L 4 P 1912/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 1586/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1912/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I.

Die am 1931 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie leidet unter einer Polyarthrose, einem Zustand nach anamnestisch durchgemachtem Herzinfarkt und Verdacht auf koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck mit schwankenden Werten, einem diätetisch eingestellten Diabetes mellitus, einem chronisch degenerativen Lenden-, Brust- und Halswirbelsäulensyndrom, Adipositas und einer Blasenschwäche.

Nachdem die Klägerin zuletzt am 28. März 2007 von der Pflegefachkraft S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) untersucht und diese das Gutachten vom 10. April 2007 erstattet hatte, wonach der Pflegebedarf in der Grundpflege tagesdurchschnittlich 25 Minuten betrage, beantragte die Klägerin am 11. Oktober 2007 bei der beklagten Pflegekasse erneut die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld. Die Beklagte beauftragte Dr. J.-K.vom MDK mit der Erstattung eines Gutachtens. Diese berichtete in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 15.11.2007, die Klägerin habe nach Mitteilung am 14. August 2007 in Tiflis einen Herzinfarkt gehabt und sei am 10. September 2007 in Karlsruhe am Herzen operiert worden. Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie eine Polyarthrose und einen Zustand nach anamnestisch durchgemachtem Herzinfarkt und Verdacht auf koronare Herzkrankheit. Insgesamt betrage der Pflegebedarf in der Grundpflege tagesdurchschnittlich 25 Minuten. Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bestehe tagesdurchschnittlich im Umfang von 20 Minuten. Benötigt werde ein Hilfebedarf bei der Ganzkörper- und Unterkörperwäsche sowie beim Duschen und Baden. Bei der Mobilität bestehe ein Zeitbedarf von fünf Minuten tagesdurchschnittlich und zwar beim An- und Auskleiden des Unterkörpers. Die Toilettengänge erfolgten selbstständig. Sie könne auch das Bett selbstständig verlassen und wieder aufsuchen. Im Bereich der Ernährung sei die Klägerin in der Lage, die Nahrung selbstständig zu zerkleinern und auch zu sich zunehmen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Bewilligung von Pflegegeld ab (Bescheid vom 29. November 2007).

