L 3 AL 5132/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 4754/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 5132/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02. November 2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil, mit dem ein Bescheid über die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) aufgehoben worden ist.

Der Kläger ist bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) als Busfahrer beschäftigt. Er war seit dem 06.11.2009 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Sein Anspruch auf Krankengeld gegen die zuständige Krankenkasse, die AOK Baden-Württemberg, war mit dem 28.05.2010 erschöpft. Bereits am 27.05.2010 hatte er sich mit Wirkung zum 29.05.2010 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Die Beklagte hatte ihm daraufhin mit Bescheid vom 11.06.2010 Alg für 360 Tage ab dem 29.05.2010 mit einem täglichen Leistungssatz von EUR 34,48 bewilligt. Mit Bescheid vom 21.06.2010 war der tägliche Leistungssatz auf EUR 38,50 angehoben worden.

Vom 04.10. bis 08.11.2010 absolvierte der Kläger zu Lasten der AOK eine stufenweise Wiedereingliederung bei seinem Arbeitgeber. Entsprechend dem Wiedereingliederungsplan von Dr. A. vom 08.09.2010 arbeitete der Kläger nach einer im Klageverfahren eingeholten Auskunft der VBK vom 26.09.2011 vom 04. bis 10.10.2010 zwei, vom 11. bis 24.10.2010 vier, vom 25.10. bis 07.11.2010 sechs und ab dem 08.11.2010 acht Stunden arbeitstäglich. Während der stufenweisen Wiedereingliederung erhielt der Kläger von den VBK keinen Lohn. Auch die AOK gewährte keine Lohnersatzleistungen.

Mit Bescheid vom 11.10.2010 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab diesem Tage auf. Als Grund gab sie "Aufnahme einer Beschäftigung" an.

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.03.2007 (B 11a AL 31/06 R) sei die unentgeltliche Tätigkeit eines Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung, auch soweit sie mehr als 15 Stunden wöchentlich umfasse, kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis.

Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010. Sie führte aus, der Kläger sei ab dem 11.10.2010 nicht mehr arbeitslos, da er eine mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausübe. Dies sei eine wesentliche Änderung der Sachlage, die er erkannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt habe, sodass die Bewilligung von Alg ab dem 11.10.2010 aufzuheben gewesen sei. Das Urteil des BSG vom 21.03.2007 beziehe sich auf die Fälle, in denen Alg im Rahmen der so genannten Nahtlosigkeits-regelung gewährt werde. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall gewesen, denn er sei nach den Feststellungen des ärztlichen Dienstes vollschichtig erwerbsfähig.

Der Kläger hat am 25.10.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 5 AL 4754/10) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (S 5 AL 4411/10 ER). Er hat vorgetragen, das Urteil des BSG vom 21.03.2007 habe sich nur in anderen Teilen, nicht aber bei der Frage, ob eine unentgeltliche stufenweise Wiedereingliederung ein die Arbeitslosigkeit ausschließendes Beschäftigungsverhältnis sei, auf Fälle der Nahtlosigkeitsregelung bezogen. Außerdem hat der Kläger gerügt, der Bescheid vom 11.10.2010 sei zu unbestimmt, da er nicht erkennen lasse, welcher Bewilligungsbescheid aufgehoben werden solle.

Mit Beschluss vom 18.11.2010 hat das SG in dem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage vom 25.10.2010 gegen den Bescheid vom 11.10.2010 angeordnet. Dieser Beschluss ist rechtskräftig geworden.

In dem Hauptsacheverfahren ist die Beklagte der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, sie halte daran fest, dass eine stufenweise Wiedereingliederung mit einer Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich nur dann kein Beschäftigungsverhältnis sei, wenn die zu Grunde liegende Bewilligung von Alg auf der Nahtlosigkeitsregelung beruhe.

Mit Beschluss vom 21.03.2011 hat das SG die Deutsche Rentenversicherung Bund zum Verfahren beigeladen.

