L 9 R 3729/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5495/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3729/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1948 geborene Kläger war in der Bundesrepublik Deutschland vom 28.09.1970 bis 24.11.1997 als Arbeiter und Kellner beschäftigt. Im Anschluss daran und vor seiner Ausreise nach G. 2002 bezog er Leistungen über die Bundesagentur für Arbeit. Von Mai 2003 bis August 2006 war er als selbstständiger Taxifahrer in G. tätig. Seit dem 01.09.2006 bezieht er dort eine griechische Invaliditätsrente.

Die Beklagte lehnte die vom Kläger am 23.01.2007 beantragte Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 22.07.2008 ab. Dabei berücksichtigte sie eine medikamentös eingestellte depressive Störung, leichtgradige Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) ohne neurologische Ausfallerscheinungen sowie Bandscheibenvorfälle an HWS und LWS ohne neurologische Defizite und folgerte hieraus, dass der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Grundlage dieser Einschätzung war die sozialmedizinische Auswertung vorliegender Übersetzungen griechischer Befunde und Befundberichte sowie eines Gutachtens der griechischen Gesundheitskommission durch ihren beratenden Arzt Dr. G. vom 17.07.2008. In seinem gegen den Bescheid gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Gesundheitskommission des IKA-Institutes in Drama habe einen Unfähigkeitsgrad von 67 % unter Berücksichtigung einer schweren depressiven Störung sowie unter Berücksichtigung von Verschleißerscheinungen der HWS und LWS mit neurologischen Ausfallerscheinungen sowie Bandscheibenvorfällen an HWS und LWS mit neurologischen Defiziten festgestellt. Er habe daher auch nach deutschem Recht Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

In seinem ärztlichen Attest vom 19.08.2008 wies der Psychiater C. darauf hin, dass der Kläger an einer Depression major leide und sich sein Gesundheitszustand seit kurzem verschlechtert habe, weshalb eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik erforderlich sei. Der Kläger begab sich daraufhin in die stationäre Behandlung (20.08.2008 bis 18.09.2008) der psychiatrischen Klinik D., in deren Bericht vom 02.12.2008 als Diagnosen eine Depression, Kreuzschmerzen und Kopfschmerzen angegeben wurden. Die Depression major habe sich verschlimmert, darüber hinaus leide der Kläger an einer Lumboischialgie. In dem daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten kam Prof. Dr. K. nach einer neurologischen und psychiatrischen Untersuchung des Klägers am 13.01.2009 zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter Anpassungsstörungen mit depressiven Komponenten leide, an einer arteriellen Hypertonie und degenerativen Veränderungen der HWS und LWS. Seine Untersuchungen hätten keine Hinweise auf eine Depression oder Psychose ergeben, keinen Hinweis auf eine Aggravation und keine Anhaltspunkte für Selbstmordgedanken, Agoraphobie, Zwangsideen, Alkoholmissbrauch oder Drogenabhängigkeit. Die Computertomografien der HWS und LWS vom 16.04.2007 hätten nur degenerative Veränderungen nachgewiesen. Wegen einer Tachykardie und Herzrhythmusstörungen habe er empfohlen, sofort einen Kardiologen aufzusuchen. Ihm sei telefonisch von der Ehefrau mitgeteilt worden, dass der Kardiologe zwar einige Blutuntersuchungen angeordnet, jedoch keinen dringenden und aufregenden Zustand festgestellt habe. Der Kläger sei daher noch in der Lage leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuführen, wenn Wechselschicht, Nachtschicht, Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne Eigen- und Fremdgefährdung vermieden würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.08.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Der Kläger hat geltend gemacht, allenfalls theoretisch in der Lage zu sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Er hat hierzu Bescheinigungen behandelnder Ärzte vorgelegt. Die Beklagte hat hierauf erwidert und ausgeführt, dass - bis auf die undatierte augenärztliche Bescheinigung - alle der Klagschrift beigefügten Berichte bereits Gegenstand des Verfahrens gewesen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden seien. Das in der augenärztlichen Bescheinigung attestierte Sehvermögen stehe einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts jedenfalls nicht entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. K. gestützt. Eine quantitative Leistungsminderung bestehe aufgrund der diagnostizierten Anpassungsstörung mit depressiven Komponenten nicht. Auch die bestehenden Veränderungen an HWS und LWS seien nicht so schwerwiegend, dass hierdurch eine zeitliche Limitierung der Leistungsfähigkeit bedingt sei. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinsschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung lägen nicht vor. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit weil er als angelernter des unteren Bereiches sozial zumutbar auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden könne.

