Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2247/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4437/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus.
Die 1959 geborene Klägerin kam im September 1980 aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt vor ihrem Unfall vom 7.12.1997, bei dem sie sich eine Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers (BBK), Rippenfrakturen sowie eine Unterarmfraktur rechts zuzog, war sie als Raumpflegerin beschäftigt. Danach war sie arbeitsunfähig und bezog Kranken- bzw. Übergangsgeld.
Nachdem die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg (Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, nunmehr Beklagte) einen Rentenantrag der Klägerin vom 24.2.1999 zunächst abgelehnt hatte, anerkannte sie im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Konstanz (S 2 RJ 140/00) mit Schreiben vom 31.8.2000, dass ab Dezember 1997 Erwerbsunfähigkeit vorliegt und erklärte sich bereit, ab 5.4.2000 (Ende des Heilverfahrens) bis 30.9.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit zu gewähren und über die Gewährung von Übergangsgeld ab 1.2.1999 zu entscheiden. Dieses Angebot nahm die Klägerin an. Mit Bescheid vom 3.4.2001 führte die Beklagte das Anerkenntnis aus. Grundlage für das Anerkenntnis war eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 16.8.2000, die unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts des Reha-Zentrums Bad W. über ein Heilverfahren der Klägerin vom 7.3. bis 4.4.2000 zum Ergebnis gelangt war, wegen einer ausgeprägten psychovegetativen Erschöpfung mit depressiven Phasen bestehe ein unter zweistündiges Leistungsvermögen seit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit von Dezember 1997 bis September 2001.
Mit Bescheid vom 5.12.2001 gewährte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis 31.12.2003 weiter und mit Bescheid vom 29.3.2004 bis 31.12.2006. Grundlage hierfür waren Gutachten der Medizinaldirektorin Dr. W. vom 15.10.2001 und 26.3.2004, die das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einschätzte.
Auf den Weitergewährungsantrag vom 20.9.2006 ließ die Beklagte die Klägerin gutachterlich untersuchen. Der Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie Sozialmedizin Dr. F. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 29.11.2006 folgende Diagnosen: • Rezidivierender Schmerzzustand am thorakolumbalen Übergang nach BWK 12-Kom-pressionsfraktur mit dorsaler Spondylodese und Metallentfernung 2000 ohne neurologische Defizite • Mamma-Karzinom links mit einer axillären Lymphknotenmetastase, brusterhaltend operativ behandelt 9/1999 mit nachfolgender Strahlentherapie, bisher rezidiv- und metastasenfrei • Bleibendes Funktionsdefizit rechtes Handgelenk mit mäßiggradiger Bewegungseinschränkung nach konservativ behandelter distaler Radiusfraktur 12/97. Er gelangte zum Ergebnis, als Reinigungskraft sei die Klägerin lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken, ständige Wirbelsäulenzwangs- und Wirbelsäulenfehlhaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne regelmäßige Überkopfarbeiten könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 7.12.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Monat Dezember 2006 ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. L. vom 18.5.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 4.7.2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.8.2007 Klage zum SG erhoben und die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bereits im Widerspruchsverfahren sei darauf hingewiesen worden, dass sich aufgrund der ganz erheblichen Schmerzzustände eine depressive Erkrankung entwickelt habe. Depressive Erkrankungen seien geeignet, das Restleistungsvermögen auf unter vollschichtig (unter acht Stunden) herabzusetzen.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.
Der Arzt für Innere Medizin Dr. U. hat am 31.1.2008 erklärt, aktuell werde bei der Klägerin eine Strahlentherapie bei Mamma-Karzinom durchgeführt. Er schätze die Leistungsfähigkeit auf zwei bis drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein.
Der Orthopäde Dr. K. hat am 12.2.2008 mitgeteilt, derzeit könne die Klägerin keine Erwerbstätigkeit durchführen. Dies hänge mit dem in Behandlung befindlichen Malignom der rechten Brust zusammen. Die für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden lägen auf onkologischem und orthopädischem Gebiet.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat am 7.2.2008 ausgeführt, er behandle die Klägerin seit Oktober 2006. Die letzte Behandlung habe am 14.9.2007 stattgefunden. Seit einem Jahr leide die Klägerin unter anhaltenden schweren depressiven Störungen mit Panikattacken und Engeängsten, einhergehend mit vielfältigen körperlichen Beschwerden im Zusammenhang mit massiven Eheproblemen. Der neurologische Untersuchungsbefund sei im Wesentlichen unauffällig gewesen; im Vordergrund habe die psychische Symptomatik gestanden. Als Reinigungskraft sei die Klägerin allein aus körperlichen Gründen nicht einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin nur eingeschränkt belastbar, wobei die Klägerin seinerseits diesbezüglich nicht untersucht worden sei.
