L 9 R 174/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4415/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 174/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1948 geborene Kläger kam im Juni 1990 aus K. in die Bundesrepublik Deutschland. Dort war er nach seinen Angaben zuletzt als Ingenieur, Oberingenieur und Oberbauleiter beschäftigt. Daneben hatte er von August 1985 bis Mai 1990 Jura studiert (Fernstudium ohne Prüfungsabschluss). In der Bundesrepublik Deutschland hat er am 17.5.1995 die Prüfung zum Werkpolier im Straßenbau mit Erfolg abgelegt und war vom 14.4.1991 bis 31.1.2004 als Facharbeiter und Vorarbeiter im Tief- und Straßenbau beschäftigt. Seit 19.3.2002 bezog er Krankengeld und seit 13.3.2004 Arbeitslosengeld. Ein Grad der Behinderung von 50 ist bei ihm seit dem 16.4.2002 anerkannt (Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamts K. vom 26.4.2004).

Mit Bescheid vom 28.4.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1.8.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, ausgehend von einem Leistungsfall vom 19.3.2002. Grundlage hierfür war das Gutachten der Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. L. vom 9.2.2005, die beim Kläger wegen eines Wirbelsäulensyndroms und eines Schulter-Arm-Syndroms das Leistungsvermögen für die bisherige Tätigkeit als Polier auf unter drei Stunden und für sonstige leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen auf sechs Stunden und mehr eingeschätzt hatte.

Ein Rentenantrag des Klägers vom 31.8.2005 auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens bei Dr. L. vom 8.11.2005, die im Wesentlichen das gleiche Leistungsvermögen wie im Gutachten vom 9.2.2005 beschrieb, ab (Bescheid vom 10.11.2005).

Am 24.10.2007 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger auf orthopädischem Gebiet begutachten. Der Orthopäde Dr. K. diagnostizierte beim Kläger auf seinem Fachgebiet im Gutachten vom 3.3.2008 u. a. folgende Gesundheitsstörungen: Coxalgie links betont bei Coxa vara rechts ohne Nachweis wesentlicher funktioneller Einschränkungen, Zervikobrachialgie rechts bei Diskose C5/6 und C6/7 ohne segmentale neurologische Ausfälle, ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Bizeps-longus-Sehnen-Syndrom rechts mit schmerzhafter Schulterbeweglichkeit und Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette beidseits ohne Anhalt für Ruptur, ohne Muskelminderung, Konversionsstörung, chronisches Thorakal- und Lumbalsyndrom bei Fehlstatik und Spondylarthrose ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Chondropathia patellae beidseits und Beinlängendifferenz, durch Schuherhöhung ausgeglichen. Er gelangte zum Ergebnis, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten. Auszuschließen seien kniende, hockende und gebückte Tätigkeiten, Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, mit Überkopfarbeit, mit häufigem Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie mit vermehrter UV-Licht-Exposition. Eine rentenrelevante Einschränkung der zumutbaren Gehstrecke liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 7.3.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, da der Kläger noch eine Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Den Widerspruch wies die Beklagte – nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. K. – mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 10.10.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter verfolgt hat.

Mit Bescheid vom 18.12.2008 hat die Beklagte dem Kläger auf den Antrag vom 27.11.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.9.2008 bewilligt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Neurologe Dr. T. hat unter dem 8.1.2009 über Behandlungen des Klägers vom 30.1.2008 bis 15.9.2008 berichtet (30.1.2008: Schmerzen im Bereich der Schulter bis zur Hand rechtsseitig, ohne neurologische Auffälligkeiten; ab 20.2.2008 Behandlungen wegen einer Trigeminusneuralgie, die mit der bestehenden Medikation gut und ausreichend behandelt war; keine Leistungseinschränkung für leichte mindestens sechsstündige Tätigkeiten von neurologischer Seite). Der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. J. hat am 7.1.2009 erklärt, er habe den Kläger vom 13.6.1997 bis 10.10.2008 wegen Schmerzen an der Wirbelsäule, in der rechten Hand und im rechten Sprunggelenk behandelt. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers habe er im Laufe der Behandlung nicht festgestellt. Wegen der Beschwerden halte er eine Tätigkeit von vier Stunden pro Tag für sinnvoll. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E. hat unter dem 20.1.2009 über Behandlungen des Kläger seit Mai 2007 berichtet. Wegen der Einschränkungen sowohl von Seiten des Bewegungsapparates (Wirbelsäule, Hüftgelenke und Sprunggelenk rechts) als auch aufgrund der zunehmenden Depression sei der Kläger nur noch in der Lage, einer Tätigkeit von höchstens drei Stunden täglich nachzugehen. Die maßgeblichen Leiden lägen auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet. Die Ärztin für Psychiatrie H. hat unter dem 12.3.2009 angegeben, in der erfragten Zeit ab Mai 2007 habe sie den Kläger vom 27.2.2008 bis 4.2.2009 (2008: 6-mal und 2009 1-mal) behandelt. Die Schlafstörung habe sich unter der Medikation gebessert, während sich die depressive Stimmungslage des Klägers nur geringfügig gebessert habe. Wegen der Schwere der depressiven Erkrankung sowie aufgrund der orthopädischen Erkrankung sei der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig. Der HNO-Arzt Dr. E. hat unter dem 23.12.2008 Angaben über eine Vorstellung des Klägers vom 23.10.2007 gemacht und keine quantitative Leistungsminderung angenommen. Der Radiologe Dr. R. hat Arztbriefe über die von ihm durchgeführten Untersuchungen übersandt.

