L 8 U 5317/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2179/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5317/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist.

Der 1955 geborene Kläger war von 1971 bis 1972 bei einer Sportwaffenfabrik als Maschinenbediener, anschließend bis 1973 bei einer Maschinenfabrik als Lackierer, nach dem Wehrdienst bis 1988 bei einer Metallveredelungsfirma, von 1988 bis 1990 in einer Gießerei als Kokillengießer und ab 1990 bei der Firma B. H. GmbH (künftig Firma B.) berufstätig. Ab September 1999 war der Kläger - mit kurzzeitigen Unterbrechungen - arbeitsunfähig erkrankt und ab 24.02.2003 bezog er Arbeitslosengeld. Ab 01.01.2010 bezieht er befristet bis 31.12.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Am 31.10.2003 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig Beklagte) die Anerkennung einer Berufskrankheit. Er trug vor, bei seiner Tätigkeit bei der Firma B. während der gesamten Beschäftigungszeit organischen Lösungsmitteln und Hydraulikölen ausgesetzt gewesen zu sein. Der Kläger legte den ärztlichen Bericht von Dr. G.-B. vom 04.08.2003 vor.

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie befragte die vormaligen Arbeitgeber des Klägers, insbesondere die Firma B., u.a. zur Tätigkeit des Klägers und zu Kontakt-/Arbeitsstoffen am Arbeitsplatz, zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei der AOK - Die Gesundheitskasse W., den Bericht des Integrationsamtes F. vom 19.01.2004 sowie medizinische Unterlagen bei. Außerdem stellte die Beklagte durch ihren Präventionsdienst Ermittlungen zu den Verhältnissen am Arbeitsplatz und zur Exposition des Klägers bei der Firma B. an. Mit Bericht vom 28.01.2004 (Frau R.) teilte der Präventionsdienst nach Arbeitsplatzbesichtigung am 26.01.2004 mit, der Kläger habe bei seiner Tätigkeit beim Hantieren mit ölbehafteten Ventilen halbschichtig Hautkontakt zu Hydrauliköl gehabt. Die Gefahr, dass Dämpfe eingeatmet worden seien, sei als sehr gering einzuschätzen. Zu Lösungsmitteln habe der Kläger nur gelegentlich und in geringem Umfang Kontakt gehabt, weshalb von einer relevanten Exposition nicht ausgegangen werden könne. An Arbeitsstoffen wurden Energol HLP-46+ (Hydrauliköl), Hakupur 312 (Neutralreiniger), Schmierfett und Nitroverdünnung genannt. Die Beklagte zog zu den genannten Arbeitsstoffen die Sicherheitsdatenblätter bei.

Anschließend holte die Beklagte die Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. med. Dipl.-Chem. P. vom 16.04.2004 ein. Dr. Prager gelangte zu dem Ergebnis, es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die multiplen Leiden des Klägers in einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünden.

