Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 5311/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 5432/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Der Tenor des Gerichtsbescheids wir insgesamt wie folgt gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 06. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 wird aufgehoben, soweit darin die Feststellung der Berufskrankheit Nr. 2108 abgelehnt worden ist. Es wird festgestellt, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden BK Nr. 2108) streitig.
Der am 19.10.1967 geborene Kläger absolvierte zunächst von 1984 bis 1987 eine Ausbildung als Gipser und Stuckateur und sodann ab August 1989 eine Ausbildung als Land-schaftsgärtner/Baumschuler bei der Firma R. in Achern, wo er anschließend bis August 1994 als Geselle im Bereich Baumschule tätig war. Von Ende 1994 bis 1998 arbeitete er bei der Firma Eberts in Baden-Baden und sodann von 1999 bis 2007 bei der Firma D. in Achern jeweils als Landschaftsgärtner. Hierbei hatte er u.a. den neuen Unternehmensbereich Landschaftsbau aufzubauen. Ab Juni 2007 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt bei ruhendem Arbeitsver-hältnis.
Am 17.11.2008 zeigte der behandelnde Orthopäde des Klägers Dr. H. der Beklagten den Verdacht des Vorliegens einer Berufskrankheit an. Dr. H. gab dabei an, der Kläger stehe seit Mai 1999 in seiner ärztlichen Behandlung wegen chronischer LWS-Beschwerden. Beigefügt waren u.a. ein Arztbrief des Kreiskrankenhauses Bühl über eine am 27.03.2008 durchgeführte Radikulopathie L5 rechts sowie S 1 links vom 20.05.2008 und Arztbriefe des Neurochirurgen Dr. B. vom 05.11.2008 und 19.11.2008 mit der Diagnose eines Bandscheibenvorfall-Rezidivs L4/5 rechts bzw. einer akuten Lumbago, die Gesamtsituation entspreche im Grunde dem präoperativen Status. Mit Schreiben vom 09.12.2008 stellte der Kläger den Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Nachdem Dr. T. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.03.2009 ausgeführt hatte, eine Berufskrankheit sei nicht anzuerkennen, weil die Verknüpfung körperlicher Belastungen mit dem Entstehen der in Rede stehenden Erkrankung wissenschaftlich nicht haltbar sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2009 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Berufskrankheiten- Liste (bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule) ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Hiergegen erhob der Kläger am 23.04.2009 Widerspruch unter Vorlage eines Arztbriefes des Neurochirurgen Dr. S. über eine mikrochirurgische Operation in Form einer dorsolateralen Dekompression links am 30.03.2009 sowie des Entlassungsberichts der O.-Klinik F. vom 17.06.2009 über eine Anschluss-Rehabilitationsmaßnahme vom 28.04.2009 bis 08.06.2009, auf die Bezug genommen wird. Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.08.2009 durch Dr. T. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2009 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Anspruch auf Entschädigung aus Anlass der Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule zutreffend abgelehnt worden, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit bestehe.
Hiergegen hat der Kläger am 21.10.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
Das SG hat Prof. Dr. C. mit der Erstattung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.06.2010 hat dieser ausgeführt, die Beschwerden des Klägers in der Lendenwirbelsäule seien ausweislich dessen Angaben sowie der Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. H. erstmals 1999 aufgetreten. Beim Kläger bestünden im Bereich der Lendenwirbelsäule reizlose Narben vorne und hinten nach mehrmaligen Bandscheiben-operationen, zuletzt Implantation von künstlichen Bandscheiben in den Segmenten L4/5 und L5/S1 im Februar 2010, mit eingeschränkter Beweglichkeit insbesondere hinsichtlich der Vor- und Rückneigung. Diesen klinischen Befunden entspreche der radiologische Befund von reizlos an korrekter Stelle platziert einsitzenden künstlichen Bandscheiben in den Segmenten L4/5 und L5/S1, diskreter rechtskonvexer Seitauslenkung der Lendenwirbelsäule mit Scheitelpunkt bei L3 und degenerativer Veränderungen der Wirbelbogengelenke in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1 sowie beginnender degenerativer Veränderungen in Form einer Verschmälerung des Bandscheibenfaches im Segment zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper. Danach be-stünden erhebliche degenerative Veränderungen, insbesondere in den letzten beiden Bewe-gungssegmenten der Lendenwirbelsäule, die seit 1999 aktenkundig seien und die zur Notwendig¬keit von mehrfachen Operationen geführt hätten. Aufgrund der Arbeitsplatzanamnese sei - auch ohne diesbezügliche Analyse des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) - davon auszugehen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt anzusehen seien. Da die bandscheiben¬bedingten Beschwerden des Klägers erstmals im Winter 1998/1999 aufgetreten seien, sei auch der notwendige Expositionszeitraum als erfüllt anzusehen.