Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3697/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4743/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte am 17.03.2009 beim Landratsamt H. - Versorgungsamt - (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Sie machte als Funktionsbeeinträchtigung einen Bandscheibenvorfall und dessen Folgen geltend. Die Klägerin legte den Bericht von Dr. B. vom 03.12.2008 sowie von Dr. S. vom 23.11.2008 vor. Das LRA zog den Entlassungsbrief der R. Klinik B. W. vom 26.01.2009 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 12.01.2009 bis 20.01.2009 bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch seinen Ärztlichen Dienst (gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 15.04.2009) stellte das LRA mit Bescheid vom 22.04.2009 bei der Klägerin wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Schulter-Arm-Syndrom und Bandscheibenschaden den GdB mit 20 seit dem 17.03.2009 fest.
Gegen den Bescheid vom 22.04.2009 legte die Klägerin am 05.05.2009 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung starke Schmerzen und deren Auswirkungen geltend und trug weiter vor, bedingt durch die Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen als Folgeerscheinungen bestehe die tägliche Angst und Gefahr, sich noch mehr zu verletzen. Die Klägerin legte weitere Unterlagen vor.
Das LRA holte die Befundscheine von Dr. D. (Eingang beim LRA am 13.07.2009) und Dr. B. vom 03.08.2009 ein und ließ diese Unterlagen durch seinen Ärztlichen Dienst auswerten (Stellungnahme Dr. H. vom 22.09.2009). Entsprechend dieser Stellungnahme wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 zurück. Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin sei mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Ein Kreislaufleiden und Durchblutungsstörungen gingen aus den Unterlagen nicht hervor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.10.2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie berief sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren, das sie vertiefte und ergänzte.
Das SG hörte den Orthopäden L., den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt L. teilte in seiner Stellungnahme vom 29.12.2009 unter Vorlage medizinischer Unterlagen den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit und stimmte der Ansicht des Ärztlichen Dienstes zu. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 18.12.2009 den Behandlungsverlauf sowie die Diagnosen (chronisches Schmerzsyndrom durch HWS-Veränderungen, differenzialdiagnostisch anhaltende somatoforme Schmerzstörung) mit. Hinsichtlich der vom LRA berücksichtigten Gesundheitsstörungen stimmte er dem GdB von 20 zu und bewertete unter zusätzlicher Berücksichtigung einer somatoformen Überlagerung (Teil-GdB 30) den Gesamt-GdB mit 40. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.01.2010 die Ansicht des Ärztlichen Dienstes des LRA (Teil-GdB 20) und bestätigte alle Behinderungen der Klägerin als erfasst. Dr. D. legte medizinische Unterlagen vor.
Der Beklagte regte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 28.05.2010 an, eine nervenärztliche Begutachtung in Erwägung zu ziehen.
Das SG holte daraufhin von Amts wegen das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 09.09.2011 ein. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten zu der Beurteilung, die Beantwortung der Beweisfragen im Einzelnen sei wegen einer völlig fehlenden Mitarbeit der Klägerin nicht möglich. Bei Sichtung der Akten seien organ-neurologische Störungen nicht vorbeschrieben bzw. sogar samt ergänzender apparativer Diagnostik ausgeschlossen. Der von der Klägerin gezeigte "Auftritt" lasse nicht unerhebliche psychische Komponenten hinter den beklagten Beschwerden vermuten. Eine bereits überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz sei jedoch nicht zu belegen. Dies umso weniger, als eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung bislang nicht stattgefunden habe. Im Übrigen sei auf die völlig fehlende (aber zumutbare) Mitarbeit der Klägerin hinzuweisen. Ebenso auf das erhebliche Missverhältnis zwischen einerseits als Behinderung reklamierter Beschwerden und andererseits dem fehlenden Interesse, sich auf Behandlungsvorschläge und Behandlungskonzepte einzulassen.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung unter Bezug auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid aus, der GdB sei mit 20 angemessen bewertet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nachgekommen sei, weshalb eine weitere Sachaufklärung nicht möglich gewesen sei. Zur Untermauerung der Ansicht von Dr. B. hätte es der Feststellung weiterer Befunde und Anamnesen bedurft. Die Diagnose einer somatoformen Störung (chronisches Schmerzsyndrom) lasse sich nicht herleiten. Zudem befinde sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein.
