L 5 R 3892/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1157/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3892/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17.7.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 1976 geborene Klägerin, g. Staatsangehörige, ist Rechtsanwältin und seit 14.9.2001 Mitglied der Rechtsanwaltskammer A. und seit 11.12.2006 außerdem Mitglied der Rechtsanwaltskammer K ... Die Rechtsanwaltskammer A. hat der Klägerin die Erlaubnis zur Abwesenheit im Ausland (u.a. vom 1.1.2008 bis 31.12.2009) für eine Tätigkeit als Rechtsanwältin in H. erteilt. Dort war die Klägerin zunächst als selbständige Rechtsanwältin tätig. Seit 1.10.2008 ist sie als angestellte Rechtsanwältin in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Z. und Kollegen in H. beschäftigt.

Die Klägerin ist als Rechtsanwältin in die J., A., mit der dortigen Versicherungsklasse A (I) eingetragen; zu dieser Versorgungseinrichtung entrichtet sie Beiträge. Mit Bescheid des V. der Rechtsanwälte Baden-Württembergs vom 11.12.2006 wurde sie antragsgemäß von der Mitgliedschaft in diesem V. befreit. Dem lag die Bestimmung in § 6 Nr. 6 der Satzung des V.s zugrunde. Danach wird auf Antrag von der Mitgliedschaft befreit, wer infolge der öffentlich-rechtlichen Zulassung zu einem Beruf, welcher der Zulassung als deutscher Rechtsanwalt entspricht, ohne Befreiungsmöglichkeit Versorgungsbeiträge zu einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union entrichten muss und auch tatsächlich entrichtet.

Am 27.10.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Bescheid vom 5.11.2008 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, das V. der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg habe eine Mitgliedschaft nicht bestätigt. Die Pflichtmitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte A. könne nicht berücksichtigt werden, da es sich bei diesem V. nicht um ein Versorgungseinrichtung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) handele.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit richte sich die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Rechtsanwälte aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union genauso wie für deutsche Rechtsanwälte nur danach, ob am Ort der tatsächlichen Beschäftigung eine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung dem Grunde nach bestehe; auf eine tatsächliche Mitgliedschaft komme es nicht an. Andernfalls müsste sie ihre Pflichtmitgliedschaft im g. V. der Rechtsanwälte durch Rückgabe ihrer Zulassung in G. beenden, um Mitglied in einem deutschen Rechtsanwaltsv. zu werden; sodann könne sie von der Rentenversicherungspflicht befreit werden. Das wäre mit der europäischen Niederlassungsfreiheit unvereinbar. Ergänzend trug die Klägerin vor, sie unterhalte in A. noch ein Rechtsanwaltsbüro, weswegen sie auch grenzüberschreitende Mandate betreuen könne. Die Mitgliedschaft im g. Rechtsanwaltsv. sei hinsichtlich der Beiträge und der zu erwartenden Versorgung der Mitgliedschaft im deutschen Rechtsanwaltsv. gleichwertig. Deutsche Sozialleistungen werde sie also nicht beziehen müssen. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI müsse gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.3.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung werde tätigkeits- und nicht personenbezogen erteilt. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verlange, dass am jeweiligen Beschäftigungsort sowohl die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer als auch die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung bestehe. Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen beruhten auf Landesrecht, weswegen sich auch die Befreiung von der Mitgliedschaft nur nach Landesrecht richten könne. Sehe das Landesrecht für den Ort der Beschäftigung eine berufsständische Versorgungseinrichtung nicht vor, stelle sich die Frage nach der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht. Maßgeblich sei allein das deutsche Recht; das g. V. der Rechtsanwälte sei von § 6 Abs. 1 SGB VI nicht erfasst.