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit seien erfüllt. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung in zwei Segmenten, nämlich L4/5 und L5/S1, in Form eines lumbalen Wurzelsyndroms (Typ 2 der Konsensempfehlungen). Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren lägen nicht vor. Es könne zwar nicht festgestellt werden, ob eine Begleitspondylose vorliege, da Röntgenbilder aus der Zeit vor der operativen Behandlung nicht vorlägen. Auch ohne dieses Kriterium sei jedoch die Konstellation B 2 gegeben, da das weitere Kriterium einer Höhenminderung und/oder eines Prolaps an mehreren Bandscheiben erfüllt sei. Dies sei vorliegend der Fall in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Damit liege eine Konstellation gemäß B 2 vor, bei der nach den Konsensempfehlungen ein Zusammenhang mit der beruflichen Belastung als erfüllt anzusehen sei. Zudem sei das erstmalige Auftreten von bandscheibenbedingten Beschwerden im Alter von 31 Jahren als vorauseilend anzusehen. Zusammenfassend werde davon ausgegangen, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der BKV vorliege. Soweit Dr. T. dies verneint habe mit der Begründung, es liege keine Begleitspondylose vor, sei dies unbeachtlich, da diese nach den Konsens¬empfehlungen nicht notwendige Voraussetzung sei. Auch sei dessen Annahme, eine Höhenmin¬derung L4/5 sei erst postoperativ aufgetreten, nicht zutreffend. Die aus der Berufskrankheit resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er mit 20 v.H.
Die Beklagte ist dieser Beurteilung entgegen getreten unter Bezugnahme auf die bera-tungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vom 02.08.2010. Darin wird ausgeführt, beim Kläger bestünden, abgesehen von den geschädigten Segmenten, keine überdurchschnittlichen, dem Alter vorauseilenden spondylotischen Reaktionen. Insofern lasse sich eine Belastungskonformität des Schadensbildes nicht belegen, da eine Begleitspondylose fehle. Auch spreche das Alter des Klägers zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung eines Bandscheibenvorfalls bei L5/S1 für eine genetische Komponente. Schließlich lägen eigentlich keine Kriterien vor, die für die Existenz einer bandscheibenbedingten Erkrankung sprächen, da die Wirbelsäule frei beweglich sei und neurogene Reizerscheinungen nicht vorlägen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 21.09.2010 hat Prof. Dr. C. hierzu ausgeführt, es bleibe daran festzuhalten, dass eine Begleitspondylose nicht notwendig sei für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule. Auch das Alter des Klägers bei der erstmaligen Feststellung eines Bandscheibenvorfalles spreche nicht gegen eine berufsbedingte Verursachung und für eine genetische Komponente. Maßgeblich sei vielmehr, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung nach einem adäquatem Belastungszeitraum aufgetreten sei. Nach der Logik der Beklagten entstünden bandscheibenbedingte Erkrankungen vor dem 40. Lebensjahr aus genetischer Ursache, nach dem 40. Lebensjahr aus innerer Ursache durch Degeneration, so dass für die BK 2108 nicht mehr viel übrig bleibe. Auch sei das Argument, es sprächen keine Kriterien für die Existenz einer bandscheibenbedingten Erkran¬kung, nicht zutreffend, da der Kläger in den beiden betroffenen Etagen operiert worden sei und das - positive - Operationsergebnis mit einzubeziehen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2010 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Anerkennung dessen Wirbelsäulenerkrankung (bandscheiben-bedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 in Form eines lumbalen Wurzel-syndroms) als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Auf die Gründe des Gerichtsbescheides wird insoweit Bezug genommen.
Gegen den am 29.10.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 24.11.2010 Berufung eingelegt und zunächst vorgetragen, dass Vorliegen der arbeitstechnischen Voraus-setzungen sei bisher nicht festgestellt worden.
Auf Veranlassung des Senats hat der TAD der Beklagten daraufhin eine Arbeitsplatz-expositionsanalyse durchgeführt. In der Analyse vom 28.07.2011 hat der TAD ausgeführt, die Gesamtbelastungsdosis des Klägers in den Beschäftigungszeiträumen August 1989 bis August 1994, Ende 1994 bis 1998 und 1999 bis 2007 (insgesamt ca. 18 Jahre) betrage unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers, der Aktenlage, den Belastungsmodulen der BG Bau sowie den Erfahrungen des TAD aufgrund der Erkenntnisse bei der Betrachtung der Tätigkeitsmerkmale an Vergleichsarbeitsplätzen maximal DH = 15,92 x 106 6 Nh (= 15,92 MNh). Der bezüglich des BSG-Urteils vom 30.10.2007 festgelegte hälftige Dosiswert für Männer von DH = 12,5 x 106 Nh (= 12,5 MNh) werde im vorliegenden Fall überschritten. Die aktuell berechnete Gesamtbelastungsdosis entspreche 63,68 % des ehemaligen Dosisrichtwertes gemäß dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD). Im vorliegenden Fall sei deshalb eine eingehende medizinische Begutachtung bezüglich der BK Nr. 2108 erforderlich. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BK Nr. 2110 seien dagegen eindeutig zu verneinen.
Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. vom 07.12.2011 vorgetragen, sie sei weiterhin der Auffassung, dass kein belastungskonformes Schadensbild vorliege und damit auch keine Kausalität, die den bean-tragten Anspruch begründen könne. Die Konsensempfehlungen seien keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, sondern ein von Zugeständnissen geprägtes Papier, das den kleinsten möglichen gemeinsamen Nenner zwischen verschiedenen Lehrmeinungen enthalte und damit keine Wahrheiten verbürge.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem angefochtenen Gerichtsbescheid insoweit um ein unzulässiges, weil unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der Leistungsgewährung vollstreckungsfähigen Inhalt handeln könnte, als die Beklagte verpflichtet worden ist, dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers eine BK Nr. 2108 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen. Zwar hat der Kläger vor dem SG beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr 2108 anzuerkennen. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er damit ersichtlich jedoch nicht erheben, weil es ihm gerade um die gerichtliche Feststellung dieser BK geht. Der vom Kläger weiter gestellte Klageantrag, "die gesetzlichen Leistungen zu erbringen", war allerdings unzulässig, weil es sich bei einer Entscheidung hierüber um ein unzulässig unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der "Leistungsgewährung" vollstreckungsfähigen Inhalt handeln würde, dem neben dem Feststellungsausspruch keine eigenständige Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R; BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R - jeweils in juris). Auch im Berufungsverfahren hat der Kläger - auch nach gerichtlichem Hinweis - lediglich beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Deshalb ist über eine Leistungspflicht der Beklagten aufgrund des Versicherungsfalls der BK 2108 nicht zu entscheiden, sondern lediglich der Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheids insgesamt neu zu fassen.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach den §§ 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) erlassen, in der derzeit als BK Nr. 2108 folgende als Berufskrankheiten anerkannte Krankheiten aufgeführt sind: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Zur Feststellung einer Berufskrankheit muss generell die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schad-stoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwir-kungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 4 U 9/08 R - juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit die bloße Möglichkeit ist dagegen nicht ausreichend. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität ist auch im Recht der Berufskrankheiten der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität zu bezeichnen (vgl. BSG, a.a.O.). Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung".
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 68 m.w.N.; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-verordnung, § 9 Rn. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 43, 110, 112).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die auf die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV gerichtete Klage auch begründet bzw. die Berufung der Beklagten unbegründet.
Zunächst ist die Einwirkungskausalität der versicherten Tätigkeiten des Klägers für eine BK Nr. 2108 zu bejahen. Nach den Feststellungen des TAD der Beklagten hat die Gesamtbelastungsdosis des Klägers in den 18 Jahren, in denen er Tätigkeiten des Garten- und Landschaftsbaus im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ausgeübt hat, 15,92 MNh durch das Heben und Tragen von Lasten bzw. durch extreme Rumpfbeugehaltung betragen. Damit ist der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgebliche Grenzwert von 12,5 MNh bereits überschritten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - juris Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als der Kläger vor Aufnahme seiner Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau bereits eine Lehre als Gipser- und Stuckateur absolviert hat und in diesem Beruf auch mehrjährig tätig war, somit vor dem erstmaligen Auftreten der bandscheibenbedingten Erkrankung auch weiteren beruflichen Expositionen ausgesetzt war. Soweit der TAD ausgeführt hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer BK Nr. 2110 seien eindeutig zu verneinen, ist dies vorliegend unbeachtlich, da die Anerkennung dieser BK im Klageverfahren nicht geltend gemacht worden ist.
Die für eine BK Nr. 2108 erforderliche haftungsbegründende Kausalität ist auch wahrscheinlich. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule sind solche Erkrankungen der Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit solchen in einer kausalen Wechselbeziehung stehen. Den Tatbestand der BK Nr. 2108 erfüllen nur solche Schäden der Wirbelsäule, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule darstellen. Ein morphologisch objektivierbares Schadenssubstrat ist daher zwingend erforderlich. Die ausgelösten degenerativen Prozesse - zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht gehören - finden sich in durch bildgebende Verfahren objektivierbaren Formen wieder, die auch gemeinsam auftreten können: Chondrose, Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose, Bandscheibenprotrusion und Bandscheiben-prolaps. In den am 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwir-belsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 2011 ff. - Konsensempfehlungen -) ent-sprechen die im vollen Konsens aller Teilnehmer verabschiedeten Kriterien zur Überzeugung des Senats der gegenwärtigen herrschenden Meinung der Wissenschaft, welche der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Auch nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris Rn. 15) trägt die Orientierung an den einschlägigen Kon-sensempfehlungen dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Rechnung.
