L 10 R 867/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 968/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 867/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.11.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der am 1954 geborene Kläger arbeitete nach dem Abschluss seiner Lehre zum Maschinenschlosser in den Jahren 1979 bis 1998 als angelernter Zahntechniker. Von Mai 1999 bis Juni 2003 war er als Formpolierer im Werkzeugbau mit - nach eigenen Angaben (Bl. 45 ff. S 10 R 2173/05, Bl. 32 VA) - überwiegend Handlangerarbeiten beschäftigt. Seither fand er keinen Wiedereinstieg mehr in das Berufsleben. Seine Ehefrau arbeitet vollschichtig als Altenpflegerin. Im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Ehefrau hat - nach eigenen Angaben des Klägers - ein Rollentausch stattgefunden (Bl. 123 SG-Akte). Bis auf das Bügeln kümmert er sich um die Belange des (Vier-Personen-)Haushalts wie beispielsweise das Putzen, Kochen, Waschen und - mit dem Auto - Einkaufen gehen. Sein Vorsatz ist immer, dass er, wenn er am Abend auf den Tag zurückblickt, sagen kann, etwas "Gescheites" geschafft zu haben (Bl. 192 SG-Akte). Mit seiner Ehefrau unternahm er in den Jahren 2008 und 2009 einwöchige Urlaubsreisen in der Schweiz bzw. in Österreich, auch um ein bisschen zu wandern (Bl. 125, 195 SG-Akte). Er meisterte die Pflege seiner an Demenz erkrankten, im Jahr 2008 verstorbenen Mutter (Bl. 124 SG-Akte).

Hinsichtlich des orthopädischen Fachgebiets leidet der Kläger im Wesentlichen bei einem Zustand nach einer Ober- und Unterschenkelfraktur links im Jahr 1973 und Implantation einer medialen Schlittenprothese im Jahr 2003 an einer medial betonten Gonarthrose links, einer Sprunggelenksarthrose links, einer Coxarthrose links, an einer chronischen Lumbalgie bei leichten degenerativen Veränderungen ohne Neurologie sowie - bei degenerativen Veränderungen - an Beschwerden der unteren Halswirbelsäule (u.a. Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. D. Bl. 93 SG-Akte, Attest des Orthopäden Dr. H. vom Juli 2011 Bl. 42 LSG-Akte). Daneben besteht auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine Gesundheitsstörung, die im Wesentlichen als Dysthymie (Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und damaligem Chefarzt des Klinikums am W. Dr. H. Bl. 55 S 10 R 2173/05, Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin M. Bl. 133 SG-Akte) bzw. Neurasthenie (Gutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. H. Bl. 207 SG-Akte) diagnostiziert wurde. Das Beschwerdebild wurde auch als mittel bis schwer ausgeprägte Beeinträchtigung der geistig-seelischen und sozialen Fertigkeiten beschrieben (Gutachten Dr. B. Bl. 114 S 10 R 2173/05). Dr. H. hat zudem eine dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung gesehen.

Den Rentenantrag des Klägers vom 21.10.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 u.a. gestützt auf das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. E. ab. Sie hatte den Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet, seiner letzten, überwiegend stehenden Tätigkeit im Werkzeugbau nachzugehen. Im Übrigen war sie jedoch von der Fähigkeit des Klägers, zumindest leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und zeitweise stehend und gehend, mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, ausgegangen. Im nachfolgenden Klageverfahren (S 10 R 2173/05) bestätigten der Sachverständige Dr. H. und der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Sachverständige Dr. B. im Wesentlichen das von Dr. E. beschriebene Leistungsvermögen ebenso wie Dr. H. als sachverständiger Zeuge. Lediglich der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. sah das Leistungsvermögen des Klägers, der es an manchen Tagen morgens nicht aus dem Bett schaffe und sich in die Vorstellung, in Rente zu kommen, fest verhakt habe, auf unter sechs Stunden reduziert. Im Dezember 2006 nahm der Kläger die Klage zurück.