Am 8. 4. 2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug ergänzend vor, das g. und das deutsche (baden-württembergische) Rechtsanwaltsv. seien gleichwertig. Das folge aus § 6 Nr. 6 der Satzung des V.s der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, da andernfalls eine Befreiung von der Mitgliedschaft in diesem V. nicht hätte erteilt werden dürfen; die Befreiung setze außerdem zunächst die Pflichtmitgliedschaft voraus. Es sei auszuschließen, dass sie trotz der Versorgungsleistungen des V.s der Rechtsanwälte A. künftig Leistungen von der Beklagten beziehen werde. Die Rentenbeiträge und die Rentenerwartung in G. seien insoweit gleichwertig. Die Versagung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV), da sie gezwungen werde, Beiträge sowohl zum deutschen wie zum g. Rechtsanwaltsv. zu entrichten, also eine doppelte Altersvorsorge zu finanzieren. Dazu sei sie als teilzeitbeschäftigte Mutter wirtschaftlich nicht in der Lage. Außerdem würden abhängig beschäftigte und selbständig tätige Rechtsanwälte ungleich behandelt. Ein in Deutschland selbständig tätiger Rechtsanwalt aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union könne sich von der Mitgliedschaft zum deutschen Rechtsanwaltsv. befreien lassen und sei außerdem (von vornherein) nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtig, könne sich die Altersvorsorge also allein im Heimatstaat aufbauen.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 17.7.2009 gab die Klägerin an, der Beitrag zum g. V. werde einmal jährlich gezahlt. Sie zahle den Beitrag nach wie vor. Daraus erwüchsen ihr ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (nach 5 Beitragsjahren) und auf Altersrente.

Mit Urteil vom 17.7.2009 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.3.2009 dazu, die Klägerin von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestehe Rentenversicherungspflicht für Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien. Von der Versicherungspflicht würden (u.a.) Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer seien, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden habe, nach Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessung zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen seien und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst würden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen sei. Die Befreiung werde nicht personenbezogen erteilt, sei vielmehr gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Eine Befreiung komme nur in Betracht, wenn für den Ort der Beschäftigung eine berufsständische Versorgungseinrichtung bestehe (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 10.12.2003, - L 8 RA 91/02 -).

Davon ausgehend müsse die Klägerin für die Dauer der Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Z. und Kollegen/H. von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden, auch wenn sie nicht Mitglied des V.s der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg geworden sei. Es genüge, dass sie während der Zeit ihrer Beschäftigung in H. der Rechtsanwaltskammer und dem V. der Rechtsanwälte A. angehöre und hierzu Beiträge entrichte. Mit Aufnahme der Tätigkeit in H. habe die Klägerin wählen dürfen, ob sie der berufsständischen Versorgung der Rechtsanwälte beitreten oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein wolle. Von diesem Wahlrecht habe sie Gebrauch gemacht und sich für die berufsständische Versorgung entschieden. Das V. der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg habe ihrem Aufnahmeantrag gem. § 6 Nr. 6 seiner Satzung nur deshalb nicht stattgeben können, weil sie als Mitglied einer öffentlich- rechtlichen Versicherung bzw. einer Versorgungseinrichtung eines anderen EU-Mitgliedstaates Versorgungsbeiträge entrichten müsse und auch tatsächlich entrichte. Die Klägerin habe dies durch ein (in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vorgelegtes) Schreiben des V.es für freie Berufe - Abteilung V. der Rechtsanwälte - beim g. Ministerium für Sozialwesen vom 1.4.2009 nachgewiesen. Zwar seien die Beiträge, anders als in § 6 Abs. 1 Satz 1b SGB VI vorgesehen, nicht einkommensbezogen, sondern nach Berufsjahren bemessen. Deswegen dürfe der Klägerin die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aber nicht versagt werden. Die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung für Rechtsanwälte eines Mitgliedstaates der Europäischen Union und die daran anknüpfende Befreiung von der Mitgliedschaft in einer entsprechenden deutschen V. dürfe nicht dazu führen, dass für die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit im Ergebnis eine zweifache Beitragslast entstehe; andernfalls würde die Niederlassungsfreiheit verletzt. Bei einem beruflichen Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union könne der Unionsbürger entweder im berufsständischen V. seines Heimatstaates verbleiben oder sich in das Versorgungsystem des Beschäftigungsstaates eingliedern. Die fortdauernde Mitgliedschaft der Klägerin in der g. Rechtsanwaltskammer und im g. V. der Rechtsanwälte sei deshalb der Mitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte Baden-Württemberg gleichzustellen.