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie bedürfe der ständigen Hilfe, die von mehreren Familienangehörigen geleistet werde. Die Beklagte ersuchte hierauf den MDK um eine Begutachtung der Klägerin auf der Grundlage eines Hausbesuchs. Pflegefachkraft S. untersuchte die Klägerin am 08. Februar 2008 und erstattete am 28. März 2008 ihr Gutachten. Pflegebegründende Diagnose sei eine Polyarthrose. Hilfebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege im Umfang von tagesdurchschnittlich 14 Minuten. Die Klägerin benötige eine Teilübernahme bei der Ganzkörperwäsche fünfmal wöchentlich mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von zehn Minuten und eine Teilübernahme und Beaufsichtigung beim Duschen zweimal wöchentlich mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von vier Minuten. Hilfebedarf bestehe insoweit beim Waschen des Rückens und der Füße. Kämmen sei selbstständig möglich. Sie suche auch das WC rund um die Uhr selbstständig auf. Die wegen einer Blasenschwäche bei Husten oder Anstrengung benutzten Vorlagen wechsele sie selbst. Auch die Zahnprothese könne sie selbst herausnehmen, putzen und wiedereinsetzen. Bei der Mobilität bestehe ein tagesdurchschnittlicher Zeitaufwand in Höhe von vier Minuten, da sie jeweils einmal täglich Teilunterstützung beim Ankleiden des Ober- und Unterkörpers (zwei Minuten) und Entkleiden des Ober- und Unterkörpers (eine Minute) sowie zweimal wöchentlich Unterstützung beim Einsteigen in die Badewanne und wieder Herauskommen mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von einer Minute benötige. Das Be- und Entkleiden des Oberkörpers sei selbstständig möglich. Sie könne auch den Unterkörper selbst bekleiden, habe jedoch Schwierigkeiten bei den Strümpfen. Aufstehen vom Stuhl, Sofa oder Bett sei ihr selbstständig möglich. Sie könne auch frei stehen. Hilfebedarf im Bereich der Ernährung bestehe nicht. Sie könne noch selbst mit Besteck essen und nehme auch Getränke, die sie sich selbst einschenke, genug zu sich. Insgesamt errechne sich ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 18 Minuten tagesdurchschnittlich. Eine allgemeine Beaufsichtigung, die über die Sicherung der definierten Verrichtungen hinausgehe (auch bei Eigengefährdung), könne bei der Feststellung des Hilfebedarfs nicht berücksichtigt werden. Dies betreffe auch die Anwesenheit der Angehörigen für den Fall, dass es der Klägerin schwindelig werde. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 lehnte die Beklagte hierauf erneut den Antrag auf Bewilligung von Pflegegeld ab.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 beschwerte sich für die Klägerin ihr Sohn G. L. beim Vorstand der Beklagten über das Verhalten und die Äußerungen der Pflegefachkraft S., die hierzu unter dem 05. Juni 2008 Stellung nahm und bei ihrem Begutachtungsergebnis verblieb. Nach einer erneuten Beschwerde von G. L. vom 08. August 2008, indem er der Beklagten u.a. den Vorwurf der Gaunerei und der Lüge machte, und weiterem Schriftverkehr, in dem sich G. L. schließlich bereit erklärte, eine nochmalige Begutachtung der Klägerin durchführen zu lassen, beauftragte die Beklagte Pflegefachkraft H., MDK, mit einer weiteren Begutachtung der Klägerin. Pflegefachkraft H., der die Klägerin mit der Mitarbeiterin der Beklagten Heck am 01. Oktober 2008 aufsuchte, nannte als Beeinträchtigungen der Klägerin Sensibilitätsstörungen vom Lendenwirbelbereich in die Oberschenkel ziehend und feinmotorische Störungen in beiden Händen mit teilweisem Taubheitsgefühl. Er schätzte in seinem nicht datierten Gutachten aufgrund der Untersuchung der Klägerin in häuslicher Umgebung und nach Einsichtnahme in den Pflegebogen mit den Angaben der Familie der Klägerin vom 06. Oktober 2008, wonach vier Pflegepersonen die Klägerin jeweils zehn Stunden wöchentlich pflegen, den durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 39 Minuten (Körperpflege 20 Minuten, Ernährung eine Minute, Mobilität 18 Minuten gerundet). Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bestehe in der Teilübernahme beim täglichen Duschen/Baden in einem Umfang von tagesdurchschnittlich 20 Minuten. Die Klägerin benötige Hilfe, um in die Badewanne hinein und wieder herauszukommen. Das Händewaschen, Kämmen, die Prothesen- und Mundpflege und Toilettengänge führe sie selbstständig durch. Wegen der Hilfe beim Kleinschneiden der Nahrung betrage der Pflegebedarf im Bereich der Ernährung tagesdurchschnittlich eine Minute. Die Nahrungsaufnahme könne sie selbstständig durchführen, ebenso richte sie das Frühstück und Abendessen selbst. Bei der Mobilität sei ein Zeitaufwand von 18 Minuten gerundet gegeben. Im Stehen sei ein Beugen bzw. Bücken nicht möglich. Im Sitzen sei das Bücken bedingt durch die Hüftschmerzen kaum möglich. Die Klägerin benötige deshalb jeweils einmal am Tag Unterstützung beim Ankleiden (zwei Minuten) und Entkleiden (eine Minute). Aufstehen und Zubettgehen erledige sie selbstständig. Außerdem bestehe im Bereich der Mobilität ein Hilfebedarf beim zweimal wöchentlich erforderlichen Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung im Zusammenhang mit Krankengymnastik und Hausarztbesuchen, bei denen sie begleitet werde, mit einem Zeitaufwand von insgesamt 101 Minuten, tagesdurchschnittlich gerundet 15 Minuten. Mit wiederum nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 29. Oktober 2008 lehnte die Beklagte erneut den Antrag der Klägerin auf Pflegegeld ab.

Mit Schreiben vom 01. März 2009 wandte sich G. L. noch einmal an den Vorstand der Beklagten. Er bezeichnete die Beklagte als Verbrecher und Gauner und den Gutachter H. und seine Begleiterin Heck als Clowns. Die Beklagte wertete diesen Brief als Widerspruch, den der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss unter Bezugnahme auf die MDK-Gutachten sowie die eigenen Ermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2009 zurückwies.

