Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 5477/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3495/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Klage gegen den Bescheid vom 02. August 2010 wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der am 19.10.1952 geborene Kläger ist Lehrer für Sport und Technik an einer berufsbildenden Schule. Am 01.02.2008 beantragte er erstmals die Feststellung eines GdB. Er leide an chronischer Depression mit Somatisierungsstörung, Polyneuropathie und inkompletter Inkon-tinenz. Er legte den Entlassungsbericht der Stillachhaus-Privatklinik (Arzt Schmiechen) vom 04.01.2008 über eine stationäre Behandlung vom 20.11. bis 21.12.2007 vor (Somatisierungsstörung, Neurasthe¬nie, Nikotinabusus, Band¬scheiben-Protusion C6/7 rechts, diskretes CTS [Karpaltunnelsyndrom] rechts, V.a. [Verdacht auf] beginnende PNP [Polyneuropathie] der Hände und Füße, Übergewicht, diskrete Hypercholesterinämie, dringender V.a. eine Autoimmunthyreoiditis Hashimoto [chron. Schilddrüsenentzün¬dung] bei Struma diffusa [Schilddrüsenvergrößerung]). Daraufhin stellte das Landratsamt Böblingen als Versorgungs¬amt für den Stadtkreis Stuttgart mit Bescheid vom 29.02.2008 bei dem Kläger einen GdB von 20 ab dem 01.02.2008 fest. Als Behinderung erkannte es "seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden" an. Die weiter vorgetragenen Gesundheitsstörungen bedingten jeweils keinen GdB von wenigstens 10.
Im Widerspruchsverfahren zog das Versorgungsamt den Bericht des Nervenarztes Dr. A. vom 01.04.2008 bei, der auf eine langwierige depressive Symptomatik des Klägers verwies. Nach Auswertung dieses Berichts wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 zurück.
Am 12.08.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Seine Ehefrau habe sich wegen seiner psychischen Probleme von ihm getrennt. Er leide - auch beruflich - vor allem unter Flüssigkeitsverlust aus dem Darm in Belastungssituationen. Der Kläger hat Atteste des Augenarztes Dr. B. vom 11.02.2008 (Retinitis centralis serosa [Netzhautentzündung], oculäre Hypertension [Augeninnenhochdruck], Visus m.e.B. [mit eigener Brille] 1,0 bis 1,2 links und 0,5 bis 0,6 rechts) und des Internisten Dr. C. vom 19.10.2007 (Burn-out-Symptomatik) vorgelegt.
Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A. hat unter dem 02.02.2009 die vorbekannten Diagnosen bestätigt, die psychische Erkrankung als chronische Belastungsreaktion, Dysthymie, larvierte [versteckte] Depression und Somatisierungsstörung bezeichnet, sie als mittelschwer eingestuft und sie mit einem GdB von "mindestens 30 bis 40" bzw. "50" bewertet. Der Orthopäde Dr. D. hat mit Schreiben vom 28.01.2009 ausgeführt, der Teil-GdB auf seinem Fachgebiet betrage 10. Augenarzt Dr. E. hat unter dem 01.02.2009 angegeben, der Visus habe am 13.01.2009 rechts 0,9 und links 0,3 betragen, es beständen keine Reizerscheinungen und keine Gesichtsfeldausfälle.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. v. F. das Gutachten vom 06.11.2009 erstellt. Dieser Sachverständige hat bei dem Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome sowie die vorbekannten Krankheiten diagnostiziert und GdB-Werte von 60 für die Depression, 20 für die Sehminderung links, 10 für die Afterschließmuskelschwäche und 20 für die anhaltende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie daraus abgeleitet einen Gesamt-GdB von 60 vorgeschlagen.
Mit Schriftsatz vom 20.04.2010 hat der Beklagte dem Kläger einen Vergleich über die Feststellung eines GdB von 40 angeboten. Ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
In der mündlichen Verhandlung am 20.05.2010 hat das SG den Kläger angehört. Dieser hat mitgeteilt, die Stuhlinkontinenz zeige sich insbesondere an Arbeitstagen. Auslöser seien stressbedingte Ereignisse. Er trage Einlagen und habe Unterhosen dabei. Er habe Angst um das noch intakte Auge. Die Situation in der Schule belaste ihn, er hoffe auf eine Verringerung seines Stundendeputats. Er lebe seit der Trennung von seiner Ehefrau mit seinen beiden Kindern zusammen, betreibe in einem Club Boule, gehe Bergwandern. Der Kläger hat noch die Arztbriefe der Gastroenterologen Dr. G. vom 20.04.2010 (seit Jahren stressbedingtes Austreten von Flüssigkeit aus dem Anus, Stuhlgang einmal täglich) und Prof. Dr. H. vom 03.05.2010 (erhöhte Schwelle für Wahrnehmung und Defäkation, eine Beckenbodengymnastik könnte helfen) vorgelegt.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab Antragstellung einen GdB von 40 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Für die seelischen Störungen könne kein höherer GdB als 40 angesetzt werden. Aus der Trennung von seiner Ehefrau könne der Kläger nicht auf eine Verstärkung der psychischen Leiden schließen. Er habe selbst angegeben, dass seine psychische Situation der Grund der Trennung gewesen sei, nicht umgekehrt. Der Kläger lebe mit seinen beiden Kindern zusammen, sei berufstätig mit Kontakt zu zahlreichen Kollegen und Schülern und verfüge über ein Sozialleben mit Sportarten wie Boule und Bergwandern. Das (dreiseitige) Gutachten von Dr. v. F. sei nicht schlüssig und nicht aus sich heraus nachvollziehbar. Ein GdB von 40 entspreche bereits der Obergrenze des Bewertungsspielraums für eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Eine berufliche Betroffenheit und damit auch die Belastung des Klägers während seiner Arbeit, insbesondere wegen der leichten Stuhlinkontinenz, sei bei der Bildung des GdB nicht zu berücksichtigen. Eine PNP und eine Schilddrüsenerkrankung hätten nicht bestätigt werden können. Für die Wirbelsäulenbeeinträchtigung sei entsprechend der Aussage von Dr. D. kein GdB von mehr als 10 anzunehmen. Auch die Sehschwäche des Klägers bedinge nur einen GdB von 10, auch unter Berücksichtigung des stärkeren Sehverlusts links. Veränderungen des farblichen Sehens habe Dr. E. nicht diagnostiziert. Die Afterschließmuskelschwäche des Klägers sei ebenfalls mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Es handele sich nicht um eine Stuhlinkontinenz im eigentlichen Sinne, vielmehr verlasse stressbedingt Flüssigkeit den Anus. Dass der Kläger dem mit Einlagen und nicht mit Windeln begegne, spreche für eine geringe Schwere. Aus dem Therapievorschlag von Prof. Dr. H. in dem Behandlungsbericht vom 03.05.2010 folge, dass für die Erkrankung nicht nur psychische Aspekte, sondern auch eine Muskelschwäche, die einem Training zugänglich sei, ursächlich seien.
