L 8 U 4679/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2649/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4679/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.11.1981 Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. hat.

Der 1952 geborene Kläger war vom 01.03.1981 bis 31.12.1982 bei dem Gartenbaubetrieb S. und F. in H. als Gärtner beschäftigt. Am 06.11.1981 geriet er beim Heckenschneiden mit den Fingern 2 bis 4 der rechten Hand in eine Häckselmaschine und zog sich dabei Verletzungen zu, die zu Teilamputationen der Finger 3 und 4 führten.

Am 11.10.2005 wandte sich der Kläger wegen der Amputationsverletzung an den Orthopäden Dr. K. und bat ihn um eine Überprüfung der Unfallfolgen. Dr. K. gab in seinem Schreiben vom 13.10.2005 an die Beklagte eine kolbige Auftreibung nach Teilamputation im Bereich der rechten Hand an und diagnostizierte einen Zustand nach Teilamputation in den Fingerendgelenken D3 und D4 rechte Hand.

Die Beklagte, deren Akten nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden waren, bat den Arbeitgeber des Klägers, die vom Kläger angegebenen behandelnden Ärzte und die Universitätsklinik H. um Übersendung der über den Unfall noch vorliegenden Unterlagen. Diese teilten mit, dass ihnen ebenfalls keine Unterlagen mehr vorlägen. Ferner zog die Beklagte - der Kläger war seinerzeit bei der Gärtnerkrankenkasse gesetzlich krankenversichert - die Leistungsübersicht der nunmehr zuständigen Techniker Krankenkasse (TK) vom 30.12.2005, in der unter dem 01.11.1981 ein Unfall (Abriss rechter Ring- und Mittelfinger) verzeichnet ist, und deren Auszug aus dem Leistungsverzeichnis für die Jahre 1981 bis 1982 bei. Aus dem Leistungsverzeichnis geht hervor, dass der Kläger am 06.11.1981 einen Arbeitsunfall erlitten hat, bei dem er sich eine Handverletzung links mit subtotaler Abtrennung des 4. Fingers mit Weichteildefekt und eine Endgliedfraktur des 2. Fingers links zugezogen habe und deshalb bis 31.01.1982 arbeitsunfähig krank gewesen sei.

In seinem weiteren Schreiben (an die Beklagte) vom 10.02.2006 erwähnte Dr. K., dass der Kläger in letzter Zeit vermehrt Schmerzen im Bereich der Amputationsstümpfe der Fingerkuppen D3 und D4 der rechten Hand verspürt und auch über eine Sensibilitätsstörung in diesem Bereich geklagt habe. Er habe Schutzfingerlinge für den 3. und 4. Finger rechts verordnet. Am 04.12.2006 teilte Dr. K. der Beklagten telefonisch mit, der Kläger sei letztmals am 12.06.2006 in seiner Behandlung gewesen. Er habe ihm nochmals Fingerlinge verschrieben. Eine Arbeitsunfähigkeit sei aufgrund dieses Unfalls nicht bescheinigt worden. Die MdE infolge der Teilamputation betrage 10 v.H. Mit Schreiben vom 20.12.2006 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, die Behandlung ab 11.10.2005, die nach Angaben von Dr. K. am 12.06.2006 beendet gewesen sei, sei zu ihren Lasten durchgeführt worden. Eine Verletztenrente sei nicht zu zahlen, da eine MdE von 20 v.H. nicht vorliege.

Dagegen legte der Kläger am 03.01.2007 Widerspruch ein und machte geltend, seine gesundheitliche Situation werde von der Beklagten zu günstig beurteilt. Die Beklagte holte von dem Chirurgen Prof. Dr. Q. das fachärztliche Gutachten vom 03.04.2007 ein. Dieser gelangte nach ambulanter und radiologischer Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, es lägen eine Verkürzung der Finger D3 und D4 um 0,5 cm bzw. 1,0 cm, im Einzelnen beschriebene radiologische Veränderungen, subjektiv vorgetragene Sensibilitätsverluste, eine etwas eingeschränkte Beweglichkeit der Finger der rechten Hand, insbesondere D3 und D4 sowie die subjektiv vom Kläger angegebenen dumpfen Schmerzen im Bereich von D3 und D4 rechts vor. Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen bestünden eine medikamentös behandelte Depression und ein Zustand nach Appendektomie. Ab dem Untersuchungstag liege keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß mehr vor. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2007 vertrat der Orthopäde Dr. T. die Auffassung, die unfallbedingte MdE könne nur mit maximal 10 v.H. bewertet werden. Die angegebenen subjektiven Beschwerden, die weder messbar noch anderweitig objektiv überprüfbar seien, wirkten sich nicht erhöhend auf die MdE aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die beim Kläger bestehenden Unfallfolgen (Teilverlust vom Endglied des 3. und 4. Fingers der rechten Hand) bedingten maximal eine MdE von 10 v.H.