Mit Schreiben vom 8.4.2008 hat die Beklagte anerkannt, dass die Klägerin seit 19.12.2007 sowohl teilweise als auch voll erwerbsgemindert ist und sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.7.2008 bis 31.12.2009 zu gewähren. Der Ausführungsbescheid ist am 20.5.2008 ergangen. Die Klägerin hat er erklärt, das Anerkenntnis werde nicht angenommen, und am Klagebegehren festgehalten. Bei ihr habe auch nach dem 31.12.2006 durchgehende Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht vorgelegen. Sie hat eine von Dr. B. im Parallelverfahren wegen Feststellung des Grades der Behinderung erstattete Zeugenaussage vom 27.3.2008 (unter dem Eindruck sich zuspitzender massiver ehelicher Probleme sei es seit Anfang vergangenen Jahres zur Entwicklung manifest depressiver Störungen mit Angstsymptomatik und Somatisierung sowie anhaltenden Schlafstörungen gekommen, mittelschwere soziale Anpassungsstörung, GdB 60) vorgelegt.
Gegen den Ausführungsbescheid vom 20.5.2008 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid nicht gem. § 96 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung Gegenstand des Verfahrens geworden sei.
Auf Nachfrage des SG hat Dr. U. ergänzend am 20.7. 2008 mitgeteilt, am 19.12.2007 sei die Mamma-Probeexzision entnommen worden, so dass ab diesem Datum vollständige Erwerbsminderung bestehe. Die brusterhaltende Operation sei am 28.12.2007 durchgeführt worden.
Dr. K. hat unter dem 22.7.2008 ausgeführt, zur Frage der Erwerbsminderung könne er sich nicht sachverständig äußern, da die Behandlung bei ihm im vertragsärztlichen Zusammenhang erfolgt sei. Die Klägerin sei seit dem Jahr 2001 berentet. Eine Verschlechterung sei von ihm bereits ab dem Jahr 2005 festgestellt worden.
Dr. B. hat am 29.7.2008 mitgeteilt, er kenne die Klägerin sei 2006. Bereits damals sei es zu zunehmenden ehelichen Problemen gekommen. Sicherlich sei zu diesem Zeitpunkt das Erwerbsvermögen gemindert gewesen. Da die Klägerin zu dieser Fragestellung jedoch nicht gezielt untersucht worden sei, könne er über Ausmaß und genauen Eintritt der Erwerbsminderung keine Angaben machen.
Der Orthopäde Dr. B. hat bei der Klägerin im Gutachten vom 16.3.2009 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: • Chronisches thorakolumbales Wirbelsäulensyndrom nach operativ behandelter BWK 12-Kompressionsfraktur mit geringer bis mäßiger Funktionseinschränkung des thorakolumbalen Wirbelsäulenabschnitts ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der unteren Extremitäten • Chronisches degeneratives funktionelles zervikales Wirbelsäulensyndrom ohne Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS) und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der oberen Extremitäten • Geringe Wirbelsäulenfehlstatik • Rezidivierender Reizzustand des Muskel-Sehnen-Weichteil-Mantels beider Schultergelenke ohne Funktionsbehinderung • Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks bei initialer posttraumatischer Handwurzelarthrose rechts nach distaler Radiusfraktur rechts 12/97 • Zustand nach Rippenserienfraktur links 12/97 ohne Funktionsbehinderung • Spreizfuß-Deformität beidseits ohne Funktionsbehinderung • Osteopenie/Osteoporose. Als Reinigungskraft sei die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden nach neuem Rentenrecht bzw. unter vier Stunden pro Tag nach altem Rentenrecht einsetzbar. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig (sechs Stunden und mehr bzw. acht Stunden pro Tag bei einer Fünf-Tage-Woche) ausgeübt werden. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 bis 10 kg, in gebückter, vornüber geneigter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans einschließlich Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopfarbeiten), in kniender und hockender Stellung, mit erhöhter Anforderung an die manuelle Kraftentfaltung, das taktile Geschick und die Feinmotorik der Hände, mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft sowie ständig stehende Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 29.12.2009 hat die Beklagte die mit Bescheid vom 20.5.2008 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.12.2012 weitergewährt. Den Widerspruch hiergegen hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 zurückgewiesen. Die Klage hiergegen ist beim SG unter dem Az. S 9 R 1366/10 anhängig.