Die Beklagte hat zu den sachverständigen Zeugenaussagen eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. S. vom 28.7.2009 vorgelegt. Dieser hat u.a. ausgeführt, Dr. J. nenne keinerlei Befund oder Einschränkung, die sich im Bereich der Wirbelsäule, an der Hand oder des Sprunggelenks ergeben hätte. Soweit er "aufgrund der geklagten Beschwerden", und somit nicht aufgrund gesicherter Erkrankungen, eine Belastung von lediglich vier Stunden für sinnvoll erachte, bedeute dies, dass er eine solche Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nicht krankheitsbedingt für erforderlich halte. Solches wäre auch in keiner Weise nachvollziehbar. Die Angaben der Psychiaterin H. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 12.3.2009 widersprächen ihren Angaben im Arztbrief vom Dezember 2008, woraus sich keine schwere depressive Erkrankung entnehmen lasse. Auch die sehr nieder-schwellig erfolgten Konsultationen (4- bis 16-wöchentlicher Abstand), die Besserung unter lediglich medikamentöser Behandlung sowie die Tatsache, dass eine mittelgradige oder schwere depressive Episode gerade nicht habe diagnostiziert werden können, belege kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen für über sechs Monate. Es gebe auch unter Berücksichtigung der Aussagen und Berichte keine Erkrankung und auch keine Kombination von Erkrankungen, die zwingend das quantitative Leistungsvermögen vor August 2008, d.h. vor Eintritt der Voraussetzungen für die Altersrente, minderten.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zur Überzeugung des SG könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Das SG stütze seine Überzeugung auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. K ... Die im Klageverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. J., der Psychiaterin H. und des Hausarztes Dr. E. vermögen diese Leistungseinschätzung nicht zu erschüttern. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 3.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.12.2010 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG liege bei ihm eine volle Erwerbsminderung vor. Aufgrund der Beschwerden auf orthopädischem Gebiet halte Dr. J. lediglich eine Leistungsfähigkeit von vier Stunden täglich für gegeben. Dr. E. halte ihn aufgrund der Einschränkungen von Seiten des Bewegungsapparates und der zunehmenden Depression nur noch für drei Stunden täglich leistungsfähig. Die Psychiaterin H. gehe aufgrund der Schwere der depressiven Erkrankung sowie der orthopädischen Erkrankungen von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden pro Tag aus.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunkt zuließen. Sie verweise am auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat den Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet begutachten lassen. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat im Gutachten vom 10.8.2011 beim Kläger eine Dysthymia und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei degenerativen HWS- und LWS-Funktionsstörungen ohne neurologische Defizite diagnostiziert. Er hat ausgeführt, im Vordergrund des Beschwerdebildes stehe aktuell ein depressives Syndrom, das den Kriterien einer Dysthymia entspreche und nicht den Schweregrad einer depressiven Episode erreiche. In therapeutischer Hinsicht sei auffällig, dass seit einem Jahr keine weiteren Konsultationen bei der Ärztin für Psychiatrie durchgeführt worden seien, was gegen einen erhöhten Leidensdruck spreche. Die regelmäßige Einnahme des Antidepressivums Doxepin scheine hier eine genügende Stabilisierung zu bewirken. Orthopädische Behandlungen nehme der Kläger nur bedarfsweise bei zunehmenden Beschwerden in Anspruch. Unter Berücksichtigung der Tagesstrukturierung und der sich darin widerspiegelnden Ressourcen ließen sich sowohl von Seiten der depressiven Störung als auch von der chronischen Schmerzstörung keine wesentlichen Beeinträchtigungen ableiten. Leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung könne der Kläger noch sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden seien schwere und andauernd mittelschwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 7 kg, Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, mit gleichförmiger Körperhaltung, mit Zwangshaltungen im HWS-und LWS-Bereich, mit häufigem Bücken und Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte und im Freien sowie unter Zeitdruck und Stressbelastung wie Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten. Der Kläger sei in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verbunden seien.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bzw. der ab 1.9.2008 gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2011, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).

Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens des Orthopäden Dr. K. vom 3.3.2008 und des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 10.8.2011.

Beim Kläger liegen vor allem Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet vor. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um ein Wirbelsäulensyndrom, ein Schulter-Arm-Syndrom, Hüftgelenksbeschwerden sowie um ein depressives Syndrom bzw. eine Dysthymia.

