Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 663/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3148/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Hälfte.
Tatbestand:
Im Streit steht die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) sowie die Erstattung von 11.308,66 EUR.
Der 1970 geborene Kläger beantragte am 14. April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für sich und seine 2004 geborene Tochter M. A ... Im Antrag gab er an, im M. in S. zu wohnen. Die Kindesmutter Z. (Z.) wohne in der S. Straße in M. und nicht in Haushaltsgemeinschaft mit ihm und seiner Tochter. Unterhaltsleistungen würden durch die Kindesmutter nicht erbracht. Das Kindergeld beziehe er.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 bewilligte der R.-N.-K. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für April 2005 für den Kläger und seine Tochter in Höhe von anteilig insgesamt 295,80 EUR, ab Mai in Höhe von 522,- EUR. Der kommunale Träger bewilligte Kosten der Unterkunft in Höhe von 577,- EUR monatlich, ab 1. Dezember 2005 nur noch im Umfang der angemessenen Kosten in Höhe von 404,- EUR monatlich. Weitere Leistungsbewilligungen erfolgten (Bescheid der mittlerweile als zuständiger Träger tätigen Agentur für Arbeit vom 22. September 2005 - Leistungen vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006: 522,- EUR [Grundsicherungsleistungen für den Kläger und seine Tochter abzüglich Kindergeld in Höhe von 154,- EUR], vom 1. März 2006 - Leistungen vom 1. März bis 31. Juli 2006: 469,- EUR, unter weiterer Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsvorschuss in Höhe von 127,- EUR, vom 14. Juli 2006 - Leistungen vom 1. August bis 31. Dezember 2006: 318,96 EUR [Anrechnung Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, Einkommen von 100,- EUR aus Erwerbstätigkeit des Klägers]).
Im Juni 2006 teilte die AOK der Agentur für Arbeit, Rechtsvorgängerin des nunmehr Beklagten (künftig: der Beklagte) mit, dass der Kläger mit der Z., die bei der AOK pflichtversichert sei, und dem Kind zusammen im M. in S. wohne, woraufhin der Beklagten seinen Außendienst mit weiteren Ermittlungen beauftragte.
In seinem Fortzahlungsantrag vom 12. Juli 2006 gab der Kläger u.a. an, er erhalte von Z. 100,- EUR monatlich Untermiete. Diese habe einen "Nebensitz" bei ihm und übernachte 1-2 Mal wöchentlich in der Wohnung, um nach dem Kind zu sehen. Zugleich teilte der Kläger mit, dass er seit 1. April 2006 in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und Einkommen erziele.
Der Beklagte ermittelte weiter und stellte fest, dass die Z. unter der Anschrift des Klägers mit Zweitwohnsitz gemeldet war. Gemeldeter Hauptwohnsitz sei, in M ... Der Außendienst des Beklagten stellte fest, dass an den Klingelschildern in diesem Haus der Name der Z. nicht angebracht war, nur der Name A. G ...
Nach zahlreichen - erfolglosen - Versuchen, einen Hausbesuch beim Kläger durchzuführen, teilte der Außendienst des Beklagten unter dem 13. Oktober 2006 mit, man habe einen Nachbarn angetroffen. Dieser habe mitgeteilt, Frau Z. arbeite bei F. und fahre jeden Morgen mit dem Dienstwagen dorthin. Z. halte sich regelmäßig hier auf, sie wohne beim Kläger.
Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Anhörung gab der Kläger zu Protokoll, dass er dem Beklagten alles der Wahrheit entsprechend mitgeteilt habe. Z. besuche ihre Tochter öfter und übernachte dann auch. Daher habe sich Z. auch mit Nebensitz bei ihm angemeldet, falls eine Kontrolle vom Arbeitsamt komme sollte. Er benötige dringend Geld, habe erst ab 1. Dezember 2006 eine Arbeit. Er habe in der Zeit vom 14. April 2005 bis 31. Oktober 2006 nie in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Z. gelebt.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Dezember 2006 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen vom 14. April 2005 bis 31. Oktober 2006 ganz auf. Der Kläger führe eine eheähnliche Gemeinschaft mit Z. Dies habe er dem Beklagten jedenfalls grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Alg II in Höhe von 5.919,85 EUR, Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung von 2.245,96 EUR bzw. 275,64 EUR, Sozialgeld in Höhe von 564,94 EUR, Leistungen für Mehrbedarfe in Höhe von 2.302,27 EUR und damit insgesamt 11.308,66 EUR seien zu erstatten.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, worauf der Beklagte einen weiteren Außendienstbesuch veranlasste. In seinem Bericht vom 26. Januar 2007 führte der Mitarbeiter des Beklagten aus, man habe die Wohnung des Klägers aufgesucht und im Schlafzimmer ein ungemachtes Bett mit zwei Decken und Kissen festgestellt. Der Kläger habe ausgeführt, Z. habe hier geschlafen, er allerdings im Büro auf der Couch. Diese sei jedoch unbenutzt gewesen. Im Büro habe ein Wäscheständer gestanden, auf dem sich auch Frauenunterwäsche befunden habe. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers seien zwei Fächer mit den Kleidungsstücken der Z. belegt gewesen, auch im mittleren Teil des Schranks seien mehrere Jeans von Z. aufgefunden worden. Im Badezimmer seien zwei Zahnbürsten gefunden worden, das Konto werde gemeinsam geführt. Der Kläger habe angegeben, er liebe Z. noch, aber sie hätten sich wegen religiöser Dinge getrennt. Sein Vater vermiete der Z. ein Zimmer in M ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger lebe seit 14. April 2005 in eheähnlicher Gemeinschaft, unabhängig davon, wo die Z. ihren Wohnsitz angemeldet habe. Ermittlungen des Außendienstes und Bekundungen der Nachbarn hätten bestätigt, dass Z. beim Kläger wohne. Da die Z. arbeite, habe der Kläger Leistungen zu Unrecht bezogen.
Dagegen hat der Kläger am 20. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat am 20. April 2007 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt, den Kläger angehört, die Z. sowie den Mitarbeiter des Beklagten A. als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich Bezug genommen. Einen weiteren Erörterungstermin hat das SG am 10. August 2007 durchgeführt, den Kläger nochmals angehört und die Z. und den Vater des Klägers als Zeugen vernommen. Auch auf diese Sitzungsniederschrift wird inhaltlich Bezug genommen.
Im Herbst 2009 hat das SG weitere Ermittlungen aufgenommen, u.a. Gehaltsabrechnungen der Z. für März bis November 2006 beigezogen und vom Einwohnermeldeamt der Stadt M. Auskünfte über die Bewohner des von der Z. mittlerweile gekauften Einfamilienhauses eingeholt (neben dem Kläger, Z. und der Tochter M. u.a. der am 28. Februar 2008 geborene Sohn des Klägers und der Z.)
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2011 hat das SG den Bescheid vom 13. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 aufgehoben, soweit der Beklagte die Arbeitslosengeld-II-Bewilligung für die Zeit vom 14. April 2005 bis 31. März 2006 in vollem Umfang zurückgenommen habe. Der Kläger habe dem Beklagten einen Betrag von 3.830,91 EUR zu erstatten. Im Übrigen hat das SG die Klage zurückgewiesen. Der Kläger und Z. hätten im streitgegenständlichen Zeitraum in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt. Es habe zwar zwischen beiden eine "komplizierte Beziehung" bestanden, so dass es vor dem soziokulturellen Hintergrund dieser beiden durchaus zu massiven Partnerschaftsproblemen gekommen sei. Dennoch sei der Kläger nicht alleinerziehend gewesen, Z. habe mehrmals die Woche beim Kläger übernachtet und auch Erziehungsanteile übernommen. Soweit der Kläger abgestritten habe, dass es darüber hinaus Gemeinsamkeiten gegeben habe, überzeuge dies nicht. Denn er habe schon gegenüber dem Außendienst versucht, die regelmäßige Anwesenheit der Z. in der Wohnung zu verschleiern. Auch sei vorgebracht worden, die Z. sei Anfang 2007 nur vorübergehend zur Überbrückung von Wohnungslosigkeit wieder beim Kläger eingezogen. Mittlerweile hätten sie aber ein weiteres gemeinsames Kind und man sei gemeinsam umgezogen und lebe auch gemeinsam. Entsprechendes gelte für die Zeugin Z. So habe sie zwar einerseits emotional über die Partnerschaftskonflikte und die häusliche Situation im Leistungszeitraum berichtet, andererseits aber nicht die Wahrheit gesagt, als es um die Frage von Mietzahlungen an den Vater des Klägers gegangen sei. Erst nach der Vernehmung des Vaters habe sie ihren Vortrag dessen Vorbringen angepasst. Daher könne eine gerichtliche Entscheidung nicht auf die zielgerichteten Aussagen von Z. und dem Kläger gestützt werden, sondern es sei auf die objektiven Lebensumstände abzustellen. So sei auffällig, dass sich der Kläger parallel zum Leistungszeitraum von Z. getrennt haben will, um unmittelbar nach Ende des Leistungszeitraums wieder mit ihr zusammen zu ziehen. Auch sei trotz der vermeintlichen Trennung ein gemeinsames Konto behalten worden, Z. sei ausschließlich beim Kläger postalisch zu erreichen gewesen und hätte diese Anschrift sowohl gegenüber der Krankenkasse als auch der Kindertagesstätte angegeben. Auch der Umstand, dass die Zeugin mit gegessen habe, wenn sie in der Wohnung übernachtet habe und der Kläger auch davon ausgegangen sei, dass ihn die Z. unterstützt hätte, wenn er keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hätte, bestätige das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Der Umstand, dass Z. des Öfteren Auslandsreisen habe tätigen müssen oder zumindest zeitweise die gemeinsame Tochter das einzige Bindeglied der beiden gewesen sei, stehe dem nicht entgegen, da dies durchaus viele partnerschaftliche Beziehungen auszeichne. Unerheblich sei auch die Frage der amtlichen Wohnsitznahme sowie die Verteilung der Kleidungsstücke in beiden Wohnungen.