Mit Bescheid vom 02.08.2010 hat das Versorgungsamt in Ausführung des Urteils bei dem Kläger einen GdB von 40 festgestellt.
Gegen das Urteil des SG, das seinem Prozessbevollmächtigten am 20.07.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 26.07.2010 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, das SG hätte auch den behandelnden Psychotherapeuten Schröder vernehmen müssen. Es treffe (zwar) zu, dass das Gutachten von Dr. v. F. nicht wissenschaftlichen Anforderungen genüge, dann aber hätte das SG den Sachverständigen auffordern müssen, ein ordnungsgemäßes Gutachten zu erstatten. In der Sache seien die Erkrankungen, insbesondere auf psychiatrischem Gebiet, höher zu bewerten. Es bestehe sehr wohl eine PNP. Die orthopädischen Beschwerden hätten sich außerdem verschlechtert (Attest von Dr. D. vom 05.10.2010).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 29. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2008 und des Bescheids vom 02. August 2010 zu verpflichten, bei ihm ab Antragstellung einen Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 02. August 2010 abzuweisen.
Er verteidigt seine Entscheidungen. Hierbei beruft er sich im Wesentlichen auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 09.11.2011, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Der Senat hat zunächst den behandelnden Psychotherapeuten des Klägers, Schröder, schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 11.10.2010 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine leichte bis mittelgradige depressive Episode.
Sodann hat der Senat von Amts wegen den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. J. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 11.12.2010 mitgeteilt, der Kläger leide an einer länger andauernden leichteren depressiven Störung im Sinne einer Dysthymia, einer undifferenzierten somatoformen Störung, es beständen allenfalls diskrete Hinweise auf eine beginnende PNP unklarer Genese ohne wesentliche, dem zuzuordnende Beschwerden und keine (neurologischen) Anhaltspunkte für eine Nervenwurzelkompression oder Wurzelirritation wegen der angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden. Nach der Behandlungsintensität, dem Leidensdruck und dem klinischen Befund bestehe keine schwerere depressive Störung. Zwar habe der Fragebogentest durchaus Hinweise auf eine schwerere Störung gegeben. Allerdings weise der SFSS ("strukturierter Fragebogen simulierter Symptome") auf eine negative Antwortförderung hin. Der Kläger komme seinen Verpflichtungen als Sport- und Techniklehrer und allein erziehender Vater nach. Er übe trotz empfundener Konzentrationsschwierigkeiten seinen differenzierten Beruf aus, wähle anspruchsvolleren Lesestoff und anspruchsvolle Fernsehsendungen aus und suche weiterhin sozialen Kontakt. Es bestehe ein gewisser Perfektionismus in Bezug auch auf den Haushalt. Vor diesem Hintergrund, so Dr. J., seien die seelischen Störungen des Klägers mitsamt den damit verbundenen funktionellen Organbeschwerden mit einem GdB von 40 großzügig bewertet. Nachdem für die Wirbelsäulenbeschwerden, die Sehminderung und die Stuhlinkontinenz jeweils ein GdB von 10 anzusetzen sei, ergebe sich weiterhin insgesamt ein GdB von 40.
Ein weiteres Gutachten hat der Senat von Amts wegen bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. K. eingeholt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.03.2011 angegeben, bei dem Kläger beständen jeweils endgradige (5- bis 10-prozentige) Bewegungseinschränkungen der HWS und der BWS (Brustwirbelsäule) bei radiologisch dokumentierten Verschleißerscheinungen, aber ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, an der LWS (Lendenwirbelsäule) seien nur radiologisch Verschleißerscheinungen festzustellen, Bewegungseinschränkungen oder Nervenwurzelreizerscheinungen beständen nicht. Der GdB für die orthopädischen Beschwerden an der Wirbelsäule betrage 10, der GdB insgesamt mithin 40.
Nachdem der Kläger unter dem 21.04.2011 Einwände gegen das Gutachten von Dr. K. erhoben und ferner mitgeteilt hat, bei ihm sei ein Bandscheibenvorfall L4/5 mit Tangierung der Nervenwurzel festgestellt worden (Arztbrief von Dr. D. vom 11.04.2011), hat Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.05.2011 unter anderem mitgeteilt, Dr. D. lege ausschließlich bildgebende Befunde der LWS und der BWS vor. Es werde keinesfalls bestritten, dass Bandscheibenveränderungen vorlägen, es hätten sich bei dem Kläger jedoch keine funktionellen Beeinträchtigungen gezeigt.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat sodann bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. Heinrich das Gutachten vom 28.09.2011 erhoben. Dieser Sachverständige hat - auf seinem Fachgebiet - folgende Diagnosen gestellt: Chronisches Zervikalsyndrom mit initial ausgeprägten degenerativen Veränderungen C5 bis C7 mit endgradiger Bewegungseinschränkung und Kopfschmerzen; Rezidivierende Dorsalgie, Morbus Ferrestier, diskrete sko¬lio¬ti¬sche Seitausbiegung der Wirbelsäule, Z.n. [Zustand nach] Deckplattenimpression Th12; Chronisches Lumbalsyndrom, degenerative Veränderungen, Bandscheibenvorfall L4/5 mit Wurzelkontakt rechts und Bandscheibenvorwölbung L5/S1 links, Spinalkanalenge L4/5, keine Hinweise auf neurologische Ausfälle; Achillodynie [Schmerzsyndrom der Achillessehne] rechts, Muskelminderung an beiden Unterschenkeln; Z.n. Bandruptur an beiden Sprunggelenken und Bandnaht bds.; Senk-Spreiz-Fuß und Hallux valgus [Schiefstand der Großzehe] bds.; Missempfindungen an Händen und Füßen bds. entsprechend vordiagnostizierter PNP; Adipositas. Die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen des Klägers seien mit einem GdB von 20 zu bewerten. Es fänden sich degenerative Veränderungen an drei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich leichte an der HWS und mittelgradige an BWS und LWS. Die Funktion von BWS und LWS sei nicht eingeschränkt. Es beständen chronische Schmerzsyndrom, die über Wochen und Monate anhielten und sich nicht als somatoforme Schmerzstörung einordnen ließen. Neurologische Defizite oder Wurzelreizerscheinungen ließen sich an HWS und LWS nicht objektivieren und seien auch in den vorliegenden Unterlagen nicht dokumentiert. Unter Berücksichtigung der weiteren Behinderungen, insbesondere der mit einem GdB von 40 bewerteten psychischen Erkrankung, sei ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.