Auf das ihr am 27.7.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.8.2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das angefochtene Urteil widerspreche den Regelungen der Verordnung – VO - (EWG) Nr. 1408/71 als für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlichem Recht. Gem. Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 seien vorbehaltlich der Art. 14c und 14f VO (EWG) Nr. 1408/71 für Personen, auf die diese Verordnung anzuwenden sei, die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates anzuwenden. Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 bestimme, dass eine Person, die eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausübe, grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates unterliege, in welchem sie tätig werde.

Die Klägerin sei seit 1.10.2008 als angestellte Rechtsanwältin in Deutschland beschäftigt und unterliege deswegen gem. Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich dem deutschen Sozialversicherungsrecht. Dabei bliebe es auch, wenn sie neben ihrer Beschäftigung in Deutschland als Rechtsanwältin in G. tätig wäre; auf beide Beschäftigungen wäre deutsches Recht anzuwenden. Gem. Art 14 Abs. 2i VO (EWG) Nr. 1408/71 unterliege eine Person, die in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübe, den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates, sofern die Beschäftigung zum Teil auch in diesem Staat ausgeübt werde. Da die Klägerin in Deutschland beschäftigt sei und hier auch ihr Kind erziehe, befinde sich auch ihr Wohnsitz in Deutschland. G.s Sozialversicherungsrecht könne deshalb gem. Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht angewendet werden. Sollte das g. Recht tatsächlich Pflichtbeiträge zu einem dortigen V. vorschreiben, verstieße dies (und nicht das deutsche Recht) gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Falls die Klägerin neben ihrer abhängigen Beschäftigung in Deutschland eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in G. ausüben würde, wäre Art. 14c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 einschlägig. Aufgrund der Eintragung G.s im Anhang VII zur VO (EWG) Nr. 1408/71 unterläge sie hinsichtlich der Beschäftigung in Deutschland dem deutschen Sozialversicherungsrecht und hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit in G. dem g. Recht. Da Art. 14c Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71(EWG) die Anwendung des Rechts zweier Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den genannten Fallgestaltungen ausdrücklich regele, könne wegen der Beitragszahlung in zwei Mitgliedstaaten für zwei verschiedene Erwerbstätigkeiten von einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit keine Rede sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17.7.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, sie sei ebenfalls der Auffassung, dass nach den Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden sei. Dieses müsse freilich gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden. Deswegen sei ihre seit dem 14.9.2001 fortdauernde Mitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte A. der Mitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte Baden-Württemberg gleichzustellen und ihr Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erteilen. Die Gleichwertigkeit beider V.e werde auch vom V. der Rechtsanwälte Baden-Württemberg (vgl. § 6 Nr. 6 der Satzung) anerkannt.

Die Fallgestaltung der Beitragszahlung in zwei Mitgliedstaaten für zwei verschiedene Erwerbstätigkeiten liege nicht vor. Sie habe ihren Wohnsitz in Deutschland und sei hier seit 1.10.2008 als angestellte Rechtsanwältin beschäftigt. Neben der seit 11.8.2006 bestehenden Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer K. (§ 4 EuRAG) sei sie (nach wie vor) seit 14.9.2001 Mitglied der Rechtsanwaltskammer A ... Dem lägen zwei verschiedene Tätigkeiten nicht zugrunde. Die Mitgliedschaften beruhten vielmehr allein auf ihrer Tätigkeit als in G. und in Deutschland gemäß den Bestimmungen des EuRAG zugelassener Rechtsanwältin. Man zwinge sie letztendlich zur Zahlung doppelter Beiträge für dieselbe Tätigkeit.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten schränke das g. Recht die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht ein. Die Mehrzahl der europäischen Rechtsordnungen, darunter auch die deutsche, sähen für Rechtsanwälte die Pflichtmitgliedschaft und Beitragszahlung zu einem V. vor. Umgekehrt sei gerade dies auch die Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Aus Gründen der Niederlassungsfreiheit, die mit dem EuRAG habe gewährleistet werden sollen, müssten die deutschen und g. Rechtsanwaltsv. als gleichwertig eingestuft werden.