Die Klägerin erhob am 08. April 2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie verwies zur Begründung auf ihre bisherigen Ausführungen und beantragte ein neutrales Gutachten von Amts wegen einzuholen. Ergänzend führte sie unter Vorlage der am 24. April 2009 unterzeichneten Schweigepflicht-Entbindungserklärung aus, der bisherige Verfahrensablauf zeige "gut die offenbaren Divergenzen mit dem Gesetz" und bestätige noch einmal die "existierende Tatsache der Gaunerei". Es werde immer der untere Wert der Pflegeminuten genommen. Die Gutachter versuchten nicht, in jedem Einzelfall den Zeitaufwand für den Hilfebedarf bei der Grundpflege des Versicherten entsprechend der individuellen Situation des Einzelfalles festzustellen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG wandte sich zunächst mit Schreiben vom 21. Juli 2009 an die die Klägerin behandelnden Ärzte, den Hausarzt Dr. Ho., den Orthopäden Dr. Kr. und den Kardiologen Dr. Ra., und bat unter Beifügung der im Verwaltungsverfahren erstatteten MDK-Gutachten und einer Tabelle hinsichtlich der Angaben über die Pflegebedürftigkeit der Klägerin um Beantwortung von Beweisfragen. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin bei einer Vorsprache am 27. Juli 2009 die Schweigepflicht-Entbindungserklärung für sämtliche Ärzte zurücknahm, teilte das SG den Ärzten mit, dass sich die Anfragen erledigt hätten. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 wies das SG die Klägerin darauf hin, dass die Anfrage an die behandelnden Ärzte vom 21. Juli 2009 nebst Tabelle sachgerecht, sinnvoll und für das vorliegende Klageverfahren von maßgeblicher Bedeutung sei und die Ermittlungen zur Aufklärungspflicht des SG zählten. Sie die Klägerin - habe eine gesetzlich verankerte Mitwirkungspflicht im Klageverfahren. So könne das SG nur nach Aktenlage entscheiden. Es beabsichtige im Wege des Gerichtsbescheids eine Entscheidung zu treffen. Hierauf erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit der Anhörung der Ärzte, worauf das SG die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen hörte. Dr. Ra. teilte unter dem 02. Januar 2010 die von ihm erhobenen Befunde mit und gab an, dass die Klägerin bei den jeweiligen Vorstellungen in seiner Praxis ohne wesentliche Beschwerden gewesen sei. Praktischer Arzt Dr. Ho. führte unter dem 12. Januar 2010 aus, er behandle die Klägerin seit November 2007 durchschnittlich vier Mal im Quartal. Sie zeige ein labiles Blutdruckverhalten. Auch unter Medikation bestehe konstant eine Herzinsuffizienz NYHA II. Bei gestörter medikamentöser Compliance habe sie Beschwerden schon bei leichter Belastung. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sei daher essentiell. Der Diabetes mellitus sei diätetisch gut beherrschbar. Weiterhin bestünden orthopädische Leiden wie ein degeneratives LWS-Syndrom mit Claudicatio spinalis. Beigefügt wurde insbesondere der Entlassbericht des Arztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Arzt für Orthopädie Dr. Hof., Ambulantes Zentrum für Rehabilitation und Prävention am E. GmbH in Karlsruhe über die teilstationäre Rehabilitation der Klägerin vom 13. November bis 10. Dezember 2008. Danach gelang der Klägerin das An- und Auskleiden ohne fremde Hilfe, jedoch zum Teil erschwert aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit und auch der kardialen Minderbelastbarkeit. Auch Transfers seien zum Teil sehr mühsam gewesen. Es habe ein kleinschrittiges, regelrechtes Gangbild bestanden. Der Fingerbodenabstand sei mit 10 cm gemessen worden. Die Schulter- und Kniegelenke seien frei und schmerzlos beweglich gewesen. Im Bereich der Hüftgelenke habe eine endgradige Einschränkung beidseits bestanden. Am Ende der Rehabilitation habe die Klägerin beim An- und Auskleiden keinerlei Probleme gehabt, und es habe auch keine Dyspnoe im Rahmen der Untersuchung bestanden. Dr. Kr. gab unter dem 14. Januar 2010 an, er behandle die Klägerin seit 28. Januar 2008 ungefähr alle fünf Wochen. Es seien nur chronische Kreuzschmerzen mit Claudicatio spinalis Symptomatik behandelt worden.

