem Zugriff des Leistungsträgers zu entziehen (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 27.09.2011 – L 13 AS 4496/10 – Juris Rdnr. 53 ff.).
Vielmehr sollte zur Überzeugung des Senats durch die Übertragung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Halbbruder eine leistungsmindernde Berücksichtigung des Vermögens im Rahmen des Bezugs von Alg II verhindert werden. Dies schlussfolgert der Senat – neben dem Umstand eines evident fehlenden Motivs für eine solche unentgeltliche Vermögensübertragung – auch aus der zeitlichen Nähe zum Alg II-Bezug: so folgte die Abtretung zeitlich der erstmaligen Antragstellung mit geringem Abstand nach; zu einem Zeitpunkt, als die Fälligkeit des Kapitalbriefs und dessen Gutschrift auf das Konto des Klägers zu 2) schon absehbar war. Dem Kläger zu 2) musste angesichts des soeben absolvierten Antragsprozedere – u.a. mit der Offenlegung von Kontoauszügen – offenbar sein, dass spätestens mit der Gutschrift der im Kapitalbrief verbrieften Forderung auf seinem Konto nachteilige Folgen für den Leistungsbezug kaum noch zu vermeiden sein würden. Um zu verhindern, dass dieses Vermögen mit der Gutschrift auf das Konto des Klägers zu 2) manifest wird, erfolgte die Übertragung auf den Halbbruder. Es bestand darüber hinaus aber keine Veranlassung, dass diesem auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Forderung bzw. später der ausbezahlte Geldbetrag endgültig zustehen sollte. Stattdessen sollte eine spätere "leistungsunschädliche" Herausgabe durch den Halbbruder erfolgen. Der Interessenlage der Parteien wird daher einzig eine Treuhandabrede gerecht. Dass hier auch im tatsächlichen Vollzug lediglich ein solches Treuhandverhältnis vorlag, wird dadurch bestätigt, dass der Kläger zu 2) die Verurteilung wegen Betrugs zu Lasten des Beklagten auch insoweit akzeptiert hat, als sich der Vorwurf strafbaren Verhaltens auf die Zeit nach Abtretung der Forderung gerichtet hatte; er sich folglich offenbar auch für den Zeitraum nach Abtretung als "Inhaber" des Geldvermögens sah. Auch haben die Kläger in den Vergleichen vor dem SG am 30. November 2011 die Aufhebung und Erstattung von Alg II - begründet mit verfügbarem Vermögen in Gestalt des abgetretenen Kapitalbriefes - weitestgehend anerkannt. Ebenso zeigt sich dies in der erfolgten Tilgung der vergleichsweise geregelten Erstattungsforderungen des Beklagten, die ab Vergleichsschluss vom 30. November 2010 aufgenommen worden ist und für die dem Kläger zu 2) - der ja nach eigenen Angaben ansonsten über kein Vermögen oder freies Einkommen, auch nicht im Wege der Darlehensaufnahme, verfügte - keine anderen bereiten Mittel zur Verfügung standen; weshalb vernünftigerweise als Mittel zur Tilgung nur das vorgeblich dem Halbbruder übertragene Geldvermögen in Betracht kommt, was andeutungsweise seinen Ausdruck auch im klägerischen Schriftsatz vom 7. November 2011 und in den Ausführungen des Bevollmächtigten in der mündlichen Sitzung findet.
(4) Aufgrund der treuhänderischen Abrede durfte der Halbbruder des Klägers zu 2) das ihm wirksam durch die Abtretung vom 24. Mai 2007 übertragene Recht zwar im eigenen Namen ausüben, es jedoch nicht zu seinem Vorteil gebrauchen; er durfte es vielmehr im Innenverhältnis ausschließlich im Interesse des Klägers zu 2) als dem Treugeber ausüben; diese Verpflichtung erstreckte sich auch auf die Gutschrift des Kapitalbriefs auf das Konto des Halbbruders. Aus dem Treuhandverhältnis stand dem Kläger zu 2) jederzeit ein Herausgabeanspruch auf das Vermögen von 16.000,00 EUR zu. Dieses Vermögen stand den Klägern zur Überzeugung des Senats auch während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums durchgehend zur Verfügung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Halbbruder des Klägers zu 2) das Vermögen abredewidrig verwendet oder eine Rückgabe verweigert hätte; es handelte sich demnach um bereites Vermögen, dass jederzeit verwertet werden konnte. Die Kläger haben auch im Berufungsverfahren keinerlei Nachweise für einen Verbrauch der 16.000,00 EUR vorgelegt; sie konnten – über die bloße, in sich widersprüchliche Behauptung hinaus - weder eine Weiterleitung dieses Vermögens durch den Halbbruder an die Mutter des Klägers zu 2), bspw. durch Vorlage von Kontoauszügen o.ä., noch die behaupteten, überwiegend nicht einmal ansatzweise der Höhe nach bestimmten Ausgaben für die Familienfeste usw. durch Vorlage von Einladungen, Rechnungen, Quittungen etc. nachweisen. Gegen einen Verbrauch im streitgegenständlichen Zeitraum spricht im Übrigen auch der Umstand, dass der Kläger zu 2) zur Überzeugung des Senats das Vermögen aus dem Kapitalbrief zur Tilgung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten aus den gerichtlichen Vergleichen vom 30. November 2010 verwendet hat (vgl. oben). Nachdem der Tilgungsbeginn nach dem hier maßgeblichen Zeitraum liegt, können die Tilgungsleistungen aber zum einen keinen Einfluss auf die Höhe des Vermögens im streitgegenständlichen Zeitraum gehabt haben und belegen zum anderen das Vorhandensein des Geldvermögens auch noch nach dem 30. Juni 2009.