Mit Bescheid vom 13.07.2004 lehnte die Beklagte nach Anhörung des Landesgewerbearztes (Stellungnahme vom 07.06.2004) die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nr. 1302 oder Nr. 1317 der BKV ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 26.07.2004 Widerspruch ein. Er legte zur Begründung ein Schreiben des F. Instituts für Umweltchemie e.V. vom 16.08.2004, eine Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibung sowie Skizzen seines Arbeitsplatzes vor und wandte sich gegen die Stellungnahme von Dr. P ... Die Beklagte stellte durch den TAD weitere Ermittlungen an, der im Bericht vom 05.01.2005 (Frau R.) - unter Vorlage eines Berichtes vom 21.12.2004 über am 29.09.2004 durchgeführte Messungen vom Gefahrstoffen - mitteilte, eine Einwirkung von Pyrolyseprodukten am Arbeitsplatz könne ausgeschlossen werden. Lösungsmittel hätten bei Messungen an den früheren Arbeitsplätzen des Klägers nicht nachgewiesen werden können. Der Arbeitsplatz des Klägers sei durch aliphatische Kohlenwasserstoffe aus den benachbarten Bearbeitungsmaschinen beaufschlagt. Die Konzentration habe im Bereich des Grenzwertes für Kühlschmierstoffe gelegen. Die Konzentrationen für sonstige komplexe kohlenwasserstoffhaltige Gemische hätten weit unter dem niedrigsten Grenzwert gelegen. Die Arbeiten während der Messung könnten als repräsentativ betrachtet werden. Der Kläger nahm zum Bericht vom 05.01.2005 Stellung (Schriftsatz vom 14.04.2005). Die Beklagte holte zum Vorbringen des Klägers den weiteren Bericht des TAD vom 11.08.2005 (Frau R.) ein, in dem - unter Vorlage eines Berichtes über die Messung vom Gefahrstoffen vom 27.07.2005 - insbesondere ausgeführt wurde, die am 29.09.2004 erhobenen Messergebnisse könnten im Wesentlichen auf den früheren Arbeitsplatz des Klägers übertragen werden. Die Untersuchung einer Probe des Hydrauliköls durch das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz habe ergeben, dass Lösungsmittel auch bei einem Austritt des auf 50 Grad erwärmten Öls unter Druck nicht entstanden sein könnten. Kohlenwasserstoffe ab C 11 seien lediglich in Spuren gefunden worden. Die Ventile seien nur ausnahmsweise (wöchentlich maximal 3-mal) mit Nitroverdünnung gereinigt und mit Druckluft abgeblasen worden. Das Rostschutzmittel enthalte keine gesundheitsgefährdenden Stoffe. Der Kläger hielt mit Schriftsatz vom 02.11.2005 an seinem Widerspruch fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.06.2004 zurück. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 bzw. nach Nr. 1317 der BKV lägen nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 05.05.2006 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er hielt zur Begründung an seinem bisherigen Vorbringen fest, das er vertiefte, und legte ein Schreiben des F. Instituts für Umweltchemie e.V. vom 06.06.2006 vor.

Das SG holte von Amts wegen das arbeitsmedizinische Gutachten nach Aktenlage von Dr. B. vom 05.04.2007 ein. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten zu der Beurteilung, für den Zeitraum von 1971 bis 1989 werde vom Kläger keine hinsichtlich der Berufskrankheiten Nr. 1302 und Nr. 1317 der BKV relevante Belastung angegeben. Während der beruflichen Tätigkeit des Klägers bei der Firma B. (1990-2001) als Hydraulikprüfer sei aufgrund der Ermittlungen der Beklagten und unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen eingeholten Angaben des Klägers zu Verbrauchsmengen und Arbeitsbedingungen selbst unter Annahme ungünstiger arbeitshygienischer Bedingungen nicht vom gesicherten Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit Nr. 1302 der BKV auszugehen. Des Weiteren sei selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Verbrauchsmengen für organische Lösungsmittel (Nitroverdünnung) und den geschilderten ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen von keiner übergrenzwertigen Belastung gegenüber organischen Lösungsmitteln auszugehen. Insbesondere hätten die vom Beklagten durchgeführten Messungen keinen Nachweis von organischen Lösungsmitteln ergeben. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 1317 der BKV lägen nicht vor. Hinsichtlich der Erkrankungen des Klägers sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die beim Kläger bestehenden Beschwerden durch den Umgang mit dem Hydrauliköl Energol HLP 46, mit Hakupur 312 oder dem Schmierfett Aralub HTR2 hervorgerufen seien. Ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den Beschwerden und der beruflichen Exposition organischer Lösungsmittel im Sinne einer toxischen Enzephalopathie lasse sich nicht eindeutig nachweisen. Auch sprächen die vorliegenden Befunde und die Krankheitsvorgeschichte (Chemotherapie) mehr gegen eine berufliche Verursachung der beim Kläger nicht eindeutig gesicherten Polyneuropathie. Es werde deshalb empfohlen, die Erkrankung des Klägers nicht als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der BKV anzuerkennen. Gegen das Gutachten hat der Kläger unter Vorlage der Stellungnahme des Instituts für Umweltchemie e.V. vom 09.08.2007 Einwendungen erhoben. Zu diesen Einwendungen hat Dr. B. in Ergänzung seines Gutachtens mit Schreiben vom 23.09.2007 und 29.09.2007 Stellung genommen und an seinen Bewertungen im Gutachten festgehalten. Der Kläger hielt seine Einwendungen aufrecht und legte das Schreiben des F. Instituts für Umweltchemie e.V. vom 10.01.2008 vor.

