L 13 AS 2418/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2370/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2418/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Klägerin hat Kosten des Gerichts in Höhe von 225,00 EUR zu zahlen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. März 2009 und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen in Höhe von (zuletzt) 3.132,92 EUR.

Die 1960 geborene Klägerin bezieht seit Januar 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 3. April 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. April bis 30. November 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 347,00 EUR monatlich. Wegen der Berücksichtigung zugeflossenen Einkommens aus einer Beschäftigung änderte die Beklagte ihre Entscheidung ab und bewilligte für den Monat April 2008 nur noch Leistungen in Höhe von 266,23 EUR (Bescheid vom 6. Mai 2008). Den gegen diesen Bescheid seitens der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2008 zurück. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2008 änderte die Beklagte die Bewilligung wegen anzurechnenden Nebeneinkommens aus einer Beschäftigung bei der Firma K. Gebäudereinigung GmbH in M. (K.) für die Monate Oktober und November 2008 ab und gewährte nun Leistungen in Höhe von 327,00 EUR monatlich. Für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 bewilligte die Beklagte dann wiederum Leistungen in Höhe von 327,00 EUR monatlich.

Durch einen Datenabgleich hatte die Beklagte bereits am 15. September 2008 Kenntnis über eine in der Zeit vom 28. April bis 30. Juni 2008 ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin bei der Firma W. GmbH Gebäudereinigung in H. (später umfirmiert als V. GmbH, Gebäudereinigung und Dienstleistungen; nachfolgend V.) erlangt. Aus einem bei der Beklagten am 6. Oktober 2008 eingegangenen Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Firma K. ergab sich zudem, dass die Klägerin bei dieser Firma ab 28. August 2008 zu einem monatlichen Pauschalfestlohn in Höhe von 130,00 EUR geringfügig beschäftigt gewesen ist. Auf Anfrage der Beklagten übersandte die Firma V. die Arbeitsbescheinigung vom 28. Januar 2009, ausweislich derer die Klägerin am 28. April 2008 eine bei der AOK angemeldete Beschäftigung aufgenommen habe, die weiterhin ausgeübt werde. Die nachfolgend von der Firma V. vorgelegten Einkommensbescheinigungen wiesen für die Monate April 2008 bis Januar 2009 folgende Nettoarbeitsentgelte aus:

April 2008 33,70 EUR Mai 2008 410,98 EUR Juni 2008 539,30 EUR Juli 2008 582,77 EUR August 2008 646,88 EUR September 2008 680,00 EUR Oktober 2008 739,86 EUR November 2008 429,99 EUR Dezember 2008 831,12 EUR Januar 2009 400,17 EUR

Daraufhin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2009 die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 vollständig zurück. Gleichzeitig verfügte sie die vorläufige Einstellung der Leistungen für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2009. Die Klägerin habe während der gesamten von der Rücknahme betroffenen Zeit Einkommen aus einer Beschäftigung bei der Firma V. erzielt, das ihren Bedarf überstiegen und damit zum Wegfall ihres Anspruchs auf Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts geführt habe. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Mit weiterem Bescheid vom 11. März 2009 änderte die Beklagte ihre Entscheidung für den Monat Mai 2009 gleichwohl ab und bewilligte nun sogar Leistungen in Höhe von monatlich 347,00 EUR. Ebenfalls unter dem 11. März 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juni 2008 in Höhe von 142,56 EUR und für den Monat Juli 2008 in Höhe von 24,85 EUR. Mit einem vierten Bescheid vom 10. März 2009 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für den Monat Februar 2009 ab; die Leistungshöhe betrug nunmehr nur noch 48,18 EUR.

Gegen die Bescheide vom 11. März 2009 erhob die Klägerin am 30. März 2009 Widerspruch. Sie habe lediglich einmal im Oktober 2008 bei der Firma V. gearbeitet, werde von dieser aber offenbar weiterhin als Arbeitnehmerin geführt. Ausweislich der aktenkundigen Kündigung der Firma V. vom 23. März 2009 wurde das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Eine telefonische Nachfrage der Beklagten bei Herrn M. von der Firma V. ergab, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Zeit vom 28. April 2008 bis 26. März 2009 bestanden hatte. Die Abrechnung für den Monat März 2009 sei noch nicht erstellt; das Gehalt sei regelmäßig auf das Konto der Klägerin überwiesen worden. In der Folge wurde der zwischen der Klägerin und der Firma V. abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 24. April 2008 und die Gehaltsabrechnung für den Monat Februar 2009 übersandt. Letztere wies einen Netto-Verdienst in Höhe von 326,22 EUR aus.