Unter dem 10.11.2011 hat sich der Beklagte, unter dem 22.11.2011 der Kläger mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Antragstellung (01.02.2008) tatsächlich ein GdB von 40 vorliegt. Jedenfalls ist bis heute kein höherer GdB als 40 anzunehmen:
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (im Folgenden: VersMedG) in Anl. 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die VersMedV erst am 01.01.2009 in Kraft getreten ist und bei der Bestimmung des GdB für die Zeit zuvor - der Antrag des Klägers datiert vom 01.02.2008 - noch auf die damals in der Rechtsprechung als antezipiertes Sachverständigengutachten anerkannten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP, hier in der Fassung 2008) abzustellen ist.
b) Auf psychiatrischem Gebiet besteht allenfalls ein GdB von 40.
Nach Nr. B 3.7 VersMedG (Nr. 26.3 AHP) bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40. Schwere Störungen, z. B. schwere Zwangskrankheiten, bedingen GdB von 50 bis 70 bei mittelgradigen und von 80 bis 100 bei schweren sozialen Anpassungsstörungen. Immer ist nur auf die Einschränkungen des behinderten Menschen in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft allgemein abzustellen. Eine besondere berufliche Betroffenheit ist dagegen hier unerheblich (vgl. Nr. A 2 lit. b VersMedG).
Bei dem Kläger sind soziale Anpassungsstörungen (in allen Lebensbereichen) nicht zu verzeichnen. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, geht der Kläger nach wie vor seinem Beruf nach und hat dort - zu Kollegen und Schülern - sowie im familiären, aber auch im privaten Bereich (Boule-Club) nach wie vor soziale Kontakte. Er betreibt Bergwandern als Hobby. Auch nach der Trennung von seiner Ehefrau war er, wie er auch Dr. J. bei der Begutachtung im Berufungsverfahren mitgeteilt hatte, weiterhin an einer Partnerschaft interessiert. Ein sozialer Rückzug ist nicht zu verzeichnen. Es verbleibt daher allenfalls eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit derart, dass der Kläger mit der gegenwärtigen Gestaltung seines Lebens unglücklich ist. Hierbei ist aber darauf hinzuweisen, dass die in den VersMedG genannten Beispiele für eine solche wesentliche Einschränkung, z. B. eine "ausgeprägte" depressive Störung oder eine Störung mit Krankheitswert, nicht vorliegen. Dr. J. hat in seinem Gutachten vom 11.12.2010 nur eine leichtere Störung unterhalb einer echten - leichten - depressiven Episode diagnostiziert, nämlich nur eine Dysthymia, die im Sinne der VersMedG noch keinen Krankheitswert hat. Dies deckt sich letztlich auch mit den Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. A., der in seiner Zeugenaussage vom 02.02.2009 gegenüber dem SG und auch in seiner Stellungnahme vom 16.03.2010 nur von einer Dysthymie gesprochen hat, wenngleich er diese mit einem höheren GdB bewertet hat. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann bei dem Kläger daher letztlich nur wegen der somatoformen Schmerzstörung angenommen werden. Diese hat auch Dr. J. festgestellt. Da nach seinem Gutachten - aus neurologischer Sicht - keine (rein) körperlichen Ursachen für die Schmerzen des Klägers zu erkennen waren, erscheint die Einordnung als somatoforme Störung zutreffend.
c) Die orthopädischen Beeinträchtigungen bedingen keinen GdB von wenigstens 20. Insoweit folgt der Senat im Wesentlichen der Einschätzung von Dr. K. (Gutachten vom 07.03.2011) und nicht der Beurteilung von Dr. Heinrich in seinem Gutachten vom 28.09.2011.