Das Vermögen der Z. sei irrelevant für die Leistungsanspruch, da es unter den maßgeblichen Freibetragsgrenzen gelegen habe. Die Entscheidung sei auch nicht rechtmäßig, soweit vom Kläger Sozialgeld zurückgefordert worden sei. Dies hätte gegenüber der Tochter erfolgen müssen - durchaus an den Kläger als Erziehungsberechtigten gerichtet -, was aber nicht erfolgt sei.
Der Beklagte sei des Weiteren zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zur Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertige. Die Aufhebung komme nur in Betracht, wenn u.a. in der Bedarfsgemeinschaft Einkommen erzielt werde, das Hilfebedürftigkeit ausschließe. Daher komme von April 2005 bis Februar 2006 eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide nicht in Betracht, da die Z. in dieser Zeit kein Einkommen erzielt habe bzw. das im November und Dezember 2005 erzielte geringfügige Einkommen Hilfebedürftigkeit nicht ausgeschlossen habe. Für März 2006 sei ein anrechenbares Einkommen von 173,27 EUR anzusetzen, von April bis Oktober 2006 habe kein Leistungsanspruch bestanden, da die Einnahmen der Z. über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft gelegen hätten. Dass die Erstattungssumme auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab April 2006 enthalte, sei nicht zu beanstanden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch [SGB II] i.V.m. § 335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Die Leistungsbewilligung sei daher ab 1. August 2006 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 SGB III zu Recht zurückgenommen worden. Der Bewilligungsbescheid vom 1. März 2006 sei durch die Arbeitsaufnahme der Z. zum 21. März 2006 rechtswidrig geworden, so dass der Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 SGB III hätte aufheben müssen. Nach dieser Maßgabe habe der Kläger für die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2006 insgesamt 3.830,91 EUR zu erstatten. Allerdings habe der Beklagte zu beachten, dass dem Kläger Leistungen bis 31. Dezember 2006 bewilligt, die Leistungsbewilligung auch nicht aufgehoben worden und auch nicht mehr aufhebbar seien. Daher stünden dem Kläger für November 2006 noch Leistungen zu. Für Dezember 2006 habe der Kläger auf seine Leistung rechtswirksam verzichtet.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde vom 4. Juli 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Juli 2011 Berufung eingelegt. Er bringt zur Begründung vor, dass die seltenen Übernachtungen der Z. nicht zu einem Zusammenleben führten. Auch hätten sich nur ein paar Kleidungsstücke der Z. in der Wohnung befunden. Nicht zuletzt habe die Tochter häufig zusammen mit ihm im Erwachsenenbett geschlafen, so dass die Feststellungen des Außendienstes nichts besagen würden. Wenn man aber schon annehme, dass Z. in dem Haushalt gelebt habe, dann müssten auch Leistungen an sie bewilligt werden, denn sie habe vor März 2006 keine Einkünfte gehabt und ab März 2006 hätte dann auch für die gesamte Bedarfsgemeinschaft ein höherer Leistungsanspruch bestehen müssen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juni 2011 sowie den Bescheid vom 13. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat die Sach- und Rechtslage am 21. November 2011 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat rechtsfehlerfrei die angefochtenen Entscheidungen abgeändert und die zurückzufordernden Leistungen festgesetzt.