Mit Bescheid vom 14. April 2009 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2009 wiederum ab und bewilligte für den Monat März nun 13,49 EUR, für den Monat April 93,36 EUR und für den Monat Mai 327,00 EUR. Mit Schreiben gleichen Datums teilte die Beklagte der Klägerin mit, es sei beabsichtigt, von ihr die Erstattung von in der Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. März 2009 zu Unrecht bezogenen Leistungen in Höhe von nun insgesamt 3.132,92 EUR zu fordern. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie habe im April 2008 lediglich für zwei Stunden zur Probe gearbeitet. Die Firma V. habe unter ihrem Namen wohl eine 43-jährige Rumänin mit Namen V. B. beschäftigt und bei der AOK angemeldet. Sie (die Klägerin) habe jener lediglich gestattet, ihre Lohnabrechnungen über ihr (der Klägerin) Konto abzuwickeln. Das Gehalt habe sie nach der Gutschrift auf ihrem Konto der Frau B. jeweils in bar ausbezahlt und zwar bis Februar 2009. Dann habe Frau B. gesagt, sie müsse die Gefälligkeit nicht länger in Anspruch nehmen. Die Anschrift der Frau B. sei ihr allerdings nicht bekannt.

Die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. bis 30. April 2009 änderte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Mai 2009 erneut ab; nunmehr ergab sich für den Bewilligungszeitraum ein monatlicher Gesamtbetrag in Höhe von 181,30 EUR. Mit Bescheid vom selben Tag bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2009 in Höhe von 327,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 11. Mai 2009 nahm die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. März 2009 in Höhe von 3.132,92 EUR (teilweise) zurück und forderte von der Klägerin die Erstattung in dieser Höhe zu Unrecht bezogener Leistungen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin wiederum Widerspruch; mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 wies die Beklagte diesen zurück.

Die Klägerin hat am 20. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie habe lediglich im September 2008 für die Firma V. gearbeitet und dafür 220,00 EUR Lohn erhalten. Bei dem Lohn der auf ihr Konto überwiesen worden sei, habe es sich nicht um ihr eigenes Gehalt, sondern um dasjenige einer Bekannten (nun: V. B.) gehandelt, die immer noch für die Firma V. arbeite. Sie habe den Lohn der Frau B. immer in bar ausgehändigt; dieses Abkommen sei der Firma V. bekannt gewesen. Ihrem Schriftsatz hat die Klägerin Kontoauszüge beigefügt, aus denen sich die Gutschrift entsprechender Gehaltszahlungen der Firma V. ergibt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie halte den Vortrag der Klägerin wegen seiner Widersprüchlichkeit nicht für glaubhaft. Das SG hat daraufhin eine schriftliche Auskunft der Firma V. eingeholt. In ihrem Schreiben vom 2. März 2010 haben D. M. und G. S. für die Firm V. ausgeführt, die Klägerin habe ihre Tätigkeit am 28. April 2008 mit 14-tägiger Probezeit begonnen und sei am 23. März 2009 mit Wirkung zum 26. März 2009 wegen unentschuldigten Fehlens gekündigt worden. Eine Frau B. sei zu keinem Zeitpunkt im Unternehmen beschäftigt gewesen. Dem Schreiben ist eine Kopie des von der Klägerin unterzeichneten Arbeitsvertrages, einer von der Klägerin unterzeichneten Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 24. April 2008, eine Kopie des Personalausweises der Klägerin, eine Kopie des an die Klägerin adressierte Kündigungsschreibens vom 23. März 2009, eine Kopie des an den Betriebsrat der Firma V. gerichteten Antrags auf Kündigung vom 23. März 2009 mit handschriftlicher Zustimmung vom selben Tag sowie Verdienstabrechnungen für die Monate Juni 2008 bis März 2009 beigefügt gewesen. Mit Urteil vom 15. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur vollen Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die Klägerin in dem sich aus den aktenkundigen Lohnabrechnungen ergebenden Umfang bei der Firma V. beschäftigt gewesen ist und die dort ausgewiesenen Gehaltszahlungen auch tatsächlich erhalten hat. Der Klägerin seien Leistungen nach dem SGB II deshalb teilweise zu Unrecht bewilligt worden; insgesamt ergebe sich, wie von der Beklagten zutreffend verfügt, eine Überzahlung in Höhe von 3.132,92 EUR.