dd) Demnach verfügten die Kläger – wie vom SG zutreffend ermittelt - über ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 6.600 EUR (1. März 2008 bis 31.Juli 2008) bzw. 6.550 EUR (1. August 2008 bis 31.Januar 2009) bzw. 6.400 EUR (1. Februar 2009 bis 30. Juni 2009), welches sich aus der Differenz des wirtschaftlichen Werts des Herausgabeanspruchs von 16.000,00 EUR und den Grund- und Anschaffungsfreibeträgen der Kläger gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II errechnet. Der Senat verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen des SG und sieht von einer eigenen Darstellung ab. Nur ergänzend soll ausgeführt werden, dass dem SG auch insoweit beizupflichten ist, als ein zusätzlicher Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nicht in Ansatz gebracht werden kann. Nach dieser Vorschrift in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. April 2007 sind vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind abzusetzen. Dieser Freibetrag kann nicht als so genannter "Kinderfreibetrag" angesehen werden, der der Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindes zu Gute kommt; vielmehr bezieht sich der Freibetrag ausschließlich auf tatsächlich beim Kind vorhandenes Vermögen (BSG vom 13.05.2009 - B 4 AS 58/08 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 13 – Juris Rdnr. 19).
ee) Dieses zu berücksichtigende Vermögen stand – ungeachtet seiner Berücksichtigung bei der Aufhebung von Leistungen für frühere Bewilligungsabschnitte - einer Bewilligung von Alg II als verlorenen Zuschuss auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum entgegen. Denn einsetzbares Vermögen, das tatsächlich für den Lebensunterhalt nicht verbraucht wird, kann der Hilfebedürftigkeit Monat für Monat aufs Neue entgegengehalten werden. So muss ein Leistungsberechtigter vor einer Leistungsbewilligung seinen Bedarf durch Verwertung des – jeweils noch vorhandenen – Vermögens decken. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist mit der Rechtsnatur von Alg II, welches nur einen tatsächlichen Bedarf decken soll, nicht vereinbar. Diese von der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Grundsätze zu § 88 BSHG (vgl. BVerwG vom 19.12.1997 – 5 C 7/96 = BVerwGE 106, 105 – Juris Rdnr. 33) beanspruchen auch für die Leistungen nach SGB II Geltung (Münder, SGB II, 4. Auflage 2011, § 12 Rdnr. 7).
c) Nachdem die Kläger damit ihren Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum durch Verwertung des als Vermögen zu berücksichtigenden Herausgabeanspruchs aus der Treuhandabrede gegen den Halbbruder des Klägers zu 2) vollständig decken konnten, kam ihnen kein Anspruch auf zuschussweise Bewilligung von Alg II zu. Auch begegnet die teilweise Aufhebung von darlehensweise gewährtem Alg II für den Monat Juni 2009 infolge erzielten Einkommens durch die Klägerin zu 1) weder dem Grunde nach noch nach der Höhe Bedenken. Ob darüber hinaus überhaupt die Voraussetzungen für eine wenigstens darlehensweise Bewilligung gegeben waren oder nicht vielmehr den Klägern angesichts bereitem Vermögen Alg II vollständig zu versagen gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Denn durch eine rechtswidrige darlehensweise Bewilligung trotz fehlender Bedürftigkeit auch in Ansehung von § 9 Abs. 4 SGB II wären die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt worden.
Die Berufung der Kläger konnte demnach keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; dabei wurde berücksichtigt, dass die Kläger mit ihrem Begehren letztlich in beiden Rechtszügen keinen Erfolg hatten.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
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