Nachdem der Kläger ab dem 09.11.2010 wieder in Vollzeit beschäftigt war und Arbeitslohn von den VBK bezogen hatte, hat er mit Schriftsatz vom 18.10.2011 seine Klage auf eine Aufhebung des Aufhebungsbescheids für die Zeit vom 11.10. bis 08.11.2010 beschränkt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.11.2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010 insoweit aufgehoben, als darin die Bewilligung von Alg für die Zeit vor dem 09.11.2010 aufgehoben worden war, und der Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Der Kläger habe ab dem 11.10.2010 noch nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Eine stufenweise Wiedereingliederung sei kein Beschäftigungsverhältnis, da bei ihr - ungeachtet der Eingliederung in den Betrieb und eventueller Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers - nicht die Erbringung fremdnütziger und fremdbestimmter Arbeit im Vordergrund stehe, sondern die Ausrichtung auf einen Rehabilitationserfolg. Bei der Einstufung einer Tätigkeit sei auch zu berücksichtigen, inwieweit sie der Erzielung von Lebensunterhalt diene. Der Kläger habe zwar ab dem 11.10.2010 wieder zwanzig Stunden wöchentlich und mehr gearbeitet. Dem habe jedoch ein ärztlicher Wiedereingliederungsplan zu Grunde gelegen. Die VBK habe auch bestätigt, dass sie dem Kläger in dieser Zeit keinen Lohn gezahlt habe. Sie und der Kläger seien daher ersichtlich nicht von einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis ausgegangen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihr am 03.11.2011 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 22.11.2010 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hält an ihrer Rechtsansicht fest. Sie verweist darauf, dass diese Ansicht auch in dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.09.2011 (L 7 AL 94/10) geteilt würde.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.11.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er trägt vor, das BSG habe sich in dem Urteil vom 21.03.2007 damit beschäftigt, ob durch die Änderung der Zielsetzung der Nahtlosigkeitsregelung einerseits und die Wiedereingliederung andererseits eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Dass die Ausführungen des BSG zu einer Wiedereingliederung nicht nur Fälle der Nahtlosigkeitsregelung beträfen, ergebe sich auch daraus, dass sie mit der Formulierung "unabhängig davon" eingeleitet würden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Kläger hat sich unter dem 07.02.2012, die Beigeladene unter dem 06.02.2012 und die Beklagte unter dem 29.02.2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Insbesondere ist die Beklagte im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG aus dem angegriffenen Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert, sodass die Berufung nicht zulassungsbedürftig war. Bei einem täglichen Leistungssatz von EUR 34,50 und einem 28-tägigen (vierwöchentlichen) Streitzeitraum beträgt ihre Beschwer EUR 966,00.

2. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat der Anfechtungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) für den zuletzt auf die Zeit vom 11.10. bis 08.11.2010 beschränkten Zeitraum zu Recht stattgegeben. Für diesen Zeitraum hatte die Beklagte die Alg-Bewilligung an den Kläger zu Unrecht aufgehoben. Es fehlte bereits an einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), sodass offen bleiben kann, ob die Vertrauensschutzvorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für einen Teil des Streitzeitraums einer Aufhebung entgegengestanden hätten. Der Kläger war auch in der Zeit vom 11.10. bis 08.11.2010 arbeitslos im Sinne von §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Insbesondere stellte die stufenweise Wiedereingliederung bei den VBK kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III dar. Zwar war der Kläger in dieser Tätigkeit mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig. Es fehlte jedoch an den weiteren Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses:

a) Im Bereich des Leistungsrechts der Arbeitsförderung, der hier einschlägig ist, ist eine nicht vom Arbeitgeber entlohnte stufenweise Wiedereingliederung nicht als Beschäftigungsverhältnis einzuordnen.

aa) Für ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne ist zwar nicht zwingend der Bezug von Arbeitsentgelt notwendig.

Im Leistungsrecht können auch unentgeltliche Tätigkeiten erfasst werden (BSG, Urteil vom 13.07.2006, B 7a AL 16/05 R, Juris). Jedoch ist auch auf leistungsrechtlicher Seite ein wirtschaftliches Austauschverhältnis notwendig, bei dem die Leistung fremdnütziger Arbeit im Vordergrund steht (BSG, a.a.O., vgl. auch Brand, in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 119 Rn. 13). Dies zeigt sich auch daran, dass unentgeltliche Tätigkeiten auch auf leistungsrechtlicher Seite zum Teil anderen Regeln unterworfen werden als Beschäftigungsverhältnisse gegen Entgelt (vgl. § 119 Abs. 2 SGB III). Auch Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sprechen dafür, nur echte Austauschverhältnisse zu erfassen. Zwar führt jede Tätigkeit dazu, dass der betroffene Versicherte nicht mehr den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht; deshalb wird seine Arbeitslosigkeit verneint. Bereits dies gilt jedoch nur eingeschränkt, nachdem unentgeltliche Tätigkeiten, auch wenn sie in Form eines echten zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses erbracht werden wie z.B. Auftragsverhältnisse (§§ 662 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), durchgängig einfacher und kurzfristiger beendet werden können als entgeltliche Arbeits- oder Werkverhältnisse. Vor allem aber greift die Erwägung, dass jemand, der in einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis tätig ist, nicht der lebensunterhaltssichernden Leistung des Alg bedarf. Wer dagegen ohne Entgelt und ohne andere Sozialleistungen eine Wiedereingliederung absolviert, muss seinen Lebensunterhalt absichern, ohne dass er ggfs. auf bedürftigkeitsabhängige Grundsicherungsleistungen verwiesen werden soll.