Am 27.07.2007 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er eine Depression als weitere Unfallfolge und eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. geltend machte. Er brachte vor, er leide unter anhaltenden dumpfen/drückenden Schmerzen in der rechten Hand und könne rechts praktisch nichts mehr heben und fassen. Es bestünden erhebliche Sensibilitätsverluste an der rechten Hand. Ferner leide er seit dem Unfallereignis an Depressionen. Dr. C., bei dem er nach dem Unfall viele Jahre in Behandlung gewesen sei, könne bestätigen, dass die Depressionen seit dem Unfallereignis vorlägen. Er legte den Bescheid des Landratsamts R. (LRA) vom 29.09.2006, mit dem unter Berücksichtigung u.a. einer Depression und psychovegetative Störungen ein GdB von 50 seit 15.03.2006 festgestellt worden war, und das Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 02.10.2007 vor. Darin bestätigte Dr. F., dass sich der Kläger seit Jahren in ihrer nervenärztlichen Behandlung befinde. Es bestehe eine chronifizierte Depression u.a. aufgrund von Folgen eines Arbeitsunfalls im Jahre 1981 mit Verletzung mehrerer Finger der rechten Hand.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 24.11.2008 geltend, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade liege weiterhin nicht vor.

Das SG hörte zunächst Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese schilderte unter dem 08.11.2007 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit 02.06.2003 und gab an, sie könne nicht klären, worauf die bei dem Kläger diagnostizierte depressive Verstimmung alleinig beruhe. Die Folgen des Arbeitsunfalls seien vom Kläger ihr gegenüber erstmals im Januar 2006 erwähnt worden. Der Kläger selbst gebe auf Nachfrage an, dass seine depressive Verstimmung alleinig oder größtenteils auf die Verletzung der rechten Hand zurückzuführen sei. Der als Praxisnachfolger des vom Kläger benannten Arztes Dr. C. gehörte Dr. G. teilte mit, die alten Unterlagen nach Ablauf der Archivierungspflicht vernichtet zu haben, er selbst habe den Kläger nicht behandelt (schriftliche Aussage vom Februar 2008).

Anschließend holte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. H., Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin in H., ein psychosomatisches Gutachten ein. Aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 04.06.2008 diagnostizierte der Sachverständige beim Kläger in seinem Gutachten vom 20.10.2008 eine rezidivierende depressive Störung mit einer aktuell mindestens mittelgradigen Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine damit einhergehende isolierte Phobie und bejahte einen ursächlichen Zusammenhang dieser Gesundheitsstörungen mit dem Unfallgeschehen vom 01.11.1981 (richtig: 06.11.1981). Die psychische Situation des Klägers sei bislang nicht ausreichend eingeschätzt worden. Seine psychischen Beschwerden würden jedoch seit 12.10.2005 bei der Beurteilung des Grades der Behinderung (GdB) mit einem GdB von 30 berücksichtigt. Diese Diagnose sei bislang bei der Bewertung der unfallbedingten MdE nicht berücksichtigt worden, so dass er aus psychosomatischer Sicht von der bisherigen Einschätzung abweiche.

Danach holte das SG von Dr. S. vom Psychiatrischen Zentrum N. in W. ein psychiatrisches Gutachten ein. Der Sachverständige diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 21.03.2009 eine dysthyme Störung und ein atypisches situationsspezifisches Angstsyndrom. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Arbeitsunfall sei nicht wahrscheinlich. Eine MdE werde durch die diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht bedingt. Das vorliegende psychosomatische Gutachten vom 20.10.2008 könne aufgrund relevanter methodischer und inhaltlicher Mängel in zentralen Aussagen zu Anamnese, Befunderhebung, Diagnosestellung, Kausalitätsbeurteilung, Leistungsbeurteilung und Prognose nicht bestätigt werden. Mit der Einschätzung von Dr. K. vom 24.11.2008 stimme er überein.