Unter dem 19.1.2010 hat der Neurologe und Psychiater Dr. B. mitgeteilt, die Klägerin sei zuletzt am 23.10.2009 und am 28.11.2009 sowie zuvor am 13.4.2007, 22.6.2007 und 14.7.2007 von ihm behandelt worden. Nach einem schweren Verkehrsunfall, einer Krebserkrankung und zunehmender Eheproblematik sei es bei der Klägerin zu einer anhaltenden, manifest depressiven Anpassungsstörung mit psychophysischer Erschöpfung, Schlafstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie Ängsten einhergehend mit einer somatoform verstärkten Schmerzsymptomatik gekommen. Diese habe sich unter thymoleptischer Einstellung zunächst auf Cipralex nur unzureichend gebessert, insbesondere auch bei Unfalltod des Vaters Ende 2006.
Mit Urteil vom 28.7.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass erst wieder mit der erneuten Brustkrebserkrankung im Dezember 2007 volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Die für die Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin maßgeblichen Erkrankungen im Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2007 lägen auf orthopädischem Gebiet. Bei der Klägerin hätten Wirbelsäulenbeschwerden und Beschwerden am Handgelenk im Vordergrund gestanden. Eine rentenrelevante quantitative Einschränkungen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich aus den Erkrankungen nicht ableiten. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen der Klägerin entnehme das Gericht dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. B ... Gestützt werde diese Leistungsbeurteilung durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Fuchs, welches das Gericht im Wege des Urkundenbeweises verwerte. Die Aussagen der behandelnden Ärzte seien nicht geeignet, das Gericht von einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin vor dem 19.12.2007 zu überzeugen. Dr. B. beschreibe keine funktionellen Einschränkungen, was für die sozialmedizinische Beurteilung des Leistungsvermögens jedoch unerlässlich gewesen wäre. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. Fuchs im Jahr 2006 keinerlei Anzeichen für eine psychische Erkrankung erkennbar gewesen seien. Darüber hinaus falle auf, dass die Klägerin zwischen Dezember 2006 und Dezember 2007 lediglich dreimal bei dem Neurologen und Psychiater Dr. B. in Behandlung gewesen sei. Die Klägerin sei im Zeitraum vom 1.1.2007 bis zur erneuten Rentengewährung auch nicht berufsunfähig gewesen, da sie als Ungelernte bzw. höchstens als Angelernte des unteren Bereichs anzusehen und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 23.8.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.9.2010 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 8.4.2011 vorgetragen, mit der Berufung verfolge sie ihr Ziel weiter, die ihr ursprünglich bis 31.12.2006 zuerkannte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über diesen Zeitpunkt weiter zu erhalten. Sowohl der behandelnde Orthopäde Dr. K. (Zeugenaussage vom 22.7.2008) als auch der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. B. (Zeugenaussage vom 29.7.2008) hätten zum Ausdruck gebracht, dass auch im streitigen Zeitraum eine (erhebliche) Erwerbsminderung bestanden habe, und zwar einerseits aufgrund der fortbestehenden Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet einschließlich der hierdurch hervorgerufenen Schmerzzustände sowie der psychischen Problematik. Als Brückentatbestand über den 31.12.2006 hinaus ergebe sich eine erhebliche Leistungsminderung aufgrund der bestehenden Konfliktsituationen, die von Dr. B. in der Zeugenaussage vom 29.7.2008 beschrieben worden seien.