Danach ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, die ihrer Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, bei ausreichender beruflicher Belastung mit plausibler zeitlicher Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (vgl. Konsensempfehlungen Nr. 1.4, S. 216). Danach spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der Halswirbelsäule und/oder der Brustwirbelsäule je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Für den Vergleich zwischen Lenden-wirbelsäule und darüber gelegenen Wirbelsäulenabschnitten sind Chondrosen und Vorfälle maßgeblich.
Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungskriterien bejaht der Senat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Wirbelsäulenleiden des Klägers und den Belastungen seiner Wirbelsäule, denen er während seines Berufslebens ausgesetzt gewesen ist. Der Senat stützt sich hierbei auf das von Prof. Dr. C. am 24.06.2010 erstattete orthopädische Sachver-ständigengutachten sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 21.09.2010, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Beim Kläger besteht danach eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 in Form eines lumbalen Wurzelsyndroms mit einem Bandscheibenschaden in der Ausprägung Chondrose Grad II oder höher.
Nach den von Prof. Dr. C. zutreffend zugrunde gelegten Kriterien ist vorliegend die Fallkon-stellation B2 der Konsensempfehlungen erfüllt. Danach ist allen Fallgruppen der Kategorie B eine bestimmte Lokalisation und Ausprägung des Bandscheibenschadens gemeinsam. Die bandscheibenbedingte Erkrankung muss die Segmente L5/S1 und/oder L 4 /L5 betreffen und die Ausprägung des Bandscheibenschadens muss in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder in einem Vorfall bestehen. Für die Annahme der Konstellation B 2 der Konsens-empfehlungen ist darüber hinaus Voraussetzung, dass keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar sind, und bei fehlender Begleitspondylose - wie beim Kläger - zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in min¬destens zwei angrenzenden Segmenten - Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren - Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhalts-punkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betrifft die Segmente L4/5 und L5/S1. Danach ist das erste der oben genannten Kriterien erfüllt. Es sind auch keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Solche hat weder der Beratungsarzt der Beklagten noch der Sachverständige Prof. Dr. C. erkennen können, so dass nach der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen ein Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung mit der beruflichen Belastung als erfüllt anzusehen ist. Hierfür spricht auch, dass das erstmalige Auftreten von bandscheibenbedingten Beschwerden im Alter von 32 Jahren als vorauseilend anzusehen ist.
Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen, gestützt auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. T. vom 02.08.2010 und 07.12.2011, hält der Senat nicht für durchgreifend. Das Fehlen einer Begleit-Spondylose ist nicht ausreichend, um allein schon aus diesem Grund einen ursächlichen Zusammenhang zu verneinen. Denn die Konsensempfehlungen enthalten in der Konstellation B 2 gerade eine Fallkonstellation, bei welcher trotz fehlender Begleitspondylose, aber bei Vorliegen weiterer Kriterien ein Zusammenhang als wahrscheinlich anzusehen ist. Soweit weiter vorgetragen worden ist, bei den Konsensempfehlungen handele es sich nicht um wissenschaftliche Forschungsergebnisse, sondern um ein von Zugeständnissen geprägtes Papier, in welchem pathophysiologische Denkansätze mit teils fragwürdigen, fast ideologisch geprägten epidemiologischen Denkansätzen zurückgedrängt worden seien, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Als Tatsachengericht hat er unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Frage zu beantworten, ob der vom Tatbestand einer BK geforderte Ursachenzusammenhang vorliegt. Diesen Anforderungen ist Genüge getan durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Orientierung an den einschlägigen Konsensempfehlungen (BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris Rn. 15).
Die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben den Kläger auch gezwungen, alle Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten, aufzugeben. Er hat zuletzt bis zum Jahr 2007 im erlernten Beruf als Landschaftsgärtner gearbeitet und ist seither arbeitsunfähig erkrankt. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben führte nicht zu einer beruflichen Integration. In der Folgezeit waren vielmehr weitere chirurgische Eingriffe erforderlich, so eine Dekompression dorsolateral bei BSV L4/L5 links am 30.03.2009 sowie im Jahr 2010 die Implantation künstlicher Banscheiben. Ausweislich des Entlassungsberichts der O.-Klinik F. vom 17.06.2009 war der Kläger auch danach nicht in der Lage, den Beruf des Landschaftsgärtners wieder auszuüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Allein die Neufassung des Tenors des angefochtenen Gerichtsbescheids rechtfertigt es nicht, von einer vollständigen Kostenübernahme durch die Beklagte abzusehen, da hierin kein teilweises Obsiegen liegt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Tenor des Gerichtsbescheids wir insgesamt wie folgt gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 06. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 wird aufgehoben, soweit darin die Feststellung der Berufskrankheit Nr. 2108 abgelehnt worden ist. Es wird festgestellt, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden BK Nr. 2108) streitig.