Am 22.08.2007 beantragte er bei der Beklagte die "Neubescheidung" seines Antrages vom Oktober 2004. Mit Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des dem Kläger am 27.02.2008 zugegangenen Widerspruchsbescheids vom 21.02.2008 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch, ohne im Einzelnen auf die gesetzliche Regelung einer Rücknahmeentscheidung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einzugehen, ab. Sie stützte sich auf das neu eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. M. v. V. und führte aus, die letzte Beschäftigung als Formpolierer sei dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen. Der Kläger müsse sich auf sämtliche angelernten und ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisen lassen.

Deswegen hat der Kläger am 26.03.2008 beim Sozialgericht Heilbronn erneut Klage erhoben.

Auf den gerichtlichen Hinweis, es fehle noch eine Entscheidung nach § 44 SGB X, hat die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2008 den Antrag vom 22.08.2007 als Überprüfungsantrag abgelehnt.

Das Sozialgericht hat Dr. H. und Dr. G. als sachverständige Zeugen befragt und Dr. D. , den Nervenarzt M. , sowie auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG Dr. H. mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. H. und Dr. G. haben den Kläger wegen einer massiven Schmerzhaftigkeit des Knie- und Sprunggelenks, eines autonomen massiven Schmerzsyndrom, starker Rückenschmerzen sowie einer schweren neurotischen Entwicklung mit zwanghaft depressiven Elementen nicht mehr für erwerbsfähig erachtet. Dr. H. hat den Kläger auch nicht mehr in der Lage gesehen, vier Mal täglich eine Strecke von 500 Meter in jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen (s.g. Wegefähigkeit).

Dr. D. hat rein stehende und gehende Tätigkeiten, Tätigkeiten in knieender oder Hockstellung, das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sowie Tätigkeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, in Nässe, Kälte und Zugluft und mit regelmäßigem Treppengehen nicht mehr für zumutbar erachtet. Er hat eine überwiegende sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit, immer wieder aufzustehen und umherzugehen, wie z.B. bei einer Bürotätigkeit oder einer sitzenden feinmechanischen Tätigkeit empfohlen. Eine solche Tätigkeit könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich durchführen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er, nachdem im Rahmen der Untersuchung keine wesentlichen Einschränkungen bei den Stand- und Gangformen aufgefallen wären und der Kläger auch angegeben hatte, täglich 15 bis 20 Minuten mit Walking-Stöcken zu gehen, nicht gesehen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. hat darüber hinaus wegen der psychischen Störung Nachtschichtarbeiten, Tätigkeiten unter sehr hohem Zeitdruck sowie mit hohen Anforderungen an die emotionale Belastbarkeit (z.B. pflegerische Tätigkeiten) ausgeschlossen. Im Übrigen bestünden seitens des nervenärztlichen Fachgebietes keine Einschränkungen für die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten sowohl als Maschinenschlosser wie auch in einem Dentallabor. Er hat das von Dr. D. beschriebene zeitliche Leistungsvermögen bestätigt. Hingegen hat Dr. H. den Kläger wegen einer Einschränkung in der Stressbelastbarkeit nur noch für in der Lage erachtet, seit ca. 1999 weniger als sechs Stunden täglich einer Arbeit nachzugehen. Vom Vorliegen der Wegefähigkeit ist auch Dr. H. ausgegangen. Für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten hat Dr. L. gegen das Gutachten von Dr. H. eingewandt, der beschriebene psychopathologische Befund sei knapp und unauffällig, die eingesetzten Fragebögen nicht validiert. Der dargestellte Ausprägungsgrad der Einschränkungen sei nicht nachvollziehbar und ohne Auseinandersetzung mit der Belastbarkeit des Klägers im Alltag auf die Selbstbeurteilung des Klägers gestützt.