Mit Verfügung vom 12.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Bescheide vom 20.5.2008 und 29.12.2009 sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens und der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. Dezember 2006 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie verweise auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Verfügungen vom 21.3.2011 und 16.11.2011 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 21.3. und 16.11.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, über den 31.12.2006 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu erhalten, was die Beklagte mit dem Bescheid vom 7.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2007 abgelehnt hat. Der Bescheid vom 20.5.2008, mit dem die Beklagte der Klägerin vom 1.7.2008 bis 31.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat, sowie der Bescheid vom 29.12.2009, mit dem sie die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.12.2012 weitergewährt hat, sind nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens und der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Die nach Klageerhebung erlassenen Bescheide haben den angefochtenen Bescheid vom 7.12.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2007) nicht abgeändert oder ersetzt, wie es § 96 SGG verlangt. Die Regelung des Bescheides vom 20.5.2008 beschränkt sich auf die Zeit ab 1.7.2008 und die des Bescheides vom 29.12.2009 auf die Zeit ab 1.1.2010, zu der die allein strittige Ablehnung der Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im angefochtenen Bescheid keine Aussage trifft (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5.10.2010 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr. 5 und in Juris).
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit - §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 nicht besteht, weil die Klägerin ab 1.1.2007 bis zum Eintritt eines neuen Leistungsfalls vollschichtig (acht Stunden täglich) leistungsfähig war. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kam bei der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Klägerin nicht in Betracht. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat es nicht als nachgewiesen ansieht, dass das Leistungsvermögen der Klägerin über den 31.12.2006 hinaus auf unter acht Stunden täglich herabgesunken war.
Eine quantitative Leistungseinschränkung für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum erneuten Leistungsfall im Dezember 2007 vermag der Senat - ebenso wie das SG - aufgrund der auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht festzustellen. Sowohl Dr. Fuchs als auch Dr. B. haben aufgrund des Wirbelsäulensyndroms und der Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks für den Senat nachvollziehbar und überzeugend lediglich qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten mit Zwangshaltungen, mit ständigem Stehen, im Knien und Hocken, mit Überkopfarbeiten, mit Heben und Tragen schwerer Lasten, unter ungünstigen Witterungsbedingungen, unter besonderer Beanspruchung der rechten Hand) benannt.
Die auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Befunde belegen nach Überzeugung des Senats für die Zeit ab 1.1.2007 ebenfalls kein unter vollschichtiges Leistungsvermögen. Bei der gutachterlichen Untersuchung am 24.11.2006 hat Dr. F. keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung bei der Klägerin gefunden. Vielmehr war die modisch gekleidete, geschminkte Klägerin, die hochhackige Pumps und dezenten Schmuck trug, allseits orientiert, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ. Ein Hinweis auf inhaltliche oder formale Denkstörungen, auf wesentliche mnestische oder intellektuelle Defizite fand sich nicht. Der Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit waren normal.
Da die Klägerin den Neurologen und Psychiater Dr. B. erstmals im Oktober 2006 und danach erst wieder am 13.4.2007 aufgesucht hat, lässt sich aufgrund dessen schon nicht feststellen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet seit der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F. wesentlich dauerhaft verschlechtert hat, so dass ab 1.1.2007 körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen nicht mehr acht Stunden täglich möglich gewesen wären. Hiergegen spricht auch, dass die Klägerin die verschriebenen Medikamente (Cipramil) nicht wie verordnet eingenommen und Dr. B. erst wieder nach mehreren Monaten aufgesucht hat, obwohl sie - nach ihren Angaben - die Medikamente nicht gut vertragen hat. Darüber hinaus hat Dr. B. weder in der sachverständigen Zeugenaussage vom 7.2.2008 noch in derjenigen vom 19.1.2010 und auch nicht in der aus dem Parallelverfahren beigezogenen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.3.2008 einen psychischen Befund beschrieben, aus dem sich ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen ableiten ließe, wie Dr. S. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.3.2010 zu Recht ausgeführt hat. Dr. B. hat vielmehr die Beschwerden der Klägerin, die im Zusammenhang mit erheblichen Eheproblemen standen, wiedergegeben und ausgeführt, dass er die Klägerin nicht im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt untersucht hat. Aus seiner Zeugenaussage ist auch nicht zu entnehmen, dass zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 1.1.2007, aber vor dem 19.12.2007, ein neuer Leistungsfall eingetreten wäre. In diesem Fall wäre § 302 Abs. 1 SGB VI nicht mehr einschlägig, so dass die Frage, ob eine Erwerbsminderung vorliegen würde, nach dem dann maßgeblichen Recht zu beurteilen wäre, wofür ein herabsetzendes Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden täglich erforderlich wäre. Hierfür gibt es jedoch keinen Anhalt.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus.