Aus diesen Erwägungen folgt, dass Wiedereingliederungsverhältnissen zumindest dann keine Beschäftigungsverhältnisse sind, wenn kein Entgelt gezahlt wird und wenn ihr Ziel und Zweck nicht in erster Linie die Erbringung nützlicher Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber ist, sondern die Rehabilitation des Versicherten. Wenn ein Arbeitgeber in einer solchen Situation kein Entgelt zahlt, ist dies ein Indiz dafür, dass er nicht von wirtschaftlich verwertbarer Arbeit des Beschäftigten ausgeht. In einem solchen Fall steht der medizinische Zweck der Wiedereingliederung, die Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit auf einem bestimmten Arbeitsplatz, im Vordergrund.

bb) Auch ein Vergleich mit den Vorschriften des SGB III über die beitragsrechtlichen Voraussetzungen des Beschäftigungsverhältnisses, also eine systematische Auslegung, bestätigt diese Einschätzung, wenngleich der beitrags- und der leistungsrechtliche Begriff des Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich unterschiedlich bestimmt werden müssen: Eine versicherungspflichtige Beschäftigung liegt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III nur vor, wenn eine Person "gegen Arbeitsentgelt" beschäftigt ist. Eine Wiedereingliederung gehört dazu nicht, solange in ihrem Rahmen kein Arbeitsentgelt gezahlt wird. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Nach dieser Vorschrift sind Beschäftigte während einer stufenweisen Wiedereingliederung, in der sie nur Arbeitsentgelt unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze beziehen und daher nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III grundsätzlich versicherungsfrei wären, gleichwohl versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung. Hieraus lässt sich entnehmen, dass dann, wenn überhaupt kein Arbeitsentgelt bezogen wird, auch keine Versicherungspflicht besteht. Diesen Punkt hat das BSG in dem auch von den Beteiligten genannten Urteil vom 21.03.2007 (Juris Rn. 33) noch offen gelassen. Der Kläger nun hat während der Wiedereingliederung kein Entgelt bezogen. Bei ihm war die Wiedereingliederung außerdem auch aus anderen Gründen nicht versicherungspflichtig. Grundsätzlich erhält ein Betroffener während einer von der Krankenkasse durchgeführten Rehabilitation (§ 74 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) als ergänzende Leistung nach § 28 i.V.m. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weiterhin Krankengeld. In diesem Fall besteht Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Der Kläger jedoch hatte keinen Anspruch mehr auf Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V, sein Anspruch war erschöpft.

cc) Für eine Situation, die der des Klägers entspricht, hat auch das Hessische LSG (Urteil vom 15.12.2008 (L 9 AL 177/07, Juris) entschieden, dass eine stufenweise Wiedereingliederung kein Beschäftigungsverhältnis darstellt. Es hat ausgeführt, es sei dabei ohne Belang, ob die Wiedereingliederung mehrere Stufen umfasst, oder – wie hier – für eine begrenzte Zeit eine tägliche Arbeitszeit von 4 Stunden, also circa der Hälfte der regulären Arbeitszeit, vorsieht. Unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O., Rn. 21) hat es ferner darauf hingewiesen, dass durch die reduzierte Arbeitszeit auch kein echtes Arbeitsverhältnis begründet werde, da Gegenstand der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung sei, sondern der Gesichtspunkt der Rehabilitation im Vordergrund stehe. Es entstehe ein Rechtsverhältnis eigener Art und der Arbeitnehmer unterliege z. B. auch nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dem ist zu folgen. Ein Arbeitsverhältnis im zivilrechtlichen Sinne, zumindest in Form des faktischen Arbeitsverhältnisses, ist nicht nur nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sondern auch nach dem Leistungsrecht des SGB III (vgl. Brand, a.a.O., Rn. 10), wesentliche Grundlage eines Beschäftigungsverhältnisses. Wenn es fehlt, kann in aller Regel auch kein Beschäftigungsverhältnis vorliegen. Dass im Falle des Klägers - neben dem Wiedereingliederungsverhältnis - auch noch sein früheres Arbeitsverhältnis zu den VBK fortbestand, weil dieses nicht gekündigt war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Hätte der Kläger in dem streitigen Zeitraum im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gearbeitet, hätte er einen Lohnanspruch gegen die VBK innegehabt.