Der am 19.10.1967 geborene Kläger absolvierte zunächst von 1984 bis 1987 eine Ausbildung als Gipser und Stuckateur und sodann ab August 1989 eine Ausbildung als Land-schaftsgärtner/Baumschuler bei der Firma R. in Achern, wo er anschließend bis August 1994 als Geselle im Bereich Baumschule tätig war. Von Ende 1994 bis 1998 arbeitete er bei der Firma Eberts in Baden-Baden und sodann von 1999 bis 2007 bei der Firma D. in Achern jeweils als Landschaftsgärtner. Hierbei hatte er u.a. den neuen Unternehmensbereich Landschaftsbau aufzubauen. Ab Juni 2007 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt bei ruhendem Arbeitsver-hältnis.
Am 17.11.2008 zeigte der behandelnde Orthopäde des Klägers Dr. H. der Beklagten den Verdacht des Vorliegens einer Berufskrankheit an. Dr. H. gab dabei an, der Kläger stehe seit Mai 1999 in seiner ärztlichen Behandlung wegen chronischer LWS-Beschwerden. Beigefügt waren u.a. ein Arztbrief des Kreiskrankenhauses Bühl über eine am 27.03.2008 durchgeführte Radikulopathie L5 rechts sowie S 1 links vom 20.05.2008 und Arztbriefe des Neurochirurgen Dr. B. vom 05.11.2008 und 19.11.2008 mit der Diagnose eines Bandscheibenvorfall-Rezidivs L4/5 rechts bzw. einer akuten Lumbago, die Gesamtsituation entspreche im Grunde dem präoperativen Status. Mit Schreiben vom 09.12.2008 stellte der Kläger den Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Nachdem Dr. T. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.03.2009 ausgeführt hatte, eine Berufskrankheit sei nicht anzuerkennen, weil die Verknüpfung körperlicher Belastungen mit dem Entstehen der in Rede stehenden Erkrankung wissenschaftlich nicht haltbar sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2009 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Berufskrankheiten- Liste (bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule) ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Hiergegen erhob der Kläger am 23.04.2009 Widerspruch unter Vorlage eines Arztbriefes des Neurochirurgen Dr. S. über eine mikrochirurgische Operation in Form einer dorsolateralen Dekompression links am 30.03.2009 sowie des Entlassungsberichts der O.-Klinik F. vom 17.06.2009 über eine Anschluss-Rehabilitationsmaßnahme vom 28.04.2009 bis 08.06.2009, auf die Bezug genommen wird. Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.08.2009 durch Dr. T. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2009 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Anspruch auf Entschädigung aus Anlass der Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule zutreffend abgelehnt worden, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit bestehe.
Hiergegen hat der Kläger am 21.10.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
Das SG hat Prof. Dr. C. mit der Erstattung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.06.2010 hat dieser ausgeführt, die Beschwerden des Klägers in der Lendenwirbelsäule seien ausweislich dessen Angaben sowie der Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. H. erstmals 1999 aufgetreten. Beim Kläger bestünden im Bereich der Lendenwirbelsäule reizlose Narben vorne und hinten nach mehrmaligen Bandscheiben-operationen, zuletzt Implantation von künstlichen Bandscheiben in den Segmenten L4/5 und L5/S1 im Februar 2010, mit eingeschränkter Beweglichkeit insbesondere hinsichtlich der Vor- und Rückneigung. Diesen klinischen Befunden entspreche der radiologische Befund von reizlos an korrekter Stelle platziert einsitzenden künstlichen Bandscheiben in den Segmenten L4/5 und L5/S1, diskreter rechtskonvexer Seitauslenkung der Lendenwirbelsäule mit Scheitelpunkt bei L3 und degenerativer Veränderungen der Wirbelbogengelenke in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1 sowie beginnender degenerativer Veränderungen in Form einer Verschmälerung des Bandscheibenfaches im Segment zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbelkörper. Danach be-stünden erhebliche degenerative Veränderungen, insbesondere in den letzten beiden Bewe-gungssegmenten der Lendenwirbelsäule, die seit 1999 aktenkundig seien und die zur Notwendig¬keit von mehrfachen Operationen geführt hätten. Aufgrund der Arbeitsplatzanamnese sei - auch ohne diesbezügliche Analyse des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) - davon auszugehen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt anzusehen seien. Da die bandscheiben¬bedingten Beschwerden des Klägers erstmals im Winter 1998/1999 aufgetreten seien, sei auch der notwendige Expositionszeitraum als erfüllt anzusehen.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit seien erfüllt. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung in zwei Segmenten, nämlich L4/5 und L5/S1, in Form eines lumbalen Wurzelsyndroms (Typ 2 der Konsensempfehlungen). Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren lägen nicht vor. Es könne zwar nicht festgestellt werden, ob eine Begleitspondylose vorliege, da Röntgenbilder aus der Zeit vor der operativen Behandlung nicht vorlägen. Auch ohne dieses Kriterium sei jedoch die Konstellation B 2 gegeben, da das weitere Kriterium einer Höhenminderung und/oder eines Prolaps an mehreren Bandscheiben erfüllt sei. Dies sei vorliegend der Fall in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Damit liege eine Konstellation gemäß B 2 vor, bei der nach den Konsensempfehlungen ein Zusammenhang mit der beruflichen Belastung als erfüllt anzusehen sei. Zudem sei das erstmalige Auftreten von bandscheibenbedingten Beschwerden im Alter von 31 Jahren als vorauseilend anzusehen. Zusammenfassend werde davon ausgegangen, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der BKV vorliege. Soweit Dr. T. dies verneint habe mit der Begründung, es liege keine Begleitspondylose vor, sei dies unbeachtlich, da diese nach den Konsens¬empfehlungen nicht notwendige Voraussetzung sei. Auch sei dessen Annahme, eine Höhenmin¬derung L4/5 sei erst postoperativ aufgetreten, nicht zutreffend. Die aus der Berufskrankheit resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er mit 20 v.H.
Die Beklagte ist dieser Beurteilung entgegen getreten unter Bezugnahme auf die bera-tungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vom 02.08.2010. Darin wird ausgeführt, beim Kläger bestünden, abgesehen von den geschädigten Segmenten, keine überdurchschnittlichen, dem Alter vorauseilenden spondylotischen Reaktionen. Insofern lasse sich eine Belastungskonformität des Schadensbildes nicht belegen, da eine Begleitspondylose fehle. Auch spreche das Alter des Klägers zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung eines Bandscheibenvorfalls bei L5/S1 für eine genetische Komponente. Schließlich lägen eigentlich keine Kriterien vor, die für die Existenz einer bandscheibenbedingten Erkrankung sprächen, da die Wirbelsäule frei beweglich sei und neurogene Reizerscheinungen nicht vorlägen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 21.09.2010 hat Prof. Dr. C. hierzu ausgeführt, es bleibe daran festzuhalten, dass eine Begleitspondylose nicht notwendig sei für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule. Auch das Alter des Klägers bei der erstmaligen Feststellung eines Bandscheibenvorfalles spreche nicht gegen eine berufsbedingte Verursachung und für eine genetische Komponente. Maßgeblich sei vielmehr, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung nach einem adäquatem Belastungszeitraum aufgetreten sei. Nach der Logik der Beklagten entstünden bandscheibenbedingte Erkrankungen vor dem 40. Lebensjahr aus genetischer Ursache, nach dem 40. Lebensjahr aus innerer Ursache durch Degeneration, so dass für die BK 2108 nicht mehr viel übrig bleibe. Auch sei das Argument, es sprächen keine Kriterien für die Existenz einer bandscheibenbedingten Erkran¬kung, nicht zutreffend, da der Kläger in den beiden betroffenen Etagen operiert worden sei und das - positive - Operationsergebnis mit einzubeziehen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2010 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Anerkennung dessen Wirbelsäulenerkrankung (bandscheiben-bedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 in Form eines lumbalen Wurzel-syndroms) als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Auf die Gründe des Gerichtsbescheides wird insoweit Bezug genommen.
Gegen den am 29.10.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 24.11.2010 Berufung eingelegt und zunächst vorgetragen, dass Vorliegen der arbeitstechnischen Voraus-setzungen sei bisher nicht festgestellt worden.
Auf Veranlassung des Senats hat der TAD der Beklagten daraufhin eine Arbeitsplatz-expositionsanalyse durchgeführt. In der Analyse vom 28.07.2011 hat der TAD ausgeführt, die Gesamtbelastungsdosis des Klägers in den Beschäftigungszeiträumen August 1989 bis August 1994, Ende 1994 bis 1998 und 1999 bis 2007 (insgesamt ca. 18 Jahre) betrage unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers, der Aktenlage, den Belastungsmodulen der BG Bau sowie den Erfahrungen des TAD aufgrund der Erkenntnisse bei der Betrachtung der Tätigkeitsmerkmale an Vergleichsarbeitsplätzen maximal DH = 15,92 x 106 6 Nh (= 15,92 MNh). Der bezüglich des BSG-Urteils vom 30.10.2007 festgelegte hälftige Dosiswert für Männer von DH = 12,5 x 106 Nh (= 12,5 MNh) werde im vorliegenden Fall überschritten. Die aktuell berechnete Gesamtbelastungsdosis entspreche 63,68 % des ehemaligen Dosisrichtwertes gemäß dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD). Im vorliegenden Fall sei deshalb eine eingehende medizinische Begutachtung bezüglich der BK Nr. 2108 erforderlich. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BK Nr. 2110 seien dagegen eindeutig zu verneinen.
Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. vom 07.12.2011 vorgetragen, sie sei weiterhin der Auffassung, dass kein belastungskonformes Schadensbild vorliege und damit auch keine Kausalität, die den bean-tragten Anspruch begründen könne. Die Konsensempfehlungen seien keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, sondern ein von Zugeständnissen geprägtes Papier, das den kleinsten möglichen gemeinsamen Nenner zwischen verschiedenen Lehrmeinungen enthalte und damit keine Wahrheiten verbürge.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem angefochtenen Gerichtsbescheid insoweit um ein unzulässiges, weil unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der Leistungsgewährung vollstreckungsfähigen Inhalt handeln könnte, als die Beklagte verpflichtet worden ist, dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers eine BK Nr. 2108 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen. Zwar hat der Kläger vor dem SG beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr 2108 anzuerkennen. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er damit ersichtlich jedoch nicht erheben, weil es ihm gerade um die gerichtliche Feststellung dieser BK geht. Der vom Kläger weiter gestellte Klageantrag, "die gesetzlichen Leistungen zu erbringen", war allerdings unzulässig, weil es sich bei einer Entscheidung hierüber um ein unzulässig unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der "Leistungsgewährung" vollstreckungsfähigen Inhalt handeln würde, dem neben dem Feststellungsausspruch keine eigenständige Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R; BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R - jeweils in juris). Auch im Berufungsverfahren hat der Kläger - auch nach gerichtlichem Hinweis - lediglich beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Deshalb ist über eine Leistungspflicht der Beklagten aufgrund des Versicherungsfalls der BK 2108 nicht zu entscheiden, sondern lediglich der Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheids insgesamt neu zu fassen.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII). Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach den §§ 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) erlassen, in der derzeit als BK Nr. 2108 folgende als Berufskrankheiten anerkannte Krankheiten aufgeführt sind: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Zur Feststellung einer Berufskrankheit muss generell die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schad-stoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwir-kungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 4 U 9/08 R - juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit die bloße Möglichkeit ist dagegen nicht ausreichend. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität ist auch im Recht der Berufskrankheiten der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität zu bezeichnen (vgl. BSG, a.a.O.). Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung".
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 68 m.w.N.; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-verordnung, § 9 Rn. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 43, 110, 112).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die auf die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV gerichtete Klage auch begründet bzw. die Berufung der Beklagten unbegründet.
Zunächst ist die Einwirkungskausalität der versicherten Tätigkeiten des Klägers für eine BK Nr. 2108 zu bejahen. Nach den Feststellungen des TAD der Beklagten hat die Gesamtbelastungsdosis des Klägers in den 18 Jahren, in denen er Tätigkeiten des Garten- und Landschaftsbaus im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ausgeübt hat, 15,92 MNh durch das Heben und Tragen von Lasten bzw. durch extreme Rumpfbeugehaltung betragen. Damit ist der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgebliche Grenzwert von 12,5 MNh bereits überschritten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - juris Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als der Kläger vor Aufnahme seiner Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau bereits eine Lehre als Gipser- und Stuckateur absolviert hat und in diesem Beruf auch mehrjährig tätig war, somit vor dem erstmaligen Auftreten der bandscheibenbedingten Erkrankung auch weiteren beruflichen Expositionen ausgesetzt war. Soweit der TAD ausgeführt hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer BK Nr. 2110 seien eindeutig zu verneinen, ist dies vorliegend unbeachtlich, da die Anerkennung dieser BK im Klageverfahren nicht geltend gemacht worden ist.
Die für eine BK Nr. 2108 erforderliche haftungsbegründende Kausalität ist auch wahrscheinlich. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule sind solche Erkrankungen der Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit solchen in einer kausalen Wechselbeziehung stehen. Den Tatbestand der BK Nr. 2108 erfüllen nur solche Schäden der Wirbelsäule, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule darstellen. Ein morphologisch objektivierbares Schadenssubstrat ist daher zwingend erforderlich. Die ausgelösten degenerativen Prozesse - zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht gehören - finden sich in durch bildgebende Verfahren objektivierbaren Formen wieder, die auch gemeinsam auftreten können: Chondrose, Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose, Bandscheibenprotrusion und Bandscheiben-prolaps. In den am 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwir-belsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 2011 ff. - Konsensempfehlungen -) ent-sprechen die im vollen Konsens aller Teilnehmer verabschiedeten Kriterien zur Überzeugung des Senats der gegenwärtigen herrschenden Meinung der Wissenschaft, welche der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Auch nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris Rn. 15) trägt die Orientierung an den einschlägigen Kon-sensempfehlungen dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Rechnung.