Mit Urteil vom 02.07.2009 wies das SG die Klage ab. Unter Hinweis auf die Beurteilungen von Prof. Dr. Q. und Dr. K. bewertete es die Amputationsfolgen im Bereich der Finger 3 und 4 der rechten Hand mit einer MdE von unter 20 v.H. (10 v.H.). Auf nervenärztlichem Fachgebiet lägen keine Unfallfolgen vor. Depressive Störungen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen seien nicht belegt, nachdem Dr. F. über eine entsprechende Behandlung seit Juli 2005 berichtet habe und aus der vom LRA beigezogenen SGB IX-Akte hervorgehe, dass er erstmals im Oktober 2005 von einer depressiven Entwicklung mit Affektlabilität, Schlafstörungen und Nervosität gesprochen habe. Die Beurteilung des Sachverständigen Dr. S., die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen wiesen keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall aus dem Jahr 1981 auf, überzeuge. Der Auffassung von Dr. H. sei nicht zu folgen. Die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer mittelschweren Depression seien unhaltbar. Dr. H. habe weder die vom Kläger angegebenen Beschwerden kritisch hinterfragt noch diese über eine körperliche Untersuchung einer Kontrolle unterzogen. Seine Ausführungen zeigten außerdem, dass er mit den Grundzügen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vertraut sei, da er ansonsten zur Bestimmung des Schweregrades der Gesundheitsstörungen nicht auf die Vorschriften des SGB IX zurückgegriffen hätte.

Gegen das ihm am 30.09.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2009 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Das SG sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Unfallfolgen festzustellen seien. Seine auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen lägen seit dem Unfall im Jahre 1981 vor. Er habe viele Jahre keine Kenntnis davon gehabt, dass er wegen den auf das Unfallgeschehen zurückzuführenden Depressionen Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen könne. Direkt nach dem Unfall sei er bei einem Arzt in H. im Stadtteil K., an dessen Namen er sich nicht mehr erinnern könne, in Behandlung gewesen. Dieser habe ihm Schlaf- und Beruhigungstabletten verschrieben. Nachdem er umgezogen sei, habe er sich wegen der unfallbedingten Depressionen in die Behandlung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W., H., begeben. Hierzu legt er deren Attest vom 15.02.2010 vor. Danach leide der Kläger an schweren Depressionen. 1981 habe er einen Arbeitsunfall erlitten, wobei er drei Fingerglieder der rechten Hand verloren habe. Er nehme seit 1986 das Medikament Amitryprilin und nach dem Unfall Flunitrazapin ein. Der Sachverständige Dr. H. habe die bei ihm auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen beschrieben und auch begründet, weshalb diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen vom 06.11.1981 stünden. Er beantrage, Dr. H. zu den Einwendungen von Dr. S. (Gutachten vom 21.03.2009) gegen sein Gutachten und zum Gutachten von Prof. Dr. D. ergänzend zu hören, fürsorglich beantrage er dessen ergänzende Anhörung gemäß § 109 SGG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juli 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. November 1981 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. zu gewähren, hilfsweise Dr. H. gemäß des Antrags im Schriftsatz vom 19.01.2011 ergänzend von Amts wegen, hilfsweise auf Antrag nach § 109 SGG zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass auf nervenärztlichem Gebiet keine Unfallfolgen festzustellen seien. Dem Gutachten von Dr. H. könne nicht gefolgt werden und dem Attest von Dr. W. fehle es an konkreten Angaben.