Mit Urteil vom 15.07.2008 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung, gestützt auf das Gutachten von Dr. B., aus, dass die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 1302 und Nr. 1317 der BKV nicht nachgewiesen seien.

Gegen das dem Kläger am 20.10.2008 zugestellte Urteil hat er durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten am 18.11.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Urteil sei im Hinblick auf die mündliche Verhandlung überraschend und zudem nicht korrekt. Dr. B. gehe hinsichtlich seines Arbeitsplatzes entgegen seiner Arbeitsplatzbeschreibung von falschen Voraussetzungen aus. Die Behauptung, das Hydrauliköl sei nicht gesundheitsschädlich, könne nicht nachvollzogen werden. Das Gegenteil sei der Fall. Die Messungen der Beklagten seien erst nach einschneidenden Verbesserungen durchgeführt worden. Der Kläger hat seine Tätigkeit und die Zustände am Arbeitsplatz geschildert. Diese Zustände könnten nicht übergangen werden. Den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen sei nachzugehen. Es könne keine Rede davon sein, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Das an seinem Arbeitsplatz verwendete Hydrauliköl enthalte zum einen krebserregende PAK und zum anderen leichtflüchtige, besonders gefährliche Alkane. Das Öl habe mehr als hautentfettende bzw. hautreizende Wirkung. Die Analyse des berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz sei im Hinblick auf die Ansicht des F. Instituts für Umweltchemie völlig ohne Aussagekraft. Er sei über einen Zeitraum von rund 10 Jahren einer ständigen Verschmutzung mit Öl sowie ständig Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen. Die Gesamtexposition führe zu synergetischen Effekten. Seine diversen Erkrankungen und Beschwerden seien Folge des Hydrauliköls und der Lösungsmittel. Das Gericht habe die medizinischen Voraussetzungen falsch beurteilt. Von ihm vorgelegte Unterlagen seien nicht berücksichtigt worden. Eine Verursachung der Erkrankungen aus dem privaten Bereich scheide aus. Es stelle sich die Frage, aus welchem Grund das SG nicht ein weiteres Gutachten eingeholt habe. Weitere nicht durchgeführte Untersuchungen seien nachzuholen. Das Gutachten von Dr. B. gebe den derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht wieder.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er unter einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung leidet, hilfsweise die Anhörung von Prof. Dr. S. persönlich, hilfsweise durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme sowie ein neuropsychologisches/neurologisches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vom TAD durchgeführten Messungen seien als repräsentativ zu betrachten. Es sei davon auszugehen, dass vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 oder Nr. 1317 der BKV nicht im Sinne des Vollbeweises auszugehen sei, weshalb eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht möglich sei. Weiter sei nach dem Gutachten des besonders erfahrenen Sachverständigen Dr. B. auch nicht vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen auszugehen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Prof. Dr. S. - Arzt für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Sozialmedizin - vom 09.11.2010 eingeholt. Prof. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten zu der Beurteilung, eine Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen sei nicht ersichtlich, weshalb das Vorliegen einer Berufskrankheit der Nr. 1302 der BKV nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Des Weiteren könnten die vorliegenden Erkrankungen des Klägers auch nicht als Folge einer angenommenen Exposition im Sinne dieser Berufskrankheit angesehen werden. Die Einwirkungskausalität, an einer Berufskrankheit Nr. 1317 der BKV zu erkranken, sei als gegeben anzusehen. Die Diagnose einer Enzephalopathie sei beim Kläger jedoch nicht gesichert. Beim Kläger sei eine beginnende periphere Polyneuropathie gegeben, die als Folge der Chemotherapie bzw. als Folge eines Diabetes mellitus anzusehen sei. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 1302 bzw. Nr. 1317 der BKV könnten nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.

