L 1 U 2928/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 4311/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2928/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 22. März 2007.

Der 1947 geborene Kläger ist seit 1962 bei der H. Gbr. GmbH & CoKG in W. als Hobler tätig. Am 22. März 2007 rutschte er beim Schieben eines Holz-Paketes aus und stürzte. Nach der Unfallschilderung des Klägers ist er geradeaus auf Bauch und Brust gefallen, mit den Armen und Handgelenken voraus. Im Zeitpunkt des Aufpralls kam der Kläger mit dem linken Arm nach vorne gestreckt und auf das linke Handgelenk zum Liegen. Seit 1. November 2007 erhält der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der Durchgangsarzt, den der Kläger am 23. März 2007 aufsuchte, stellte nach Röntgen von Schulter links und Handgelenk links fest, dass keine Frakturen entstanden waren, eine Sattelgelenksarthrose war erkennbar. Als Diagnosen führte er eine Prellung der Schulter und des Oberarms links sowie der linken Hand aus (Durchgangsarztbericht Dr. F. vom 23. März 2007). Die Beklagte nahm Ermittlungen auf und zog neben dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse den Bericht über das MRT der linken Schulter vom 12. April 2007 (Beurteilung: "eine osteochondrale aktuelle Verletzung ist nicht zu erkennen. Beginnende Om-Arthrose, vermehrte Schultereckgelenksarthose mit etwas Aktivierung. Im Vordergrund steht die Weichteilschädigung mit Zerrung, Einriss der Supraspinatussehne und der Teilläsion der Subscapularissehne. Begleitende Schädigung des glenoro-humeralen Bandapparates vorne oben. Hier eher degenerativer Statuts. Mäßige Tenovaginitis lange Bizepssehne. Etwas Zeichen der vorderen Instabilität glenoro-humeral. Vermehrt Flüssigkeit im Bereich der Bursa subacromialis subdeltoidea, dd. kleine Einblutung") sowie eine Unfallschilderung des Klägers bei.

Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2007 als Unfallfolgen Prellungen der linken Schulter, des linken Oberarms und der linken Hand, die, ohne wesentliche Folgen zu hinterlassen, ausgeheilt seien. Nicht als Unfallfolge anerkannt wurden Teilrisse im Bereich der Rotatorenmanschette und der Subscapularissehne an der linken Schulter, degenerative Veränderungen im Bereich des Kapselbandapparats des linken Schultergelenks, eine mäßige Sehnenscheidentzündung im Bereich der langen Bizepssehne sowie eine Arthrose im Schultergelenk links. Im Zusammenhang mit den degenerativen Veränderungen in der linken Schulter seien Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen. Anspruch auf Rente bestehe nicht.

Am 20. Juni 2007 wurde der Kläger im Bereich der linken Schulter operiert (arthroskopische Reficaktion Subscapularis/Supraspinatussehne und der SLAP-Läsion; H-Arztbericht Herr N., Lorettokrankenhaus Freiburg).

Gegen den ablehnenden Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung wurde das Attest des Dr. D., Lorettokrankenhaus F., vom 7. August 2007, erstellt zur Vorlage bei der Beklagten, vorgelegt. Darin vertrat Dr. D. die Auffassung, dass der Rotatorenmanschettendefekt durch den angeschuldigten Arbeitsunfall verursacht sei. Dafür spreche bereits die Lage der Verletzung. Es hätten sich darüber hinaus arthroskopisch keinerlei Hinweise auf degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette oder der umgebenden knöchernen Strukturen gefunden. Das histologische Ergebnis habe regressive Veränderungen des eingeschickten Musculus subscapularis-Sehnengewebes in Kombination mit zellreichem Narbengewebe erbracht. Dies sei vom Pathologen als Ausdruck bereits fortgeschrittener Organisation interpretiert worden, was sicherlich nicht für einen degenerativen Schaden spreche.