Der Senat hat Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat am 09.07.2010 angegeben, der Kläger stehe seit 1987 unterschiedlich oft - manchmal jeden Monat - in ihrer Behandlung. Beim Kläger lägen hauptsächlich Depressionen, rezidivierende Gastriden und ein Wirbelsäulensyndrom vor. Aufgrund der Verkrüppelung der rechten Hand lebe der Kläger sehr zurückgezogen. Er traue sich z.B. nicht, in einem Restaurant zu essen. Es bestünden insbesondere eine rezidivierende depressive Störung, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine isolierte Phobie im Sinne einer phobischen Vermeidung. Ferner hat der Senat Prof. Dr. D., Leiter des Bereichs für Forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M., mit der Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.10.2010 ist der Sachverständige in seinem Gutachten vom 26.11.2010 zu der Beurteilung gelangt, der Kläger leide an einer dysthymen Störung und an einem atypischen situationsspezifischen Angstsyndrom. Keiner der beiden gestellten psychiatrischen Diagnosen sei auf den in Rede stehenden Arbeitsunfall zurückzuführen. Sie bedingten nach seiner Einschätzung keine MdE. Der Beurteilung von Dr. H. folge er nicht. Dessen Gutachten weise einige Mängel in den Bereichen Anamnese, Befunderhebung und Diagnostik auf und enthalte keinen körperlich-neurologischen Befund. Ferner seien keine Untersuchungen zur Einschätzung von Aggravation und Verdeutlichungstendenzen durchgeführt worden. Auch der Stellungnahme von Dr. W. könne er nicht folgen. Die Beurteilungen von Dr. K. und Dr. S. könne er hingegen bestätigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2007, mit dem es die Beklagte mangels einer rentenberechtigenden MdE von wenigstens 20 v. H. abgelehnt hat, dem Kläger eine Verletztenrente zu gewähren. Zwar enthält das Schreiben der Beklagten vom 20.12.2006 keine Rechtsbehelfsbelehrung und ist daher nicht ohne weiteres als anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren. Da mit diesem Schreiben aber die Gewährung einer Verletztenrente ausdrücklich abgelehnt worden ist, hat die Beklagte damit eine Regelung getroffen, die einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) darstellt. Auch der Kläger hat das Schreiben als anfechtbaren Bescheid angesehen und hiergegen Widerspruch eingelegt.

Ob es sich bei der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 20.12.2006 um die erstmalige Entscheidung der Beklagten über den Anspruch des Klägers auf eine Verletztenrente anlässlich seines Arbeitsunfalls vom 06.11.1981 oder um eine nach den Grundsätzen der Erstfeststellung zu erfolgende Neufeststellung nach vorausgegangener bestandskräftiger Ablehnung von Leistungen handelt, lässt sich aufgrund der nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichteten Akten der Beklagten und mangels anderen Unterlagen aus dieser Zeit nicht mehr feststellen. Auch den Unterlagen der TK ist insoweit nichts weiteres zu entnehmen. Der Senat kann es aber letztlich dahingestellt sein lassen, ob eine Erstentscheidung oder eine Neufeststellung in oben genanntem Sinne vorliegt. Der angegriffene Bescheid vom 20.12.2006 ist nämlich unter keinem der hierbei zu prüfenden Gesichtspunkte rechtswidrig.

Das SG ist im angefochtenen Urteil unter Anwendung der maßgeblichen Vorschriften und der zu beachtenden Maßstäbe, insbesondere des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Verletztenrente hat, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls vom 06.11.1981 nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Es hat angenommen, dass die beim Kläger bestehenden Amputationsfolgen im Bereich des 3. und 4. Fingers der rechten Hand keine höhere MdE als 10 v. H. bedingen. Dies hat es im Wesentlichen mit den entsprechenden Bewertungen des Gutachters Prof. Dr. Q. und des behandelnden Orthopäden Dr. K. begründet, die übereinstimmend eine MdE von unter 20 v. H. angenommen haben. Zudem hat es insoweit auf das unfallmedizinische Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 643) verwiesen, wonach Teilamputationen der Finger 3 und 4 (nur) eine MdE von 10 v. H. rechtfertigen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden und Schmerzen seien bei dieser Bewertung bereits berücksichtigt. Im Übrigen sei zu beachten, dass subjektive Beschwerdeangaben und Schmerzen nicht überprüfbar seien. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des SG, die er für zutreffend und überzeugend hält, mit dem Hinweis auf die aktuelle Fundstelle in Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. 8. Auflage, S. 566) zur Vermeidung von Wiederholungen an und nimmt insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist noch Folgendes auszuführen: Weitere Unfallfolgen liegen beim Kläger nicht vor. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger im Berufungsverfahren allein noch als zusätzliche Unfallfolgen geltend gemachten psychischen Störungen. Die als Unfallfolge geltend gemachte Krankheit muß - neben der versicherten Tätigkeit und der durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß - i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN). Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hingegen hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 128 RdNr 3c).).