Die 1959 geborene Klägerin kam im September 1980 aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt vor ihrem Unfall vom 7.12.1997, bei dem sie sich eine Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers (BBK), Rippenfrakturen sowie eine Unterarmfraktur rechts zuzog, war sie als Raumpflegerin beschäftigt. Danach war sie arbeitsunfähig und bezog Kranken- bzw. Übergangsgeld.
Nachdem die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg (Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, nunmehr Beklagte) einen Rentenantrag der Klägerin vom 24.2.1999 zunächst abgelehnt hatte, anerkannte sie im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Konstanz (S 2 RJ 140/00) mit Schreiben vom 31.8.2000, dass ab Dezember 1997 Erwerbsunfähigkeit vorliegt und erklärte sich bereit, ab 5.4.2000 (Ende des Heilverfahrens) bis 30.9.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit zu gewähren und über die Gewährung von Übergangsgeld ab 1.2.1999 zu entscheiden. Dieses Angebot nahm die Klägerin an. Mit Bescheid vom 3.4.2001 führte die Beklagte das Anerkenntnis aus. Grundlage für das Anerkenntnis war eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 16.8.2000, die unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts des Reha-Zentrums Bad W. über ein Heilverfahren der Klägerin vom 7.3. bis 4.4.2000 zum Ergebnis gelangt war, wegen einer ausgeprägten psychovegetativen Erschöpfung mit depressiven Phasen bestehe ein unter zweistündiges Leistungsvermögen seit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit von Dezember 1997 bis September 2001.
Mit Bescheid vom 5.12.2001 gewährte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis 31.12.2003 weiter und mit Bescheid vom 29.3.2004 bis 31.12.2006. Grundlage hierfür waren Gutachten der Medizinaldirektorin Dr. W. vom 15.10.2001 und 26.3.2004, die das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einschätzte.
Auf den Weitergewährungsantrag vom 20.9.2006 ließ die Beklagte die Klägerin gutachterlich untersuchen. Der Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie Sozialmedizin Dr. F. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 29.11.2006 folgende Diagnosen: • Rezidivierender Schmerzzustand am thorakolumbalen Übergang nach BWK 12-Kom-pressionsfraktur mit dorsaler Spondylodese und Metallentfernung 2000 ohne neurologische Defizite • Mamma-Karzinom links mit einer axillären Lymphknotenmetastase, brusterhaltend operativ behandelt 9/1999 mit nachfolgender Strahlentherapie, bisher rezidiv- und metastasenfrei • Bleibendes Funktionsdefizit rechtes Handgelenk mit mäßiggradiger Bewegungseinschränkung nach konservativ behandelter distaler Radiusfraktur 12/97. Er gelangte zum Ergebnis, als Reinigungskraft sei die Klägerin lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken, ständige Wirbelsäulenzwangs- und Wirbelsäulenfehlhaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne regelmäßige Überkopfarbeiten könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 7.12.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Monat Dezember 2006 ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. L. vom 18.5.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 4.7.2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.8.2007 Klage zum SG erhoben und die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bereits im Widerspruchsverfahren sei darauf hingewiesen worden, dass sich aufgrund der ganz erheblichen Schmerzzustände eine depressive Erkrankung entwickelt habe. Depressive Erkrankungen seien geeignet, das Restleistungsvermögen auf unter vollschichtig (unter acht Stunden) herabzusetzen.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.
Der Arzt für Innere Medizin Dr. U. hat am 31.1.2008 erklärt, aktuell werde bei der Klägerin eine Strahlentherapie bei Mamma-Karzinom durchgeführt. Er schätze die Leistungsfähigkeit auf zwei bis drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein.
Der Orthopäde Dr. K. hat am 12.2.2008 mitgeteilt, derzeit könne die Klägerin keine Erwerbstätigkeit durchführen. Dies hänge mit dem in Behandlung befindlichen Malignom der rechten Brust zusammen. Die für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden lägen auf onkologischem und orthopädischem Gebiet.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat am 7.2.2008 ausgeführt, er behandle die Klägerin seit Oktober 2006. Die letzte Behandlung habe am 14.9.2007 stattgefunden. Seit einem Jahr leide die Klägerin unter anhaltenden schweren depressiven Störungen mit Panikattacken und Engeängsten, einhergehend mit vielfältigen körperlichen Beschwerden im Zusammenhang mit massiven Eheproblemen. Der neurologische Untersuchungsbefund sei im Wesentlichen unauffällig gewesen; im Vordergrund habe die psychische Symptomatik gestanden. Als Reinigungskraft sei die Klägerin allein aus körperlichen Gründen nicht einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin nur eingeschränkt belastbar, wobei die Klägerin seinerseits diesbezüglich nicht untersucht worden sei.