Das SG beauftragte unter dem 23. März 2010 Dr. K.-L. mit der Erstattung eines Gutachtens im Rahmen eines Hausbesuchs. Am 16. April 2010 teilte die Sachverständige dem SG mit, dass der Bevollmächtigte der Klägerin eine Begutachtung der Klägerin in deren Gegenwart abgelehnt habe, da dies für sie zu belastend sei. Er habe außerdem ihre telefonische Zustimmung zu seiner Auffassung, dass die Vorgutachten durch "Betrüger" erstellt worden seien, gefordert und gemeint, dass sie nur dann ein Gutachten über die Klägerin erstellen könne, wenn sie alle Aussagen in seiner Gegenwart und mit seiner Zustimmung treffe. Nachdem sie ihn über den Ablauf bei der Begutachtung informiert habe, habe er die geplante Begutachtung unter dieser Bedingung abgelehnt und behauptet, dass sie nicht neutral sei. Hierauf wies das SG die Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010 darauf hin, dass es sich bei Dr. K.-L. um eine Gerichtsgutachterin und damit um eine "neutrale Gutachterin" handele, die an keine Vorgaben und Vorgutachten gebunden sei. Ergänzend wurde außerdem noch einmal auf die Amtsermittlungspflicht, die Mitwirkungspflicht und den Grundsatz der objektiven Beweislast hingewiesen. Es wurde eine Frist von zwei Wochen zur Zustimmung zu einer ambulanten Untersuchung im Rahmen eines Hausbesuchs oder Ablehnung eines solchen Gutachtens eingeräumt. Hierauf teilte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 02. Mai 2010 mit, dass sie davon überzeugt sei, dass nur eine öffentliche Berechnung der Zeit es Dr. K.-L. ermögliche, die Verdächtigungen der Gaunerei zu vermeiden und dem SG die unwiderlegbaren Fakten für das Fällen eines wirklich gesetzlichen Urteils zu geben. Das SG änderte sodann den an Dr. K.-L. erteilten Gutachtensauftrag dahingehend ab, dass das Gutachten nach Aktenlage erstattet werden soll. In ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 11. Juni 2010 schätzte Dr. K.-L. den Zeitaufwand auf 13 bis 16 Minuten (Körperpflege zehn Minuten, Ernährung eine Minute, Mobilität zwei bis fünf Minuten). Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie eine multifaktorielle Gangstörung bei Polyarthrose, Claudicatio spinalis und Adipositas, eine eingeschränkte kardiale Belastbarkeit im Sinne einer kompensierten Herzinsuffizienz NYHA II bei Zustand nach Herzinfarkt und erfolgreichter PTCA mit Stenteinlage, eine arterielle Hypertonie mit Zustand nach kardialer Dekompensation im Rahmen hypertensiver Entgleisung bei mangelnder Medikamentencompliance, einen Diabetes mellitus und einen Zustand nach Kataraktoperation beidseits. Im Vordergrund stehe wohl eine eingeschränkte Mobilität bei degenerativen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke sowie eine eingeschränkte kardiale Belastbarkeit mit Atemnot bei größeren Belastungen. Sie könne sich nach den dokumentierten Befunden selbstständig vom Liegen zum Sitzen aufrichten und weiter zum Stand gelangen. Sie könne sich auch selbstständig ohne Gehhilfen, an schlechten Tagen mit einem Gehstock innerhalb und außerhalb der Wohnung fortbewegen. Transfers ins Bett und heraus und Lagewechsel im Bett bewältige sie selbstständig. Sie könne auch selbstständig Treppen steigen, wobei beim Heraufgehen aufgrund der eingeschränkten kardialen Belastbarkeit Pausen eingelegt werden müssten. Bücken sei aufgrund der Lendenwirbelsäulenbeschwerden als eingeschränkt anzunehmen. Die Beweglichkeit der Arme sei nicht pflegerelevant eingeschränkt. Die Feinmotorik sei durch eine Kraftminderung und Sensibilitätsstörungen beidseits wohl etwas beeinträchtigt, jedoch ausreichend zum selbstständigen Richten der Medikamente, Zubereiten des Abendessens und selbstständigen Essen mit Besteck sowie zum Einschenken von Getränken. Soweit nach dem Gutachten von Dr. S. vom 10. April 2007 zum Schneiden die Kraft fehle, widerspreche dies den übrigen Befunden. Die kardiale Belastbarkeit sei in wechselndem Umfang eingeschränkt, bei guter medikamentöser Einstellung bestehe eine Atemnot bei hoher Belastung. Bei mangelnder Einnahme der verordneten Diuretika seien hypertensive Entgleisungen und kardiale Dekompensationen beschrieben, es bestehe dann eine Atemnot bei geringer Anstrengung. Beschrieben werde auch eine leichte Blasenschwäche. Die Klägerin verwende selbstständig Vorlagen, nachts Windelslips, sie sei in der Lage, selbstständig auf die Toilette zu gehen. Eine Stuhlinkontinenz werde verneint. Aufgrund der Adipositas und des eingeschränkten Bückens seien Teilhilfen bei der Ganzkörperwäsche, alternativ beim Baden oder Duschen im Bereich Rücken und Unterschenkel plausibel. Ausreichend sei hier ein täglicher Hilfsbedarf von zehn Minuten. Schwer erklärlich sei, wieso die Klägerin das Frühstück und Abendessen selbstständig zubereiten könne, nach einzelnen Quellen gegartes Fleisch aber nicht schneiden könne. Um eine ungerecht zu niedrige Einstufung aber auf jeden Fall auszuschließen, würden Hilfeleistungen beim Kleinschneiden von Fleisch in einem Umfang von einer Minute täglich angerechnet. Pürieren von Speisen sei nicht notwendig. Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme erfolge völlig selbstständig. Im Bereich der Mobilität sei der Klägerin das Aufstehen und Zubettgehen selbstständig möglich. Beim An-/Entkleiden seien aufgrund der Wirbelsäulenbeschwerden, der adipositasbedingten Schwerfälligkeit, des eingeschränkten Bückens und des gelegentlichen Schwindels Teilhilfen im Bereich des Unterkörpers, etwa beim Anziehen von Socken und beim Über-die-Füße-streifen von Hosen und Unterhosen an sich plausibel. Nachdem die Klägerin nach Abschluss der ambulanten Rehabilitation jedoch beim An- und Auskleiden keine Probleme mehr gehabt habe, sei davon auszugehen, dass der in diesem Bereich zunächst bestehende Hilfebedarf durch die erfolgreichen Rehabilitationsbemühungen habe beseitigt werden können. Gehen und Stehen sei selbstständig möglich, an schlechten Tagen mit Gehstock. Hilfebedarf sei insoweit plausibel bei den Transfers in die Badewanne bzw. heraus. Da aufgrund der Akten nicht eindeutig geklärt werden könne, wie oft diese tatsächlich anfallen würden, werde im Interesse der Klägerin ein tägliches Duschen/Baden angenommen und entsprechend täglicher Hilfebedarf von zwei Minuten berücksichtigt. Treppabgehen werde als relativ problemlos geschildert. Beim Treppensteigen müsse die Klägerin wegen Atemnot auf dem Weg ins dritte Obergeschoss zu ihrer Wohnung zwei bis drei Pausen einlegen. Diese Pausen müsse sie jedoch auch dann einlegen, wenn eine Pflegeperson dabei sei. Hinweise auf eine schwerwiegende Unsicherheit, Sturzgefahr oder Ataxie, die konkreten Hilfebedarf beim Treppensteigen plausibel machen würde, fänden sich nicht. Ein Grund, die geistig klare Klägerin bei Arztbesuchen und zu Krankengymnastikterminen zu begleiten, bestehe nicht. Nach Erhalt des Gutachtens bestätigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08. Juli 2011, dass die Entscheidung, diese "Betrügerin" nicht zu seiner Mutter zu lassen, absolut richtig gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2011 wies das SG die Klage ab. Der Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten werde bereits im Bereich der Grundpflege nicht erreicht. Zu diesem Ergebnis gelangten übereinstimmend und - letztlich - in sich widerspruchsfrei die von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten als auch das Gerichtsgutachten nach Aktenlage der Dr. K.-L ... Inwieweit sich bei der Klägerin seit der ambulanten Rehabilitation im Rehazentrum am E. mittlerweile eine Veränderung bzw. Verschlechterung ergeben hat, habe Dr. K.-L. aufgrund der Aktenlage letztlich nicht entscheiden können. Hierzu wäre eine erneute Untersuchung im Rahmen eines Hausbesuchs notwendig. Eine derartige ambulante gutachtliche Untersuchung der Klägerin im Rahmen eines Hausbesuchs sei auch durch das Gericht für erforderlich erachtet worden, weshalb der entsprechende Gutachtensauftrag am 23. März 2010 von Amts wegen so ergangen sei. Dies habe die Klägerin allerdings abgelehnt und sei dabei trotz eingehender und detaillierter Aufklärung verblieben und selbst nach Vorliegen des Gutachtens nach Aktenlage sei sie der Meinung gewesen, dass ihre Entscheidung richtig gewesen sei. Ohne diese gebotene und der Klägerin auch zumutbare Mitwirkung sei eine weitergehende Aufklärung des streitigen medizinischen Sachverhalts nicht möglich. Von ihrer vom Gesetz auferlegten Mitwirkungspflicht sei die Klägerin insoweit nicht befreit, da eine ambulante Untersuchung im Rahmen eines Hausbesuchs nicht mit einem Schaden für Leib oder Leben der Klägerin verbunden wäre. Triftige Gründe, welche dazu führen könnten, dass ausnahmsweise diese Untersuchungspflicht entfalle, seien nicht vorgetragen und ließen sich insbesondere auch den Schriftsätzen der Klägerin weder entnehmen noch daraus ableiten. Zwar könne das Gericht die vorstehend angeführte erforderliche Mitwirkung der Klägerin nicht erzwingen, die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts verringerten sich jedoch, wenn ein Beteiligter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme. In einem solchen Fall habe nach dem auch in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache derjenige zu tragen, der aus diesen Tatsachen ein Recht (einen Anspruch) herleiten wolle. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Klägerin die Folgen der Nichtfeststellbarkeit der den Anspruch auf Zuerkennung von Pflegeleistungen wenigstens nach der Pflegestufe I begründenden Tatsachen zu tragen habe. Hierauf sei die Klägerin mit den bereits angeführten gerichtlichen Verfügungen ausdrücklich und detailliert hingewiesen worden. Damit seien bei der Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen wenigstens der Pflegestufe I nicht erfüllt. Ein anderes Ergebnis lasse sich insbesondere auch aus den vom Gericht eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften der die Klägerin behandelnden Ärzte nicht ableiten oder diesen entnehmen. Auf die im Laufe des Verfahrens erhobenen An- und Beschuldigungen der Klägerin sei nicht weiter einzugehen. Denn diese seien völlig aus der Luft gegriffen, entbehrten jeder Grundlage und seien letztlich insbesondere auch nicht ansatzweise geeignet, das Klagebegehren der Klägerin zu begründen.