Auch Dr. Heinrich hat im Wesentlichen nur radiologisch fassbare degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule festgestellt und entsprechende Diagnosen gestellt. Darauf kommt es für die Bewertung jedoch nicht an, sondern nur auf die aus diesen Erkrankungen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen, soweit diese Nachteile bei der sozialen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben, also eine Behinderung darstellen. Für Beeinträchtigungen der Wirbelsäule sind nach den VersMedG insoweit - nur - Bewegungseinschränkungen und Schmerzen durch Reizungen der in der Wirbelsäule verlaufenden Nerven relevant. Bewegungseinschränkungen hat Dr. Heinrich nur (S. 21 des Gutachtens) an den Segmenten C5 bis C7, also nur an einem Wirbelsäulenabschnitt, der HWS, diagnostiziert. Er hat diese als endgradig bezeichnet. Dies deckt sich mit den Bewegungsmaßen, die Dr. Heinrich nach der anerkannten Neutral-Null-Methode ermittelt und auf S. 13 seines Gutachtens mitgeteilt hat. Hier ist eine Abweichung vom Normalwert nur bei der Seitneigung zu verzeichnen (30-0-30 statt 45-0-45), während sich das Vor- und Rückneigen (40-0-60 [normal: 35/45-0-45/70]) und die Drehung (60-0-60 [normal: 60/80-0-60/80]) im Normbereich bewegen. Nervenwurzelreizungen an der HWS hat Dr. Heinrich nicht diagnostiziert. Allerdings hat er einen Kopfschmerz (Spannungskopfschmerz) mit den Veränderungen an der HWS in Verbindung gebracht. An den anderen Wirbelsäulenabschnitten hat Dr. Heinrich weder Bewegungseinschränkungen noch Schmerzreizungen festgestellt: An der BWS hat er nur auf einen Z.n. Deckplattenimpression an einem Segment (Th12) hingewiesen, an der LWS hat er zwar degenerative Veränderungen und auch die Protusion am Übergang zur Sakralwirbelsäule (L5/S1) und den Prolaps bei L4/5 festgestellt, die beide vorbekannt waren. Ebenso hat er auf einen Wurzelkontakt bei L4/5 hingewiesen. Eine Nervenwurzelreizung im Sinne einer Schmerzverursachung hat er jedoch nicht beschrieben. Vielmehr hat er (S. 21 des Gutachtens) darauf hingewiesen, es beständen hier keine Hinweise auf neurologische Ausfälle und später hat er auch ausgeführt (S. 25 des Gutachtens), die Funktion von BWS und LWS sei nicht eingeschränkt. Dies deckt sich nicht nur mit den Feststellungen aus dem Gutachten von Dr. K ... Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenzeitlich eingereichten Attest von Dr. D. vom 11.04.2011. Auch dort wird - nur - auf eine kernspintomografische Feststellung der Bandscheibenveränderungen und eine "Tangierung des Nervenwurzelschlauchs" hingewiesen, es werden jedoch keine Angaben zu tatsächlichen Reizungen der Nervenwurzeln mit damit verbundenen Folgeerscheinungen z. B. in den Gliedmaßen gemacht.
Bei einer nur endgradigen Bewegungseinschränkung und nicht erheblicher Schmerzverursachung (Kopfschmerz) kann nur von einem Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene oder kurz dauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) gesprochen werden, der nach Nr. B 18.9 VersMedG (gleichermaßen nach Nr. 26.18 AHP) einen GdB von 10 bedingt. Dem entspricht es, dass auch Dr. D. in seiner Zeugenaussage vom 28.01.2009 gegenüber dem SG auf orthopädischem Gebiet einen GdB von 10 angenommen hat. Ein GdB von wenigstens 20 käme erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Abschnitt mit Bewegungseinschränkungen bzw. häufigen oder über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen in Betracht.
Die weiteren orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers führen nicht zu nennenswerten Funk¬tionseinbußen und daher zu keinem GdB (Sprunggelenk) bzw. - wie auch Dr. Heinrich vorgeschlagen - hat zu einem GdB von 10 (Schmerzempfindungen an den Füßen wegen der Folgen der Achillessehnenoperation).
d) Der Visus des Klägers wurde von Dr. E. zuletzt (01.02.2009) rechts 0,9 und links 0,3 angegeben. Daraus folgt nach Nr. B 4.3 VersMedG (MdE-Tabelle) ein GdB von 10 (Spalte 0,8/0,32). Ein GdB von 15 käme erst bei einer Restsehschärfe von 0,8/0,2, ein solcher von 20 erst bei 0,8/0,16 in Betracht (jeweils cc [korrigiert]). Weitere Beeinträchtigungen der Augen liegen nicht vor. Dr. E. hat Reizerscheinungen und Gesichtsfeldausfälle verneint. Die Einschränkungen des Farbensehens, die Dr. v. F. in seinem in erster Instanz eingeholten Gutachten beschrieben hat, erhöhen den GdB auf augenärztlichem Gebiet nicht. Selbst ein - völliger - Ausfall des Farbensehens bedingt nur einen GdB von 0, ein GdB von 0 bis 10 kommt erst bei einer Einschränkung der Dunkeladaption (Nachtblindheit) in Betracht (vgl. Nr. B 4.6 VersMedG).
e) Die Afterschließmuskelschwäche bedingt jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Nach Nr. B 10.3 VersMedG ist ein GdB von 10 erst bei - wenn auch seltenem, belastungsabhängigem - Stuhlabgang anzuerkennen. Bei dem Kläger geht aber bei Belastungen bzw. unter Stress kein Stuhl ab, sondern Feuchtigkeit. Die psychische Belastung des Klägers aus der Furcht heraus, insbesondere in der Schule Flüssigkeit aus den Anus zu verlieren, ist nicht bei der - organisch bedingten - Afterschließmuskelschwäche zu berücksichtigen, sondern auf psychiatrischem Gebiet.
f) Eine PNP liegt bei dem Kläger nicht vor, jedenfalls fehlen damit verbundene Funktionseinbußen. Nachdem bereits die behandelnden Ärzte nur einen Verdacht geäußert hatten, haben auch die drei zuletzt beauftragten Gutachter nur diskrete Hinweise auf eine PNP gefunden (Dr. J., S. 26 des Gutachtens) bzw. konnten insoweit überhaupt keine Einbußen feststellen (Dr. K. und Dr. Heinricht). Für eine Schilddrüsenerkrankung mit funktionellen Auswirkungen haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben.