Mit Urteil vom 24.11.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 12.09.2008 nicht Verfahrensgegenstand geworden und eine Klageerweiterung insoweit unzulässig sei. Im Übrigen stehe dem Kläger, der keinen Berufsschutz geltend machen könne, keine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu. Das Sozialgericht hat sich auf die Gutachten von Dr. D. , dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. , Dr. H. , Dr. B. , Dr. M. v. V. sowie auf die Einwendungen von Dr. L. gegen das Gutachten von Dr. H. gestützt. Dr. H. habe den Eintritt des Leistungsfalles auf ca. 1999 bestimmt, ohne hierfür eine medizinische Grundlage zu haben. Er habe keine ausreichende Begründung geliefert, weswegen er in der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens von den zahlreichen Vorgutachtern abgewichen sei. Insbesondere fehle eine Auseinandersetzung mit der Belastbarkeit des Klägers im Alltag. Den hilfsweise gestellten Antrag, Dr. H. mündlich zu hören, hat das Sozialgericht abgelehnt, da sachdienliche Fragen, die dem Sachverständigen ergänzend gestellt werden sollten, nicht formuliert worden seien.

Gegen das ihm am 01.02.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.03.2011 Berufung eingelegt.

Der Senat hat Dr. H. ergänzend zu den Einwendungen von Dr. L. befragt. Er hat mitgeteilt, die Diagnose einer Neurasthenie zweifelsfrei gestellt zu haben. Fragebogen-Hinweise auf Aggravation sehe er im Rahmen häufig vorkommender Verdeutlichungstendenzen bei somatoformen Störungen. Das Symptom einer raschen geistigen und körperlichen Ermüdbarkeit mit Stimmungsumschwung begründe nicht nur qualitative sondern auch quantitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, auch wenn die Alltagstauglichkeit eine befriedigende Anpassung an Alltagsanforderungen im häuslichen Umfeld widerspiegle. Ferner hat er die Bedeutung der Psychodynamik für die Erklärung des Entstehungszusammenhangs sowie für die Prognose erklärt.

Der Kläger hat das Attest von Dr. H. vom 04.07.2011 vorgelegt, in dem dieser von einer "tendenziellen Verschlechterung" im Verlauf der Behandlung des letzten Jahres spricht (Bl. 42 LSG-Akte). Er trägt weiter vor, die von Dr. H. beschriebene Verschlechterung bedinge die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung. Ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen sei jedoch schon auf Grund der Feststellungen von Dr. H. bereits seit dem Jahr 1999 gegeben. Es seien keine Tatsachen gegeben, die es dem Gericht gestatten würden, auf Grund eigener Sachkunde von einer Unrichtigkeit oder Nicht-Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. H. auszugehen. Soweit bemängelt werde, die Feststellung von Dr. H. beruhe nicht auf objektivierten klinischen Befunden, sondern lediglich auf seinen Schilderungen, entspreche dies nicht den Tatsachen. Dieser Einwand enthülle eine deutliche Unkenntnis über das Untersuchungsinstrumentarium im Bereich psychosomatischer Begutachtung sowie der dabei zu beachtenden Methodik. Dr. H. habe sich nicht auf die Auswertung von Fragebögen beschränkt, sondern zur Validierung der in den eigenen Untersuchungen erworbenen Erkenntnisse zusätzlich eine testpsychologische Zusatzbegutachtung mit ausführlicher Darlegung vorgenommen. Ein Rückschluss aus noch verbliebenen Fähigkeiten, Dinge des privaten und häuslichen Bereichs zu erledigen, auf die Restleistungsfähigkeit für einfache Tätigkeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes sei nach der einschlägigen Fachliteratur (vgl. Näheres Bl. 223 SG-Akte) unzulässig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 und des Bescheides vom 12.09.2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 zurückzunehmen und eine Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 01.10.2004 zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 zu verurteilen, eine Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 01.08.2007 zu gewähren hilfsweise Dr. H. als sachverständigen Zeugen zu vernehmen, weiter hilfsweise Dr. H. zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, höchst hilfsweise ein weiteres Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte sieht keine Veranlassung, ihre Entscheidung in Frage zu stellen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist nicht nur der Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008, sondern auch - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - der Bescheid vom 12.09.2008. Schon im Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 traf die Beklagte auch unter dem Blickwinkel der Überprüfung der vorangegangenen, bestandskräftig gewordenen Rentenablehnung eine umfassende Entscheidung über den Antrag vom 22.08.2007, der ausdrücklich als "Neubescheidungs"-Antrag unter Nennung des Antragsdatums "21.10.2004" gestellt worden war. Bereits aus dem Antrag vom 22.08.2007 ging klar hervor, dass der Kläger eine umfassende Neuprüfung für die Zeit ab Oktober 2004 wünschte. Hierüber entschied die Beklagte im Bescheid vom 24.09.2007, ohne Nennung konkreter Zeiträume umfassend, auch wenn sie keine Ausführungen zu § 44 SGB X machte. Im Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 tauchte immerhin in der Darstellung des Sachverhalts der vom Kläger gestellte Antrag auf eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X auf. Zwar wird in dessen Begründung wiederum nicht näher darauf eingegangen. Gleichwohl ist auch der Widerspruchsbescheid als umfassende Entscheidung auch für Zeit vor dem 22.08.2007 zu verstehen. Liegt aber somit mit dem Bescheid vom 24.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008 auch eine Entscheidung nach § 44 SGB X vor, ist der nach dem gerichtlichen Hinweis erlassene Bescheid der Beklagten vom 12.09.2008 gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Mithin prüft der Senat umfassend, ob hinsichtlich der bestandskräftig gewordenen Rentenablehnung vom 18.01.2005 ein Anspruch des Klägers auf Rücknahme gemäß § 44 Abs. 1 SGB X besteht oder - auf den Hilfsantrag des Klägers - ob - auf Grund einer Änderung der Sach- und Rechtslage - nach den bestandkräftig gewordenen Entscheidung vom 08.01.2005 und 28.06.2005 ein Rentenanspruch des Klägers neu entstanden ist.