Gegen das Gutachten von Prof. Dr. S. hat der Kläger Einwendungen erhoben und zudem für erforderlich gehalten, zur genauen Feststellung des Vorliegens einer toxischen Enzephalopathie sowie den Ursachen der Polyneuropathie und zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes ein neurologisches Gutachten von Amts wegen oder gemäß § 109 SGG einzuholen.

Der Senat hat die ergänzende gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 12.07.2011 eingeholt, in der sich Prof. Dr. S. zu den Einwendungen des Klägers geäußert und an seinen Bewertungen im Gutachten festgehalten hat. Der Kläger ist dieser ergänzenden Stellungnahme entgegen getreten und hat an seiner Auffassung, dass weitere Ermittlungen notwendig sein, festgehalten (zuletzt mit Schriftsatz vom 28.10.2011).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten des Landessozialgerichts Baten-Württemberg L 6 VS 1954/04, L 7 R 1188/05 und des SG S 15 R 5727/07 sowie auf zwei Band Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Feststellungsklage ist zulässig, denn es besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der geltend gemachten Erkrankung als Berufskrankheit. Dem entspricht der Berufungsantrag des Klägers.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sind nur die Berufskrankheiten nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und/oder Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der BKV. Nur hierüber hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2006 entschieden.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 a.a.O.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe (Nr. 1302 der BKV) oder eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische (Nr. 1317 der BKV) nicht als Berufskrankheit des Klägers festzustellen.

Nach dem Gutachten von Dr. B. vom 05.04.2007 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 23.09. und vom 29.09.2007 an das SG kann beim Kläger auf der Grundlage der vom TAD erhobenen Ermittlungsergebnisse und unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu den Arbeitsbedingungen selbst unter der Annahme ungünstiger arbeitshygienischer Bedingungen nicht vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 BKV ausgegangen werden. Zwar hatte der Kläger seit 1990 durchgängig beruflichen Umgang mit den Substanzen Energol HLP 46 (Hydraulikölmischung aus stark solvent-raffinierten Grundölen und Additiven), Hakupur 312 (Neutralreiniger), Aralub HTR 2 (Schmierfett) und EFD-Verdünnung. Untersuchungen der seit 1990 verwendeten Betriebsstoffe haben jedoch keine relevanten Konzentrationen aromatischer Kohlenwasserstoffe erbracht.

Das vom Kläger angeschuldigte Hydrauliköl ist nach einer vom Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitsschutz durchgeführten Analyse lösungsmittelfrei. Das Öl enthält keine kurzkettigen Kohlenwasserstoffanteile. Überwiegend enthält das Öl eine hochsiedende Kohlenwasserstoff-Fraktion oberhalb C 20, wodurch "Lösemittel" auch beim Austritt des auf 50° C erwärmten Öls nicht entstanden sein können. Bei der Untersuchung einer Probe wurden sogenannte Lösungsmittel nicht festgestellt. Die Einwirkung von Pyrolyseprodukten (z.B. PAK) bei einer Erhitzung des Öls auf max. 50° C am Arbeitsplatz des Klägers kann - entgegen der Ansicht des Klägers - ausgeschlossen werden. Es wurden lediglich geringste, weit unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegende Konzentrationen an Phenanthren und Pyren gefunden. Dies gilt auch für sonstige komplex kohlenwasserstoffhaltige Gemische am Arbeitsplatz des Klägers, hervorgerufen durch aliphatische Kohlenwasserstoffe aus den benachbarten Bearbeitungsmaschinen, deren Konzentration den gesetzlichen Grenzwert weit unterschritten. Ein entsprechender Warnhinweis des Sicherheitsdatenblattes, auf den sich der Kläger beruft, bezieht sich erkennbar lediglich auf eine hautentfettende bzw. -reizende Wirkung des Öls. Dass beim Kläger eine Hauterkrankung aufgetreten ist, ist nicht ersichtlich und wird von ihm im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Unter diesen Umständen kann der Ansicht des Instituts für Umweltchemie F. (Stellungnahmen vom 16.08.2004, 06.06.2006, 09.08.2007 und 10.01.2008), auf die sich der Kläger stützt, nicht gefolgt werden. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. B. ist die Ansicht des F. Instituts für Umweltchemie, dass bei der Erhitzung polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe entstünden durch die von der Beklagten durchgeführten Messungen widerlegt. Auch nach der Beurteilung von Prof. Dr. S. in seinem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG vom Senat eingeholten Gutachtens vom 09.11.2010 handelt es sich bei dem Hydrauliköl um eine Mischung aus stark solventraffinierten Grundölen und Additiven, die eine Einstufung als Gefahrstoff nach den EG-Richtlinien nicht erforderlich machen. Dass der Kläger Einwirkungen von Halogenkohlenwasserstoffen ausgesetzt war, ist für Prof. Dr. S. in Übereinstimmung mit Dr. B. nicht ersichtlich. Dies entspricht auch der Beurteilung von Dr. P. in seiner Stellungnahme von 16.04.2004, dem als Arzt und Diplomchemiker hinsichtlich der Auswirkungen chemischer Berufsstoff auf die Gesundheit besondere Sachkunde zukommt. Dieser bewertete das im einzelnen aufgeführte Hydrauliköl als toxikologisch unproblematisch. Das Entstehen einer Berufskrankheit Nr. 1302 der BKV durch das Hydrauliköl scheidet danach aus.