Der Kläger macht eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradig ausgeprägte Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine isolierte Phobie im Sinne einer phobischen Vermeidung als weitere Unfallfolgen geltend. Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10; DSM IV) erforderlich ( Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R). Das bedeutet bezogen auf die hier in Rede stehende rezidivierende depressive Störung, dass beim Kläger eine Krankheit nach ICD-10 F 33.10 - wie von dem Sachverständigen Dr. H. diagnostiziert - vorliegen müßte. Eine derartige psychische Störung ist beim Kläger jedoch ebenso wenig nachgewiesen wie eine posttraumatische Belastungsstörung und eine (isolierte) Phobie. Dies wäre aber Grundvoraussetzung für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch eine Beeinträchtigung seines körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens und damit für einen Anspruch auf eine Verletztenrente. Erst wenn feststeht, dass die angegebenen Gesundheitsstörungen auch tatsächlich beim Versicherten vorliegen, ist zu prüfen, ob diese in Folge des festgestellten Arbeitsunfalls eingetreten sind.

Der Kläger leidet (lediglich) an einer dysthymen Störung - einer Krankheit nach ICD-10 F 34.1, die nicht alle diagnostischen Kriterien für das Vollbild der Depression erfüllt und deshalb auch nicht als solche zu werten ist. Ferner liegt bei ihm ein atypisches situationsspezifisches Angstsyndrom vor. Dies folgt für den Senat aus dem erstinstanzlichen Gutachten von Dr. S. vom 21.03.2009 und dem im Berufungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 26.11.2010, die beide übereinstimmend diese Diagnosen gestellt haben. Beide Sachverständige verneinten übereinstimmend, dass der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer isolierten Phobie leidet. Soweit die behandelnde Nervenärztin Dr. F. eine seit Juli 2005 bestehende depressive Verstimmung diagnostiziert und der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. H. die vom Kläger geltend gemachten psychischen Störungen bestätigt hat, sieht dies der Senat auf Grund der Beurteilungen von Dr. S. und Prof. Dr. D., die im Einzelnen dargelegt und begründet haben, dass die nach dem Diagnosemanual ICD-10 geforderten Diagnosekriterien für diese Gesundheitsstörungen nicht vorliegen, als widerlegt an. Das gilt ferner, soweit auch die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. diese Diagnosen gegenüber dem Senat am 09.07.2010 - ohne weitere Begründung und zudem auf einem für sie fachfremden Gebiet - angegeben hat. Ebenso wenig kann sich der Kläger insoweit mit Erfolg auf die Neufestellungsbescheide des LRA vom 01.02.2006, 29.09.2006 und 03.07.2007 berufen, in denen eine depressive Verstimmung und psychovegetative Störungen als Funktionsbeeinträchtigungen (ab 12.10.2005) berücksichtigt und vom Ärztlichen Dienst zuletzt mit einem GdB von 40 (bei einem Gesamt-GdB von 60) bewertet worden sind. Psychische Gesundheitsstörungen dieser Art und dieses Ausmaßes bestehen beim Kläger nach den übereinstimmenden Beurteilungen der Psychiater Dr. S. und Dr. D. nicht. Die entsprechenden Begründungen in den Bescheiden des LRA entfalten auch keine Bindungswirkung, insbesondere nicht gegenüber der an den Verfahren nach dem SGB IX nicht beteiligten Beklagten.