Hinsichtlich der Zeit ab dem 01.08.2007 hat das Sozialgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da dem Kläger kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht. Soweit das Sozialgericht für die Zeit ab dem 01.10.2004 zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, führt dies im Ergebnis zu keiner günstigeren Entscheidung für den Kläger. Denn auch für die Zeit ab dem 01.10.2004 bestand zur Überzeugung des Senats kein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, so dass sich auch insoweit die Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig erweist.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass beim Kläger keine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens vorliegt. Unter Berücksichtigung der Gutachten von Dr. D. und des Neurologen und Psychiaters M. aber auch unter Berücksichtigung der bereits im vorherigen Klageverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. B. sowie dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. M. v. V. hat es sich nachvollziehbar die Überzeugung gebildet, dass der Kläger trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen (medial betonte Gonarthrose links, beginnende Sprunggelenksarthrose links sowie eine initiale Coxarthrose links mit rezidivierender Trochantertendinose, Beschwerden an der unteren Halswirbelsäule sowie einer Dysthymia) überwiegend sitzende Tätigkeiten mit der Möglichkeit, immer wieder aufzustehen und umherzugehen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne Nachtschichtarbeit, Arbeiten unter sehr hohem Zeitdruck sowie hohen Anforderungen an die emotionale Belastbarkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Das Sozialgericht hat sich unter umfassender Darstellung der maßgeblichen Gründe nicht der in zeitlicher Hinsicht abweichenden Auffassung von Dr. H. angeschlossen. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und weist die Berufung zur Vermeidung weiterer Wiederholungen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Von dem eben beschriebenen (Mindest)Leistungsvermögen geht der Senat für die Zeit ab dem 01.10.2004 aus und stützt sich dabei auf die damals eingeholten - durchgängig zumindest dieses Leistungsvermögen bestätigenden - Gutachten (u.a. Dr. D. , Psychiater M. , Dr. H. , Dr. B. ). Damit ging die Beklagte bei Ablehnung des Rentenantrages aus dem Jahre 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt aus.