Der Beklagte ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr. 1 SGG und als gemeinsame Einrichtung nach § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II Rechtsnachfolger der bisher zuständigen Agentur für Arbeit (§ 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II) - Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehen nicht (vgl. BSG vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 90/10 R = SGb 2011, 160)
Die Beklagte hat auf Grundlage des § 45 SGB X die Bewilligung ab 14. April 2005 in vollem Umfang aufgehoben. Dies ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, zu Unrecht geschehen. Vielmehr standen dem Kläger und seiner Tochter bis einschließlich Februar 2006 Grundsicherungsleistungen in vollem Umfang zu. Erst ab März 2006 war die Beklagte berechtigt, (teilweise bzw. in vollem Umfang) die Leistungsbescheide aufzuheben bzw. zurückzunehmen.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs.1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter zutreffender Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des SGB II, SGB X und SGB III ausgeführt, dass der Kläger und Z. zwar auch im streitigen Leistungszeitraum (April 2005 bis Dezember 2006) in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen gelebt haben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II), dass aber Hilfebedürftigkeit dieser Bedarfsgemeinschaft nur für die Zeit ab Arbeitsaufnahme durch Z., nämlich zum 21. März 2006, weggefallen ist, da das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft den Bedarf überstiegen hat (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 11 SGB II). Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass das Vermögen der Z. unterhalb der Freibetragsgrenzen gelegen hat und deshalb der Leistungsgewährung bis März 2006 ebenfalls nicht entgegen stand (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 12 SGB II). Ohne Fehler hat das SG auch unter Berücksichtigung des Individualisierungsgrundsatzes (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 RdNr. 15, Udsching/Link, SGb 2007, 513, 514) ausgeführt, dass das Sozialgeld für Meryem nicht vom Kläger zu erstatten ist. Es hat auch den Rückforderungsbetrag zutreffend berechnet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung des Akteninhalts, insbesondere der Ergebnisse der vom SG durchgeführten Anhörungen des Klägers bzw. der Zeugeneinvernahmen auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen auf Seiten 7-12 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist es ohne Belang, dass diese die Bewilligungsbescheide ohne Ausnahme nach § 45 SGB X aufgehoben hat, während nach den zutreffenden Ausführungen des SG die Rücknahme für die Zeit ab 21. März 2006 wegen des von Z. erzielten Erwerbseinkommens richtigerweise auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X hätte gestützt werden müssen. Die Rechtsgrundlagen können insoweit ausgewechselt werden, da beide auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet sind und die Rechtsverteidigung des Klägers hierdurch nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (vgl. zuletzt ausführlich BSG vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 22/10 R unter Verweis auf BSG vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R; auf BSGE 29, 129; BSGE 87, 8; BSG vom 18. September 1997 - 11 RAr 9/97, BSG vom 25. April 2002 - B 11 AL 69/01 R). Da zudem unter Beachtung des § 40 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III keine Ermessensausübung erforderlich ist, die die Beklagte aus ihrer Sicht zu Recht auch nicht vorgenommen hat, führt dies ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Bescheide über den vom SG festgestellten Umfang hinaus. Der Kläger ist darüber hinaus zu den für die Aufhebung maßgeblichen Tatsachen, gleichgültig, auf welche Rechtsgrundlage die Aufhebung gestützt wird, angehört worden (§ 24 SGB X).
Die Einlassungen des Klägers im Berufungsverfahren bestätigen nach Auffassung des Senats die vom SG getroffene Feststellung, dass aufgrund zielgerichteter Einlassungen des Klägers und der Z. die Entscheidung maßgeblich auf objektive Gesichtspunkte zu stützen ist. Denn der Kläger hat u.a. in Bezug auf das von zwei Personen benutzte Bett, das der Außendienst der Beklagten in seiner Wohnung festgestellt hat, nunmehr vorgetragen, dass er mit seiner Tochter darin geschlafen habe. Gegenüber dem Außendienst hat er - aber auch insoweit nicht glaubhaft - hingegen vorgebracht, die Z. hätte darin geschlafen mit der Tochter und er auf der Couch im Arbeitszimmer. Was die Bedeutung der Anzahl der Kleidungsstücke der Z. anbelangt, die in der Wohnung aufgefunden worden waren, hat das SG bereits ausgeführt, dass es hierauf nicht maßgeblich ankommt. Soweit der Kläger gegenüber der Berichterstatterin des Verfahrens im Erörterungstermin ausgeführt hat, dass er sich nicht sicher sei, ob ihn Z. unterstützt hätte, wenn er keine Leistungen von der Beklagten erhalten hätte, hat er - zeitnäher - gegenüber dem SG im Rahmen der Anhörungen erklärt, Z. hätte ihn wohl unterstützt.
Ob der Z. im fraglichen Zeitraum Leistungen zugestanden haben, ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Hälfte.
