L 1 AS 400/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 4359/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 400/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 19.01.2012 wird zurückgewiesen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 01.04.2011 gültigen Fassung hat der Widerspruch gegen einen Bescheid, der u.a. Pflichten bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Der streitige Bescheid vom 16.12.2011 nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II legt dem Antragsteller (Ast.) bei der Eingliederung in Arbeit eine bestimmte Anzahl von Bewerbungsbemühungen (2 Bewerbungen alle 4 Wochen, nachzuweisen durch ein Bewerbertagebuch) auf, die Pflicht zur zeitnahen Bewerbung nach Erhalt eines Stellenangebots sowie die Pflicht, alle wesentlichen Änderungen (Umzug, Arbeitsunfähigkeit, Telefonnummer etc.) unverzüglich mitzuteilen. Damit regelt er Pflichten des erwerbsfähigen Ast. bei der Eingliederung in Arbeit (vgl. Conradis in LPK–SGB II, 3. Auflage 2009, § 39 RN 6) i.S.v. § 39 Nr. 1 SGB II mit der Folge, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 12). Es trifft eine eigene Ermessensentscheidung über die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nach denselben Gesichtspunkten wie die Widerspruchsbehörde in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsache überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, umgekehrt bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsache das Aussetzungsinteresse des Ast. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des betroffenen Verwaltungsakts oder die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage können allein das besondere Vollzugsinteresse jedoch nicht begründen oder eine Prüfung ersetzen oder entbehrlich machen. Sie können nur zur Folge haben, dass die vorhandenen, ihrer Art nach dringlichen Vollzugsinteressen grundsätzlich als schwerwiegender anzusehen sind als das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der den Betroffenen auferlegten Belastung und die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihrer Folgen zu berücksichtigen.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Das Sozialgericht Ulm (SG) hat zutreffend entschieden, dass der Eingliederungsbescheid nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Beschluss des SG Bezug genommen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass vom Ast. in dem Bescheid lediglich 2 Bewerbungen für einen Zeitraum von 4 Wochen verlangt werden, was keinesfalls als unzumutbar angesehen werden kann. Gleiches gilt auch für die zwecks Erreichbarkeit grundsätzlich erforderliche Residenzpflicht des Arbeitslosen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2008 - L 25 AS 522/06 -, juris). Hinzu kommt, dass der Ast. seine Bewerbungen lediglich in Form eines Bewerbertagebuchs nachzuweisen hat, so dass für ihn auch insoweit keine unzumutbaren Kosten oder Anstrengungen entstehen. Die weiteren vom Ast. gerügten Bestimmungen des Eingliederungsbescheids über die Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen kann ebenfalls nicht als unzumutbar oder unverhältnismäßig angesehen werden, zumal diese sich während des Leistungsbezugs im Wesentlichen bereits aus dem Gesetz ergibt. Insbesondere kann in der Gesamtschau der getroffenen Regelungen auch nicht die vom Ast. gerügt "Knebelung" eines Leistungsempfängers gesehen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, sofern sich aus den aufgeführten Verpflichtungen eine Sanktion ergeben sollte, diese selbst Gegenstand eines eigenen Eilverfahrens werden kann (vgl. Bayerisches Landessozialgericht vom 14.11.2011 - L 7 AS 693/11 B ER -, juris).

Es überwiegt daher das mit der gesetzlichen Regelung regelmäßig zu bevorzugende Interesse des Antragsgegners am Vollzug des Bescheids gegenüber dem Interesse des Ast. an einer aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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