Sie sei in G. über eine Kanzleianschrift erreichbar und habe in G. einen Nebenwohnsitz. Bei entsprechendem Geschäftsaufkommen sei vorstellbar, dass sich ihr Tätigkeitsschwerpunkt nach G. verlagere. Sie würde dann aber nicht selbständig tätig, sondern Mandate für ihren Arbeitgeber als Angestellte in der Regelarbeitszeit bearbeiten. Eine zeitanteilige Versicherungspflicht in G. und Deutschland sei nicht zumutbar. Letztendlich müsste sie auf die g. Zulassung als Rechtsanwältin verzichten, die Grundlage für die Zulassung als Rechtsanwältin in Deutschland sei. Ein in Deutschland selbständig tätiger Rechtsanwalt könnte die Befreiung von der Mitgliedschaft im deutschen Rechtsanwaltsv. erwirken und allein zum g. Rechtsanwaltsv. Beiträge zahlen; als abhängig beschäftigter Rechtsanwältin sei ihr dieser Weg verschlossen. Zumindest müsste es ihr freistehen, sich wahlweise für die Mitgliedschaft in einem deutschen Rechtsanwaltsv. oder die gesetzliche Rentenversicherung zu entscheiden.

Die Beklagte trägt abschließend vor, bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI könne die Mitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte A. der Mitgliedschaft im V. der Rechtsanwälte Baden-Württemberg nur gleichgestellt werden, wenn es hierfür eine Rechtsgrundlage gebe. Das sei indessen nicht der Fall. Eine entsprechende Vorschrift finde sich weder im innerstaatlichen (deutschen) Recht noch im Gemeinschaftsrecht. § 6 Abs. 6 der Satzung des V. der Rechtsanwälte Baden-Württemberg gelte für den Bereich der berufsständischen Versorgungseinrichtung, nicht jedoch für die gesetzliche Rentenversicherung. Außerdem eröffne nicht jede Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung die Befreiungsmöglichkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI sei nämlich notwendig, dass zur Versorgungseinrichtung satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge/Versorgungsabgaben entrichtet würden. Beiträge, die sich nicht am individuellen Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen der Mitglieder orientierten, genügten diesen Anforderungen nicht. Vielmehr müssten gleich hohe Beiträge wie zur gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt werden. Nach g. Recht zahle die Klägerin aber keine einkommensbezogenen, sondern nach Berufsjahren gestaffelte Beiträge. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI seien deswegen (ebenfalls) nicht erfüllt. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts widerspreche zudem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI. Könne die Mitgliedschaft in einem g. V., zu dem nicht einkommensgerechte Beiträge zu zahlen seien, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht rechtfertigen, müsste Gleiches für eine entsprechende deutsche Versorgungseinrichtung gelten. Versorgungssysteme dieser Art hätten von § 6 SGB VI, wie das Erfordernis der einkommensbezogenen Beitragsentrichtung zeige, aber gerade nicht erfasst werden sollen.

Die Klägerin werde mangels Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht zur Zahlung doppelter Beiträge für dieselbe Tätigkeit gezwungen. Bei einer selbständigen Tätigkeit in G. und einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland handele es sich um zwei getrennt zu betrachtende Erwerbstätigkeiten, die kollisionsrechtlich nach Art. 14c Buchst. b i. V. m. Anhang VII Nr. 7 VO (EWG) Nr. 1408/71 beurteilt werden müssten. Danach werde die Beitragszahlung für die selbständige Tätigkeit in G. ausschließlich nach g. Recht, die Beitragszahlung für die abhängige Beschäftigung in Deutschland ausschließlich nach deutschem Recht behandelt. Das stelle gerade sicher, dass eine doppelte Beitragszahlung ausgeschlossen sei. Die gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertige keine andere Sicht der Dinge, da Art. 14c VO (EWG) Nr. 1408/71 den Wechsel des anzuwendenden Rechts in Fällen der vorliegenden Art ausdrücklich vorschreibe.