g) Bereits bei der Bewertung der orthopädischen Beschwerden und ggfs. einer PNP ist auch zu berücksichtigen, dass sich Teile der Funktionseinbußen, nämlich die Schmerzverursachungen, stark mit den psychischen Beeinträchtigungen des Klägers überschneiden, weil bereits dort eine somatoforme Schmerzstörung - sogar maßgeblich - berücksichtigt wurde. Selbst wenn also z. B. auf orthopädischem Gebiet wegen Nervenwurzelreizungen ein GdB von 20 anzunehmen wäre, spräche Vieles dafür, dass der GdB von 40 für die psychischen Beeinträchtigungen nicht erhöht werden könnte, sodass sich auch dann kein Gesamt-GdB von 50 ergäbe. Nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VersMedG ist es auch bei leichteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Diese Frage kann jedoch letztlich offenbleiben, da ein weiterer GdB von wenigstens 20 nicht vorliegt. Bei dem Kläger ist daher für die Feststellung des GdB insgesamt nur der GdB von 40 auf psychiatrischem Gebiet zu berücksichtigen. Die weiteren GdB von jeweils (höchstens) 10 bleiben nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VersMedG nicht zu berücksichtigen. Es ist daher kein Gesamt-GdB zu bilden, sondern es verbleibt bei dem GdB von 40.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Die Klage gegen den Bescheid vom 02. August 2010 wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der am 19.10.1952 geborene Kläger ist Lehrer für Sport und Technik an einer berufsbildenden Schule. Am 01.02.2008 beantragte er erstmals die Feststellung eines GdB. Er leide an chronischer Depression mit Somatisierungsstörung, Polyneuropathie und inkompletter Inkon-tinenz. Er legte den Entlassungsbericht der Stillachhaus-Privatklinik (Arzt Schmiechen) vom 04.01.2008 über eine stationäre Behandlung vom 20.11. bis 21.12.2007 vor (Somatisierungsstörung, Neurasthe¬nie, Nikotinabusus, Band¬scheiben-Protusion C6/7 rechts, diskretes CTS [Karpaltunnelsyndrom] rechts, V.a. [Verdacht auf] beginnende PNP [Polyneuropathie] der Hände und Füße, Übergewicht, diskrete Hypercholesterinämie, dringender V.a. eine Autoimmunthyreoiditis Hashimoto [chron. Schilddrüsenentzün¬dung] bei Struma diffusa [Schilddrüsenvergrößerung]). Daraufhin stellte das Landratsamt Böblingen als Versorgungs¬amt für den Stadtkreis Stuttgart mit Bescheid vom 29.02.2008 bei dem Kläger einen GdB von 20 ab dem 01.02.2008 fest. Als Behinderung erkannte es "seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden" an. Die weiter vorgetragenen Gesundheitsstörungen bedingten jeweils keinen GdB von wenigstens 10.
Im Widerspruchsverfahren zog das Versorgungsamt den Bericht des Nervenarztes Dr. A. vom 01.04.2008 bei, der auf eine langwierige depressive Symptomatik des Klägers verwies. Nach Auswertung dieses Berichts wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 zurück.
Am 12.08.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Seine Ehefrau habe sich wegen seiner psychischen Probleme von ihm getrennt. Er leide - auch beruflich - vor allem unter Flüssigkeitsverlust aus dem Darm in Belastungssituationen. Der Kläger hat Atteste des Augenarztes Dr. B. vom 11.02.2008 (Retinitis centralis serosa [Netzhautentzündung], oculäre Hypertension [Augeninnenhochdruck], Visus m.e.B. [mit eigener Brille] 1,0 bis 1,2 links und 0,5 bis 0,6 rechts) und des Internisten Dr. C. vom 19.10.2007 (Burn-out-Symptomatik) vorgelegt.
Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A. hat unter dem 02.02.2009 die vorbekannten Diagnosen bestätigt, die psychische Erkrankung als chronische Belastungsreaktion, Dysthymie, larvierte [versteckte] Depression und Somatisierungsstörung bezeichnet, sie als mittelschwer eingestuft und sie mit einem GdB von "mindestens 30 bis 40" bzw. "50" bewertet. Der Orthopäde Dr. D. hat mit Schreiben vom 28.01.2009 ausgeführt, der Teil-GdB auf seinem Fachgebiet betrage 10. Augenarzt Dr. E. hat unter dem 01.02.2009 angegeben, der Visus habe am 13.01.2009 rechts 0,9 und links 0,3 betragen, es beständen keine Reizerscheinungen und keine Gesichtsfeldausfälle.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. v. F. das Gutachten vom 06.11.2009 erstellt. Dieser Sachverständige hat bei dem Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome sowie die vorbekannten Krankheiten diagnostiziert und GdB-Werte von 60 für die Depression, 20 für die Sehminderung links, 10 für die Afterschließmuskelschwäche und 20 für die anhaltende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie daraus abgeleitet einen Gesamt-GdB von 60 vorgeschlagen.
Mit Schriftsatz vom 20.04.2010 hat der Beklagte dem Kläger einen Vergleich über die Feststellung eines GdB von 40 angeboten. Ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
In der mündlichen Verhandlung am 20.05.2010 hat das SG den Kläger angehört. Dieser hat mitgeteilt, die Stuhlinkontinenz zeige sich insbesondere an Arbeitstagen. Auslöser seien stressbedingte Ereignisse. Er trage Einlagen und habe Unterhosen dabei. Er habe Angst um das noch intakte Auge. Die Situation in der Schule belaste ihn, er hoffe auf eine Verringerung seines Stundendeputats. Er lebe seit der Trennung von seiner Ehefrau mit seinen beiden Kindern zusammen, betreibe in einem Club Boule, gehe Bergwandern. Der Kläger hat noch die Arztbriefe der Gastroenterologen Dr. G. vom 20.04.2010 (seit Jahren stressbedingtes Austreten von Flüssigkeit aus dem Anus, Stuhlgang einmal täglich) und Prof. Dr. H. vom 03.05.2010 (erhöhte Schwelle für Wahrnehmung und Defäkation, eine Beckenbodengymnastik könnte helfen) vorgelegt.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab Antragstellung einen GdB von 40 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Für die seelischen Störungen könne kein höherer GdB als 40 angesetzt werden. Aus der Trennung von seiner Ehefrau könne der Kläger nicht auf eine Verstärkung der psychischen Leiden schließen. Er habe selbst angegeben, dass seine psychische Situation der Grund der Trennung gewesen sei, nicht umgekehrt. Der Kläger lebe mit seinen beiden Kindern zusammen, sei berufstätig mit Kontakt zu zahlreichen Kollegen und Schülern und verfüge über ein Sozialleben mit Sportarten wie Boule und Bergwandern. Das (dreiseitige) Gutachten von Dr. v. F. sei nicht schlüssig und nicht aus sich heraus nachvollziehbar. Ein GdB von 40 entspreche bereits der Obergrenze des Bewertungsspielraums für eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Eine berufliche Betroffenheit und damit auch die Belastung des Klägers während seiner Arbeit, insbesondere wegen der leichten Stuhlinkontinenz, sei bei der Bildung des GdB nicht zu berücksichtigen. Eine PNP und eine Schilddrüsenerkrankung hätten nicht bestätigt werden können. Für die Wirbelsäulenbeeinträchtigung sei entsprechend der Aussage von Dr. D. kein GdB von mehr als 10 anzunehmen. Auch die Sehschwäche des Klägers bedinge nur einen GdB von 10, auch unter Berücksichtigung des stärkeren Sehverlusts links. Veränderungen des farblichen Sehens habe Dr. E. nicht diagnostiziert. Die Afterschließmuskelschwäche des Klägers sei ebenfalls mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Es handele sich nicht um eine Stuhlinkontinenz im eigentlichen Sinne, vielmehr verlasse stressbedingt Flüssigkeit den Anus. Dass der Kläger dem mit Einlagen und nicht mit Windeln begegne, spreche für eine geringe Schwere. Aus dem Therapievorschlag von Prof. Dr. H. in dem Behandlungsbericht vom 03.05.2010 folge, dass für die Erkrankung nicht nur psychische Aspekte, sondern auch eine Muskelschwäche, die einem Training zugänglich sei, ursächlich seien.