Gegen den der Klägerin am 22.10.2011 mit Zustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 25.10.2011 (beim SG) Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung wiederholend geltend gemacht, am 27.09.2008 habe sie aufgrund starker Schmerzen einen Arzt aufsuchen müssen. Aus diesem Grunde liege bei ihr infolge eines festgestellten Bandscheibenvorfalls sowie zwei zusammengewachsener Halswirbel die Schwerbehinderteneigenschaft vor. Die täglich starken Schmerzen im Nacken, Hinterkopf, Rücken und Schulterbereich, ausstrahlend bis zum rechten Bein, sowie die Bewegungseinschränkungen hätten sowohl Auswirkungen auf ihren Beruf als Krankenschwester als auch auf ihr Privatleben. Langes Sitzen, Stehen, Laufen oder Liegen seien nicht mehr möglich. Bedingt durch Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen als Folgeerscheinungen bestehe die tägliche Angst und Gefahr, sich noch mehr zu verletzen. Seit September 2008 habe sie ein ständiges Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen und Zehen. Hinzu kämen stechende Schmerzanfälle im Gesichtsbereich und in den Ohren. Diese Beschwerden seien durch die Krankenunterlagen nachweisbar. Seit April 2009 hätten sich die Schmerzen verschlimmert. Die Einweisungsunterlagen bzw. Krankenunterlagen von Dr. W. seien ihr nicht zur Einsicht übersandt worden, in die sie Einsicht begehre. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin noch geltend gemacht, die Untersuchung bei Dr. B. sei nicht notwendig gewesen, denn sie habe Wirbelsäulenbeschwerden. Eine nervenärztliche Untersuchung sei nicht notwendig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 22. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2009 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 17. März 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung und nach Lage der Akten könne kein höherer GdB als 20 festgestellt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 22.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 30 oder mehr. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) soweit vorliegend relevant inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen nach den Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie die im Gutachten von Dr. B. vom 09.09.2011 nachgewiesenen Funktionsstörungen zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin keinen höheren GdB als 20.
Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin mit Schulter-Arm-Syndrom rechtfertigt nach den VG keinen höheren GdB als 20. Nach den VG Teil B 18.9 bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Erst Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Schwere funktionelle Auswirkungen (in einem oder in zwei Wirbelsäulenabschnitten) liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.
Nach dem Entlassbrief der R. Klinik B. W. vom 26.01.2009 besteht bei der Klägerin hinsichtlich der Wirbelsäule (nach dem allgemein-internistischen Aufnahmebefund) eine Steilstellung der Halswirbelsäule, eine allseits endgradig schmerzhaft eingeschränkte Kopfbeweglichkeit ohne radikuläre Ausstrahlung. Die grobe Kraft war (nach dem neurologischen Aufnahmebefund) hinsichtlich der Arme inklusive aller Hand- und Fingerfunktionen regelgerecht bei normalem Muskeltonus ohne Atrophie. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2009 an das SG eine relevante neurologische Erkrankung der Klägerin - auch unter Einbeziehung der von der Klägerin geklagten Nacken- und Halswirbelsäulenschmerzen - verneint. Auch der Orthopäde L. hat (lediglich) eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule ohne höhergradige Ausfälle beschrieben (Befundbericht vom 09.01.2009). Danach kann bei der Klägerin nicht von schweren funktionellen Auswirkungen auch nur in einem Wirbelsäulenabschnitt (Halswirbelsäule) ausgegangen werden. Es liegen zur Überzeugung des Senats (allenfalls) nur mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Halswirbelsäule) der Klägerin vor, die nach den dargestellten rechtlichen Vorgaben der VG mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Dem entsprechen auch die Einschätzungen des Orthopäden L., Dr. B. und Dr. D. in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG.