Entsprechendes gilt hinsichtlich des Kontaktes des Klägers zu Lösungsmittel. Nach dem Gutachten von Dr. B. kann auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Verbrauchsmengen organischer Lösungsmittel (Nitroverdünnung) und den von ihm geschilderten ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen eine gesicherte längerfristige Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte im Sinne des Berufskrankheitenrechtes nicht wahrscheinlich gemacht werden, weshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 1317 BKV, die gesundheitsgefährdenden Einwirkungen, nicht nachgewiesen sind. Auch insoweit besteht Übereinstimmung mit der Beurteilung von Dr. P., der hinsichtlich der verwendeten Lösemittelgemische nicht von einer hohen und entsprechend gesundheitsgefährdenden Exposition ausgegangen ist. Diese Einschätzung wird auch in dem vom Kläger zum Gutachten von Dr. B. vorgelegten Schreiben des F. Institutes für Umweltchemie e.V. vom 09.08.2007 geteilt unter der Voraussetzung, dass die vom TAD der Beklagten ermittelten Rahmenbedingungen zutreffen. Hiervon geht der Senat aus. Dr. B. hat in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der vom Kläger gemachten Angaben zum Arbeitsplatz und den Arbeitsstoffen plausibel dargelegt, dass von einer eher geringen Umgebungsbelastung durch Nitroverdünnung auszugehen ist. Diese Bewertung ist im Hinblick darauf, dass (nach den Angaben des Klägers) die Verbrauchsmenge des Nitroverdünners ca. 1 bis 2 Liter/Woche bei ca. 20 vergleichbaren Arbeitsplätzen betragen hat, der Kläger nur ca. 50 % seiner Arbeitszeit bei der Firma B. regelmäßigen Kontakt zu Nitroverdünnung hatte und der Größe der Halle von ca. 300 bis 400 m² für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Das Vorliegen einer allenfalls geringen Umgebungsbelastung durch Nitroverdünnung untermauern außerdem die vom TAD durchgeführten Gefahrstoffmessungen in der Firma B. Nach dem Ergebnis dieser Messungen lagen die Konzentrationen von Lösungsmitteln unter den Bestimmungsgrenzen von 1 bis 5 mg/m³. Zwar konnten nach dem Bericht des TAD vom 01.08.2005 wegen durchgeführter räumlicher Veränderungen die Messungen nicht mehr unter den selben Bedingungen wie zur Zeit der Tätigkeit des Klägers durchgeführt werden, was der Kläger gegen die Verwertbarkeit der Messungen einwendet. Die Arbeiten während der Messung können nach der Mitteilung des TAD im Bericht vom 05.01.2005 jedoch als repräsentativ betrachtet werden. Weiter waren der Prüfstand, das Prüfverfahren und Prüfmittel (Hydrauliköl) dieselben. Eine Entlüftungsanlage war zwischenzeitlich nicht eingebaut worden (vgl. Bericht vom 05.01.2005, Seite 9), so dass für den Zeitpunkt der Messung von annähernd den gleichen Raumluftverhältnissen wie zurzeit der Berufstätigkeit des Klägers ausgegangen werden kann. Wegen der mittlerweile verlagerten Arbeitsplätze wurden zur Ermittlung der früheren Umgebungsbelastung auch Messungen in der Fertigung durchgeführt, was den Einwand des Klägers, es seien Messungen an seinen Arbeitsplatz nicht betreffenden Orten in einer anderen Halle durchgeführt worden, entkräftet. Die Reinigung mit Nitroverdünnung der Ventile erfolgte selten (3-mal wöchentlich) und dauerte nur wenige Minuten (TAD-Bericht vom 11.08.2005), weshalb dem TAD zu folgen ist, dass die Ergebnisse der Messungen im Wesentlichen auf den früheren Arbeitsplatz des Klägers übertragen werden können. Die Behauptung des Klägers, pro Tag 200 Ventile geprüft zu haben, stimmt mit dem Bericht des Präventionsdienstes vom 28.01.2004 nicht überein. Der dortigen Feststellung, 50 Ventile seien täglich geprüft worden, hat der Kläger in seiner Gegenäußerung vom 02.02.2004 nicht widersprochen. Die Feststellung des TAD ist aufgrund der späteren Widerspruchsbegründung (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 14.04.2005) unter nochmaliger Befragung des früheren Vorgesetzten des Klägers und eines Kollegen überprüft worden und führte zu keiner anderen Einschätzung (TAD-Bericht vom 11.08.2005). Unabhängig hiervon ist von Dr. B. die vom Kläger angegebene Verarbeitungsmenge von 1-2 l Nitroverdünnung pro Woche am Arbeitsplatz und für ca. 20 weitere vergleichbare Arbeitsplätze seiner Beurteilung zugrunde gelegt worden.