Gegen den ihm am 03.06.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.08.2010 Berufung eingelegt.

Er hält daran fest, dass er mit all seinen Leiden und Beschwerden, die in jedem Gutachten beschrieben seien, und mit einer dauernden und zu erwartenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes keinesfalls eine Arbeitstätigkeit ausführen könne, welche auch am Arbeitsmarkt nicht vorhanden sei. Er hat hierzu die Bestätigung des Leiters des Zentrums für seelische Gesundheit in D. C. vom 14.07.2010 vorgelegt, wonach er an einer wahnhaften Störung mit depressiven Symptomen leide. In einem weiteren Attest vom 21.03.2011 bescheinigte er eine Major Depression mit psychotischen Syndromen und in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 24.03.2011 stationäre Aufenthalte des Klägers vom 20.08.2008 bis 18.09.2008, vom 13.07.2009 bis 28.09.2009 und vom 10.08.2010 bis 29.08.2010 (Diagnosen: Cervikalsyndrom, Major Depression).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2010 sowie den Bescheid vom 22. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bislang vertretenen Auffassung fest.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines psychiatrischen Gutachtens bei Prof. Dr. V., T. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 29.09.2011 neurologisch einen alten, kleinen ischämischen Infarkt im Bereich des Thalamus links und psychiatrisch eine Neurose eng verbunden mit einer leichten reaktiven Depression, eine Hypochondrie und eine Aggravation festgestellt. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei durch die beschriebenen gegenwärtigen Gesundheitsstörungen nicht wesentlich eingeschränkt. Der Kläger sei in seinem derzeitigen Zustand aus rein neurologisch-psychiatrischer Sicht in der Lage, leichte übliche Tätigkeiten ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (schwerer als 10 kg oder ohne mechanische Hilfsmittel), ohne volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände, ohne Eigen- und Fremdgefährdung, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr, ohne Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder an solchen, die die volle körperliche oder psychische Gebrauchsfähigkeit sowie Denkfähigkeit, Initiative, andauernde Aufmerksamkeit, nervöse Anspannung und besondere Verantwortung erforderten, ohne große Anforderungen an das Sehvermögen vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Tätigkeiten in Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe, Lärm und inhalativen Reizstoffen sollten zudem vermieden werden. Der Kläger sei noch in der Lage sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme jeder neuen Tätigkeit verbunden seien. Diese Anpassungsfähigkeit müsse jedoch als begrenzt bezeichnet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend zu den Ermittlungen im Berufungsverfahren ist lediglich anzumerken, dass auch das vom Senat in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. V. nach einer ausführlichen neurologischen und psychiatrischen Untersuchung des Klägers das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme bestätigt hat. Abgesehen vom Nachweis eines älteren kleineren ischämischen Infarktes im Bereich des Thalamus links in der veranlassten Kernspintomographie des Schädels war die körperliche Untersuchung, welche die Untersuchung der großen und kleinen Gelenke ebenso umfasste wie eine Blutuntersuchung, weitgehend unauffällig. Neurologisch fand sich lediglich ein Verlust der Temperaturwahrnehmung im Bereich des Knöchels des rechten Beines. Vom Kläger angegebene atypische und instabile Ausfälle beider Gesichtsfelder konnten bei der durchgeführten Prüfung nicht bestätigt werden. Der Kläger war darüber hinaus bewußtseinsklar und völlig orientiert, ohne deutliche Merkfähigkeitsschwäche oder Gedächtnisstörungen. Es waren darüber hinaus keine Paranoide, keine Hinweise für eine endogene Depression bei durchschnittlicher Intelligenz und normaler Kritikfähigkeit aber egozentrischem Denken und Verhalten feststellbar. Auf psychiatrischem Fachgebiet war daher lediglich die Diagnose einer Neurose, eng verbunden mit Hypochondrie und Aggravation sowie einer leichten reaktiven Depression zu stellen. Die Auswirkungen dieser Erkrankungen führen nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung. Vielmehr ist der Kläger auch weiterhin in der Lage leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben. Dabei ist der Kläger auch noch in der Lage sich in ausreichendem Maße auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verbunden sind.

Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Insbesondere ergeben sich nach den durchgeführten Ermittlungen auch keine neuen Erkenntnisse, die die Annahme einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder das Vorliegen schwerer spezifischer Leistungseinschränkungen rechtfertigen könnten. Ein Anspruch nach § 240 SGB VI scheidet - wie das SG ebenfalls zu Recht entschieden hat - aufgrund der breiten Verweisbarkeit des Klägers aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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