L 10 R 4687/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1116/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4687/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.08.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zur erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Rahmen der zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe eine vom Kläger beabsichtigte sozialwissenschaftliche Literaturstudie als sonstige Leistung zu fördern hat.

Der Kläger ist - seinen Angaben gegenüber der Beklagten zu Folge - freiberuflicher Sozialwissenschaftler; er bezieht von der Beklagten seit Januar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Hinblick auf die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe wandte er sich an die Beklagte und führte aus, er bearbeite systematisch den Begriff des sozialen Todes, der nachweislich pathogenen Einfluss auf ein Individuum habe, wenn er nicht alltragspraktisch integriert werden könne. Dies bedeute: Wenn jemand nicht mehr mit eigenen Mitteln und Kräften das Defizit von Strukturen des sozialen Todes seiner Lebenslage beheben könne, seien personenbezogene Dienste auch von Sozialwissenschaftlern relevant. Die Konkretisierung eines solchen personenbezogenen Dienstes, der allgemeines Interesse der Europäischen Union sei, sei bislang nicht geleistet. In dieser Frage der Konkretisierung eines personenbezogenen Dienstes sei eine sozialwissenschaftliche Expertise vorgesehen.

Nach weiterem Schriftwechsel zu der Möglichkeit der Förderung von Forschungen auf dem Gebiet der Rehabilitation im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuch (SGB VI) und seinem konkreten Vorhaben beantragte der Kläger am 09.11.2007, ihm eine entsprechende Zuwendung zu gewähren. Sein Projektthema, das er im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Literaturstudie bearbeiten wolle, bezeichnete er mit "Konkretion eines personenbezogenen Dienstes im Prozess der Leistungsregulation". Er veranschlagte eine Laufzeit von fünf Jahren und schätzte die Kosten auf voraussichtlich 187.100 EUR. Das Thema fasste er wie folgt zusammen: "Gesellschaftliche Antagonismen hat jeder in sich selbst auszutragen, weil das Soziale multidimensional ohne Zentrum individuell ist und als Eigenes manifest wird. Gelingt in diesem Prozess der Leistungsregulation oder des boundary spanning, jeweils nicht die Herstellung von Kohärenz, verursacht dies Erkrankungen. Unbestritten ist dabei, dass psychische Erkrankungen bei weitem schwerer wiegen als körperliche. Psyche ist deshalb auch nichts, was aus sich heraus entsteht, sondern ein soziales Phänomen und insbesondere von gesellschaftlichen Umbrüchen gehen Impulse für Richtung und Verlauf der Manifestationen des Eigenen aus und umgekehrt. Das impliziert zugleich, dass der Prozess der Leistungsregulation durch personenbezogene Dienste zugänglich und bearbeitbar ist. Die Frage ist daher, was sind im Prozess der Leistungsregulation personenbezogene Dienste und wie sind sie aufzubauen." Zum Stand der Forschung gab er an, der Begriff eines personenbezogenen Dienstes sei weitgehend unbestimmt. Zum Nutzen seiner Bearbeitung führte er aus, dieser sei ein zweifacher. "Zum Einen kann das Betreten des sozialen Feldes des Pathologischen vermieden werden. Zum Anderen ermöglicht ein personenbezogener Dienst die Rückkehr aus dem Feld des Pathologischen."

Mit Bescheid vom 23.11.2007 lehnte die Beklagte die Förderung dieses Projektes in Form einer finanziellen Zuwendung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI u.a. mit der Begründung ab, die Ausführungen des Klägers zu dem kosten- und zeitintensiven Forschungsvorhaben stellten keinen Bezug zum bestehenden Rehabilitationssystem, dessen Strukturen und Zielstellungen her und ließen daher einen Zusammenhang zu den Förderzielen des § 31 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI nicht erkennen. Begrifflichkeiten, Zielsetzung und Fragestellung des Vorhabens, das Vorgehen sowie die Umsetzungsrelevanz der Thematik bezogen auf die Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung seien nicht nachvollziehbar ausgeführt. Der Untersuchungsgegenstand selbst, ein so genannter personenbezogener Dienst im Prozess der Leistungsregulation, werde nicht ausreichend konkretisiert. Unklar bleibe auch, was unter "Leistungsregulation" verstanden werde.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger weitere Ausführungen zum Menschen als sozialem Wesen, dem pathologischen und sozialen Feld und legte dar, um die "nicht notwendige Engführung des bisherigen Rehabilitationssystems, die zudem durch die Engführung wenig leistungsfähig sei, zu erweitern, könnten wegen des Wesens des Feldes des Pathologischen als sozialem Feld sozialwissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden." Dabei könne "die individuelle Notwendigkeit, Pfade zu suchen und zu finden, die das Verlassen des Pathologischen ermöglichen mit personenbezogenen Diensten erreicht werden, weil solche Pfade nicht aus sich identifizierbar sind aufgrund des Tatbestands, dass das Soziale immer schon existiert, wenn der Einzelne handelt Es ginge somit um eine Erschließung einer anderen Dimension innerhalb des multidimensionalen Begriffs der Rehabilitation. Dadurch, dass diese Dimension gegenwärtig kaum erschlossen ist, kann dementsprechend auch kein Forschungsstand benannt werden " Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2008 wurde der Widerspruch u.a. mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, für die Prüfung der Förderfähigkeit geplanter Forschungsprojekte sei es unerlässlich, dass der rehabilitationsspezifische Zusammenhang im Hinblick auf das Ziel der gesetzlichen Rentenversicherung in der Beschreibung des Projektes deutlich werde. Diese Voraussetzung werde durch die Beschreibung des Projektes nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Widerspruchsverfahren sei das Forschungsvorhaben nicht ausreichend dargestellt, um die Umsetzungsrelevanz der Thematik bezogen auf die Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung nachvollziehen zu können. Der Untersuchungsgegenstand sei nicht ausreichend konkretisiert. Auch erschließe sich nicht was unter "Leistungsregulation" verstanden werde.