Gegen das ihr gemäß Postzustellungsurkunde am 4. Mai 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Mai 2010 schriftlich beim SG Berufung eingelegt. Mit dem angegriffenen Urteil sei sie nicht einverstanden. Bei der Firma V. habe sie lediglich im Mai 2008 für eine Probezeit von zwei Wochen und den ganzen Monat September 2008 gearbeitet. Ihre frühere Nachbarin V. B. habe bei der Firma V. früher als Raumpflegerin gearbeitet, heute sei sie dort Objektleiterin. Deren Lohn sei in der Zeit von Mai 2008 bis März 2009 auf ihr Konto überwiesen und von Frau B. persönlich abgeholt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. April 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. März 2009 und vom 11. Mai 2009, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2009, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2011 hat der Senat die Betriebsleiterin der Firma V. in H. F. als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung des Senats vom 9. Dezember 2011 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 12 AS 2370/09) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 2418/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage ist der den Bescheid vom 11. März 2009 ersetzende und die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. März 2009 in Höhe von 3.132,92 EUR (teilweise) zurücknehmende sowie von der Klägerin der Erstattung in dieser Höhe bezogener Leistungen fordernde Bescheid vom 11. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2009. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Auch zur vollen Überzeugung des Senats war die Klägerin in der Zeit vom 28. April 2008 bis 26. März 2009 bei der Firma V. versicherungspflichtig beschäftigt und hat das sich aus den von der Firma V. vorgelegten Lohnabrechnungen ergebende Gehalt auch tatsächlich erhalten. Wegen dieses ihr zugeflossenen Einkommens war die Klägerin von Anfang an nicht in dem von ihr gegenüber der Beklagten angegebenen Umfang hilfebedürftig.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der der Klägerin Alg II für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. März 2009 bewilligenden Bescheide ist § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der hier noch anzuwendenden bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Entgegen der Ansicht des SG findet § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X keine Anwendung. Die Bewilligung von Alg II erweist sich hier (teilweise) als von Anfang an rechtswidrig; eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist nach Bekanntgabe der der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligenden Bescheide nicht eingetreten. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für diesen Fall, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Die der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Alg II bewilligenden Bescheide waren von Anfang an rechtswidrig. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe auf den Bestand dieser Bewilligungsbescheide vertraut, denn sie hat nach Überzeugung des Senats bei der Antragstellung und im laufenden Verfahren vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht, die für die Bewilligungsentscheidungen maßgeblich gewesen sind. Letztlich sind die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen gewahrt.

Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach den §§ 19 ff. SGB erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II in der hier noch anzuwendenden bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Als Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind, ergibt sich aus § 11 Abs. 2 SGB II. Handelt es sich - wie im Fall der Klägerin - um Einkommen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sind dies vor allem die zu entrichtenden Steuern und die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II).

Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin in dem von der Firma V. angegebenen Umfang tatsächlich abhängig beschäftigt gewesen ist. Die Einlassung der Klägerin, sie habe jedenfalls in dem unterstellten Umfang nicht gearbeitet; das ihr überwiesene Gehalt sei vielmehr für eine andere Mitarbeiterin bestimmt gewesen, der sie es in bar übergeben habe, wertet der Senat als reine Schutzbehauptung. Der Vortrag der Klägerin erweist sich schon deshalb als nicht glaubhaft, weil die Sachverhaltsschilderungen ständig variieren. Zunächst wollte die Klägerin lediglich drei Tage zur Probe gearbeitet haben; dann hat sie behauptet, sie sei (nur) im Oktober 2008 jeweils für 1,75 Stunden an fünf Tagen beschäftigt gewesen. Dann hat sie behauptet, sie habe den gesamten Monat Oktober gearbeitet. Später erklärte sie dann, sie habe lediglich im April 2008 für zwei Stunden gearbeitet um dann vorzutragen, sie sei bei der Firma V. überhaupt nicht beschäftigt gewesen. Im Klageverfahren hat sie dann behauptet, sie sei lediglich im September 2008 beschäftigt gewesen und habe 220,00 EUR verdient. Nach ihrem Vortrag im Berufungsverfahren soll die Beschäftigung schließlich im Mai für zwei Wochen und während des gesamten September 2008 stattgefunden haben. Letztlich belegen auch die glaubhaften Aussagen der Mitarbeiter der Firma V., dass der Vortrag der Klägerin nicht der Wahrheit entspricht. Insoweit nimmt der Senat ergänzend auf die Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 24. Februar 2010 Bezug, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Durch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme sind die tatsächlichen Feststellungen des SG in vollem Umfang bestätigt worden. Die Zeugin F. hat in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2011 glaubhaft bekundet, die Klägerin sei in der Zeit vom 28. April 2008 bis zur mit Schreiben vom 23. März 2009 erklärten fristlosen Kündigung bei der Firma V. beschäftigt gewesen. Eine Frau B. habe dort demgegenüber nie gearbeitet. Auch diese Aussage hält der Senat für glaubhaft, nachdem die Klägerin behauptet hat, jene sei bei der Firma V. nach wie vor als Objektleiterin tätig, die Zeugin aber widerspruchsfrei ausgesagt hat, in H. arbeite lediglich ein männlicher Objektleiter namens F ... Insgesamt vermag der Senat keine Hinweise zu erkennen, die Anlass geben könnten, an der Glaubwürdigkeit der Zeugin F. oder an der Glaubhaftigkeit der von dieser getätigten Aussagen zu zweifeln.