Gegen den Gerichtsbescheid vom 15. April 2011 hat die Klägerin am 10. Mai 2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass anhand ihrer Briefe leicht zu verstehen sei, dass sie die MDK-Gutachter der Gaunerei beschuldige. Mit der Benutzung von offensichtlichen Fehlern im System würden diese Menschen die erste Stufe nicht denjenigen geben, denen sie zustehe, sondern denjenigen, die bereit seien, dafür zu zahlen. Man müsse ein Vollidiot sein, um nicht zu verstehen, dass dieses System nur existieren könne, wenn alle seine Mitglieder Gauner seien. Das SG habe nicht versucht, die Wahrheit zu erfahren, sondern diese für immer zu begraben. Hierfür habe es die behandelnden Ärzte verwendet. Als seine "Machination" mit den Ärzten nicht gelungen sei, habe es sich ohne besondere Probleme an die "Gauner des MDK" gewandt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2011 sowie der Bescheide der Beklagten vom 29. November 2007, 21. Mai 2008 und 29. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2009 zu verurteilen, ihr ab 11. Oktober 2007 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Gerichtsbescheid des SG sowie die Gutachten des MDK und das Gutachten von Dr. K.-L ...

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Denn die Klägerin begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 29. November 2007. 21. Mai 2008 und 29. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I, weil der erforderliche Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 2) seit der Antragstellung nicht mindestens 46 Minuten täglich beträgt. Bei der Klägerin besteht eine Gangstörung bei Polyarthrose, Claudicatio spinalis und Adipositas, eine eingeschränkte kardiale Belastbarkeit bei Zustand nach Herzinfarkt und erfolgter PTCA mit Stenteinlage, eine arterielle Hypertonie mit Zustand nach kardialer Dekompensation im Rahmen hypertensiver Entgleisung bei mangelnder Medikamentencompliance, ein diätetisch eingestellter Diabetes mellitus sowie eine Blasenschwäche. Im Bereich der Hände bestehen nach dem Gutachten der Pflegefachkraft H. feinmotorische Störungen mit teilweisem Taubheitsgefühl, Pflegefachkraft S. fand bei ihrem bereits am 10. April 2007 erstatteten Gutachtens noch eine Einschränkung im Bereich beider Hände aufgrund fehlender Kraft. Nacken-, Schürzen- und Pinzettengriff sind jedoch nicht eingeschränkt. Die Beweglichkeit in den Schultergelenken war stets frei. Die Klägerin ist noch in der Lage, sich selbstständig vom Liegen zum Sitzen aufzurichten und selbstständig weiter zum Stand zu gelangen. Sie kann sich selbstständig ohne Gehhilfen, an schlechten Tagen mit einem Gehstock, innerhalb und außerhalb der Wohnung fortbewegen. Transfers ins Bett und heraus sowie Lagewechsel im Bett kann sie selbstständig bewältigen. Sie kann auch selbstständig Treppensteigen, wobei beim Heraufgehen aufgrund der eingeschränkten kardialen Belastbarkeit Pausen eingelegt werden müssen. Bücken ist zumindest teilweise aufgrund der Lendenwirbelsäulenbeschwerden nur eingeschränkt möglich. Dies ergibt sich aus den Gutachten der Ärztin Dr. J.-K. vom 15. November 2007 und der Pflegefachkräfte S. vom 28. März 2008 und H. vom Oktober 2008 sowie dem Entlassungsbericht des Dr. Hof., Ambulantes Zentrum für Rehabilitation und Prävention am E. über die teilstationäre Rehabilitation der Klägerin im November/Dezember 2008. Von diesen Befunden ging auch Dr. K.-L. in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 11. Juni 2010 aus. Aus den vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. Ho., Dr. Kr. und Dr. Ra. ergeben sich keine weiteren Befunde und hieraus resultierende Einschränkungen.