Am 27.03.2008 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens bei weitem überschritten. "Wissenschaftlich valide ist, dass das Soziale Inkorporation des Einzelnen ist. Tritt eine soziostrukturelle Abwesenheit ein, die nicht gewärtigt wird, äußert sich das insbesondere durch abweichende körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen der seelischen Gesundheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX)." Die Beklagte sei "deshalb in der Pflicht zu falsifizieren, dass dieser Mechanismus nicht existent ist. Diese verlangte Falsifikation kann jedoch die Deutsche Rentenversicherung Bund nie leisten, weil sie ein Leistungsträger der gesetzlichen Sozialversicherung und keineswegs ein wissenschaftliches Institut ist." Seine entsprechenden Ausführungen hat er im Weiteren ergänzt und vertieft.

Mit Urteil vom 27.08.2010 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen.

Am 14.09.2010 hat der Kläger dagegen beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und wie folgt begründet: "Dadurch, dass eine nachweisliche sozialwissenschaftliche Kategorie wie die von mit aufgrund des mir von der Georg-August-Universität Göttingen am 19.05.1994 verliehenen Hochschulgrads befugt analysierte der Leistungsregulation stets nicht anders als voraussetzungslos (Bathge/Oberbeck, 1986, 410) existiert, entfällt systematisch, im Unterschied sämtlich zu natur- oder auch geisteswissenschaftlichen Begriffen, deren Relevanz zu belegen. Somit weist die 7. Kammer des Sozialgerichts Ulm am 31.08.2010 meine Klage unbegründet ab, wenn sie ausdrücklich aber fälschlich der Deutschen Rentenversicherung Bund folgend zudem aller Wirklichkeit zuwider einen nicht allein von mir deshalb nie beizubringenden Beleg verlangt."

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31.08.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2008 zu verurteilen, die sozialwissenschaftliche Literaturstudie "Konkretion eines personenbezogenen Dienstes im Prozess der Leistungsregulation" mit einem Betrag von 187.100 EUR zu fördern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine Zuwendung zu der von ihm geplanten Literaturstudie zu gewähren.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 31 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI. Danach können die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Teilhabe Zuwendungen für Einrichtungen erbringen, die auf dem Gebiet der Rehabilitation forschen oder die Rehabilitation fördern.

Nach der Begründung des Fraktionsentwurf zum Rentenreformgesetz soll diese Regelung die Möglichkeit eröffnen, die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Rehabilitation zu verstärken, Forschungsergebnisse gezielt auszuwerten und die sich aus der Auswertung ergebenden Schlussfolgerungen in die Praxis umzusetzen. Hierzu können sowohl Zuwendungen für eine gemeinsame Forschungseinrichtung erfolgen, als auch die Forschung wie bisher unterstützt werden. Außerdem bleibt es möglich, bestimmte Einrichtungen, wie beispielsweise die Deutsche Rheumaliga, finanziell zu unterstützen (vgl. KassKomm-Kater § 31 SGB VI Rdnr. 14).

Soweit nach der in Rede stehenden Vorschrift demnach Forschungsaktivitäten seitens der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung unterstützt werden können, ist Voraussetzung, dass diese das Gebiet der Rehabilitation als dem Rentenversicherungsträger zugewiesene gesetzliche Aufgabe betreffen. Dass die vom Kläger geplante sozialwissenschaftliche Literaturstudie hierzu einen Beitrag zu leisten vermag, ist für den Senat ebenso wenig erkennbar wie für das SG und zuvor schon die Beklagte. Auch der Senat vermag nicht zu erkennen inwieweit sich aus der Forschung des Klägers Gesichtspunkte ergeben könnten, die für die Beklagten im Hinblick auf die von ihr zu erbringenden Rehabilitationsleistungen von Relevanz sein könnten. Um Wiederholungen zu vermeiden verweist der Senat insoweit daher auf die entsprechenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil bzw. die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Entscheidungen. Da die vom Kläger begehrte Zuwendung bereits mangels Erfüllung der maßgeblichen Leistungsvoraussetzungen abzulehnen ist, sind Ermessensgesichtspunkte nicht zu prüfen. Denn erst dann, wenn nach der in einem ersten Schritt vorzunehmende Prüfung feststeht, dass die Voraussetzungen für die entsprechende Teilhabeleistung vorliegen, ist in einem zweiten Schritt über das "Wie" der Leistung zu befinden, die durch den Rentenversicherungsträger in pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist.

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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