Tatbestand:
Im Streit steht die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) sowie die Erstattung von 11.308,66 EUR.
Der 1970 geborene Kläger beantragte am 14. April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für sich und seine 2004 geborene Tochter M. A ... Im Antrag gab er an, im M. in S. zu wohnen. Die Kindesmutter Z. (Z.) wohne in der S. Straße in M. und nicht in Haushaltsgemeinschaft mit ihm und seiner Tochter. Unterhaltsleistungen würden durch die Kindesmutter nicht erbracht. Das Kindergeld beziehe er.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 bewilligte der R.-N.-K. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für April 2005 für den Kläger und seine Tochter in Höhe von anteilig insgesamt 295,80 EUR, ab Mai in Höhe von 522,- EUR. Der kommunale Träger bewilligte Kosten der Unterkunft in Höhe von 577,- EUR monatlich, ab 1. Dezember 2005 nur noch im Umfang der angemessenen Kosten in Höhe von 404,- EUR monatlich. Weitere Leistungsbewilligungen erfolgten (Bescheid der mittlerweile als zuständiger Träger tätigen Agentur für Arbeit vom 22. September 2005 - Leistungen vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006: 522,- EUR [Grundsicherungsleistungen für den Kläger und seine Tochter abzüglich Kindergeld in Höhe von 154,- EUR], vom 1. März 2006 - Leistungen vom 1. März bis 31. Juli 2006: 469,- EUR, unter weiterer Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsvorschuss in Höhe von 127,- EUR, vom 14. Juli 2006 - Leistungen vom 1. August bis 31. Dezember 2006: 318,96 EUR [Anrechnung Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, Einkommen von 100,- EUR aus Erwerbstätigkeit des Klägers]).
Im Juni 2006 teilte die AOK der Agentur für Arbeit, Rechtsvorgängerin des nunmehr Beklagten (künftig: der Beklagte) mit, dass der Kläger mit der Z., die bei der AOK pflichtversichert sei, und dem Kind zusammen im M. in S. wohne, woraufhin der Beklagten seinen Außendienst mit weiteren Ermittlungen beauftragte.
In seinem Fortzahlungsantrag vom 12. Juli 2006 gab der Kläger u.a. an, er erhalte von Z. 100,- EUR monatlich Untermiete. Diese habe einen "Nebensitz" bei ihm und übernachte 1-2 Mal wöchentlich in der Wohnung, um nach dem Kind zu sehen. Zugleich teilte der Kläger mit, dass er seit 1. April 2006 in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und Einkommen erziele.
Der Beklagte ermittelte weiter und stellte fest, dass die Z. unter der Anschrift des Klägers mit Zweitwohnsitz gemeldet war. Gemeldeter Hauptwohnsitz sei, in M ... Der Außendienst des Beklagten stellte fest, dass an den Klingelschildern in diesem Haus der Name der Z. nicht angebracht war, nur der Name A. G ...
Nach zahlreichen - erfolglosen - Versuchen, einen Hausbesuch beim Kläger durchzuführen, teilte der Außendienst des Beklagten unter dem 13. Oktober 2006 mit, man habe einen Nachbarn angetroffen. Dieser habe mitgeteilt, Frau Z. arbeite bei F. und fahre jeden Morgen mit dem Dienstwagen dorthin. Z. halte sich regelmäßig hier auf, sie wohne beim Kläger.
Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Anhörung gab der Kläger zu Protokoll, dass er dem Beklagten alles der Wahrheit entsprechend mitgeteilt habe. Z. besuche ihre Tochter öfter und übernachte dann auch. Daher habe sich Z. auch mit Nebensitz bei ihm angemeldet, falls eine Kontrolle vom Arbeitsamt komme sollte. Er benötige dringend Geld, habe erst ab 1. Dezember 2006 eine Arbeit. Er habe in der Zeit vom 14. April 2005 bis 31. Oktober 2006 nie in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Z. gelebt.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Dezember 2006 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen vom 14. April 2005 bis 31. Oktober 2006 ganz auf. Der Kläger führe eine eheähnliche Gemeinschaft mit Z. Dies habe er dem Beklagten jedenfalls grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Alg II in Höhe von 5.919,85 EUR, Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung von 2.245,96 EUR bzw. 275,64 EUR, Sozialgeld in Höhe von 564,94 EUR, Leistungen für Mehrbedarfe in Höhe von 2.302,27 EUR und damit insgesamt 11.308,66 EUR seien zu erstatten.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, worauf der Beklagte einen weiteren Außendienstbesuch veranlasste. In seinem Bericht vom 26. Januar 2007 führte der Mitarbeiter des Beklagten aus, man habe die Wohnung des Klägers aufgesucht und im Schlafzimmer ein ungemachtes Bett mit zwei Decken und Kissen festgestellt. Der Kläger habe ausgeführt, Z. habe hier geschlafen, er allerdings im Büro auf der Couch. Diese sei jedoch unbenutzt gewesen. Im Büro habe ein Wäscheständer gestanden, auf dem sich auch Frauenunterwäsche befunden habe. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers seien zwei Fächer mit den Kleidungsstücken der Z. belegt gewesen, auch im mittleren Teil des Schranks seien mehrere Jeans von Z. aufgefunden worden. Im Badezimmer seien zwei Zahnbürsten gefunden worden, das Konto werde gemeinsam geführt. Der Kläger habe angegeben, er liebe Z. noch, aber sie hätten sich wegen religiöser Dinge getrennt. Sein Vater vermiete der Z. ein Zimmer in M ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger lebe seit 14. April 2005 in eheähnlicher Gemeinschaft, unabhängig davon, wo die Z. ihren Wohnsitz angemeldet habe. Ermittlungen des Außendienstes und Bekundungen der Nachbarn hätten bestätigt, dass Z. beim Kläger wohne. Da die Z. arbeite, habe der Kläger Leistungen zu Unrecht bezogen.
Dagegen hat der Kläger am 20. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat am 20. April 2007 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt, den Kläger angehört, die Z. sowie den Mitarbeiter des Beklagten A. als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich Bezug genommen. Einen weiteren Erörterungstermin hat das SG am 10. August 2007 durchgeführt, den Kläger nochmals angehört und die Z. und den Vater des Klägers als Zeugen vernommen. Auch auf diese Sitzungsniederschrift wird inhaltlich Bezug genommen.
Im Herbst 2009 hat das SG weitere Ermittlungen aufgenommen, u.a. Gehaltsabrechnungen der Z. für März bis November 2006 beigezogen und vom Einwohnermeldeamt der Stadt M. Auskünfte über die Bewohner des von der Z. mittlerweile gekauften Einfamilienhauses eingeholt (neben dem Kläger, Z. und der Tochter M. u.a. der am 28. Februar 2008 geborene Sohn des Klägers und der Z.)
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2011 hat das SG den Bescheid vom 13. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 aufgehoben, soweit der Beklagte die Arbeitslosengeld-II-Bewilligung für die Zeit vom 14. April 2005 bis 31. März 2006 in vollem Umfang zurückgenommen habe. Der Kläger habe dem Beklagten einen Betrag von 3.830,91 EUR zu erstatten. Im Übrigen hat das SG die Klage zurückgewiesen. Der Kläger und Z. hätten im streitgegenständlichen Zeitraum in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt. Es habe zwar zwischen beiden eine "komplizierte Beziehung" bestanden, so dass es vor dem soziokulturellen Hintergrund dieser beiden durchaus zu massiven Partnerschaftsproblemen gekommen sei. Dennoch sei der Kläger nicht alleinerziehend gewesen, Z. habe mehrmals die Woche beim Kläger übernachtet und auch Erziehungsanteile übernommen. Soweit der Kläger abgestritten habe, dass es darüber hinaus Gemeinsamkeiten gegeben habe, überzeuge dies nicht. Denn er habe schon gegenüber dem Außendienst versucht, die regelmäßige Anwesenheit der Z. in der Wohnung zu verschleiern. Auch sei vorgebracht worden, die Z. sei Anfang 2007 nur vorübergehend zur Überbrückung von Wohnungslosigkeit wieder beim Kläger eingezogen. Mittlerweile hätten sie aber ein weiteres gemeinsames Kind und man sei gemeinsam umgezogen und lebe auch gemeinsam. Entsprechendes gelte für die Zeugin Z. So habe sie zwar einerseits emotional über die Partnerschaftskonflikte und die häusliche Situation im Leistungszeitraum berichtet, andererseits aber nicht die Wahrheit gesagt, als es um die Frage von Mietzahlungen an den Vater des Klägers gegangen sei. Erst nach der Vernehmung des Vaters habe sie ihren Vortrag dessen Vorbringen angepasst. Daher könne eine gerichtliche Entscheidung nicht auf die zielgerichteten Aussagen von Z. und dem Kläger gestützt werden, sondern es sei auf die objektiven Lebensumstände abzustellen. So sei auffällig, dass sich der Kläger parallel zum Leistungszeitraum von Z. getrennt haben will, um unmittelbar nach Ende des Leistungszeitraums wieder mit ihr zusammen zu ziehen. Auch sei trotz der vermeintlichen Trennung ein gemeinsames Konto behalten worden, Z. sei ausschließlich beim Kläger postalisch zu erreichen gewesen und hätte diese Anschrift sowohl gegenüber der Krankenkasse als auch der Kindertagesstätte angegeben. Auch der Umstand, dass die Zeugin mit gegessen habe, wenn sie in der Wohnung übernachtet habe und der Kläger auch davon ausgegangen sei, dass ihn die Z. unterstützt hätte, wenn er keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hätte, bestätige das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Der Umstand, dass Z. des Öfteren Auslandsreisen habe tätigen müssen oder zumindest zeitweise die gemeinsame Tochter das einzige Bindeglied der beiden gewesen sei, stehe dem nicht entgegen, da dies durchaus viele partnerschaftliche Beziehungen auszeichne. Unerheblich sei auch die Frage der amtlichen Wohnsitznahme sowie die Verteilung der Kleidungsstücke in beiden Wohnungen.