Soweit gelegentlich (Dr. M. v. V. , Dr. H. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem Sozialgericht) die Wegefähigkeit in Zweifel gezogen worden ist, hat sich eine derartige Einschränkung in der weiteren Sachaufklärung nicht bestätigt. So hat Dr. D. insoweit keine Beeinträchtigung gesehen, was angesichts der vom Kläger bei seiner Untersuchung demonstrierten Fähigkeiten in den verschiedenen Gang- und Standarten (nur leichtes Linkshinken, etwas eingeschränktes Abrollverhalten des linken Fußes einerseits, normale Schrittlänge, keine Steh- und Gehunsicherheit andererseits) überzeugt. Auch der Kläger selbst hat diese Beurteilung nicht in Zweifel gezogen, er hat vielmehr gegenüber Dr. D. angegeben, 15 bis 20 Minuten täglich mit Walking-Stöcken zu gehen und er hat auch Urlaub mit Wanderungen - so die Angaben gegenüber dem Sachverständigen M. - geplant. Schließlich hat auch Dr. H. insoweit keine Einschränkungen angenommen. Dr. M. v. V. hat seine Beurteilung allein auf die Angabe des Klägers gestützt, nach 200 m Gehstrecke Unterarmgehstützen zu benötigen. Der Gutachter hat dabei übersehen, dass bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten u.a. alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.), so dass die Notwendigkeit, Gehstützen zu benutzen, keine Einschränkung der Wegefähigkeit begründet.

Den Ausführungen des Sozialgerichts zum nicht gegebenen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist anzufügen, dass ein Berufsschutz des Klägers auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich mit seiner letzten Tätigkeit wieder im Bereich seines ursprünglichen Ausbildungsberufs bewegte, nicht in Betracht kommt. Denn der Kläger hat selbst angegeben, dass er nach der langjährigen Unterbrechung der Tätigkeit in diesem Bereich im Wesentlichen nur mit Handlangerarbeiten betraut wurde. Im Übrigen könnte der Kläger, einen Berufsschutz unterstellt, zumutbar auf seine knapp zwei Jahrzehnte hinweg ausgeübte Tätigkeit als angelernter Zahntechniker verwiesen werden. Dr. D. hat für den Senat nachvollziehbar ein ausreichendes Leistungsvermögen für eine sitzende feinmechanische Tätigkeit beschrieben.

Zu den im Berufungsverfahren neu gewonnenen Erkenntnissen sowie dem Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen:

Dr. H. ist es auch mit seiner Stellungnahme vom 09.07.2011 nicht gelungen, die aus Sicht des Senats berechtigten Einwände von Dr. L. gegen sein Gutachten zu entkräften und eine überzeugende Begründung für seine Leistungsbeurteilung zu geben.

Soweit Dr. H. ausgeführt hat, die Diagnose einer Neurasthenie zweifelsfrei gestellt zu haben, kommt dem, wie Dr. L. zu Recht ausgeführt hat, hinsichtlich der insoweit abweichenden Diagnosestellung der anderen Sachverständigen (Dysthymie) nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Entscheidend für die Frage der Rentengewährung ist nicht in erster Linie die Diagnose einer vorhandenen gesundheitlichen Störung oder Behinderung, sondern maßgebend sind die damit einhergehenden funktionellen Einschränkungen, also der Ausprägungsgrad der Störung und die daraus entstehenden Auswirkungen auf die Belastbarkeit. Der insoweit von Dr. H. erhobene psychische Befund ist, worauf Dr. L. im Wesentlichen zutreffend hingewiesen hat, aber weitgehend unauffällig. Dr. H. hat lediglich eine "etwas umständliche" Problemdarstellung, eine lediglich themenabhängig besorgte, bedrückte oder wütende, ansonsten aber ausgeglichene Stimmungslage und - anamnestisch - Schlafstörungen bei Grübelneigung, interaktionell erhöhte Kränkbarkeit und eine umständliche bis zwanghafte Tagesgestaltung beschrieben. Im Übrigen hat sich ihm der Kläger aber wach, vollständig orientiert, sehr freundlich, zugewandt und auskunftsbereit mit lebendiger Mimik und Gestik ohne Defizite der Merkfähigkeit gezeigt. Die Problemdarstellung ist chronologisch erfolgt. Konzentration, Auffassung und Durchhaltevermögen sind nicht beeinträchtigt gewesen. Dr. H. hat den Kläger als überwiegend ausgeglichen und zukunfts- und bewältigungsorientiert erlebt. Angesichts dieser Befundlage - keine Defizite in der Merkfähigkeit, der Konzentration, der Auffassung und im Durchhaltevermögen - fehlen für die von Dr. H. in der ergänzenden Stellungnahme als Begründung für die angenommene zeitliche Leistungseinschränkung angegebene rasche geistige und körperliche Ermüdbarkeit mit Stimmungsumschwung die tatsächlichen Grundlagen. Schon deshalb kann der Leistungsbeurteilung von Dr. H. nicht gefolgt werden. Damit kommt es auf die Frage, ob aus Fähigkeiten im privaten Leben auf eine entsprechende berufliche Einsetzbarkeit geschlossen werden kann, im Grunde nicht mehr an.