Hinzuweisen sei schließlich auf die Entscheidung des EuGH vom 19.3.2002 in den Rechtssachen C-393/99 und C-394/99. Danach verstoße ein eventueller Nachteil wegen der Ausweitung oder Verlagerung einer Tätigkeit in einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit der aus Art. 14c VO (EWG) Nr. 1408/71 folgenden Anwendung neuer Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit grundsätzlich nicht gegen die Art. 48 und 52 EGV, sofern diese Rechtsvorschriften den Erwerbstätigen im Vergleich zu den Personen, die alle ihre Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausübten, in dem die genannten Vorschriften Anwendung fänden, oder zu Personen, die ihnen bereits zuvor unterlegen hätten, nicht benachteiligten und sofern sie nicht dazu führten, dass Beitragsleistungen entrichtet würden, denen kein Anspruch auf Gegenleistungen gegenüberstehe (Rdnr. 51). Übte die Klägerin alle ihre Tätigkeiten in Deutschland aus, führte die Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin ebenfalls nicht dazu, dass die aus der abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwältin erzielten Einkünfte beitragsfrei zu stellen wären. Vielmehr würden diese Einkünfte der (einkommensbezogenen) Beitragserhebung entweder in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unterworfen. Die Klägerin werde also nicht benachteiligt, sondern beitragsrechtlich im Wesentlichen nicht anders gestellt, als würde sie beide Tätigkeiten in Deutschland verrichten. Die Ansicht des Sozialgerichts bewirkte demgegenüber eine sachlich nicht gerechtfertigte Inländerdiskriminierung. Rechtsanwälte, die in Deutschland eine selbständige Tätigkeit neben einer abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt ausübten, könnten die Beitragspflicht der abhängigen Beschäftigung zur Rentenversicherung oder zur berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht im Hinblick auf die Mitgliedschaft in einer (anderen, ausländischen) Versorgungseinrichtung abwenden. Sie müssten Beiträge für beide Tätigkeiten - für die selbständige Erwerbstätigkeit und für die abhängige Beschäftigung - entweder ausschließlich in der berufsständischen Versorgungseinrichtung, dann aber für beide Tätigkeiten, oder für die abhängige Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und für die selbständige Tätigkeit in der berufsständischen Versorgungseinrichtung entrichten. Den Rentenversicherungsbeiträgen der Klägerin stehe auch eine Gegenleistung gegenüber.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht in der Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin.

I. Rechtsgrundlage der von der Klägerin begehrten Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sind die Bestimmungen der §§ 1 Satz 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

Gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung. Beschäftigung ist die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV).

Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn (a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, (b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und (c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung, nachdem die für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständige oberste Verwaltungsbehörde, das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt hat (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI).

Berufsständische V.e i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden in den Bundesländern nach Maßgabe der einschlägigen Landesgesetze errichtet. Sie gewährleisten als Sondersysteme der Pflichtversorgung die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder und treten hierfür an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Befreiung der Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung setzt voraus, dass der Betreffende Pflichtmitglied in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich in der für ihn zuständigen berufsständischen Kammer ist und dass die berufsständische Versorgungseinrichtung außerdem die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b und Nr. 1c SGB VI festgelegten Anforderungen erfüllt. Nach näherer Maßgabe dieser Vorschriften müssen die Pflichtmitglieder der Versorgungseinrichtung Beiträge in der Höhe abführen, wie sie von allen anderen rentenversicherungspflichtigen Beschäftigten auch abgeführt werden müssen. Die Leistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtung müssen mit den entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zwar nicht vollständig übereinstimmen, mit ihnen aber vergleichbar, namentlich beitragsbezogen und dynamisiert sein. Das Vorliegen der rechtlichen Anforderungen an die berufsständische Versorgungseinrichtung hat die für die Versorgungseinrichtung zuständige oberste Verwaltungsbehörde zu bescheinigen (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI). Ohne diese Bescheinigung kann die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht erteilt werden. Ist die Bescheinigung vorgelegt, prüft der Rentenversicherungsträger nur noch, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wird und ob sowohl das Mitgliedschaftsverhältnis zur berufsständischen Versorgungseinrichtung wie zur berufsständischen Kammer auf einer gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht beruht.