Mit Schreiben vom 8.4.2008 hat die Beklagte anerkannt, dass die Klägerin seit 19.12.2007 sowohl teilweise als auch voll erwerbsgemindert ist und sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.7.2008 bis 31.12.2009 zu gewähren. Der Ausführungsbescheid ist am 20.5.2008 ergangen. Die Klägerin hat er erklärt, das Anerkenntnis werde nicht angenommen, und am Klagebegehren festgehalten. Bei ihr habe auch nach dem 31.12.2006 durchgehende Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht vorgelegen. Sie hat eine von Dr. B. im Parallelverfahren wegen Feststellung des Grades der Behinderung erstattete Zeugenaussage vom 27.3.2008 (unter dem Eindruck sich zuspitzender massiver ehelicher Probleme sei es seit Anfang vergangenen Jahres zur Entwicklung manifest depressiver Störungen mit Angstsymptomatik und Somatisierung sowie anhaltenden Schlafstörungen gekommen, mittelschwere soziale Anpassungsstörung, GdB 60) vorgelegt.
Gegen den Ausführungsbescheid vom 20.5.2008 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid nicht gem. § 96 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung Gegenstand des Verfahrens geworden sei.
Auf Nachfrage des SG hat Dr. U. ergänzend am 20.7. 2008 mitgeteilt, am 19.12.2007 sei die Mamma-Probeexzision entnommen worden, so dass ab diesem Datum vollständige Erwerbsminderung bestehe. Die brusterhaltende Operation sei am 28.12.2007 durchgeführt worden.
Dr. K. hat unter dem 22.7.2008 ausgeführt, zur Frage der Erwerbsminderung könne er sich nicht sachverständig äußern, da die Behandlung bei ihm im vertragsärztlichen Zusammenhang erfolgt sei. Die Klägerin sei seit dem Jahr 2001 berentet. Eine Verschlechterung sei von ihm bereits ab dem Jahr 2005 festgestellt worden.
Dr. B. hat am 29.7.2008 mitgeteilt, er kenne die Klägerin sei 2006. Bereits damals sei es zu zunehmenden ehelichen Problemen gekommen. Sicherlich sei zu diesem Zeitpunkt das Erwerbsvermögen gemindert gewesen. Da die Klägerin zu dieser Fragestellung jedoch nicht gezielt untersucht worden sei, könne er über Ausmaß und genauen Eintritt der Erwerbsminderung keine Angaben machen.
Der Orthopäde Dr. B. hat bei der Klägerin im Gutachten vom 16.3.2009 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: • Chronisches thorakolumbales Wirbelsäulensyndrom nach operativ behandelter BWK 12-Kompressionsfraktur mit geringer bis mäßiger Funktionseinschränkung des thorakolumbalen Wirbelsäulenabschnitts ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der unteren Extremitäten • Chronisches degeneratives funktionelles zervikales Wirbelsäulensyndrom ohne Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS) und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der oberen Extremitäten • Geringe Wirbelsäulenfehlstatik • Rezidivierender Reizzustand des Muskel-Sehnen-Weichteil-Mantels beider Schultergelenke ohne Funktionsbehinderung • Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks bei initialer posttraumatischer Handwurzelarthrose rechts nach distaler Radiusfraktur rechts 12/97 • Zustand nach Rippenserienfraktur links 12/97 ohne Funktionsbehinderung • Spreizfuß-Deformität beidseits ohne Funktionsbehinderung • Osteopenie/Osteoporose. Als Reinigungskraft sei die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden nach neuem Rentenrecht bzw. unter vier Stunden pro Tag nach altem Rentenrecht einsetzbar. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig (sechs Stunden und mehr bzw. acht Stunden pro Tag bei einer Fünf-Tage-Woche) ausgeübt werden. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 bis 10 kg, in gebückter, vornüber geneigter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans einschließlich Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopfarbeiten), in kniender und hockender Stellung, mit erhöhter Anforderung an die manuelle Kraftentfaltung, das taktile Geschick und die Feinmotorik der Hände, mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft sowie ständig stehende Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 29.12.2009 hat die Beklagte die mit Bescheid vom 20.5.2008 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.12.2012 weitergewährt. Den Widerspruch hiergegen hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 zurückgewiesen. Die Klage hiergegen ist beim SG unter dem Az. S 9 R 1366/10 anhängig.