Soweit Dr. H. seine Beurteilung auf die Ergebnisse der testpsychologischen Fragebögen stützt, ist dies unzureichend. Dr. H. hat selbst in seiner ergänzenden Stellungnahme nochmals auf die bereits aus seinem Gutachten hervorgehende Aggravation ("deutliche Verdeutlichungstendenzen" Bl. 205 SG-Akte) bei der Ausfüllung der Fragebögen aufmerksam gemacht hat. Es ist nicht ersichtlich, dass er den Hinweisen auf Verdeutlichungstendenzen durch ein kritisches Hinterfragen der Angaben des Klägers im notwendigen Umfang Rechnung getragen hat. Dr. H. hat lediglich angegeben, solche Hinweise auf Aggravation häufig bei somatoformen Störungen zu finden. Für eine weitergehende kritische Hinterfragung der Angaben des Klägers hätte jedoch dringender Anlass bestanden. Denn schon Dr. G. führte im September 2005 aus, der Kläger habe sich in die Vorstellung, in Rente zu kommen, fest verhakt und auch der Neurologe und Psychiater M. hat testpsychologisch eine Aggravation nachgewiesen.

Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar und hierauf hat Dr. L. ebenfalls hingewiesen, warum die von Dr. H. angenommene Einschränkung schon seit dem Jahr 1999 vorliegen soll. Diese Einschätzung steht nicht nur mit allen früheren Gutachten, sondern sogar mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Widerspruch. Denn der Kläger war bis in das Jahr 2003 in Vollzeit (vgl. die Arbeitgeberauskunft Bl. 32 VA: 7,4 Stunden an fünf Tagen die Woche) erwerbstätig und er hat sogar selbst bei Dr. H. angegeben, während den Jahren seiner Berufstätigkeit bis Juni 2003 kaum Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gehabt zu haben (Bl. 198 SG-Akte).

Soweit der Kläger zur Verteidigung der Leistungsbeurteilung von Dr. H. meint, aus Fähigkeiten im privaten Leben dürften keine Rückschlüsse auf eine entsprechende berufliche Einsetzbarkeit gezogen werden, trifft dies - unabhängig davon, dass es hierauf nach dem Vorgesagten nicht ankommt - nicht zu. Alle Sachverständigen haben sich mit der "Alltagstauglichkeit" des Klägers auseinandergesetzt und diese im Rahmen der von ihnen vorgenommenen Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens bewertet. Selbst Dr. H. vertritt die vom Kläger vertretene Auffassung nicht. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat er vielmehr - im Versuch den Einwänden von Dr. L. Rechnung zu tragen - die Alltagstauglichkeit des Klägers als der angenommenen qualitativen Leistungseinschränkung widersprechend, wenn auch diese nicht widerlegend, berücksichtigt.