Die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt tätigkeits- und nicht personenbezogen. Das geht aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hervor, der die Befreiung auf die (jeweilige)Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit bezieht. Der konkrete Tätigkeitsbezug der Befreiung entspricht dem allgemeinen Gebot isolierter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung (dazu auch Senatsurteil vom 28.9.2011 - L 5 R 2153/10 - unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 4.11.2009, - B 12 R 7/08 R -). Die Befreiung gilt nur für diejenige Tätigkeit, für die sie erteilt ist. Maßgeblich ist nicht die Kammerzugehörigkeit der Person allein, sondern die für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit gesetzlich angeordnete oder auf Gesetz beruhende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (BSG vom 22.10.1998, - B 5/4 RA 80/97 R -; auch BSG, Beschl. v. 13.7.2009, - B 12 R 30/08 B -; LSG Hamburg, Urt. v. 27.5.2008, - L 3 RA 5/04 - und BT-Drs. 11/4124, S. 151, 152).

Inwieweit die genannten Bestimmungen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Rentenversicherungsrechts auch auf die Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit durch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union anzuwenden sind, richtet sich nach dem koordinierenden europäischen Sozialrecht, seit dem 1.5.2010 also nach der VO (EG) Nr. 883/2004. Diese hat die VO (EWG) Nr. 1408/71 abgelöst. Nach näherer Maßgabe der Übergangsregelung in Art 87 Abs. 8 VO (EG) Nr. 883/2004 bleibt das Recht des durch Teil II der VO (EWG) Nr. 1408/71 bestimmten Mitgliedstaats aber grundsätzlich solange anwendbar, wie sich der vorherrschende Sachverhalt nicht ändert. Von der Frage, welches nationale (Sozial)-Recht im Einzelfall anzuwenden ist, ist die weitere Frage zu unterscheiden, ob und mit welchen Folgewirkungen es ggf. gemeinschaftsrechtskonform auszulegen ist.

II. Davon ausgehend unterliegt die Klägerin in der Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin in H. der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Davon kann sie nicht befreit werden.

Auf die Tätigkeit der Klägerin bei der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Z. und Kollegen in H. (einer Beschäftigung bzw. Arbeitnehmertätigkeit auch im gemeinschaftsrechtlichen Sinn, vgl. Art. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71/ VO (EG) Nr. 883/2004) sind gem. Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 die Vorschriften des deutschen Sozialrechts anzuwenden. Danach unterliegt ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat. Zur Anwendung deutschen Sozialrechts führt auch Art. 11 Abs. 3a VO (EG) Nr. 883/2004. Die Anwendung deutschen Rechts ist unter den Beteiligten nicht streitig.

Die Klägerin übt in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Z. und Kollegen in H. als angestellte Rechtsanwältin eine abhängige Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV aus, die gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt; auch hierüber streiten die Beteiligten nicht.

Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht in der genannten Beschäftigung sind nicht erfüllt. Die Klägerin ist zwar Mitglied der Rechtsanwaltskammer K. als für sie zuständiger berufsständischer Kammer, jedoch nicht Mitglied des V.s der Rechtsanwälte Baden-Württemberg als berufsständischer Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Von der Mitgliedschaft in dieser Versorgungseinrichtung ist sie (auf ihren Antrag hin) durch Bescheid des genannten V.s vom 11.12.2006 befreit worden. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI genügt die abstrakte Anordnung einer Pflichtmitgliedschaft nicht, vielmehr muss der Betreffende tatsächlich auch Mitglied der berufsständischen Versorgungseinrichtung (und der Kammer) sein.