Die von den Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. D. auf psychiatrischem Gebiet diagnostizierten Gesundheitsstörungen (dysthyme Störung und atypisches situationsspezifisches Angstsyndrom) stellen keine Unfallfolgen dar. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers wird durch diese Beeinträchtigungen seines geistigen Leistungsvermögens nicht bedingt. Auch dies folgt für den Senat aus den auch insoweit übereinstimmenden und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. D ... Selbst wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge dieser Gesundheitsstörungen zu bejahen wäre, wäre diese nicht rentenrelevant, da ein ursächlicher Zusammenhang dieser Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall vom 06.11.1981 bzw. dem dabei erlittenen Gesundheitsschaden oder deren Behandlung zu verneinen ist. Dr. S. hat in seinem psychiatrischen Gutachten vom 21.03.2009 ausführlich dargelegt, dass sich im Zusammenhang mit Entstehung und Verlauf der dysthymen Störung kein Hinweis dafür ergibt, dass der Unfall vom 06.11.1981 ursächlich oder verlaufsbestimmend wirksam geworden wäre. Er verweist darauf, dass es sich beim Kläger um eine ängstlich geprägte Primärpersönlichkeit handelt und seine - angesichts der geringen funktionellen Auswirkung der Unfallfolge - unfallunabhängige Entlassung im Februar 1982, der Unfalltod seiner Schwester im Jahre 2000 sowie die von der Wirbelsäule ausgehenden Schmerzsyndrome als wahrscheinliche Krankheitsursachen anzusehen sind und sich kein Hinweis ergeben hat, dass der Unfall vom 06.11.1981 ursächlich oder verlaufsbestimmend für die Dysthymie geworden ist. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Das atypische Angstsyndrom des Klägers ist nach Auffassung von Dr. S., der der Senat nicht zu folgen keinen Anlass sieht, als eine persönlichkeitstypische Reaktion auf eine erlebte massive Kränkung durch die Kündigung (im Jahre 1982) zu sehen. Prof. Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 26.11.2010 unter Hinweis auf die von ihm durchgeführten Testuntersuchungen Zeichen einer Aggravation und Verdeutlichungstendenzen beschrieben und einen ursächlichen Zusammenhang ebenfalls verneint. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurteilungen, zumal das auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. H. keine nachvollziehbare Begründung für seine hiervon abweichende Einschätzung enthält. Der Hinweis auf die Feststellungen nach dem SGB IX, die bislang nicht berücksichtigt worden seien, geht fehl. Diese sind unabhängig von der Ursache der Funktionsstörung zu treffen, während es im Unfallversicherungsrecht darauf ankommt, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall, dem Gesundheitserstschaden und den verbliebenen Gesundheitsstörungen besteht. Im Übrigen klingt auch im Gutachten von Dr. H. an, dass unfallunabhängige Ursachen für seine psychische Störung eine Rolle spielen. Der Kläger - so der Sachverständige (Bl. 69 der SG-Akte) - sei seit 1981 mehrfach an mittelgradigen depressiven Episoden erkrankt, die durch erhebliche berufliche Schwierigkeiten und die damit verbundene finanzielle und familiäre Belastung ausgelöst worden seien. Der Arbeitsunfalll vom 06.11.1981 und die Unfallfolgen im Bereich der rechten Hand werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

Der medizinische Sachverhalt ist geklärt. Weiterer Ermittlungen bedarf es nicht. Der Antrag des Klägers auf ergänzende gutachtliche Anhörung von Dr. H. zu den Gutachten von Dr. S. und Prof. Dr. D. wird abgelehnt. Dr. H. ist vom SG nach § 109 SGG gehört worden. Konkrete, der Erläuterung seines Gutachtens dienende Fragen hat der Kläger nicht vorgetragen. Es sind auch keine Gesichtspunkte nach Vorlage des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens neu aufgetreten. Der zu bewertende medizinische Sachverhalt bestand unverändert fort. Eine wiederholende allgemeine Diskussion des Beweisergebnisses durch den Arzt des Vertrauens kann der Kläger nach § 109 SGG wegen aufgezeigter Mängel in der wissenschaftlichen Begründung nicht verlangen; das Antragsrecht nach § 109 SGG besteht grundsätzlich nur einmal (vgl. insgesamt Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 109 RdNr. 10b). Den Einwendungen des Klägers in seiner Berufungsbegründung ist der Senat durch Einholen des Gutachtens von Prof. Dr. D. nachgegangen. Damit ist dem Antragsrecht des Klägers nach § 109 SGG ausreichend Rechnung getragen. Der den Kläger nach dessen Angaben nach dem Unfall behandelnde Arzt kann nicht befragt werden, da der Kläger ihn nicht namhaft machen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved