L 9 U 196/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 650/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 196/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1315 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1961 geborene Kläger absolvierte zwischen 1979 und 1982 eine Schreinerlehre und war im Anschluss daran in diesem Beruf beschäftigt. Vom 03.05.1990 bis 19.07.1996 war er für die Firma H. ebenfalls als Schreiner tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Firma H. aus betrieblichen Gründen. Danach arbeitete der Kläger für zwei Monate bei der Firma Möbel-B. am Stuttgarter W ... Im September 1996 wechselte er zur Firma G., Stuttgart-V., wo er als Orthopädie-Mechaniker tätig war.

Aufgrund einer im Rahmen eines Feststellungsverfahrens zur Anerkennung einer BK Nr. 4101 BKV (nach ärztlicher Anzeige über eine BK von Dr. M., Stuttgart, vom 19.09.1996 wegen eines gemischtförmigen Asthma bronchiale nach Arbeit mit Limba-Holz bei der Firma H.) erfolgten Begutachtung bei Prof. Dr. P., Klinik Bad R., welcher in seinem Gutachten (eingegangen am 07.08.1998) eine allergische Rhinitis und ein exogen allergisches Asthma bronchiale bei nachgewiesener relevanter Sensibilisierung gegenüber Limba-Holz und einen ätiologisch unklaren, weiter abklärungsbedürftigen Mediastinaltumor beschrieben hatte, leitete die Beklagte auf Antrag des Klägers vom 15.04.1999 neben eines Verwaltungsverfahrens zur Klärung, ob der Mediastinaltumor als Berufserkrankung anerkannt werden kann, auch ein Verfahren zur Klärung der hier streitigen Frage ein, ob eine Erkrankung durch Isocyanate gemäß einer BK Nr. 1315 BKV vorliegt.

Die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 4301 und 4302 BKV lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Holzberufsgenossenschaft (Holz-BG), mit Bescheid vom 28.07.1997 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.1997 ab. Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Stuttgart (SG) die Holz-BG, eine BK Nr. 4101 BKV anzuerkennen (Urteil vom 26.03.1999, Az.: S 6 U 4822/97). Die hiergegen von der Holz-BG eingelegte Berufung ruhte zunächst im Hinblick auf die noch anhängigen Verwaltungsverfahren und ist jetzt Gegenstand des beim 6. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 6 U 1720/10 geführten Berufungsverfahrens. Die Anerkennung des Tumors im Bereich des Mittelfelds als Folge einer BK nach den Nrn. 4104, 4301 und 4302 BKV sowie nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) lehnte die Holz-BG mit Bescheid vom 25.09.1998 und Widerspruchsbescheid vom 14.12.1998 ab. Das hiergegen zunächst unter dem Aktenzeichen S 6 U 6464/98 beim SG geführte Klageverfahren wurde, nachdem dieses bis zur Entscheidung über die Anerkennung der hier streitigen BK Nr. 1315 BKV ausgesetzt gewesen war und mit letzterem verbunden wurde, unter dem Aktenzeichen S 6 U 650/03 fortgeführt. Mit insoweit rechtskräftigem Urteil vom 12.11.2009 wies das SG die Klage hinsichtlich der Anerkennung des Tumorleidens als BK ab.

Die Holz-BG zog zunächst die im Verfahren auf Anerkennung einer BK nach Nr. 4301/4302 BKV vorliegenden Befunde, Gutachten und das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Stuttgart (u.a.: Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen grippaler Infekte vom 10.03.1988 bis 18.03.1988, 05.04.1988 bis 08.04.1988 und vom 04.07.1988 bis 15.07.1988) und IKK Stuttgart (Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Bronchitis/Pharyngitis vom 14.08.1989 bis 24.08.1989, asthmoide Bronchitis vom 20.10.1993 bis 05.11.1993, fieb. Laryngobronchitis vom 13.12.1995 bis 22.12.1995) bei. Das in diesem Rahmen angefertigte Gutachten des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr. Schulte vom 02.05.1997 stellte die Diagnosen einer mittelgradigen unspezifischen (nicht allergischen) bronchialen Hyperreagibilität (UBH) bei Sensibilisierungen mit Tier-Epithelien und einen gelegentlichen, spontan auftretenden Bronchospasmus bei Ausschluss einer Holzstauballergie. Auf allergologischem Sektor habe nur eine Sensibilisierung mit Tier-Produkten nachgewiesen werden können, nicht jedoch mit Berufsstoffen. Das Gutachten von Prof. Dr. P. (zusammen mit MD Dr. G.) beschrieb eine allergische Rhinitis und ein exogen allergisches Asthma bronchiale aufgrund einer berufsbedingten Sensibilisierung gegen Limbaholz (neben dem bereits erwähnten Mediastinaltumor). Zu den Einwendungen hiergegen (beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 15.09.1998) haben Prof. Dr. P. und MD Dr. G. unter dem 30.10.1998 erwidert, worauf die Beklagte eine weitere Stellungnahme von Dr. B. vom 29.12.1998 vorlegte.

Im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Holz-BG vom 14.06.1999 wurde ausgeführt, dass es sich bei dem früher eingesetzten Hydro compact 2K um einen Wasserlack auf Basis wässriger Acrylat- und Polyurethanharz-Dispersionen gehandelt habe, der zur Verarbeitung mit Härter W versetzt worden sei. Bei dem Härter W handele es sich um eine Lösung eines aliphatischen Polyisocyanats in organischen Lösungsmitteln. Der Gehalt an monomerem Hexamethylen-1.6-diisocyanat werde mit kleiner 2,5 % angegeben. Der heute eingesetzte Hydroplast PU sei ein wasserverdünnbarer selbstvernetzender Einkomponenten-Schichtlack auf Basis wässriger Acrylat- und Polyurethanharz-Dispersionen. Dieser werde i.a. ohne Härterzusatz eingesetzt. Unter Berücksichtigung der Angaben des Betriebes und des Versicherten zum Umfang der Lackierarbeiten, der eingesetzten Lacke und der Lüftungsverhältnisse lasse sich feststellen, dass eine sehr geringe Exposition gegenüber Isocyanaten, speziell HDI, am Arbeitsplatz bestanden habe. Dem Bericht waren die Technischen Merkblätter der Firma Friedrich Klumpp GmbH zu Hydroplast PU, zu Hydro-compact sowie dem Härter "W" sowie die jeweiligen Sicherheitsdatenblätter beigefügt. Die staatliche Gewerbeärztin Dr. G. (Stellungnahme v. 29.07.1999) empfahl nach Vorlage der Akten eine Testung des Versicherten mit der Frage, ob eine Sensibilisierung der Atemwege gegen Isocyanate vorliege.

Die Holz-BG bat bei der Firma Klumpp um Übersendung einer vollständigen Aufstellung der in den Jahren 1990 bis 1996 an die Firma W. H. gelieferten Stoffe. Unter näherer Darstellung der Inhaltsstoffe teilte diese unter dem 15.11.1999 mit, dass von 1992 bis 1995 Lacksysteme verarbeitet worden seien. Im Jahr 1995 habe die Firma auf Wasserlacke umgestellt. Unter Berücksichtigung eines arbeitsplatzspezifischen Provokationstests sind PD Dr. T. und Dr. U., Klinik S., G., in dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 17.11.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mäßige Bronchialobstruktion ohne Medikation vorliege. Unter Inhalation einer Placebolösung sei die pulmonale Funktion geringfügig verbessert gewesen. Auch der arbeitsplatzbezogene Provokationstest habe keinerlei Anhalt für eine Bronchialobstruktion bei Kontakt mit isocyananthaltigen Lacken ergeben. Serologische Untersuchungen hätten auch weiterhin keinen erhöhten Titer für allergenspezifische IgE-Antikörper (Isocyanat TDI, MDI und HDI im Normbereich) ergeben. Nachdem der Kläger seit vier Jahren nicht mehr im Schreinerberuf tätig sei, habe sich der Zustand verbessert. Eine Medikamenteneinnahme sei nicht mehr erforderlich. Atemprobleme träten nur noch bei größerer Belastung auf. Es sei möglich, dass sich die Reagibilität auf Isocyanate zurückgebildet habe, nachdem vier Jahre keine Exposition mehr bestanden habe. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK seien zurzeit nicht gegeben.

Unter Berücksichtigung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 1315 BKV mit Bescheid vom 27.01.2000 ab. Sie führte zur Begründung aus, dass bei der Untersuchung in der Klinik S. insbesondere Provokationstestungen mit dem verarbeiteten Zwei-Komponenten-Lack einschließlich isocyanathaltigem Härter durchgeführt worden seien und sich bei diesen Untersuchungen keine Anhaltspunkte dafür gefunden hätten, dass durch den Kontakt zu isocyanathaltigen Lacken eine Erkrankung verursacht worden sei.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch erhob der Kläger Einwendungen gegen die Art und Weise des durchgeführten arbeitsplatzbezogenen Provokationstests und gegen die vorgenommene Beurteilung. Prof. Dr. D., Klinik S., G. nahm hierzu auf Veranlassung der Beklagten unter dem 13.6.2000 Stellung und hielt an der im Gutachten vertretenen Auffassung fest.

Die Holz-BG zog hierauf ein vom LSG Baden-Württemberg im Rahmen des Berufungsverfahrens bezüglich der Anerkennung einer BK Nr. 4301/4302 BKV in Auftrag gegebenes Gutachten von Dr. K., W.-Z. Kliniken, Wangen im Allgäu, vom 15.07.2000 bei (Diagnose: Asthma bronchiale mit IgE-vermittelter Sensibilisierung gegenüber Katzenallergen mit schwerer bronchialer Hyperreagibilität; Mediastinaltumor; Beurteilung: eine Allergie gegen Limbaholz und eine BK Nr. 4301/4302 BKV lägen nicht vor).

Die Firma Klumpp übersandte auf Anfrage der Beklagten eine Auflistung der Materialien (nebst Sicherheitsdatenblätter), die von der Firma H. 1996 verarbeitet worden seien. Außerdem liegt eine Liste der seit 01.01.1996 und bis 31.12.2000 von der Firma H. bezogenen Produkte vor. Die Holz-BG hat festgehalten, dass eine vollständige Aufstellung sämtlicher Materialien nur rückwirkend bis Anfang 1996 möglich gewesen sei, weil die Firma K. Ende 1995/Anfang 1996 auf ein neues EDV-System umgestellt habe und die Daten aus dem davor liegenden Zeitraum nicht mehr zugänglich seien.

Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. I., H. stellte in dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen lungenfachärztlichem Gutachten vom 17.07.2001 nach erneutem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest eine unspezifische Hyperreagibilität fest. Eine chronische Atemfunktionsstörung liege nicht vor, ein Isocyanat-Asthma habe ausgeschlossen werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.11.2001 Klage zum SG Stuttgart erhoben. Der Kläger hat an seinem geltend gemachten Anspruch festgehalten und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass aus den fehlenden Antikörpern gegen Isocyanat nicht darauf geschlossen werden könne, dass eine Isocyanat-Allergie nicht vorliege.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen des internistischen, pulmologischen und allergologischen Gutachtens bei Dr. K., D., vom 10.02.2005. Er vertrat die Auffassung, dass der zweimalig negative Ausfall eines Expositionstests ein Isocyanat-Asthma ausschließe. Dass der Kläger die Emissionen des Lacks am Arbeitsplatz als besonderes beschwerdeverstärkend empfunden habe, sei dadurch zu erklären, dass die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität (UBH), welche bei ihm deutlich bis stark ausgeprägt sei, schon bei vergleichsweise geringen irritativen Einwirkungen eine obstruktive Reaktion auslöse. Diese Einwirkungen müssten nicht berufsspezifischer Natur sein. Bei einer starken UBH reagiere der Betroffene schon auf relative harmlose Einwirkungen wie z. B. Haarsprays, Bratendunst und Parfumgerüche. Die UBH selbst sei dabei ebenfalls nicht als Folge der beruflichen Einwirkungen zu betrachten.

Auf die Einwendungen des Klägers hat Dr. K. unter dem 21.02.2006 nochmals ergänzend Stellung genommen. Hierauf hat der Kläger erneut Einwendungen erhoben und konkrete Fragen (Schriftsatz vom 06.10.2006) gestellt, welche dem Sachverständigen vorgelegt werden sollten. Nachdem eine entsprechende Anfrage bei Dr. K. mit dem Vermerk, dass dieser verstorben sei, an des SG zurückgekommen war, hat das SG Prof. Dr. H., H. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Zusammen mit Dr. B. hat Prof. Dr. H. unter dem 27.05.2008 ausgeführt, den Ausführungen von Dr. K. sei im vollen Umfang beizupflichten. Auf weitere Fragen des Klägers (vgl. Schriftsätze vom 27.10.2008 und 04.02.2009) haben Dr. B. und Prof. Dr. H. unter dem 27.05.2009 ergänzend Stellung genommen. Die Sachverständigen sahen keinen Grund, von ihrer Beurteilung abzuweichen.

Mit Urteil vom 12.11.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich nicht mit der hinreichenden Sicherheit wahrscheinlich machen lasse, dass die unstreitig vorliegenden zeitweisen Atembeschwerden des Klägers als sogenanntes "Isocyanat-Asthma" zu qualifizieren seien.

Gegen das ihm 18.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.01.2010 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht er geltend, dass sich das klagabweisende Urteil nicht mit der Problematik befasse, dass noch ein weiteres Klageverfahren zur Anerkennung einer Holzstauballergie als BK anhängig sei. Gegen dieses Urteil habe die Beklagte Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. In diesem dort anhängigen Verfahren habe die Beklagte ausgeführt, dass der Anerkennung einer BK nach Nr. 4301 BKV entgegenstehe, dass dem Kläger der Zwei-Komponenten-Lack der Firma K. "noch stärkere Beschwerden als das frühere (!) Limbaholz mache". Dennoch habe die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2000 die Anerkennung einer BK nach Nr. 1315 BKV abgelehnt. Im Hinblick auf die Ausführungen von Dr. I., der die Anerkennung einer BK nach Nr. 4301 BKV befürwortet habe, könne die Gesamtproblematik nur in einem einheitlichen Verfahren geklärt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2001 aufzuheben und festzustellen, dass er an einer Berufskrankheit nach Nr. 1315 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung leidet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 18.05.2011 auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster (S 6 U 6980/04, S 6 U 650/03, S 6 U 6034/01 und S 6 U 6464/98) und zweiter Instanz (L 9 U 196/10) verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 1315 BKV, nachdem der Kläger die Anerkennung des Mediastinaltumors als BK im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt. Eine Verbindung des Verfahrens mit dem beim 6. Senat des LSG Baden-Württemberg anhängigen Berufungsverfahren (Gegenstand ist dort die Anerkennung einer BK Nr. 4301/4302 BKV) war nicht erforderlich. Unabhängig davon, dass es sich insoweit um getrennte Streitgegenstände handelt, stehen die geltend gemachten BKen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis, sondern sind getrennt nach Einwirkung und Krankheitsbild zu unterscheiden. Der vorliegende Rechtsstreit ist zudem hinreichend aufgeklärt und entscheidungsreif.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger nicht an einer Erkrankung durch Isocyanate leidet und damit auch keinen Anspruch auf die Feststellung der entsprechenden BK (Nr. 1315 BKV) hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 18.05.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Die vom Kläger begehrte Feststellung richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO); denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.

Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (versicherte Tätigkeit). Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach Nr. 1315 BKV Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die ggfs. in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlichkeit ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller - wesentlichen - Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand April 2011, E § 9 SGB VII RdNr. 26.2). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten desjenigen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, B 2 U 5/05 R, SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte eine Anerkennung der Atemwegserkrankung des Klägers als BK nach Nr. 1315 BKV nicht erfolgen. Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten von PD Dr. T. und Dr. I., welche im Urkundenbeweis verwertet werden, sowie auf die Gutachten von Dr. K. und Prof. Dr. H ...

Danach stellt der Senat fest, dass der Kläger an einem Asthma bronchiale, einer leichtgradigen bis allenfalls mäßige Bronchialobstruktion, wie von Dr. K. in seinem Gutachten unter Auswertung der aktenkundigen Befunde angegeben wird, leidet. Darüber hinaus war der Kläger - wenn auch im geringen Umfang - dem isocyanathaltigen Härter W ausgesetzt, dessen Kontakt auch grundsätzlich ausgereicht haben mag, eine allergische oder immunologische Erkrankung auszulösen. Die Höhe der Exposition spielt im Rahmen einer allergischen Sensibilisierung nach der Auffassung von Prof. Dr. H. nicht die entscheidende Rolle. Diese Einwirkungen sind aber nicht rechtlich wesentlich ursächlich für das beschriebene Krankheitsbild, was der Senat insbesondere den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. K. und Prof. Dr. H. entnimmt. Dabei ist nicht entscheidend, dass spezifische IgE-Antikörper nicht nachweisbar waren. Selbst der Nachweis belegte - wie Dr. K. ausführte - das Vorliegen eines Isocyanat-Asthmas für sich allein genommen nicht. Entscheidend ist vielmehr zunächst, dass die bei PD Dr. T. und später bei Dr. I. durchgeführten Expositionstestungen negativ ausgefallen sind. Nach Überzeugung von Dr. I. und Dr. K. schließt der negative Ausfall eines Expositionstests das Vorliegen eines Isocyanat-Asthmas sogar aus. Dies gilt nach Überzeugung des Senats umso mehr, als die Testungen mit dem isocyanathaltigen Härter W in zweimaligen Untersuchungen und auch im Rahmen unterschiedlicher Untersuchungsbedingungen negativ ausgefallen waren. Während bei Dr. I. die beiden Lackkomponenten unvermischt und getrennt voneinander getestet wurden und dieses Verfahren keinen Anhalt für eine Bronchialobstruktion bei Kontakt zu isocyanathaltigen Lacken ergab (bei vorbestehend beschriebener mäßiger Bronchialobstruktion), hatte Dr. T. die Lackkomponenten vermischen lassen und den Lack dann auf einem Brett auftragen lassen (Dauer 15 Minuten). Bei letzterer Untersuchung war eine zuvor durchgeführte Placebo-Inhalation negativ (es war keine Bronchospastik auszulösen gewesen). Trotz subjektiv angegebenem Hustenreiz und einem retrosternalen Druckgefühl hatten zwei Messungen nach der Provokation weder einen signifikanten Anstieg der spezifischen Resistance noch einen signifikanten Abfall der Ein-Sekunden-Kapazität bestätigen können. Ein spastischer Geräuschbefund über den Lungen war ebenfalls nicht festzustellen gewesen. Im Vergleich zur Leermessung fand sich nach 60 Minuten sogar eine Verbesserung der pulmonalen Situation. Ein spezifischer Überempfindlichkeitsmechanismus auf die im Betrieb verwendeten Lacke bzw. Härter war damit nicht zu belegen. Die subjektiven Beschwerden sind vielmehr für den Senat nachvollziehbar und überzeugend auf die beschriebene UBH zurückzuführen, die beim Kläger, worauf Dr. K. hingewiesen hat, deutlich bis stark ausgeprägt ist. Im Rahmen dieser Erkrankung reichen schon relativ harmlose Einwirkungen (Haarsprays, Bratendunst, Parfumgerüche) zur Auslösung einer obstruktiven Reaktion aus.

Für die Abgrenzung ist die Katzenhaarallergie, die nach den Schilderungen des Klägers gegenüber Dr. K. in dem von der Beklagten beigezogenen Gutachten (aus dem Verfahren L 7 U 1715/99 vor dem LSG Baden-Württemberg) schon Anfang der 1980iger Jahre aufgetreten war, zu Atembeschwerden und schon seit 10 Jahren zu einer rasselnden Atmung geführt habe, nur insoweit entscheidend, als sie, wie Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme erläuterte, das Vorliegen einer vorbestehenden UBH bestätigt.

Diese UBH, die Bestandteil des Asthma bronchiale ist, kann ebenfalls nicht als Folge der BK angesehen werden, weil Beschwerden bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma H. angegeben werden (was sich sowohl den bereits geschilderten Angaben des Klägers gegenüber Dr. K. entnehmen lässt als auch aus den vorliegenden Vorerkrankungsverzeichnissen der AOK und IKK ergibt) und ein (beruflicher) Kontakt zu Isocyanaten und betriebsbezogene Beschwerden nicht für die Zeit vor der Tätigkeit bei der Fa. H. behauptet bzw. nachgewiesen sind. Eine durch berufliche Einwirkungen, speziell durch isocyanathaltige Substanzen, verursachte Erkrankung ist damit weder wahrscheinlich noch nachgewiesen.

Unabhängig davon, ob eine BK 1315 BKV heute noch anzuerkennen wäre, wenn eine entsprechende Sensibilisierung nicht mehr nachweisbar ist, besteht auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Sensibilisierung vorgelegen hat, welche zwischenzeitlich wieder abgeklungen ist. Dagegen spricht schon, dass die obstruktive Symptomatik auch nach dem Ausscheiden des Klägers bei der Firma H. weiterbestanden hat und dass der Atemwegswiderstand von Dr. M. im Sommer 1996 als noch normal gemessen wurde, während er in allen Folgeuntersuchungen mit Ausnahme der Untersuchung bei Dr. I., erhöht gewesen ist. Denn bei Karenz der schädigenden Noxe, so Dr. K., wäre mit einem anderen Verlauf, einer Besserung oder Normalisierung, zu rechnen gewesen.

Eine exogen-allergische Alveolitis ist darüber hinaus schon nicht nachgewiesen, nachdem röntgenologisch Äquivalente einer Alveolitis bzw. einer hierdurch entstandenen Lungenfibrose fehlen. Auch die Bestimmung der IgE-Antikörper war mit negativem Ergebnis erfolgt. Das Auftreten einer fiebrigen Erkrankung (nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der IKK im Dezember 1995, vom Kläger früher angegeben) ist insoweit nicht beweisend für das Vorliegen dieses Krankheitsbildes, wenn nicht gleichzeitig eine vermehrte Exposition gegenüber Isocyanat dem vorangegangen war, worauf Dr. K. ebenfalls mit überzeugender Begründung hingewiesen hat. Auch hierfür liegt ein Nachweis, der im Vollbeweis zu führen wäre, nicht vor.

Darüber hinaus musste bei dieser Sachlage nicht abschließend geklärt werden, ob die weitere Voraussetzung des Tatbestandes einer BK 1315 BKV, der Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Fa. H. tatsächlich vorgelegen hat. Denn eine BK (eine durch den Härter W vermittelte Sensibilisierung auf Isocyanat unterstellt) wäre nur dann anzuerkennen, wenn nicht durch flankierende Maßnahmen eine Allergenkarenz hätte erreicht werden können. Ein Zwang zum Unterlassen ist solange nicht gegeben, wie andere Mittel zur Verfügung stehen, durch die sichergestellt werden kann, dass der Betroffene die Tätigkeit weiter ausüben kann (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand April 2011, E § 9 SGB VII, 28.5). Denkbar wäre in diesem Zusammenhang der Austausch der im Betrieb verwendeten Substanzen und Ersetzung mit isocyanatfreien Mitteln oder die Umsetzung des Klägers, der im Übrigen im Rahmen des von ihm ausgefüllten Fragebogens unter dem 26.10.1996 angegeben hatte, prozentual im Vergleich aller Mitarbeiter am wenigsten lackiert zu haben. Diese Angaben wurden vom Betriebsinhaber bestätigt. Dieser hatte gegenüber dem TAD der Holz-BG angegeben, der Kläger sei zu 95 % auf Montage und zu Reparaturen vor Ort eingesetzt gewesen. Insoweit erscheint es denkbar, dass eine Allergenkarenz allein durch innerbetriebliche Umsetzung und Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass zu den Einwendungen des Klägers sowohl Dr. K. als auch Prof. Dr. H. ausführlich Stellung genommen haben. Soweit diese für die hier zu entscheidende Frage relevant gewesen sind (ob es aufgrund des nachgewiesenen Kontaktes mit isocyanathaltigem Lack und mit der hierfür erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Erkrankung gekommen ist), haben sich die Sachverständigen hiermit ausführlich auseinandergesetzt. Eine Grundlage für eine abweichende Beurteilung bzw. eine Begründung dafür, dass angesichts und entgegen oben gemachter Ausführungen ein Krankheitsbild vorliegt, welches durch Isocyanateinwirkungen rechtlich wesentlich bedingt sein könnte, ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen auch von keinem der gehörten Gutachter vertreten. Eine diesbezüglich substantiierte Berufungsbegründung hat der Kläger auch nicht vorgebracht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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