Der insoweit abweichenden Ansicht von Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.11.2007 und der ergänzenden Stellungnahme vom 17.06.2011, der beim Kläger eine Einwirkungskausalität für die Berufskrankheit der Nr. 1317 der BKV als gegeben ansieht, kann nicht gefolgt werden. Prof. Dr. S. stützt diese Ansicht auf die Angaben des Klägers im Rahmen der Begutachtung, wonach es unter Einwirkung organischer Lösungsmittel zu einer erhöhten Ermüdbarkeit, Übelkeit und Kopfschmerzen gekommen sei, die er als Folge der stattgehabten Exposition ansieht. Dass der Kläger gegenüber organischen Lösungsmittel in einem Ausmaß exponiert war, die seine Annahme rechtfertigt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 1317 der BKV vorlägen, lässt sich dem Gutachten von Prof. Dr. S. jedoch nicht nachvollziehbar entnehmen. Insbesondere setzt sich Prof. Dr. S. nicht damit auseinander, dass beim Kläger - nach dem oben Ausgeführten - eine längerfristige Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte nicht wahrscheinlich und nur von einer geringen Umgebungsbelastung am Arbeitsplatz auszugehen ist, weshalb seine von Dr. B. abweichende Ansicht nicht überzeugt. Außerdem hat der Kläger bei seiner Untersuchung durch Prof. Dr. S. zu den Verbrauchsmengen organischer Lösungsmittel (Nitroverdünnung) im Vergleich zu seinen Angaben bei der Begutachtung durch Dr. B. widersprüchliche Angaben gemacht, indem er den zuvor angegebenen durchschnittlichen Verbrauch von Nitroverdünnung über etwa 10 Jahre von 2 Liter/Woche auf 5 Liter/Woche gesteigert hat, was seine letzten Angaben unglaubhaft macht.

Zudem sind vom Kläger zu Anfang des Feststellungsverfahrens der Beklagten keine typischen Akutsymptome einer Lösemittelintoxikation geschildert worden. Nach Dr. B. sind im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition häufig pränakotische Symptome wie Benommenheit, Trunkenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Brechreiz, aber auch Zustände von Euphorie zu erwarten. Solche spezifischen Symptome hat der Kläger zu Beginn des Feststellungsverfahrens nicht geltend gemacht, sondern erstmals im Widerspruchsverfahren als unmittelbare Reaktion auf Arbeiten mit Nitroverdünnung - letztlich unspezifisch - angegeben, ihm sei von diesen Arbeiten immer ganz schlecht geworden (Schreiben der damaligen Bevollmächtigten vom 14.04.2005), wobei zuvor nur von - ebenfalls unspezifischen - Beschwerden, wie Kopfschmerzen, wegen schlechter Luft und der Wärme in der Werkhalle die Rede war (Stellungnahme des Klägers vom 31.08.2004 als Anlage zur Widerspruchsbegründung vom 08.09.2004). Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts anderes; vielmehr sind typische Beschwerden erst ab 2003 ärztlich dokumentiert worden (Bericht von der Ärztin D. vom 20.12.2003). Nach dem Bericht des Integrationsamtes vom 19.01.2004, Frau B., wurde bei der Betriebsbesichtigung am 15.01.2003 von dem befragten Betriebsrat angegeben, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz nie über Beschwerden geklagt habe. Dies stimmt auch mit der Einschätzung in dem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben des Instituts für Umweltchemie e.V. vom 06.06.2006 überein. Denn dort wird für das beim Kläger aufgetretene Wirkmuster davon ausgegangen, dass eine "problemlos vertragene gering konzentrierte Einwirkung mit unterschwelliger Aktivierung des Immunsystems" vorgelegen habe, was ebenfalls die Annahme fehlender Akutsymptomatik erkennen lässt. In Auswertung dieses Aktenstandes hatte auch die Landesgewerbeärztin Dr. G. in ihrer Stellungnahme vom 07.06.2004 keine Hinweise auf eine akute oder subakute krankhafte Schädigung durch Lösemittel gesehen. Die fehlender Akutsymptomatik ist deshalb ein zusätzliches Indiz dafür, dass keine gesundheitsbeeinträchtigende Lösemittelexposition vorlag. Der Ansicht von Prof. Dr. S. zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 1317 der BKV folgt der Senat deshalb nicht.

Dass die beim Kläger bestehenden Beschwerden durch den Umgang mit Hakupur 312 bzw. dem Schmierfett Aralub HTR2 ausgelöst wurden, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten äußerst unwahrscheinlich. Davon geht auch Prof. Dr. S. in seinem Gutachten aus.

Beim Kläger ist damit davon auszugehen, dass wegen fehlender gesundheitsschädlicher Einwirkungen bereits die Einwirkungskausalität der Berufskrankheiten Nr. 1302 und 1317 der BKV nicht vorliegt, weshalb schon deshalb kein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit besteht.

Es kommt deshalb nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger an solchen Krankheiten erkrankt ist, die von den Berufskrankheiten nach Nr. 1302 und Nr. 1317 der BKV erfasst werden, so dass kein Grund besteht, den Sachverhalt hierzu von Amts wegen oder durch Einholung eines mit zusätzlichem Kostenrisiko für den Kläger verbundenen neurologischen und/oder eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens nach § 109 SGG, wie vom Kläger beantragt, weiter aufzuklären. Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht auch sonst nicht. Nachdem Dr. B. in seinem Gutachten die vom Kläger gemachten Angaben zum Arbeitsplatz und zur Exposition mit Arbeitsstoffen, insbesondere zu den zuletzt streitigen Lösemitteln, seiner Bewertung zugrunde gelegt hat, und zur gleichen Einschätzung der Exposition wie Dr. P. gekommen ist, besteht auch kein Grund, hierzu weiter zu ermitteln.

Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, auf den Hilfsantrag des Klägers Prof. Dr. S. ergänzend anzuhören. Das Fragerecht nach §§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass die dem Sachverständigen vorzulegenden Fragen hinreichend konkretisiert werden und die Fragen sachdienlich sind. Von einer Sachdienlichkeit ist dann auszugehen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten, nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (st. Rspr. vgl. BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B - und Urteil vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R -, beide veröff. in juris). Vorliegend sind die für klärungsbedürftig erachteten Fragen durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Bezugnahme auf seine Schriftsätze vom 08.03. und 29.08.2011 (aktenkundig ist lediglich ein Schriftsatz vom 30.08.2011) insoweit hinreichend umschrieben, als Prof. Dr. S. sich klarstellend hierzu äußern möge, dass es zur Feststellung der Diagnose einer Enzephalopathie bzw. einer Polyneuropathie einer weiteren medizinischen Ermittlung bedarf. Diese für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen des Klägers an den Sachverständigen sind jedoch nicht sachdienlich. Abgesehen davon, dass infolge des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 08.03.2011 bereits die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 12.07.2011 zu diesem Fragenkomplex eingeholt worden ist und im Schriftsatz vom 30.08.2011 nur wiederholend die gutachtliche Äußerung von Prof. S. kritisiert wird und daher für den Senat nicht erkennbar ist, inwiefern von Prof. Dr. S. weitere klärungsbedürftige Lücken in seinem gutachtlichen Ausführungen geschlossen werden sollen, bedarf es aus den oben genannten Gründen keiner weiteren Feststellungen zu den medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1317. Ob ein qualifizierender Gesundheitsschaden dieser Berufskrankheit im Rahmen der Einwirkungskausalität oder der haftungsausfüllenden Kausalität vorliegt, ist nicht entscheidungserheblich. Der Nachweis einer gesundheitsschädlichen Einwirkung durch Lösemittel ist bereits nicht geführt.

Eine Vertagung der Rechtssache zur ergänzenden Anhörung von Prof. Dr. S. oder zur ergänzenden Begründung weiterer Sachanträge war nicht geboten. Der Anspruch des Klägers auf Wahrung des rechtlichen Gehörs ist hierdurch nicht verletzt. Soweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Klägerbevollmächtigte darauf verwiesen hat, es bedürfe der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts und es sei ein rechtlicher Hinweis des Senats erbeten gewesen, ist hiermit die Vertagung nicht zu rechtfertigen. Die dem Senat obliegende Amtsermittlungspflicht reicht nur soweit, als die Umstände aufzuklären sind, die für seine Entscheidung erheblich sind. Hierüber entscheidet der Senat endgültig erst nach mündlicher Verhandlung in der gesetzlich vorgesehenen richterlichen Besetzung. Der mit Fax vom 13.12.2011 gestellte Verlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten war deshalb auch abgelehnt worden unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass über eine etwaige notwendige Anhörung von Prof. Dr. S. im Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden und gegebenenfalls die Rechtssache vertagt werde. Darüber hinaus hat der Senat im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Verfahrens eine vorläufige Rechtsauffassung geäußert. Anhaltspunkte dafür, dass der Senat hiervon abrückt, sind in der vorbereitenden Verfahrensleitung durch den Berichterstatter und nach der Terminierung durch den Vorsitzenden nicht zu erkennen gegeben worden. Der Senat war nicht gehalten, über die in seinem Beschluss zur Prozesskostenhilfe geäußerte vorläufige Rechtsauffassung hinaus nach jeder weiteren Ermittlung erneut eine (vorläufige) Rechtsauffassung darzulegen. Vielmehr war die Beklagte vom Berichterstatter aufgefordert worden (Verfügung vom 14.03.2011), zur im Vergleich zu Dr. B. gegenteiligen Einschätzung der Exposition durch Prof. Dr. S. Stellung zu nehmen. Die Beklagte war dieser Aufforderung mit Schriftsatz vom 14.03.2011 nachgekommen und stellte die Exposition gegenüber Lösungsmittel weiter streitig. Eine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgetretene neue oder unerwartete Prozesslage war daher nicht eingetreten. Eine Vertagung zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs des Klägers war daher nicht geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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