cc) Nichts anderes folgt aus dem Urteil des BSG vom 21.03.2007. Den Ausführungen der Beklagten, die oben genannte Einschätzung gelte nur in den Nahtlosigkeitsfällen des § 125 SGB III, folgt der Senat nicht.

In jenem Urteil betreffen nur die Ausführungen des BSG zur objektiven Verfügbarkeit (Ziffer 1 der Entscheidungsgründe, Juris Rn. 15-18) und zu einer (möglichen, anspruchsausschließenden) Konkurrenz der Ansprüche auf Alg und auf "Leistungen bei AU" (gemeint wohl Übergangsgeld und Krankengeld) in Ziffer 2 der Entscheidungsgründe (Juris, Rn. 19-20) die Nahtlosigkeits¬re¬ge-lung. Die Ausführungen zur weiterbestehenden Arbeits- bzw. Beschäftigungslosigkeit sind in Ziffer 3 der Entscheidungsgründe (Rn. 21-35) deutlich von diesen Ausführungen abgesetzt. Dort wird die Nahtlosigkeitsregelung nicht mehr erwähnt. Vielmehr stellt sich das BSG - unabhängig von § 125 SGB III - auf den Standpunkt, dass eine stufenweise Wiedereingliederung Arbeitslosigkeit nicht ausschließe. Dies ergibt sich deutlich aus den Ausführungen bei Rn. 22 ff., in denen allein auf die Wiedereingliederung abgestellt wird, obwohl in dem zu Grunde liegenden Fall der Versicherte auch von der Nahtlosigkeitsregelung erfasst worden war.

Das LSG Niedersachsen-Bremen hatte in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 21.09.2011 diesen Punkt aus einem etwas anderen Blickwinkel zu prüfen. Es hatte festgestellt, dass der dortige Kläger nach wie vor arbeitsunfähig war und deshalb den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv nicht zur Verfügung stand (Juris, Rn. 21). Nur ergänzend hat es dann ausgeführt, dass er auch nach der Nahtlosigkeitsregelung kein Alg verlangen könne, weil die Wiedereingliederung eine Alg-Gewährung nach § 125 SGB III nicht ausschließe (Rn. 22). Damit hat das LSG nicht ausgeführt, dass die Gewährung von Alg nach den allgemeinen Vorschriften, also außerhalb eines Nahtlosigkeitsfalls, nicht in Betracht komme. Der Kläger in diesem Verfahren jedoch war auch nach dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsschrift vollschichtig einsatzfähig und daher nicht arbeitsunfähig. Die Beklagte hat sich sowohl in dem angegriffenen Bescheid als auch später während des Verfahrens nur auf das Fehlen der Arbeitslosigkeit berufen, nicht auf das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit.

Dass eine unentgeltliche Wiedereingliederung allgemein und nicht nur in Nahtlosigkeitsfällen kein Beschäftigungsverhältnis darstellt, ist auch inhaltlich gerechtfertigt. Die Nahtlosigkeits¬rege-lung fingiert nur das an sich fehlende Tatbestandsmerkmal der (objektiven) Verfügbarkeit, also die Fähigkeit und Bereitschaft, eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Beschäftigungslosigkeit ist eine daneben bestehende Voraussetzung des Alg-Anspruchs (wenngleich natürlich ein Arbeitsloser auch wegen einer anderen Tätigkeit objektiv nicht für eine neue verfügbar ist, aber diesen Punkt hat das SGB III eben gesondert geregelt). Daher kann es nicht von der Nahtlosigkeits¬rege¬lung abhängen, ob eine stufenweise Wiedereingliederung in dem einen Fall die Beschäftigungslosigkeit ausschließt und in dem anderen Fall nicht.