Unter dem 19.1.2010 hat der Neurologe und Psychiater Dr. B. mitgeteilt, die Klägerin sei zuletzt am 23.10.2009 und am 28.11.2009 sowie zuvor am 13.4.2007, 22.6.2007 und 14.7.2007 von ihm behandelt worden. Nach einem schweren Verkehrsunfall, einer Krebserkrankung und zunehmender Eheproblematik sei es bei der Klägerin zu einer anhaltenden, manifest depressiven Anpassungsstörung mit psychophysischer Erschöpfung, Schlafstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie Ängsten einhergehend mit einer somatoform verstärkten Schmerzsymptomatik gekommen. Diese habe sich unter thymoleptischer Einstellung zunächst auf Cipralex nur unzureichend gebessert, insbesondere auch bei Unfalltod des Vaters Ende 2006.
Mit Urteil vom 28.7.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass erst wieder mit der erneuten Brustkrebserkrankung im Dezember 2007 volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Die für die Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin maßgeblichen Erkrankungen im Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2007 lägen auf orthopädischem Gebiet. Bei der Klägerin hätten Wirbelsäulenbeschwerden und Beschwerden am Handgelenk im Vordergrund gestanden. Eine rentenrelevante quantitative Einschränkungen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich aus den Erkrankungen nicht ableiten. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen der Klägerin entnehme das Gericht dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. B ... Gestützt werde diese Leistungsbeurteilung durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Fuchs, welches das Gericht im Wege des Urkundenbeweises verwerte. Die Aussagen der behandelnden Ärzte seien nicht geeignet, das Gericht von einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin vor dem 19.12.2007 zu überzeugen. Dr. B. beschreibe keine funktionellen Einschränkungen, was für die sozialmedizinische Beurteilung des Leistungsvermögens jedoch unerlässlich gewesen wäre. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. Fuchs im Jahr 2006 keinerlei Anzeichen für eine psychische Erkrankung erkennbar gewesen seien. Darüber hinaus falle auf, dass die Klägerin zwischen Dezember 2006 und Dezember 2007 lediglich dreimal bei dem Neurologen und Psychiater Dr. B. in Behandlung gewesen sei. Die Klägerin sei im Zeitraum vom 1.1.2007 bis zur erneuten Rentengewährung auch nicht berufsunfähig gewesen, da sie als Ungelernte bzw. höchstens als Angelernte des unteren Bereichs anzusehen und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 23.8.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.9.2010 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 8.4.2011 vorgetragen, mit der Berufung verfolge sie ihr Ziel weiter, die ihr ursprünglich bis 31.12.2006 zuerkannte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über diesen Zeitpunkt weiter zu erhalten. Sowohl der behandelnde Orthopäde Dr. K. (Zeugenaussage vom 22.7.2008) als auch der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. B. (Zeugenaussage vom 29.7.2008) hätten zum Ausdruck gebracht, dass auch im streitigen Zeitraum eine (erhebliche) Erwerbsminderung bestanden habe, und zwar einerseits aufgrund der fortbestehenden Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet einschließlich der hierdurch hervorgerufenen Schmerzzustände sowie der psychischen Problematik. Als Brückentatbestand über den 31.12.2006 hinaus ergebe sich eine erhebliche Leistungsminderung aufgrund der bestehenden Konfliktsituationen, die von Dr. B. in der Zeugenaussage vom 29.7.2008 beschrieben worden seien.