Mit Bescheid vom 02.08.2010 hat das Versorgungsamt in Ausführung des Urteils bei dem Kläger einen GdB von 40 festgestellt.
Gegen das Urteil des SG, das seinem Prozessbevollmächtigten am 20.07.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 26.07.2010 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, das SG hätte auch den behandelnden Psychotherapeuten Schröder vernehmen müssen. Es treffe (zwar) zu, dass das Gutachten von Dr. v. F. nicht wissenschaftlichen Anforderungen genüge, dann aber hätte das SG den Sachverständigen auffordern müssen, ein ordnungsgemäßes Gutachten zu erstatten. In der Sache seien die Erkrankungen, insbesondere auf psychiatrischem Gebiet, höher zu bewerten. Es bestehe sehr wohl eine PNP. Die orthopädischen Beschwerden hätten sich außerdem verschlechtert (Attest von Dr. D. vom 05.10.2010).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 29. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2008 und des Bescheids vom 02. August 2010 zu verpflichten, bei ihm ab Antragstellung einen Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 02. August 2010 abzuweisen.
Er verteidigt seine Entscheidungen. Hierbei beruft er sich im Wesentlichen auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 09.11.2011, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Der Senat hat zunächst den behandelnden Psychotherapeuten des Klägers, Schröder, schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 11.10.2010 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine leichte bis mittelgradige depressive Episode.
Sodann hat der Senat von Amts wegen den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. J. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 11.12.2010 mitgeteilt, der Kläger leide an einer länger andauernden leichteren depressiven Störung im Sinne einer Dysthymia, einer undifferenzierten somatoformen Störung, es beständen allenfalls diskrete Hinweise auf eine beginnende PNP unklarer Genese ohne wesentliche, dem zuzuordnende Beschwerden und keine (neurologischen) Anhaltspunkte für eine Nervenwurzelkompression oder Wurzelirritation wegen der angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden. Nach der Behandlungsintensität, dem Leidensdruck und dem klinischen Befund bestehe keine schwerere depressive Störung. Zwar habe der Fragebogentest durchaus Hinweise auf eine schwerere Störung gegeben. Allerdings weise der SFSS ("strukturierter Fragebogen simulierter Symptome") auf eine negative Antwortförderung hin. Der Kläger komme seinen Verpflichtungen als Sport- und Techniklehrer und allein erziehender Vater nach. Er übe trotz empfundener Konzentrationsschwierigkeiten seinen differenzierten Beruf aus, wähle anspruchsvolleren Lesestoff und anspruchsvolle Fernsehsendungen aus und suche weiterhin sozialen Kontakt. Es bestehe ein gewisser Perfektionismus in Bezug auch auf den Haushalt. Vor diesem Hintergrund, so Dr. J., seien die seelischen Störungen des Klägers mitsamt den damit verbundenen funktionellen Organbeschwerden mit einem GdB von 40 großzügig bewertet. Nachdem für die Wirbelsäulenbeschwerden, die Sehminderung und die Stuhlinkontinenz jeweils ein GdB von 10 anzusetzen sei, ergebe sich weiterhin insgesamt ein GdB von 40.
Ein weiteres Gutachten hat der Senat von Amts wegen bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. K. eingeholt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.03.2011 angegeben, bei dem Kläger beständen jeweils endgradige (5- bis 10-prozentige) Bewegungseinschränkungen der HWS und der BWS (Brustwirbelsäule) bei radiologisch dokumentierten Verschleißerscheinungen, aber ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, an der LWS (Lendenwirbelsäule) seien nur radiologisch Verschleißerscheinungen festzustellen, Bewegungseinschränkungen oder Nervenwurzelreizerscheinungen beständen nicht. Der GdB für die orthopädischen Beschwerden an der Wirbelsäule betrage 10, der GdB insgesamt mithin 40.
Nachdem der Kläger unter dem 21.04.2011 Einwände gegen das Gutachten von Dr. K. erhoben und ferner mitgeteilt hat, bei ihm sei ein Bandscheibenvorfall L4/5 mit Tangierung der Nervenwurzel festgestellt worden (Arztbrief von Dr. D. vom 11.04.2011), hat Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.05.2011 unter anderem mitgeteilt, Dr. D. lege ausschließlich bildgebende Befunde der LWS und der BWS vor. Es werde keinesfalls bestritten, dass Bandscheibenveränderungen vorlägen, es hätten sich bei dem Kläger jedoch keine funktionellen Beeinträchtigungen gezeigt.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat sodann bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. Heinrich das Gutachten vom 28.09.2011 erhoben. Dieser Sachverständige hat - auf seinem Fachgebiet - folgende Diagnosen gestellt: Chronisches Zervikalsyndrom mit initial ausgeprägten degenerativen Veränderungen C5 bis C7 mit endgradiger Bewegungseinschränkung und Kopfschmerzen; Rezidivierende Dorsalgie, Morbus Ferrestier, diskrete sko¬lio¬ti¬sche Seitausbiegung der Wirbelsäule, Z.n. [Zustand nach] Deckplattenimpression Th12; Chronisches Lumbalsyndrom, degenerative Veränderungen, Bandscheibenvorfall L4/5 mit Wurzelkontakt rechts und Bandscheibenvorwölbung L5/S1 links, Spinalkanalenge L4/5, keine Hinweise auf neurologische Ausfälle; Achillodynie [Schmerzsyndrom der Achillessehne] rechts, Muskelminderung an beiden Unterschenkeln; Z.n. Bandruptur an beiden Sprunggelenken und Bandnaht bds.; Senk-Spreiz-Fuß und Hallux valgus [Schiefstand der Großzehe] bds.; Missempfindungen an Händen und Füßen bds. entsprechend vordiagnostizierter PNP; Adipositas. Die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen des Klägers seien mit einem GdB von 20 zu bewerten. Es fänden sich degenerative Veränderungen an drei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich leichte an der HWS und mittelgradige an BWS und LWS. Die Funktion von BWS und LWS sei nicht eingeschränkt. Es beständen chronische Schmerzsyndrom, die über Wochen und Monate anhielten und sich nicht als somatoforme Schmerzstörung einordnen ließen. Neurologische Defizite oder Wurzelreizerscheinungen ließen sich an HWS und LWS nicht objektivieren und seien auch in den vorliegenden Unterlagen nicht dokumentiert. Unter Berücksichtigung der weiteren Behinderungen, insbesondere der mit einem GdB von 40 bewerteten psychischen Erkrankung, sei ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.