Die Mitgliedschaft der Klägerin in der J. A., einer g. berufsständischen Versorgungseinrichtung für Rechtsanwälte, erfüllt die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht. Diese Vorschrift stellt allein auf inländische berufsständische Versorgungseinrichtungen ab. Versorgungseinrichtungen anderer Staaten, auch von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, stehen diesen in Ansehung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht gleich. Das ist weder in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestimmt noch findet sich hierfür andernorts eine gesetzliche Grundlage. Die Regelung in § 6 Nr. 6 der Satzung des V.s der Rechtsanwälte Baden-Württemberg betrifft allein das Recht der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und ist für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht von Belang. Eine Satzungsvorschrift dieser Art kann die für die Rentenversicherung geltenden Gesetzesbestimmungen weder abändern noch ergänzen.

Aus dem Recht der Europäischen Union folgt nichts anderes. Die Freiheiten des Personenverkehrs - das Recht des Arbeitnehmers auf Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit des Unternehmers (Art. 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ) bzw. 39 EGV bzw. Art. 49 AEUV/Art. 43 EGV) - gebieten die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch auf die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung bzw. einer berufsständischen Kammer eines Mitgliedstaates der Europäischen Union nicht.

Hierfür ist im Ausgangspunkt maßgeblich, dass die Regelungs- und Gestaltungsbefugnis hinsichtlich des Rechts der sozialen Sicherung grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegt und die Europäische Union selbst nur eine an enge verfahrensmäßige und inhaltliche Voraussetzungen gebundene Regelungskompetenz hat (vgl. 153 AEUV bzw. Art. 137 EGV). Das Recht der Europäischen Union sieht die Koordinierung, nicht jedoch die Harmonisierung der sozialrechtlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vor. Nachteile, die aus der unterschiedlichen Gestaltung der nationalen Systeme sozialer Sicherheit entstehen, können nicht (etwa) über Art 45, 56, 21 AEUV (Art 39, 49, 18 EGV - Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit) beseitigt werden (Fuchs, in: ders., Europäisches Sozialrecht, Einführung Rdnr. 71 m. w. N.).

Die Koordinierung des nationalen Sozialrechts ist Gegenstand der Regelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. nunmehr der VO (EG) Nr. 883/2004, wobei nach dem Gesagten hier die VO (EWG) Nr. 1408/71 maßgeblich ist; aus der VO (EG) Nr. 883/2004 folgt aber nichts grundlegend anderes. Nach dem Kollisionsrecht der genannten Verordnungen ist im Einzelfall jeweils eine bestimmte (nationalstaatliche) Rechtsordnung allein maßgeblich. So legt (jetzt) die kollisionsrechtliche Grundnorm des Art 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 allgemein fest, dass Personen, für die diese Verordnung gilt (Art 2), den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen, der in der Verordnung bestimmt wird. Entsprechendes war in Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 für Arbeitnehmer, für die diese Verordnung galt, geregelt. Das entspricht einem Grundprinzip des supranationalen Sozialrechts und soll zum einen Lücken im sozialen Schutz, zum andern aber auch Doppelversicherungen und die damit verbundenen doppelten Beitragslasten verhindern; es gilt der Grundsatz der Veranlagung in nur einem Mitgliedstaat. Das Kollisionsrecht legt deswegen auch fest, welches Recht anzuwenden ist, wenn Tätigkeiten - sei es Beschäftigungen oder selbständige Erwerbstätigkeiten - in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt werden oder wenn eine Beschäftigung mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit zusammentrifft (vgl. Art. 13 VO (EG) Nr. 883/2004; Art. 14 Abs. 2, Art. 14a, 14c VO (EWG) Nr. 1408/71). Diese Personen werden für die Zwecke der kollisionsrechtlich ermittelten (nationalen) Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben und dort ihre gesamten Einkünfte erzielen würden (vgl. jetzt Art. 13 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004, auch Art. 14d VO (EWG) Nr. 1408/71). Die in Art. 14c VO (EWG) Nr. 1408/71 noch angelegte (in der VO (EG) Nr. 883/2004 nicht mehr vorgesehene) Möglichkeit der Doppelversicherung in Ausnahmefällen hat der EuGH ungeachtet der Auswirkungen auf die Arbeitnehmer- bzw. Niederlassungsfreiheit gebilligt (EuGH, Urt. v. 19.3.2002,- C-393/99 - Slg 2002, I-2829; Urt. v. 9.3.2006, - C-493/04 -; dazu auch Steinmeyer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Teil II Art. 13 Rdnr. 19). Mit den genannten Bestimmungen trägt das Kollisionsrecht und damit das Gemeinschaftsrecht selbst also gerade den Implikationen der primärrechtlichen Personenverkehrsfreiheit, vor allem der hier maßgeblichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, für die soziale Sicherung der Unionsbürger in differenzierter Weise Rechnung (vgl. auch etwa Steinmeyer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Teil II Art. 11 Rdnr. 5) und schließt mit der alleinigen Maßgeblichkeit einer bestimmten nationalen Sozialrechtsordnung zugleich aus, Vorschriften einer anderen Sozialrechtsordnung und die aus ihnen sich u.U. ergebenden Folgewirkungen unter Rückgriff auf die Arbeitnehmer- oder Niederlassungsfreizügigkeit und das Institut der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung bzw. Rechtsanwendung in das jeweils anzuwendende nationale Sozialrecht einfließen zu lassen. Die unionsrechtlichen Freiheiten des Personenverkehrs stehen der Anwendung der Befreiungsvorschrift in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf die Mitgliedschaft (allein) in deutschen berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht entgegen.

Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist danach nicht maßgeblich, ob die Klägerin (auch) von dem g.n V. zur Zahlung von Beiträgen herangezogen wird und ob das rechtens ist. Ebenso wenig kommt es hier darauf an, was zu gelten hätte, wenn die Klägerin in ihrem Heimatland wieder eine Tätigkeit als Rechtsanwältin, sei es in abhängiger Beschäftigung, sei es in selbständiger Tätigkeit, aufnehmen würde, was derzeit offenbar nicht der Fall ist; dann wären die hierfür einschlägigen Bestimmungen des dargestellten Kollisionsrechts anzuwenden. Die etwaige Bearbeitung von Mandaten g.r Bürger im Zuge der Angestelltentätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Z. und Kollegen in H. wäre Teil dieser rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung.

Die Klägerin wird mit der Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nach Maßgabe der dargestellten Rechtsgrundsätze gegenüber deutschen Staatsangehörigen nicht benachteiligt (vgl. Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71; Art. 18 AEUV bzw. Art. 12 EGV); die Klägerin macht das auch nicht geltend. Dass sie als ausschließlich selbständig tätige Rechtsanwältin – wie andere selbständig Erwerbstätige - der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht unterliegen würde, folgt aus der (grundsätzlichen - vgl. aber § 2 SGB VI) Beschränkung der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf abhängig und deswegen sozial schutzbedürftige Beschäftigte (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Die Entscheidung des V.s der Rechtsanwälte Baden-Württemberg, das die Klägerin von der Mitgliedschaft in dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der J. A. befreit hat, betrifft allein die berufsständische Versorgung; sie ist für das Recht der gesetzlichen Rentenversichrungen auch im Hinblick auf Gleichheitsaspekte nicht maßgeblich. Wenn deshalb ein selbständig tätiger Rechtsanwalt – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – im Ergebnis die Befreiung von der deutschen Rentenversicherungspflicht und die alleinige Versorgungszuständigkeit seiner – in- oder ausländischen – berufsständischen Versorgungseinrichtung erwirken kann, liegt darin keine sachwidrige und unzulässige Ungleichbehandlung der Klägerin durch die Anwendung des deutschen Rentenversicherungsrechts.

Nach dem Gesagten kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob auf die J. A. die Maßgaben des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b und Nr. 1c SGB VI hinsichtlich der Beitragsbemessung und der Leistungsgewährung anzuwenden wären und ob sie diesen entsprechen würde. Die Beklagte braucht das nicht zu prüfen. Auch der Senat muss Feststellungen hierzu nicht treffen. Schließlich sind die berufsrechtlichen Regelungen des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) nicht maßgeblich, da es vorliegend nicht um den berufsrechtlichen, sondern um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin geht.

III. Das Sozialgericht hat der Klage danach zu Unrecht stattgegeben, weshalb sein Urteil auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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