Die sozialmedizinische Annahme einer Leistungseinschränkung im Erwerbsleben kann sich auch nicht nur auf den aktuellen psychischen Befund stützen, sondern muss in der Zusammenschau aller erhobenen Befunde und Informationen erfolgen. Auch Persönlichkeitsfaktoren bzw. personenbezogene Kontextfaktoren spielen für die gutachterliche Beurteilung eine wichtige Rolle. Beispiele sind hier Aspekte der Krankheits- und Alltagsbewältigung, der sozialen Kompetenz und der sozialen Integration. Sofern psychopathologische Symptome festgestellt werden, ist abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. posttraumatische Belastungsstörung nach schwerem Unfall/Überfall am Arbeitsplatz) zu erwarten, dass diese sich nicht nur hinsichtlich der Teilhabe am Erwerbsleben auswirken, sondern auch mit Beeinträchtigungen in Privatsphäre und Freizeitgestaltung einher gehen (Foerster u.a. in Deutsche Rentenversicherung, Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 7. Auflage, S. 547 ff.). Bei einer für die Leistungsbeurteilung vorzunehmenden Zusammenschau sind deshalb neben den Beschwerdeangaben und dem objektiven Befund, einschließlich verwertbarer testpsychologischer Ergebnisse, auch die Alltagskompetenzen zu berücksichtigen, weil sie die geistigen und körperlichen Fähigkeiten widerspiegeln, über die der Versicherte tatsächlich noch verfügt. Wenn sich diese sogar als ausgeprägt gut vorhanden erweisen - und davon ist angesichts des vom Kläger selbst angegebenen Rollentauschs im Haushalt und der langen Pflege seiner Mutter auszugehen - ist eine - bei der Beurteilung von Dr. H. fehlende - argumentative Darlegung, weswegen die berufliche Leistungsfähigkeit ggf. dennoch rentenrelevant eingeschränkt sein soll, zwingend erforderlich. Dies gilt erst recht, wenn, wie beim Kläger hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf dem psychiatrischen Fachgebiet der Fall, aus den erhobenen Befunden nicht auf gravierende Beeinträchtigungen geschlossen werden kann. Kommen dann noch - wie von Dr. L. dargestellt - eher niederfrequente therapeutische Maßnahmen hinzu, kann die von Dr. H. angenommene Schwere des Krankheitsgeschehens nicht nachvollzogen werden.

Der vom Kläger herangezogenen Veröffentlichung von M. Fabra "So genannte komplexe Ich-Funktionen, psychischer Querschnittsbefund und Einschätzung des Leistungsvermögens in der Begutachtung psychogener Erkrankungen (II)" (Versicherungsmedizin 57 [2005], 178; Bl. 60 LSG-Akte) kann nicht entnommen werden, dass aus Alltagskompetenzen keine Rückschlüsse auf das berufliche Leistungsvermögen gezogen werden dürfen. Vielmehr unterstreicht der Autor die Forderung nach einer integrierenden Betrachtung der Befunde zusammen mit anamnestischen Angaben und der Aktenlage - so wie es zur Überzeugung des Senats alle hier tätig gewordenen Sachverständigen und Gutachter getan haben.

Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich.

Das im Berufungsverfahren vorgelegte Attest von Dr. H. vom 04.07.2011 gibt keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Zum einen hat Dr. H. von einer "tendenziellen Verschlechterung" berichtet, was gegen eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes spricht. Zum anderen weichen die von ihm gestellten Diagnosen nur geringfügig von jenen ab, die Dr. D. in seinem Gutachten aufgeführt hat (nunmehr zweitgradige Coxarthrose links anstelle einer initialen Coxarthrose und eindeutige Diagnose eines Wurzelreizsyndroms an der linken Halswirbelsäule statt der von Dr. D. gestellten Verdachtsdiagnose). Schließlich kommt es maßgeblich - wie bereits erwähnt - nicht auf gestellte Diagnosen, sondern auf funktionelle Beeinträchtigungen an. Insoweit hat Dr. H. über eine Zunahme lumboischialgieformen Schmerzzustände sowie des Taubheitsgefühls und der Schwellneigung im linken Bein berichtet. Indessen bieten diese Abweichungen vor dem Hintergrund der ohnehin zu Grunde gelegten qualitativen Einschränkungen auf eine überwiegend sitzende Tätigkeit ohne Heben von Lasten mit mehr als 15 kg keine Ansatzpunkte dafür, dass darüber hinaus in zeitlicher Hinsicht eine relevante Veränderung des Leistungsvermögens eingetreten sein könnte.