Dass ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich aus den Gutachten von Dr. J.-K. (25 Minuten), S. (18 Minuten) und H. (39 Minuten). Eine Bestätigung findet diese Einschätzung in dem von der Sachverständigen Dr. K.-L. erstatteten Gutachten nach Aktenlage vom 11. Juni 2010 (13 bis 16 Minuten). Diese Schätzungen des Zeitbedarfs für die Hilfe bei einzelnen Verrichtungen differieren insbesondere deshalb weil Pflegefachkraft H. im Bereich der Mobilität die Begleitung der Klägerin zur Krankengymnastik und zum Arzt mit einem täglichen Zeitaufwand von gerundet 15 Minuten berücksichtigte (hierzu im Folgenden). Mit Ausnahme dieses Punktes sind die Schätzungen des Zeitbedarfs aufgrund der zuvor genannten Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen jedoch plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, sodass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Abgesehen davon wäre der für die Pflegestufe I erforderliche Zeitbedarf von mindestens 46 Minuten täglich aber auch unter Berücksichtigung der von Pflegefachkraft H. angesetzten Zeit im Bereich der Mobilität nicht erreicht.

Ein Hilfebedarf besteht bei der Körperwäsche im Bereich des Rückens und der Unterschenkel, da die Klägerin sich in der Regel nicht ausreichend bücken kann. Ferner benötigt die Klägerin Unterstützung beim Einsteigen in die Dusch- und Badewanne. Da keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, ist die von der Pflegefachkraft S. geschätzte Zeit von zehn Minuten für die Ganzkörperwäsche, vier Minuten beim Duschen und eine Minute für das Ein- und Aussteigen aus der Dusch-Badewanne unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die volle Übernahme von 15 bis 20 Minuten sowie von acht bis zehn Minuten für die Teilwäsche des Oberkörpers und zwölf bis 15 Minuten für die Teilwäsche des Unterkörpers keinesfalls zu gering.

Ob noch ein Hilfebedarf beim An- und Ausziehen, insbesondere der Socken und beim Über-die-Füße-streifen von Hosen und Unterhosen besteht, kann letztlich offenbleiben. Zweifel hieran bestehen, nachdem die Klägerin nach dem Entlassbrief des Dr. Hof. über die teilstationäre Rehabilitation im November/Dezember 2008 zuletzt beim An- und Auskleiden im Gegensatz zur Aufnahmeuntersuchung und zu dem jüngsten Gutachten der Pflegefachkraft H. vom Oktober 2008 keinerlei Probleme mehr hatte. Auch wenn man weiterhin einen Hilfebedarf zugrunde legen würde, beliefe sich der von den Gutachtern geschätzte Zeitaufwand nur auf zwei Minuten für das Anziehen und eine Minute für das Ausziehen. Dies erscheint unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungsrichtlinien für das An- und Entkleiden von insgesamt zwölf bis 16 Minuten angesichts des bei der Klägerin geringen Unterstützungsbedarfs schlüssig.