Die vorzunehmende Berücksichtigung des von der Klägerin bei der Firma V. erzielten Gehalts, das ihr ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszüge auch tatsächlich zugeflossen ist, führt dazu, dass ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 3.132,92 EUR zu Unrecht bewilligt worden sind; die ihr Leistungen ohne Berücksichtigung dieses Einkommens bewilligenden Bescheide erweisen sich mithin als rechtswidrig. Wegen der Berechnung der Überzahlung verweist der Senat wiederum auf die Berechnung in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 24. Februar 2010 (§ 153 Abs. 2 SGG) und nimmt ergänzend auf die Berechnung des Leistungsanspruchs durch die Beklagte auf Bl. 350 f. der Verwaltungsakte Bezug.

Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich die Klägerin nicht berufen, da sie bei der Antragstellung und während der gesamten Bezugsdauer ihre Beschäftigung verschwiegen und damit vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Da im Fall der Klägerin die Leistungsbewilligung bereits zuvor wegen einer nicht angezeigten Beschäftigung zurückgenommen werden musste, war der Klägerin die Bedeutung der Aufnahme bzw. Ausübung einer abhängigen Beschäftigung für ihren Leistungsanspruch sehr wohl bewusst. Ihr war damit auch bekannt, dass ihr ein Anspruch auf Leistungen in der bewilligten Höhe tatsächlich nicht zustand. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin (auch) hier vorsätzlich falsche Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen gemacht hat, um auf diesem Wege zu Unrecht ungekürztes Alg II neben ihrem Gehalt beziehen zu können.

Die Beklagte hat eine umfassende Kenntnis darüber, in welchem Umfang die Klägerin gearbeitet und Einkommen erzielt hat, jedenfalls nicht vor dem Erhalt der Einkommensbescheinigungen der Firma V. am 9. März 2009 erlangt. Die Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 11. März 2009 und vom 11. Mai 2009 wurden der Klägerin dementsprechend innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe der der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die streitgegenständlichen Zeiträume bewilligenden Bescheide ist damit ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X), wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Einhaltung dieser Frist angesichts vorliegender Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozessordnung entbehrlich ist (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Die Rechtmäßigkeit der Erstattung der zu Unrecht geleisteten Zahlungen beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X. Etwaige Mängel bei der Anhörung sind dadurch geheilt worden, dass die angegriffenen Bescheide alle für die Rücknahme und Erstattung erforderlichen Tatsachen enthalten haben und damit die Anhörung jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt wurde (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten betreffend war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung insgesamt ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hat darüber hinaus von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist zunächst durch den Berichterstatter, auf den die Befugnisse des Vorsitzenden insoweit gemäß § 155 Abs. 4 SGG übertragen worden sind, in der nichtöffentlichen Sitzung am 7. September 2010 sowie nochmals durch den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2011 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung wissentlich auf eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung gestützt wird (vgl. Meyer/Ladewig, SGG 9. Aufl., § 192 Rdnr. 9b m.w.N.). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren vorsätzlich wahrheitswidrig vorgetragen hat und wertet dies als besonders gravierenden Fall des Missbrauchs verfahrensrechtlicher und prozessualer Rechte. Deshalb hält der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§ 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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