Der Antrag des Klägers auf Vernehmung von Dr. H. als sachverständiger Zeuge wird abgelehnt. Nach dem Vorbringen des Klägers soll Dr. H. zum Nachweis der Tatsache vernommen werden, dass das Leistungsvermögen des Klägers - kurz gefasst - auf ein rentenberechtigendes Ausmaß abgesunken ist. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Tatsache, sondern um eine Wertung, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.

Die vom Kläger beantragte Ladung des Sachverständigen Dr. H. zur ergänzenden mündlichen Erläuterung seines Gutachtens wird abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht jedem Beteiligten, unabhängig von der nach § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen im Termin von Amts wegen anzuordnen, das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Die für erläuterungsbedürftig erachteten Punkte sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (§ 411 Abs. 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Die vom Beteiligten aufgeworfenen Fragen müssen objektiv sachdienlich sein. Sachdienlichkeit ist zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 09.12.2010, B 13 R 170/10 B in juris).

Dem Begehren des Klägers auf Ladung von Dr. H. zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens steht bereits entgegen, dass der Senat Dr. H. dem Wunsch des Klägers entsprechend bereits ergänzend schriftlich befragt hat. Zwar ist diese Befragung im Hinblick auf die Einwendungen von Dr. L. erfolgt. Die jetzt vom Kläger im Zusammenhang mit dem Beweisantrag Nr. 1 als erläuterungsbedürftig angesprochenen Punkte - Bedeutung der "Richtigkeit der Befragung", der Fragebögen, der Befunde und der Rückschlüsse aus "Fähigkeiten zu Alltagstätigkeiten" zur objektiven Feststellung des Leistungsvermögens - entsprechen jedoch letztlich den von Dr. L. erhobenen Einwendungen zu den "Selbstangaben", "Selbstbeurteilungsfragebögen" und dem aus ihrer Sicht knappen und relativ unauffälligen Befund bei erkennbar guten Alltagskompetenzen. Hierzu hat sich Dr. H. bereits schriftlich ergänzend - wenn auch knapp - geäußert. Ohnehin zielt der Beweisantrag Nr. 1 im Grunde auf die Frage der "Richtigkeit" der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen. Diese Frage ist aber eine Frage nach der Überzeugungskraft des Gutachtens und damit allein vom Senat zu beantworten.

Zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage Nr. 2, "dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft bei persönlichkeitsbedingt stark eingeschränkter Fähigkeit der Selbstregulation, wie sie beim Kläger vorliegt, Fähigkeiten zu Alltagstätigkeiten im Bereich der familiären Umgebung keine geeigneten zuverlässigen Rückschlüsse auf eine mindestens sechs Arbeitsstunden täglich umfassende Fähigkeit gestatten, einfache Arbeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes dauerhaft zu verrichten", ist Dr. H. ebenfalls im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme zu den Einwänden von Dr. L. bereits ergänzend befragt worden. Es ist nicht erkennbar, inwieweit eine erneute Anhörung hier weiteren Erkenntnisgewinn bringen soll. Im Übrigen kommt es auf diese Frage für die Beurteilung der Überzeugungskraft der Leistungsbeurteilung von Dr. H. - wie dargelegt - nicht entscheidend an.

Die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der vom Kläger behaupteten Leistungsminderung ist nicht erforderlich. Den Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach §§ 103, 106 SGG lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass vorliegend hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens sich widersprechende Gutachten vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Insbesondere sieht das SGG - wie die übrigen Prozessordnungen - keinen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Vielmehr ist das Gericht in der Würdigung der Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und es kann deshalb auch ohne Einholung weiterer Gutachten von einem bereits eingeholten Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B, auch zum Nachfolgenden). Ein - neues - Gutachten ist somit nur dann einzuholen, wenn das Gericht sich auf Grund der schon vorliegenden - prozessrechtlich verwertbaren - Gutachten keine hinreichend sichere Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt bilden kann und die Einholung eines Gutachtens insoweit erfolgversprechend ist (BSG, a.a.O.). Ersteres ist aber vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Denn der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht auf Grund der genannten Gutachtens davon überzeugt, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich die oben näher beschriebenen körperlichen Tätigkeiten verrichten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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