Mit Verfügung vom 12.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Bescheide vom 20.5.2008 und 29.12.2009 sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens und der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. Dezember 2006 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie verweise auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Verfügungen vom 21.3.2011 und 16.11.2011 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 hinaus hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 21.3. und 16.11.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, über den 31.12.2006 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu erhalten, was die Beklagte mit dem Bescheid vom 7.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2007 abgelehnt hat. Der Bescheid vom 20.5.2008, mit dem die Beklagte der Klägerin vom 1.7.2008 bis 31.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat, sowie der Bescheid vom 29.12.2009, mit dem sie die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.12.2012 weitergewährt hat, sind nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens und der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Die nach Klageerhebung erlassenen Bescheide haben den angefochtenen Bescheid vom 7.12.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2007) nicht abgeändert oder ersetzt, wie es § 96 SGG verlangt. Die Regelung des Bescheides vom 20.5.2008 beschränkt sich auf die Zeit ab 1.7.2008 und die des Bescheides vom 29.12.2009 auf die Zeit ab 1.1.2010, zu der die allein strittige Ablehnung der Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im angefochtenen Bescheid keine Aussage trifft (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5.10.2010 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr. 5 und in Juris).
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit - §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2006 nicht besteht, weil die Klägerin ab 1.1.2007 bis zum Eintritt eines neuen Leistungsfalls vollschichtig (acht Stunden täglich) leistungsfähig war. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kam bei der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Klägerin nicht in Betracht. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat es nicht als nachgewiesen ansieht, dass das Leistungsvermögen der Klägerin über den 31.12.2006 hinaus auf unter acht Stunden täglich herabgesunken war.
Eine quantitative Leistungseinschränkung für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum erneuten Leistungsfall im Dezember 2007 vermag der Senat - ebenso wie das SG - aufgrund der auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht festzustellen. Sowohl Dr. Fuchs als auch Dr. B. haben aufgrund des Wirbelsäulensyndroms und der Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks für den Senat nachvollziehbar und überzeugend lediglich qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten mit Zwangshaltungen, mit ständigem Stehen, im Knien und Hocken, mit Überkopfarbeiten, mit Heben und Tragen schwerer Lasten, unter ungünstigen Witterungsbedingungen, unter besonderer Beanspruchung der rechten Hand) benannt.
Die auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Befunde belegen nach Überzeugung des Senats für die Zeit ab 1.1.2007 ebenfalls kein unter vollschichtiges Leistungsvermögen. Bei der gutachterlichen Untersuchung am 24.11.2006 hat Dr. F. keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung bei der Klägerin gefunden. Vielmehr war die modisch gekleidete, geschminkte Klägerin, die hochhackige Pumps und dezenten Schmuck trug, allseits orientiert, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ. Ein Hinweis auf inhaltliche oder formale Denkstörungen, auf wesentliche mnestische oder intellektuelle Defizite fand sich nicht. Der Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit waren normal.
Da die Klägerin den Neurologen und Psychiater Dr. B. erstmals im Oktober 2006 und danach erst wieder am 13.4.2007 aufgesucht hat, lässt sich aufgrund dessen schon nicht feststellen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet seit der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F. wesentlich dauerhaft verschlechtert hat, so dass ab 1.1.2007 körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen nicht mehr acht Stunden täglich möglich gewesen wären. Hiergegen spricht auch, dass die Klägerin die verschriebenen Medikamente (Cipramil) nicht wie verordnet eingenommen und Dr. B. erst wieder nach mehreren Monaten aufgesucht hat, obwohl sie - nach ihren Angaben - die Medikamente nicht gut vertragen hat. Darüber hinaus hat Dr. B. weder in der sachverständigen Zeugenaussage vom 7.2.2008 noch in derjenigen vom 19.1.2010 und auch nicht in der aus dem Parallelverfahren beigezogenen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.3.2008 einen psychischen Befund beschrieben, aus dem sich ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen ableiten ließe, wie Dr. S. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.3.2010 zu Recht ausgeführt hat. Dr. B. hat vielmehr die Beschwerden der Klägerin, die im Zusammenhang mit erheblichen Eheproblemen standen, wiedergegeben und ausgeführt, dass er die Klägerin nicht im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt untersucht hat. Aus seiner Zeugenaussage ist auch nicht zu entnehmen, dass zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 1.1.2007, aber vor dem 19.12.2007, ein neuer Leistungsfall eingetreten wäre. In diesem Fall wäre § 302 Abs. 1 SGB VI nicht mehr einschlägig, so dass die Frage, ob eine Erwerbsminderung vorliegen würde, nach dem dann maßgeblichen Recht zu beurteilen wäre, wofür ein herabsetzendes Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden täglich erforderlich wäre. Hierfür gibt es jedoch keinen Anhalt.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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