Das Vermögen der Z. sei irrelevant für die Leistungsanspruch, da es unter den maßgeblichen Freibetragsgrenzen gelegen habe. Die Entscheidung sei auch nicht rechtmäßig, soweit vom Kläger Sozialgeld zurückgefordert worden sei. Dies hätte gegenüber der Tochter erfolgen müssen - durchaus an den Kläger als Erziehungsberechtigten gerichtet -, was aber nicht erfolgt sei.
Der Beklagte sei des Weiteren zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zur Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertige. Die Aufhebung komme nur in Betracht, wenn u.a. in der Bedarfsgemeinschaft Einkommen erzielt werde, das Hilfebedürftigkeit ausschließe. Daher komme von April 2005 bis Februar 2006 eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide nicht in Betracht, da die Z. in dieser Zeit kein Einkommen erzielt habe bzw. das im November und Dezember 2005 erzielte geringfügige Einkommen Hilfebedürftigkeit nicht ausgeschlossen habe. Für März 2006 sei ein anrechenbares Einkommen von 173,27 EUR anzusetzen, von April bis Oktober 2006 habe kein Leistungsanspruch bestanden, da die Einnahmen der Z. über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft gelegen hätten. Dass die Erstattungssumme auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab April 2006 enthalte, sei nicht zu beanstanden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch [SGB II] i.V.m. § 335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Die Leistungsbewilligung sei daher ab 1. August 2006 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 SGB III zu Recht zurückgenommen worden. Der Bewilligungsbescheid vom 1. März 2006 sei durch die Arbeitsaufnahme der Z. zum 21. März 2006 rechtswidrig geworden, so dass der Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 SGB III hätte aufheben müssen. Nach dieser Maßgabe habe der Kläger für die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2006 insgesamt 3.830,91 EUR zu erstatten. Allerdings habe der Beklagte zu beachten, dass dem Kläger Leistungen bis 31. Dezember 2006 bewilligt, die Leistungsbewilligung auch nicht aufgehoben worden und auch nicht mehr aufhebbar seien. Daher stünden dem Kläger für November 2006 noch Leistungen zu. Für Dezember 2006 habe der Kläger auf seine Leistung rechtswirksam verzichtet.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde vom 4. Juli 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Juli 2011 Berufung eingelegt. Er bringt zur Begründung vor, dass die seltenen Übernachtungen der Z. nicht zu einem Zusammenleben führten. Auch hätten sich nur ein paar Kleidungsstücke der Z. in der Wohnung befunden. Nicht zuletzt habe die Tochter häufig zusammen mit ihm im Erwachsenenbett geschlafen, so dass die Feststellungen des Außendienstes nichts besagen würden. Wenn man aber schon annehme, dass Z. in dem Haushalt gelebt habe, dann müssten auch Leistungen an sie bewilligt werden, denn sie habe vor März 2006 keine Einkünfte gehabt und ab März 2006 hätte dann auch für die gesamte Bedarfsgemeinschaft ein höherer Leistungsanspruch bestehen müssen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juni 2011 sowie den Bescheid vom 13. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat die Sach- und Rechtslage am 21. November 2011 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat rechtsfehlerfrei die angefochtenen Entscheidungen abgeändert und die zurückzufordernden Leistungen festgesetzt.