Soweit Dr. B. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG die Ansicht geäußert hat, eine somatoforme Überlagerung sei als stärker behindernde Störung mit einem zusätzlichen Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen, weshalb ein Gesamt-GdB von 40 resultiere, kann ihm nicht gefolgt werden. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage einschränkend angemerkt, dass seine Einschätzung des Gesamt-GdB nach der Aktenlage nicht gesichert erscheint, weshalb seine Ansicht lediglich einer Verdachtsdiagnose gleichsteht. Die Ansicht von Dr. B. ist durch das vom SG eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. B. vom 09.09.2011 auch nicht bestätigt worden. Allerdings sah sich Dr. B. aufgrund des - im Gutachten geschilderten - Verhaltens der Klägerin beim Untersuchungstermin wegen der völlig fehlenden Mitarbeit der Klägerin nicht in der Lage, die Beweisfragen im Einzelnen zu beantworten. Bei Sichtung der Aktenlage samt ergänzender apparativer Diagnostik hat Dr. B. bei der Klägerin jedoch eine organ-neurologische Störung ausgeschlossen. Das Verhalten der Klägerin lässt nach Ansicht von Dr. B. zwar nicht unerhebliche psychische Komponenten hinter den von der Klägerin geklagten Beschwerden vermuten. Eine bereits überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz lässt sich nach der überzeugenden Ansicht von Dr. B. bei der Klägerin jedoch nicht belegen. Dies gilt nach der überzeugenden Bewertung von Dr. B. umso mehr, als eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung der Klägerin bislang nicht stattgefunden hat und zudem ein erhebliches Missverhältnis zwischen einerseits als Behinderung reklamierter Beschwerden und andererseits dem fehlenden Interesse der Klägerin, sich auf Behandlungsvorschläge und Behandlungskonzepte einzulassen, besteht. Dieser nachvollziehbaren und plausiblen Bewertung von Dr. B. schließt sich der Senat an. Gegen eine somatoforme Überlagerung der Wirbelsäulenleiden der Klägerin (durch ein chronisches Schmerzsyndrom) und das hierzu von Klägerin im Verlauf des Rechtsstreites Vorgetragene spricht zudem, dass die Klägerin nach ihren (wenigen) Angaben bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B. mitgeteilt hat, keinerlei Medikamente einzunehmen und sich auch nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Das Vorbringen der Klägerin zu ihren Schmerzen und deren Auswirkungen ist bei dieser Sachlage für den Senat nicht glaubhaft. Damit ist eine dauerhafte somatoforme Überlagerung im Sinne einer stärker behindernden Störung, die als Behinderung bei der Bildung des Gesamt-GdB gemäß VG Teil B 3.7 zu berücksichtigen wäre, bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, was nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Auch sonstige Gesundheitsstörungen, die mit einem Teil-GdB zu berücksichtigen wären, liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dafür, dass bei der Klägerin (als Folgeerscheinungen) relevante Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen bestehen, wie sie behauptet, gibt es in den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen sowie den vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte keinen Anhaltspunkt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Der Senat sieht sich zu weiteren Ermittlungen insbesondere nicht deshalb gedrängt, weil Dr. B. nicht in der Lage war, die Beweisfragen in seinem Gutachten im Einzelnen zu beantworten. Dieser Umstand beruht allein auf einer fehlenden Mitwirkung der Klägerin durch ihr Verhalten beim Untersuchungstermin, wie Dr. B. in seinem Gutachten im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt hat. Dieses Verhalten ist - in Übereinstimmung mit dem SG - als Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 27.01.2012 - L 8 SB 1808/11 -, veröffentlicht: Juris; Internet: sozialgerichtsbarkeit.de (Entscheidungen)) der Klägerin zu werten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu erkennen gegeben, dass sie nach wie vor nicht bereit ist, sich nervenärztlich untersuchen zu lassen. Sie hat ausdrücklich erklärt, eine solche Untersuchung halte sie nicht für notwendig. Dr. B. hat zudem in seinem Gutachten eine organ-neurologische Störung ausgeschlossen sowie eine überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz als nicht belegt angesehen. Damit ist dem Untersuchungsgrundsatz genügt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte am 17.03.2009 beim Landratsamt H. - Versorgungsamt - (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Sie machte als Funktionsbeeinträchtigung einen Bandscheibenvorfall und dessen Folgen geltend. Die Klägerin legte den Bericht von Dr. B. vom 03.12.2008 sowie von Dr. S. vom 23.11.2008 vor. Das LRA zog den Entlassungsbrief der R. Klinik B. W. vom 26.01.2009 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 12.01.2009 bis 20.01.2009 bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch seinen Ärztlichen Dienst (gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 15.04.2009) stellte das LRA mit Bescheid vom 22.04.2009 bei der Klägerin wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Schulter-Arm-Syndrom und Bandscheibenschaden den GdB mit 20 seit dem 17.03.2009 fest.
Gegen den Bescheid vom 22.04.2009 legte die Klägerin am 05.05.2009 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung starke Schmerzen und deren Auswirkungen geltend und trug weiter vor, bedingt durch die Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen als Folgeerscheinungen bestehe die tägliche Angst und Gefahr, sich noch mehr zu verletzen. Die Klägerin legte weitere Unterlagen vor.
Das LRA holte die Befundscheine von Dr. D. (Eingang beim LRA am 13.07.2009) und Dr. B. vom 03.08.2009 ein und ließ diese Unterlagen durch seinen Ärztlichen Dienst auswerten (Stellungnahme Dr. H. vom 22.09.2009). Entsprechend dieser Stellungnahme wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 zurück. Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin sei mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Ein Kreislaufleiden und Durchblutungsstörungen gingen aus den Unterlagen nicht hervor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.10.2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie berief sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren, das sie vertiefte und ergänzte.
Das SG hörte den Orthopäden L., den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt L. teilte in seiner Stellungnahme vom 29.12.2009 unter Vorlage medizinischer Unterlagen den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit und stimmte der Ansicht des Ärztlichen Dienstes zu. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 18.12.2009 den Behandlungsverlauf sowie die Diagnosen (chronisches Schmerzsyndrom durch HWS-Veränderungen, differenzialdiagnostisch anhaltende somatoforme Schmerzstörung) mit. Hinsichtlich der vom LRA berücksichtigten Gesundheitsstörungen stimmte er dem GdB von 20 zu und bewertete unter zusätzlicher Berücksichtigung einer somatoformen Überlagerung (Teil-GdB 30) den Gesamt-GdB mit 40. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.01.2010 die Ansicht des Ärztlichen Dienstes des LRA (Teil-GdB 20) und bestätigte alle Behinderungen der Klägerin als erfasst. Dr. D. legte medizinische Unterlagen vor.
Der Beklagte regte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 28.05.2010 an, eine nervenärztliche Begutachtung in Erwägung zu ziehen.