Nachdem die Beklagte Dr. D. mit der Unfallschilderung des Klägers (Sturz auf nach vorne gestreckte Arme) konfrontiert hatte, nahm dieser unter dem 15. November 2007 Stellung. Er führte aus, dass auch bei einem Sturz nach vorne mit ausgestreckten Armen durch den Versuch des Abfangens extreme Aussenrotationsbelastungen auf die Rotatorenmanschette entstehen könnten. Darüber hinaus sei im OP-Bericht eindeutig beschrieben, dass sich arthroskopisch keine Degenerationszeichen im Bereich des Sehnenansatzes gefunden hätten. Daher verbleibe er bei seiner Auffassung.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. S., Universitätsklinik F. unter dem 20. März 2008 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Dieser führte u.a. aus, der Kläger habe bei dem Sturz den Arm über das physiologische Ausmaß hinaus nach oben hinten überstreckt, dadurch sei es zu einer plötzlichen Zugbelastung der ventral gelegenen Rotatorenmanschette gekommen. Deshalb scheine das Sturzereignis geeignet, eine Verletzung der Subscapularis und der Supraspinatussehne hervorzurufen. Im MRT und intraoperativ sei eine Ruptur der Subscapularissehne festgestellt worden, des Weiteren eine Ablösung des Labrums. Auch diese Verletzungen seien in hohem Maß mit einem direkten Unfallereignis in Zusammenhang zu bringen. Degenerative Rupturen des Subscapularis seien äußerst selten. Für die Unfallursächlichkeit spreche auch die intraoperativ sehr gering ausgeprägte Degeneration im Bereich der Sehne. Auch das Histologieergebnis spreche für ein drei Monate zurückliegendes Trauma.

Auf Nachfrage der Beklagten unter Hinweis auf das vom Kläger abweichend geschilderte Unfallgeschehen führte der Gutachter unter dem 6. Juni 2008 aus, es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger an dem Paket, das er geschoben habe, festgehalten habe und dadurch der Arm beim Sturz überstreckt worden sei.

Der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. W. nahm unter dem 29. Juli 2008 Stellung. Er empfahl die Anerkennung eines Unfallzusammenhangs vor dem Hintergrund eines ungeklärten Unfallgeschehens und der medizinischen Erkenntnisse.

Die Beklagte zog Unterlagen des Regierungspräsidiums über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bei und beauftragte Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines Ersten Rentengutachtens. Dieses (datierend vom 18. September 2008) führte als wesentliche Unfallfolgen einen Zustand nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette Schulter links mit persistierendem Bewegungsdefizit sowie ein deutliches Muskeldefizit Ober- und Unterarm links im Vergleich zur rechten Seite sowie Narbenbildung auf. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belaufe sich vom 5. Mai bis 19. Juni 2007 auf 20 v.H., während der stationären Behandlung auf 100 v.H. und danach bis 31. Juli 2007 50 v.H.; ab dem 1. August 2007 bis fortlaufend belaufe sich die MdE auf 20 v.H. Die Beklagte zog noch bei den Bericht über die weitere Operation im Bereich der linken Schulter vom 25. Juni 2008 (Diagnose: "subacromiale und paratendinöse Adhäsionen linkes Schultergelenk bei Zustand nach arthrotischer Subscapularissehnen- und Supraspinatussehnenrekonstruktion linkes Schultergelenk mit Tenotomie und AC-Resektion").

Am 19. Dezember 2008 unternahm ein Mitarbeiter der Beklagten zusammen mit dem Kläger Ermittlungen im Unfallbetrieb und fertigte dazu Lichtbilder an. Mit Bescheid vom 13. März 2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 12. Juni 2007 auf und stellte fest, dass aufgrund des Unfalls Arbeitsunfähigkeit vom 23. März 2007 bis 19. September 2008 bestanden habe und Anspruch auf Verletztenrente als vorläufige Rente wegen des Unfalls nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 20. September 2008 bestehe. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt im Bereich linke Schulter/linker Arm: Bewegungseinschränkung der Schulter; Muskelminderung des Arms; geringgradige Gewebeverhärtung im Bereich der Schultergelenkspfanne mit knöchernen Randausziehungen; reizlose Narbenbildungen im Bereich der Schulter; allgemein herabgesetzte Gebrauchsfähigkeit des Schultergelenks sowie medizinisch erklärbare subjektive Beschwerden nach einem Teilriss der Rotatorenmanschette und einer Schädigung der Schultergelenkspfannenknorpellippe mit nachfolgender operativer Rekonstruktion bei nach reizlos einliegendem Fremdmaterial.

Zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit beauftragte die Beklagte Prof. Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. In dem unter dem 28. August 2009 erstellten Gutachten führte dieser aus, als Unfallfolgen bestünden noch am linken Arm an der Schulter und am Oberarm leichte Muskelminderungen sowie im Oberarmkopf reizlos einliegende Metallanker. Als vom Unfall unabhängig beschrieb er u.a. an der linken Schulter leichte Arthrosen des Schultereck- und Schulterhauptgelenks mit geringfügiger Einengung des Unterschulterdachraums; an der rechten Schulter eine leichte Arthrose des Schulterhauptgelenks mit Degeneration und Subluxation der langen Bizepssehne sowie mit Sehnenscheidenentzündungen dieser Sehne. Die MdE belaufe sich auf noch 10 v.H. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass bei passiv freier Beweglichkeit und aktiv eingeschränkter Beweglichkeit der linken Schulter, wie vom Kläger demonstriert, die Bewegungseinschränkungen ausschließlich muskulär inkl. Sehnenrissen oder neurogen bedingt seien könnten. Allerdings bestünden weder globale neurogene noch muskuläre Erkrankungen; auch seien die Sehnen wieder miteinander verbunden und könnten daher Kraft übertragen. Die demonstrierten Bewegungseinschränkungen seien daher medizinisch nicht mehr erklärbar.

Mit Bescheid vom 28. September 2009 teilte die Beklagte mit, dass mit Ablauf des Monats September 2009 kein Rentenanspruch mehr bestehe, da die MdE nicht mehr um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Die Beklagte stützte sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. H ... Als Unfallfolgen wurden anerkannt eine teilweise herabgesetzte Gebrauchsfähigkeit sowie Muskelminderung am Oberarm und an der Schulter, reizlose Narbenbildung im Bereich der Schulter sowie medizinisch erklärbare subjektive Beschwerden nach einem Teilriss der Rotatorenmanschette mit reizlos einliegenden Metallankern.

Im dagegen geführten Widerspruchsverfahren legte der Klägerbevollmächtigte zwei Schreiben des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vor. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2009 zurück. Die Berichte von Dr. K. enthielten lediglich eine Auflistung bereits bekannter Diagnosen; im Übrigen würde auf bestehende Probleme im Bereich der rechten Schulter hingewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 22. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat den behandelnden Arzt Dr. K. sowie den Facharzt für Orthopädie Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und den Facharzt für Chirurgie Dr. G. als Sachverständigen beauftragt. In seinem Gutachten vom 28. Juli 2010 führt er aus, dass die beim Kläger bestehende Beweglichkeit des linken Armes nur gering eingeschränkt sei. Die Funktion der Schulter in der Seitwärtshebung könne aktiv bis zur Horizontalen und passiv sogar bis 150 Grad durchgeführt werden. Die Vorwärtshebung, die für den Alltag noch wichtiger sei, sei links aktiv bis 170 Grad möglich. Die Rotationsbewegungen seien nur endgradig eingeschränkt, so dass eine MdE um 10 v.H. anzunehmen sei. Die Tenotomie der langen Bizepssehne führe ebenso wie die Ruptur nicht zu einer wesentlichen funktionellen Beeinträchtigung oder relevanten Kraftminderung. Bei der Untersuchung habe noch eine Impingementsymptomatik festgestellt werden können, die wohl eine Kombination zwischen verdickter Sehne und arthrotischer Hakenbildung darstelle und dem Arbeitsunfall vom 22. März 2007 zuzuschreiben sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme auf Einwände des Klägerbevollmächtigten hat Dr. G. unter dem 18. April 2011 darauf hingewiesen, dass eine funktionelle Untersuchung sowohl die aktive als auch passive Beweglichkeit erfassen müsse und daher die von ihm festgestellten Messwerte der MdE-Beurteilung zugrunde gelegt werden könnten.

Mit Urteil vom 28. April 2011 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt auf die Gutachten Dr. G. und Prof. Dr. H ...

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 15. Juni 2011 zugestellte Urteil hat dieser für den Kläger am 13. Juli 2011 Berufung eingelegt. Eine Begründung ist nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. April 2011 sowie den Bescheid vom 28. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30. September 2009 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat über den 30. September 2009 hinaus keinen Anspruch auf Verletztenrente, weder wegen der Folgen ausschließlich des Arbeitsunfalls vom 22. Juli 2007 (mit einer MdE um wenigstens 20 v.H.) noch unter dem Gesichtspunkt eines eventuell vorliegenden Stützrententatbestands wegen anderer Arbeitsunfälle. Denn diese haben nicht wenigstens eine MdE um 10 v.H. hinterlassen.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach Maßgabe dieser Kriterien hat das SG zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten bestätigt, denn gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. G. begründen die Folgen des Unfalls vom 22. Juli 2007 keine MdE um wenigstens 20 v.H. über den 30. September 2009 hinaus.