Diese Gesundheitsstörungen führen zwar zu qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens, weswegen dem Kläger aufgrund eines Leistungsfalls vom 19.3.2002 auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gewährt wird, hindern ihn jedoch nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender bzw. wechselnder Körperhaltung mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu verrichten.

Die auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen schließen schwere, kniende, hockende und gebückte Tätigkeiten sowie Arbeiten mit Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, unter Einwirkung von Kälte und Nässe sowie Überkopfarbeiten und Tätigkeiten im Freien aus. Die auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehenden Erkrankungen lassen Tätigkeiten unter Zeitdruck und Stressbelastung wie Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten nicht mehr zu.

Den abweichender Leistungsbeurteilungen der behandelnden Ärzte des Klägers vermag sich der Senat - ebenso wie das SG - nicht anzuschließen.

Der Chirurg Dr. J. hat keine Gründe genannt, warum der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender bzw. wechselnder Körperhaltung nicht mehr verrichten können sollte. Darüber hinaus hat er in der Zeugenaussage vom 7.1.2009 angegeben, dass im Laufe der Behandlung des Klägers seit Juli 1997 keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Sowohl bei den gutachterlichen Untersuchungen im Jahr 2005 (Gutachten von Dr. L. vom 9.2.2005 und 8.11.2005) als auch im Jahr 2008 (Gutachten von Dr. K. vom 3.3.2008) konnten die Gutachter keine derart gravierenden Funktionseinschränkungen auf chirurgischen-orthopädischem Gebiet feststellen, die zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens geführt hätten. Vielmehr hat Dr. K. darauf hingewiesen, dass zwar bei der Überprüfung des Bewegungsspiels der großen und kleinen Gelenke der Extremitäten sowie des Achsenorgans zunächst starke Funktionseinschränkungen gezeigt wurden, die jedoch im weiteren Untersuchungsgang und bei Spontanbewegungen nicht bestätigt werden konnten. Hierbei zeigten sich lediglich leichte Funktionseinschränkungen, die durch die geringen radiologischen nachgewiesenen Verschleißerscheinungen erklärt werden konnten. Angesichts dessen hat auch Dr. S. zu Recht darauf hingewiesen, dass Dr. J. die von ihm genannten Leistungseinschränkungen nicht mit objektivierbaren Gesundheitsstörungen des Klägers begründet, sondern lediglich mit Beschwerden.

Die auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, die depressive Störung und die chronische Schmerzstörung, führen ebenfalls zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung. Eine dauerhaft schwere depressive Erkrankung ist beim Kläger nicht feststellbar. Vielmehr handelt es sich bei ihm um eine Dysthymia. Hierbei fühlen sich die Betroffenen zwar oft tagelang müde, abgeschlagen, lustlos, sind aber in der Lage, mit den Anforderungen des Alltags fertig zu werden. Auch erreicht der Schweregrad einer Dysthymia nicht den einer depressiven Episode, wie der Sachverständige Dr. N. dargelegt hat. So war der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. K. im Februar 2008 zunächst dysphorisch-moros verstimmt. Im weiteren Untersuchungsgang war er durchaus auslenkbar und keinesfalls tiefergehend depressiv verstimmt. Eine schwere depressive Erkrankung lässt sich aus den Angaben der Psychiaterin H. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 12.3.2009 nicht ableiten, die im Wesentlichen die vom Kläger geschilderten Beschwerden wiedergibt und die im Arztbrief vom Dezember 2008 auch keine mittelgradige und erst recht keine schwere depressive Episode diagnostiziert hat, sondern Angst und Depression gemischt. Darüber hinaus hat Dr. S. auch darauf hingewiesen, dass Behandlungen durch die Psychiaterin lediglich in größeren Abständen stattfanden und nur medikamentös behandelt wurde, worunter eine Besserung des Schlafs erreicht werden konnte. Durch das bei dem Neurologen und Psychiater Dr. N. eingeholte Gutachten wurde die Leistungseinschätzung der behandelnden Psychiaterin widerlegt. Neben den Leistungseinschränkungen, die schon aufgrund des orthopädischen Befundes zu beachten sind, führen die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet lediglich dazu, dass dem Kläger auch Tätigkeiten unter Zeitdruck und Stressbelastung nicht mehr zumutbar sind.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung liegt beim Kläger nicht vor. Vielmehr ist er in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von über 500 m in zumutbarer Zeit zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen und sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verbunden sind.

Da der Kläger ab 1.9.2008 Altersrente für schwer behinderte Menschen bezieht, kann lediglich ein zuvor eingetretener Leistungsfall wegen voller Erwerbsminderung zu einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führen. Nach § 34 Abs. 4 SGB VI (in der 1.1.2008 geltenden Fassung) ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgeschlossen.

Nach alledem ist der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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