Unter dem 10.11.2011 hat sich der Beklagte, unter dem 22.11.2011 der Kläger mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Antragstellung (01.02.2008) tatsächlich ein GdB von 40 vorliegt. Jedenfalls ist bis heute kein höherer GdB als 40 anzunehmen:
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (im Folgenden: VersMedG) in Anl. 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die VersMedV erst am 01.01.2009 in Kraft getreten ist und bei der Bestimmung des GdB für die Zeit zuvor - der Antrag des Klägers datiert vom 01.02.2008 - noch auf die damals in der Rechtsprechung als antezipiertes Sachverständigengutachten anerkannten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP, hier in der Fassung 2008) abzustellen ist.
b) Auf psychiatrischem Gebiet besteht allenfalls ein GdB von 40.
Nach Nr. B 3.7 VersMedG (Nr. 26.3 AHP) bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40. Schwere Störungen, z. B. schwere Zwangskrankheiten, bedingen GdB von 50 bis 70 bei mittelgradigen und von 80 bis 100 bei schweren sozialen Anpassungsstörungen. Immer ist nur auf die Einschränkungen des behinderten Menschen in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft allgemein abzustellen. Eine besondere berufliche Betroffenheit ist dagegen hier unerheblich (vgl. Nr. A 2 lit. b VersMedG).
Bei dem Kläger sind soziale Anpassungsstörungen (in allen Lebensbereichen) nicht zu verzeichnen. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, geht der Kläger nach wie vor seinem Beruf nach und hat dort - zu Kollegen und Schülern - sowie im familiären, aber auch im privaten Bereich (Boule-Club) nach wie vor soziale Kontakte. Er betreibt Bergwandern als Hobby. Auch nach der Trennung von seiner Ehefrau war er, wie er auch Dr. J. bei der Begutachtung im Berufungsverfahren mitgeteilt hatte, weiterhin an einer Partnerschaft interessiert. Ein sozialer Rückzug ist nicht zu verzeichnen. Es verbleibt daher allenfalls eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit derart, dass der Kläger mit der gegenwärtigen Gestaltung seines Lebens unglücklich ist. Hierbei ist aber darauf hinzuweisen, dass die in den VersMedG genannten Beispiele für eine solche wesentliche Einschränkung, z. B. eine "ausgeprägte" depressive Störung oder eine Störung mit Krankheitswert, nicht vorliegen. Dr. J. hat in seinem Gutachten vom 11.12.2010 nur eine leichtere Störung unterhalb einer echten - leichten - depressiven Episode diagnostiziert, nämlich nur eine Dysthymia, die im Sinne der VersMedG noch keinen Krankheitswert hat. Dies deckt sich letztlich auch mit den Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. A., der in seiner Zeugenaussage vom 02.02.2009 gegenüber dem SG und auch in seiner Stellungnahme vom 16.03.2010 nur von einer Dysthymie gesprochen hat, wenngleich er diese mit einem höheren GdB bewertet hat. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann bei dem Kläger daher letztlich nur wegen der somatoformen Schmerzstörung angenommen werden. Diese hat auch Dr. J. festgestellt. Da nach seinem Gutachten - aus neurologischer Sicht - keine (rein) körperlichen Ursachen für die Schmerzen des Klägers zu erkennen waren, erscheint die Einordnung als somatoforme Störung zutreffend.
c) Die orthopädischen Beeinträchtigungen bedingen keinen GdB von wenigstens 20. Insoweit folgt der Senat im Wesentlichen der Einschätzung von Dr. K. (Gutachten vom 07.03.2011) und nicht der Beurteilung von Dr. Heinrich in seinem Gutachten vom 28.09.2011.
Auch Dr. Heinrich hat im Wesentlichen nur radiologisch fassbare degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule festgestellt und entsprechende Diagnosen gestellt. Darauf kommt es für die Bewertung jedoch nicht an, sondern nur auf die aus diesen Erkrankungen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen, soweit diese Nachteile bei der sozialen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben, also eine Behinderung darstellen. Für Beeinträchtigungen der Wirbelsäule sind nach den VersMedG insoweit - nur - Bewegungseinschränkungen und Schmerzen durch Reizungen der in der Wirbelsäule verlaufenden Nerven relevant. Bewegungseinschränkungen hat Dr. Heinrich nur (S. 21 des Gutachtens) an den Segmenten C5 bis C7, also nur an einem Wirbelsäulenabschnitt, der HWS, diagnostiziert. Er hat diese als endgradig bezeichnet. Dies deckt sich mit den Bewegungsmaßen, die Dr. Heinrich nach der anerkannten Neutral-Null-Methode ermittelt und auf S. 13 seines Gutachtens mitgeteilt hat. Hier ist eine Abweichung vom Normalwert nur bei der Seitneigung zu verzeichnen (30-0-30 statt 45-0-45), während sich das Vor- und Rückneigen (40-0-60 [normal: 35/45-0-45/70]) und die Drehung (60-0-60 [normal: 60/80-0-60/80]) im Normbereich bewegen. Nervenwurzelreizungen an der HWS hat Dr. Heinrich nicht diagnostiziert. Allerdings hat er einen Kopfschmerz (Spannungskopfschmerz) mit den Veränderungen an der HWS in Verbindung gebracht. An den anderen Wirbelsäulenabschnitten hat Dr. Heinrich weder Bewegungseinschränkungen noch Schmerzreizungen festgestellt: An der BWS hat er nur auf einen Z.n. Deckplattenimpression an einem Segment (Th12) hingewiesen, an der LWS hat er zwar degenerative Veränderungen und auch die Protusion am Übergang zur Sakralwirbelsäule (L5/S1) und den Prolaps bei L4/5 festgestellt, die beide vorbekannt waren. Ebenso hat er auf einen Wurzelkontakt bei L4/5 hingewiesen. Eine Nervenwurzelreizung im Sinne einer Schmerzverursachung hat er jedoch nicht beschrieben. Vielmehr hat er (S. 21 des Gutachtens) darauf hingewiesen, es beständen hier keine Hinweise auf neurologische Ausfälle und später hat er auch ausgeführt (S. 25 des Gutachtens), die Funktion von BWS und LWS sei nicht eingeschränkt. Dies deckt sich nicht nur mit den Feststellungen aus dem Gutachten von Dr. K ... Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenzeitlich eingereichten Attest von Dr. D. vom 11.04.2011. Auch dort wird - nur - auf eine kernspintomografische Feststellung der Bandscheibenveränderungen und eine "Tangierung des Nervenwurzelschlauchs" hingewiesen, es werden jedoch keine Angaben zu tatsächlichen Reizungen der Nervenwurzeln mit damit verbundenen Folgeerscheinungen z. B. in den Gliedmaßen gemacht.