Beide Gutachter haben als noch vorhandene Funktionseinschränkungen im Bereich der linken Schulter/des linken Arms des Klägers eine aktiv eingeschränkte Beweglichkeit (Prof. Dr. H.: 130-0-20 im Vergleich zu links 180-0-45 jeweils für An-/Abspreizung; 170-0-20 links und 170-0-40 rechts für Vor-/Rückhebung; Dr. G.: für An-/Abspreizung links aktiv 90-0-60, rechts aktiv 180-0-60; Vor-/Rückhebung links 170-0-50, rechts 180-0-60) mitgeteilt, wohingegen die passive Beweglichkeit bei beiden Gutachtern ohne wesentliche Einschränkung gemessen worden ist.

Wie bereits Prof. Dr. H. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren schlüssig und überzeugend ausgeführt hat, können anatomisch die vom Kläger aktiv demonstrierten Einschränkungen in der Beweglichkeit bei gleichzeitig passiver Beweglichkeit ausschließlich auf muskulären Veränderungen einschließlich Sehnenrissen oder auf neurogenen Störungen beruhen. Solche Erkrankungen sind allerdings nicht nachgewiesen, insbesondere sind die durch die Ruptur ursprünglich gerissenen Sehnen wieder operativ zusammengefügt worden und können Kraft übertragen. Daher ist eine medizinische Ursache für die eingeschränkte aktive Beweglichkeit nicht gegeben. Vergleichbares hat auch Dr. G. in seinem Gutachten für das SG ausgeführt, wonach nämlich bei passiv freier Beweglichkeit durch das Gelenk bedingte aktive Bewegungseinschränkungen ausgeschlossen sind, also ausschließlich muskulär oder neurogen erklärt werden könnten, wenn entsprechende Erkrankungen vorlägen, was aber beim Kläger nicht der Fall ist.

Angesichts der passiv nahezu uneingeschränkten Beweglichkeit in allen Bereichen ist nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, S. 419) eine MdE um wenigstens 20 v.H. nicht gegeben. Es kann deshalb offen bleiben, ob und inwieweit überhaupt die demonstrierte aktive Bewegungseinschränkung auf den Folgen des Unfalls oder vorbestehenden degenerativen Veränderungen, worauf Dr. G. hingewiesen hat, beruhen. Der Senat hat darüber hinaus keine Bedenken, in einer Gesamtbetrachtung aktive wie passive Beweglichkeit der linken Schulter im Rahmen der MdE-Bewertung zu berücksichtigen. Unabhängig davon, dass Dr. G. zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die passive Beweglichkeit eine unverzichtbare Messgröße im Rahmen der Begutachtung darstellt, ist bereits wegen der mit medizinischen Gesichtspunkten nicht zu erklärenden Einschränkung in der demonstrierten aktiven Beweglichkeit die passive Beweglichkeit als objektive Kenngröße zur Beurteilung heranzuziehen. Auch wenn der Kläger schildert, dass die von Dr. G. und Prof. Dr. H. jeweils gemessene passive Beweglichkeit nur unter Schmerzen durchführbar war, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Denn auch dann, wenn nur die aktive Beweglichkeit zugrunde gelegt wird, würde nach den oben aufgeführten Bewertungsmaßstäben (Schöneberger/Mehrtens aaO) erst eine Beweglichkeit unter 90 Grad bei der Armvorwärtshebung die Annahme einer MdE um 20 v.H. begründen. Berücksichtigt man dem gegenüber die freie aktive Beweglichkeit bis 90 Grad und die passive Beweglichkeit, die erst ab einer passiven Führung deutlich über 90 Grad hinaus als schmerzhaft angegeben wird, ist bei einer Gesamtschau eine MdE um wenigstens 20 v.H. nicht zu begründen.

Da auch kein Stützrententatbestand wegen anderer Arbeitsunfälle besteht, sind Feststellungen zur MdE unter 20 v.H. entbehrlich.

Soweit beim Kläger die Bizepssehne am linken Oberarm fehlt, hat dies keine Auswirkungen in funktioneller Hinsicht im Bereich der linken Schulter, wie insbesondere Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, da sie allenfalls Einfluss auf die Funktion des Ellbogens nehmen könnte, dort aber ausweislich der in den Messblättern nach der Neutral-Null-Methode mitgeteilten Daten keine funktionellen Einschränkungen bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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