Aufgrund des nur teilweisen Taubheitsgefühls und der allenfalls geringfügig eingeschränkten Kraft der Hände ist es nachvollziehbar, dass ein Hilfebedarf bei der Zahnpflege, beim Kämmen, beim Herrichten der Kleidung und Anziehen im Bereich des Oberkörpers sowie auch Öffnen und Schließen der Kleidung zur Toilettenbenutzung nicht besteht und sehr wohlwollend nur Hilfeleistungen beim Kleinschneiden von Fleisch in einem Umfang von einer Minute täglich anzusetzen sind. Dass der Klägerin die Speisen püriert werden müssten, wie im Pflegebogen vom 06. Oktober 2008 angegeben wurde, ist in keinster Weise nachvollziehbar.

Ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist die Klägerin in der Lage, sich selbstständig auf- und abzusetzen.

Da die Klägerin in der Lage ist, sich selbstständig - wenn auch an schlechten Tagen mit Hilfe eines Gehstocks - in der Wohnung und auch außerhalb zu bewegen, besteht auch kein Hilfebedarf beim Gehen.

Für Wege zur Krankengymnastik und Arztbesuche ist nach den obigen Ausführungen im Gegensatz zu den Einschätzungen von Pflegefachkraft H. kein Hilfebedarf zugrunde zu legen. Es kann dahingestellt bleiben, wie oft die Klägerin Ärzte aufsucht und ob sie weiterhin Krankengymnastik erhält, denn nachdem sie in der Lage ist, sich selbstständig zu bewegen, bedarf sie keiner Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Hieraus ergibt sich dann, dass der von der Klägerin im Pflegebogen vom 06. Oktober 2008 angegebene tägliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege zu hoch angesetzt ist.

Eine mittlerweile eingetretene wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin mit einem sich daraus ergebenden höheren Hilfebedarf vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar liegt die letzte Begutachtung auf Grund einer Untersuchung der Klägerin durch die Pflegefachkraft H. schon nahezu drei Jahre zurück, es ergeben sich jedoch keine begründeten Hinweise dafür, dass der Gesundheitszustand der Klägerin sich seither wesentlich verschlechtert hat, die Einschätzung der Gutachter überholt und somit die Einholung eines erneuten Gutachtens geboten sein könnte. Die Klägerin selbst hat bezüglich einer Verschlechterung des Gesundheitszustands mit daraus resultierendem weiteren Hilfebedarf nichts vorgetragen. Nach dem Entlassungsbericht des Dr. Hof. über die teilstationäre Rehabilitation der Klägerin vom 13. November bis 10. Dezember 2008 kam es sogar zu einer Verbesserung. Auch aus den Arztauskünften von Dr. Ra., Dr. Ho. und Dr. Kr., die im Januar 2010 erstattet wurden, geht keine nicht bereits bekannte Erkrankungen der Klägerin hervor. Im Übrigen sind weitere Ermittlungen von Amts wegen aber auch nicht geboten, nachdem die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren eine Begutachtung verweigert hat und Anhaltspunkte dafür, dass sie nunmehr zu einer im Rahmen einer Begutachtung notwendigen Untersuchung bereit wäre, nicht ersichtlich sind. Darüber hinaus hat die Klägerin die Pflegefachkräfte, die ein Gutachten erstattet haben, und die vom SG beauftragte Sachverständige im nachhinein jeweils beschimpft und ihnen Gaunerei vorgeworfen, so dass die im Rahmen der Amtsermittlung allein sinnvolle Beauftragung eines Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens auf Grund einer Untersuchung der Klägerin durch den Senat nicht in Betracht kommt. Auf ihre Pflicht zur Mitwirkung, insbesondere die Pflicht zur Duldung der im Rahmen der Sachaufklärung von ihr geforderten Maßnahmen in Form einer Untersuchung, war die Klägerin vom SG sowohl im Schreiben vom 22. Oktober 2009 als auch im Schreiben vom 22. April 2010 hingewiesen worden. Die Mitwirkung bei der Untersuchung war der Klägerin auch zumutbar. Bei der beabsichtigten Begutachtung im Rahmen eines Hausbesuches handelte es sich um keine Untersuchungsmethode, die nicht duldungspflichtig gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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