Der Beklagte ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr. 1 SGG und als gemeinsame Einrichtung nach § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II Rechtsnachfolger der bisher zuständigen Agentur für Arbeit (§ 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II) - Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehen nicht (vgl. BSG vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 90/10 R = SGb 2011, 160)
Die Beklagte hat auf Grundlage des § 45 SGB X die Bewilligung ab 14. April 2005 in vollem Umfang aufgehoben. Dies ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, zu Unrecht geschehen. Vielmehr standen dem Kläger und seiner Tochter bis einschließlich Februar 2006 Grundsicherungsleistungen in vollem Umfang zu. Erst ab März 2006 war die Beklagte berechtigt, (teilweise bzw. in vollem Umfang) die Leistungsbescheide aufzuheben bzw. zurückzunehmen.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs.1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter zutreffender Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des SGB II, SGB X und SGB III ausgeführt, dass der Kläger und Z. zwar auch im streitigen Leistungszeitraum (April 2005 bis Dezember 2006) in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen gelebt haben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II), dass aber Hilfebedürftigkeit dieser Bedarfsgemeinschaft nur für die Zeit ab Arbeitsaufnahme durch Z., nämlich zum 21. März 2006, weggefallen ist, da das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft den Bedarf überstiegen hat (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 11 SGB II). Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass das Vermögen der Z. unterhalb der Freibetragsgrenzen gelegen hat und deshalb der Leistungsgewährung bis März 2006 ebenfalls nicht entgegen stand (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 12 SGB II). Ohne Fehler hat das SG auch unter Berücksichtigung des Individualisierungsgrundsatzes (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 RdNr. 15, Udsching/Link, SGb 2007, 513, 514) ausgeführt, dass das Sozialgeld für Meryem nicht vom Kläger zu erstatten ist. Es hat auch den Rückforderungsbetrag zutreffend berechnet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung des Akteninhalts, insbesondere der Ergebnisse der vom SG durchgeführten Anhörungen des Klägers bzw. der Zeugeneinvernahmen auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen auf Seiten 7-12 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist es ohne Belang, dass diese die Bewilligungsbescheide ohne Ausnahme nach § 45 SGB X aufgehoben hat, während nach den zutreffenden Ausführungen des SG die Rücknahme für die Zeit ab 21. März 2006 wegen des von Z. erzielten Erwerbseinkommens richtigerweise auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X hätte gestützt werden müssen. Die Rechtsgrundlagen können insoweit ausgewechselt werden, da beide auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet sind und die Rechtsverteidigung des Klägers hierdurch nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (vgl. zuletzt ausführlich BSG vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 22/10 R unter Verweis auf BSG vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R; auf BSGE 29, 129; BSGE 87, 8; BSG vom 18. September 1997 - 11 RAr 9/97, BSG vom 25. April 2002 - B 11 AL 69/01 R). Da zudem unter Beachtung des § 40 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III keine Ermessensausübung erforderlich ist, die die Beklagte aus ihrer Sicht zu Recht auch nicht vorgenommen hat, führt dies ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Bescheide über den vom SG festgestellten Umfang hinaus. Der Kläger ist darüber hinaus zu den für die Aufhebung maßgeblichen Tatsachen, gleichgültig, auf welche Rechtsgrundlage die Aufhebung gestützt wird, angehört worden (§ 24 SGB X).
Die Einlassungen des Klägers im Berufungsverfahren bestätigen nach Auffassung des Senats die vom SG getroffene Feststellung, dass aufgrund zielgerichteter Einlassungen des Klägers und der Z. die Entscheidung maßgeblich auf objektive Gesichtspunkte zu stützen ist. Denn der Kläger hat u.a. in Bezug auf das von zwei Personen benutzte Bett, das der Außendienst der Beklagten in seiner Wohnung festgestellt hat, nunmehr vorgetragen, dass er mit seiner Tochter darin geschlafen habe. Gegenüber dem Außendienst hat er - aber auch insoweit nicht glaubhaft - hingegen vorgebracht, die Z. hätte darin geschlafen mit der Tochter und er auf der Couch im Arbeitszimmer. Was die Bedeutung der Anzahl der Kleidungsstücke der Z. anbelangt, die in der Wohnung aufgefunden worden waren, hat das SG bereits ausgeführt, dass es hierauf nicht maßgeblich ankommt. Soweit der Kläger gegenüber der Berichterstatterin des Verfahrens im Erörterungstermin ausgeführt hat, dass er sich nicht sicher sei, ob ihn Z. unterstützt hätte, wenn er keine Leistungen von der Beklagten erhalten hätte, hat er - zeitnäher - gegenüber dem SG im Rahmen der Anhörungen erklärt, Z. hätte ihn wohl unterstützt.
Ob der Z. im fraglichen Zeitraum Leistungen zugestanden haben, ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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