Mit dieser Ansicht folgt der Senat den Ausführungen des Hessischen LSG in dem bereits zitierten Urteil vom 15.12.2008. Das Hessische LSG hat dort (Juris, Rn. 20) ausgeführt, dass während der Teilnahme an einer stufenweisen Wiedereingliederung ins Arbeitsleben durch Verrichtung einer Teilzeitarbeit weiterhin ein Anspruch auf Fortzahlung des Alg nach § 126 SGB III besteht, wenn Arbeitsunfähigkeit für diese Tätigkeit fortbesteht. Auch in jenem Fall lagen die Voraussetzungen der Naht¬losig¬keitsregelung nicht vor. Daraus ergibt sich, dass in Fällen, in denen keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, erst recht ein Anspruch auf Alg besteht. Auch den weiteren Ausführungen des Hessischen LSG ist zuzustimmen, dass nämlich die freiwillige stufenweise Wiederaufnahme einer Beschäftigung letztlich auch im Interesse der Beklagten liegt, da dadurch die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des aktuellen Leistungsfalls eröffnet wird (Rn. 21).

b) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch des Klägers auf Alg ab dem 11.10.2010 auch nicht aus anderen Gründen entfallen war.

aa) Insbesondere fehlte es nicht an der objektiven Verfügbarkeit.

Der Kläger war nicht aus gesundheitlichen Gründen nicht verfügbar. Wie bereits ausgeführt, hielt die Beklagte selbst den Kläger für vollschichtig einsatzfähig und daher vermittelbar. Dass der Kläger arbeitsunfähig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne war, wie sich an der Bewilligung der Wiedereingliederung durch die AOK zeigt, steht dem nicht entgegen. Dort wird die Arbeitsunfähigkeit konkret auf den innegehabten Arbeitsplatz bezogen bestimmt, solange das Arbeitsverhältnis - wie hier - fortbesteht. Die objektive Verfügbarkeit nach dem SGB III fehlt dagegen erst, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitslosen dazu führt, dass er keine der Stellen, auf die die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen erstrecken muss, ausfüllen kann.

Auch die Wiedereingliederung selbst stand der objektiven Verfügbarkeit nicht entgegen: Weil das Arbeitsverhältnis zu den VBK ruhte, jedenfalls die Wiedereingliederung nicht im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurde, da ansonsten ein Lohnanspruch bestanden hätte, hätte der Kläger die Wiedereingliederung jederzeit abbrechen können, um einem etwaigen Vermittlungsvorschlag der Beklagten für eine (leichtere, seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende) Tätigkeit anzunehmen.

bb) Allerdings wäre der Kläger dazu vermutlich nicht bereit gewesen, denn durch die Wiedereingliederung zeigte er ja gerade, dass er auf seinen alten Arbeitsplatz zurückwollte. Möglicherweise fehlte es also an der subjektiven Verfügbarkeit. Aber wenn nach den gesetzlichen Wertungen, die das BSG in dem Urteil vom 21.03.2007 herausgearbeitet hat, eine Wiedereingliederung der Beschäftigungslosigkeit nicht entgegensteht, dann würde diese Wertung umgangen, wenn stattdessen ein Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit angenommen würde. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht ab Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme aufgehoben hat, sondern erst ab dem Tag, zu dem der Kläger vier Stunden arbeitstäglich gearbeitet hat. Dadurch hat die Beklagte gezeigt, dass sie die Wiedereingliederung selbst nicht als leistungsschädlich eingestuft hat, sondern allein davon ausgegangen ist, die Wiedereingliederung stelle ein Beschäftigungsverhältnis dar und lasse die Arbeitslosigkeit entfallen, sobald sie 15 Stunden wöchentlich überschreite.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

4. Der Senat misst diesem Rechtsstreit keine Grundsatzbedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die genannte Entscheidung des BSG höchstrichterlich geklärt. Der Senat weicht auch nicht von jener Entscheidung ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG), nachdem sich die Ausführungen des BSG zur Wiedereingliederung nicht auf Nahtlosigkeitsfälle beschränkt haben. Aus diesen Gründen war der Hilfsantrag der Beklagten, die Revision zuzulassen, abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
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