Bei einer nur endgradigen Bewegungseinschränkung und nicht erheblicher Schmerzverursachung (Kopfschmerz) kann nur von einem Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene oder kurz dauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) gesprochen werden, der nach Nr. B 18.9 VersMedG (gleichermaßen nach Nr. 26.18 AHP) einen GdB von 10 bedingt. Dem entspricht es, dass auch Dr. D. in seiner Zeugenaussage vom 28.01.2009 gegenüber dem SG auf orthopädischem Gebiet einen GdB von 10 angenommen hat. Ein GdB von wenigstens 20 käme erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Abschnitt mit Bewegungseinschränkungen bzw. häufigen oder über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen in Betracht.
Die weiteren orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers führen nicht zu nennenswerten Funk¬tionseinbußen und daher zu keinem GdB (Sprunggelenk) bzw. - wie auch Dr. Heinrich vorgeschlagen - hat zu einem GdB von 10 (Schmerzempfindungen an den Füßen wegen der Folgen der Achillessehnenoperation).
d) Der Visus des Klägers wurde von Dr. E. zuletzt (01.02.2009) rechts 0,9 und links 0,3 angegeben. Daraus folgt nach Nr. B 4.3 VersMedG (MdE-Tabelle) ein GdB von 10 (Spalte 0,8/0,32). Ein GdB von 15 käme erst bei einer Restsehschärfe von 0,8/0,2, ein solcher von 20 erst bei 0,8/0,16 in Betracht (jeweils cc [korrigiert]). Weitere Beeinträchtigungen der Augen liegen nicht vor. Dr. E. hat Reizerscheinungen und Gesichtsfeldausfälle verneint. Die Einschränkungen des Farbensehens, die Dr. v. F. in seinem in erster Instanz eingeholten Gutachten beschrieben hat, erhöhen den GdB auf augenärztlichem Gebiet nicht. Selbst ein - völliger - Ausfall des Farbensehens bedingt nur einen GdB von 0, ein GdB von 0 bis 10 kommt erst bei einer Einschränkung der Dunkeladaption (Nachtblindheit) in Betracht (vgl. Nr. B 4.6 VersMedG).
e) Die Afterschließmuskelschwäche bedingt jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Nach Nr. B 10.3 VersMedG ist ein GdB von 10 erst bei - wenn auch seltenem, belastungsabhängigem - Stuhlabgang anzuerkennen. Bei dem Kläger geht aber bei Belastungen bzw. unter Stress kein Stuhl ab, sondern Feuchtigkeit. Die psychische Belastung des Klägers aus der Furcht heraus, insbesondere in der Schule Flüssigkeit aus den Anus zu verlieren, ist nicht bei der - organisch bedingten - Afterschließmuskelschwäche zu berücksichtigen, sondern auf psychiatrischem Gebiet.
f) Eine PNP liegt bei dem Kläger nicht vor, jedenfalls fehlen damit verbundene Funktionseinbußen. Nachdem bereits die behandelnden Ärzte nur einen Verdacht geäußert hatten, haben auch die drei zuletzt beauftragten Gutachter nur diskrete Hinweise auf eine PNP gefunden (Dr. J., S. 26 des Gutachtens) bzw. konnten insoweit überhaupt keine Einbußen feststellen (Dr. K. und Dr. Heinricht). Für eine Schilddrüsenerkrankung mit funktionellen Auswirkungen haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben.
g) Bereits bei der Bewertung der orthopädischen Beschwerden und ggfs. einer PNP ist auch zu berücksichtigen, dass sich Teile der Funktionseinbußen, nämlich die Schmerzverursachungen, stark mit den psychischen Beeinträchtigungen des Klägers überschneiden, weil bereits dort eine somatoforme Schmerzstörung - sogar maßgeblich - berücksichtigt wurde. Selbst wenn also z. B. auf orthopädischem Gebiet wegen Nervenwurzelreizungen ein GdB von 20 anzunehmen wäre, spräche Vieles dafür, dass der GdB von 40 für die psychischen Beeinträchtigungen nicht erhöht werden könnte, sodass sich auch dann kein Gesamt-GdB von 50 ergäbe. Nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VersMedG ist es auch bei leichteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Diese Frage kann jedoch letztlich offenbleiben, da ein weiterer GdB von wenigstens 20 nicht vorliegt. Bei dem Kläger ist daher für die Feststellung des GdB insgesamt nur der GdB von 40 auf psychiatrischem Gebiet zu berücksichtigen. Die weiteren GdB von jeweils (höchstens) 10 bleiben nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VersMedG nicht zu berücksichtigen. Es ist daher kein Gesamt-GdB zu bilden, sondern es verbleibt bei dem GdB von 40.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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