L 7 AS 1097/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 348/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1097/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Für den Senat steht fest, dass der Antragsteller mit seinem am 29. Februar 2012 beim Sozialgericht Freiburg (SG) eingegangenen, auf seine Bitte hin an das Landessozialgericht Baden-Württemberg weitergeleiteten und hier am 2. März 2012 eingegangenen Schreiben vom 27. Februar 2012 Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 1. Februar 2012 im Verfahren S 15 AS 348/12 ER eingelegt hat. Der Antragsteller hat zwar in seinem Schreiben vom 27. Februar 2012 als Aktenzeichen des von ihm angefochtenen Beschlusses ein Aktenzeichen eines beim SG bereits abgeschlossenen Verfahrens angegeben. Auf entsprechende Nachfrage des Senats hat der Antragsteller jedoch mit seinem hier am 15. März 2012 eingegangenen Schreiben vom 6. März 2012 ausdrücklich betont, dass sich seine Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 1. Februar 2012 richtet. An diesem Tag ist aber in einem Verfahren des Antragstellers lediglich der Beschluss im Verfahren S 15 AS 348/12 ER ergangen.

Die gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zu Recht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Das SG ging hierbei zu Recht davon aus, dass sich das Begehren des Antragstellers gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 richtet. Mit diesem Widerspruchsbescheid hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen das Einladungsschreiben vom 15. Juli 2009 zu einem Meldetermin am 29. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen, soweit er sich gegen die Meldeaufforderung richtet, und als unzulässig verworfen, soweit er sich gegen den Hinweis in der Meldeaufforderung zur Fahrkostenerstattung richtet.

Weiter ging das SG zu Recht davon aus, dass der Zulässigkeit des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend die Rechtskraft anderer Entscheidungen des SG nicht entgegen steht. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des SG an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2009 wurde der Antragsteller aufgefordert, am 29. Juli 2009 um 10.15 Uhr in die Arbeitsgemeinschaft Breisgau-Hochschwarzwald zu kommen, um mit ihm über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation sprechen zu können. Mit diesem Schreiben wurde der Antragsteller nach § 59 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch somit zur persönlichen Meldung beim Antragsgegner, einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44 b SGB II, aufgefordert. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 4 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen das einen Verwaltungsakt darstellende Einladungsschreiben vom 15. Juli 2009 (vgl. hierzu Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 59 Rdnr. 10 m.w.N.) keine aufschiebende Wirkung. In diesen Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund bundesgesetzlicher Regelung entfällt, ist Grundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Dieser im Begehren des Antragstellers zu sehende Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen den die Rechtmäßigkeit des Einladungsschreibens vom 15. Juli 2009 bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 gerichteten Anfechtungsklage (S 15 AS 349/12) setzt jedoch wie jede Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis voraus (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 7a m.w.N.). Hieran fehlt es vorliegend, da die im Schreiben vom 15. Juli 2009 enthaltene Aufforderung an den Antragsteller, am 29. Juli 2009 zum Antragsgegner zu kommen, sich durch Zeitablauf erledigt hat. Zudem ist der Antragsteller ausweislich des vom Arbeitsvermittler gefertigten Aktenvermerks zum Termin erschienen, wenn auch ein Beratungsgespräch aufgrund des Verhaltens des Antragstellers nicht geführt werden konnte. Das einen Verwaltungsakt darstellende Einladungsschreiben vom 15. Juli 2009 entfaltet daher ebenso wie der hierauf ergangene Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 keine Rechtswirkungen mehr. Ein Bedürfnis, insoweit einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, besteht somit nicht.

Soweit der Antragsteller in seinem Widerspruchsschreiben vom 21. Juli 2009 gegen das Einladungsschreiben vom 15. Juli 2009 "die Übernahme der Fahrtkosten und Auszahlung im Voraus" beantragt hat, richtet sich insoweit die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnunganspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Beides sind gleichberechtigte Voraussetzungen, die ein bewegliches System darstellen. Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein und umgekehrt. Völlig entfallen darf hingegen keine der beiden. Dementsprechend sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind dann in Ansehung des sich aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonderes folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 ER-B - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - (beide juris)).

Sollte der Antragsteller weiterhin - wie im Widerspruchsverfahren - die Übernahme der Fahrtkosten und Auszahlung im Voraus begehren, fehlt diesem Begehren das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Eine Übernahme der Fahrtkosten und Auszahlung im Voraus, also vor dem Meldetermin am 29. Juli 2009 ist aufgrund Zeitablaufes nicht mehr möglich. Insoweit hat sich das Begehren erledigt. Sollte der Antragsteller (nunmehr) im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtschutzes die (vorläufige) Erstattung etwaiger ihm aufgrund der Wahrnehmung des Meldetermins am 29. Juli 2009 entstandener Fahrtkosten begehren, fehlt es insoweit an dem hierfür erforderlichen Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass und aus welchem Grund ihm ein Abwarten einer entsprechenden Entscheidung des Antragsgegners über die Erstattung von Fahrtkosten nicht zugemutet werden kann. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit ist vorliegend insoweit nicht zu erkennen.

Auch hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers, festzustellen, dass die Frist für effektiven Rechtschutz wegen der langen Verfahrensdauer überschritten worden ist, fehlt es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG in entsprechender Anwendung), denen er sich in vollem Umfang anschließt.

Das SG hat auch den Antrag, im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtschutzes eine höhere Regelleistung sowie Schadensersatz zu gewähren ebenso zutreffend abgelehnt, wie die Gewährung von Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13. Mai 2011 - BGBl. I, Seite 850). Auch insoweit schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in vollem Umfang an und nimmt hierauf gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug.

Auch den im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gestellten Antrag des Antragstellers auf Aussetzung nach § 149 Abs. 1 der Zivilprozessordnung hat das SG aus den zutreffenden Gründen seiner Entscheidung zu Recht abgelehnt. Der beantragten Feststellung der rechtswidrigen Verfahrensweise, der Nichtigkeit, von Grundrechtsverstößen sowie der Überprüfung der Verfahrensweise und Feststellung kommt ebenso wenig wie dem Antrag auf Übernahme aller Kosten eine eigenständige Bedeutung zu, da bereits im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen überprüft wird.

Soweit der Antragsteller die Einleitung von Disziplinar- und Strafverfahren beantragt hat, handelt es sich hierbei um keine von einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheidenden Sachanträge.

Die Entscheidung des SG ist somit nicht zu beanstanden, die hiergegen gerichtete Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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