Danach ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, die ihrer Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, bei ausreichender beruflicher Belastung mit plausibler zeitlicher Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (vgl. Konsensempfehlungen Nr. 1.4, S. 216). Danach spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der Halswirbelsäule und/oder der Brustwirbelsäule je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Für den Vergleich zwischen Lenden-wirbelsäule und darüber gelegenen Wirbelsäulenabschnitten sind Chondrosen und Vorfälle maßgeblich.
Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungskriterien bejaht der Senat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Wirbelsäulenleiden des Klägers und den Belastungen seiner Wirbelsäule, denen er während seines Berufslebens ausgesetzt gewesen ist. Der Senat stützt sich hierbei auf das von Prof. Dr. C. am 24.06.2010 erstattete orthopädische Sachver-ständigengutachten sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 21.09.2010, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Beim Kläger besteht danach eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 in Form eines lumbalen Wurzelsyndroms mit einem Bandscheibenschaden in der Ausprägung Chondrose Grad II oder höher.
Nach den von Prof. Dr. C. zutreffend zugrunde gelegten Kriterien ist vorliegend die Fallkon-stellation B2 der Konsensempfehlungen erfüllt. Danach ist allen Fallgruppen der Kategorie B eine bestimmte Lokalisation und Ausprägung des Bandscheibenschadens gemeinsam. Die bandscheibenbedingte Erkrankung muss die Segmente L5/S1 und/oder L 4 /L5 betreffen und die Ausprägung des Bandscheibenschadens muss in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder in einem Vorfall bestehen. Für die Annahme der Konstellation B 2 der Konsens-empfehlungen ist darüber hinaus Voraussetzung, dass keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar sind, und bei fehlender Begleitspondylose - wie beim Kläger - zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in min¬destens zwei angrenzenden Segmenten - Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren - Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhalts-punkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betrifft die Segmente L4/5 und L5/S1. Danach ist das erste der oben genannten Kriterien erfüllt. Es sind auch keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Solche hat weder der Beratungsarzt der Beklagten noch der Sachverständige Prof. Dr. C. erkennen können, so dass nach der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen ein Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung mit der beruflichen Belastung als erfüllt anzusehen ist. Hierfür spricht auch, dass das erstmalige Auftreten von bandscheibenbedingten Beschwerden im Alter von 32 Jahren als vorauseilend anzusehen ist.
Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen, gestützt auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. T. vom 02.08.2010 und 07.12.2011, hält der Senat nicht für durchgreifend. Das Fehlen einer Begleit-Spondylose ist nicht ausreichend, um allein schon aus diesem Grund einen ursächlichen Zusammenhang zu verneinen. Denn die Konsensempfehlungen enthalten in der Konstellation B 2 gerade eine Fallkonstellation, bei welcher trotz fehlender Begleitspondylose, aber bei Vorliegen weiterer Kriterien ein Zusammenhang als wahrscheinlich anzusehen ist. Soweit weiter vorgetragen worden ist, bei den Konsensempfehlungen handele es sich nicht um wissenschaftliche Forschungsergebnisse, sondern um ein von Zugeständnissen geprägtes Papier, in welchem pathophysiologische Denkansätze mit teils fragwürdigen, fast ideologisch geprägten epidemiologischen Denkansätzen zurückgedrängt worden seien, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Als Tatsachengericht hat er unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Frage zu beantworten, ob der vom Tatbestand einer BK geforderte Ursachenzusammenhang vorliegt. Diesen Anforderungen ist Genüge getan durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Orientierung an den einschlägigen Konsensempfehlungen (BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris Rn. 15).
Die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben den Kläger auch gezwungen, alle Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten, aufzugeben. Er hat zuletzt bis zum Jahr 2007 im erlernten Beruf als Landschaftsgärtner gearbeitet und ist seither arbeitsunfähig erkrankt. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben führte nicht zu einer beruflichen Integration. In der Folgezeit waren vielmehr weitere chirurgische Eingriffe erforderlich, so eine Dekompression dorsolateral bei BSV L4/L5 links am 30.03.2009 sowie im Jahr 2010 die Implantation künstlicher Banscheiben. Ausweislich des Entlassungsberichts der O.-Klinik F. vom 17.06.2009 war der Kläger auch danach nicht in der Lage, den Beruf des Landschaftsgärtners wieder auszuüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Allein die Neufassung des Tenors des angefochtenen Gerichtsbescheids rechtfertigt es nicht, von einer vollständigen Kostenübernahme durch die Beklagte abzusehen, da hierin kein teilweises Obsiegen liegt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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