Das SG holte daraufhin von Amts wegen das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 09.09.2011 ein. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten zu der Beurteilung, die Beantwortung der Beweisfragen im Einzelnen sei wegen einer völlig fehlenden Mitarbeit der Klägerin nicht möglich. Bei Sichtung der Akten seien organ-neurologische Störungen nicht vorbeschrieben bzw. sogar samt ergänzender apparativer Diagnostik ausgeschlossen. Der von der Klägerin gezeigte "Auftritt" lasse nicht unerhebliche psychische Komponenten hinter den beklagten Beschwerden vermuten. Eine bereits überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz sei jedoch nicht zu belegen. Dies umso weniger, als eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung bislang nicht stattgefunden habe. Im Übrigen sei auf die völlig fehlende (aber zumutbare) Mitarbeit der Klägerin hinzuweisen. Ebenso auf das erhebliche Missverhältnis zwischen einerseits als Behinderung reklamierter Beschwerden und andererseits dem fehlenden Interesse, sich auf Behandlungsvorschläge und Behandlungskonzepte einzulassen.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung unter Bezug auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid aus, der GdB sei mit 20 angemessen bewertet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nachgekommen sei, weshalb eine weitere Sachaufklärung nicht möglich gewesen sei. Zur Untermauerung der Ansicht von Dr. B. hätte es der Feststellung weiterer Befunde und Anamnesen bedurft. Die Diagnose einer somatoformen Störung (chronisches Schmerzsyndrom) lasse sich nicht herleiten. Zudem befinde sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein.
Gegen den der Klägerin am 22.10.2011 mit Zustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 25.10.2011 (beim SG) Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung wiederholend geltend gemacht, am 27.09.2008 habe sie aufgrund starker Schmerzen einen Arzt aufsuchen müssen. Aus diesem Grunde liege bei ihr infolge eines festgestellten Bandscheibenvorfalls sowie zwei zusammengewachsener Halswirbel die Schwerbehinderteneigenschaft vor. Die täglich starken Schmerzen im Nacken, Hinterkopf, Rücken und Schulterbereich, ausstrahlend bis zum rechten Bein, sowie die Bewegungseinschränkungen hätten sowohl Auswirkungen auf ihren Beruf als Krankenschwester als auch auf ihr Privatleben. Langes Sitzen, Stehen, Laufen oder Liegen seien nicht mehr möglich. Bedingt durch Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen als Folgeerscheinungen bestehe die tägliche Angst und Gefahr, sich noch mehr zu verletzen. Seit September 2008 habe sie ein ständiges Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen und Zehen. Hinzu kämen stechende Schmerzanfälle im Gesichtsbereich und in den Ohren. Diese Beschwerden seien durch die Krankenunterlagen nachweisbar. Seit April 2009 hätten sich die Schmerzen verschlimmert. Die Einweisungsunterlagen bzw. Krankenunterlagen von Dr. W. seien ihr nicht zur Einsicht übersandt worden, in die sie Einsicht begehre. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin noch geltend gemacht, die Untersuchung bei Dr. B. sei nicht notwendig gewesen, denn sie habe Wirbelsäulenbeschwerden. Eine nervenärztliche Untersuchung sei nicht notwendig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 22. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2009 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 17. März 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung und nach Lage der Akten könne kein höherer GdB als 20 festgestellt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 22.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 30 oder mehr. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) soweit vorliegend relevant inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen nach den Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie die im Gutachten von Dr. B. vom 09.09.2011 nachgewiesenen Funktionsstörungen zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin keinen höheren GdB als 20.
Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin mit Schulter-Arm-Syndrom rechtfertigt nach den VG keinen höheren GdB als 20. Nach den VG Teil B 18.9 bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Erst Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Schwere funktionelle Auswirkungen (in einem oder in zwei Wirbelsäulenabschnitten) liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.
Nach dem Entlassbrief der R. Klinik B. W. vom 26.01.2009 besteht bei der Klägerin hinsichtlich der Wirbelsäule (nach dem allgemein-internistischen Aufnahmebefund) eine Steilstellung der Halswirbelsäule, eine allseits endgradig schmerzhaft eingeschränkte Kopfbeweglichkeit ohne radikuläre Ausstrahlung. Die grobe Kraft war (nach dem neurologischen Aufnahmebefund) hinsichtlich der Arme inklusive aller Hand- und Fingerfunktionen regelgerecht bei normalem Muskeltonus ohne Atrophie. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2009 an das SG eine relevante neurologische Erkrankung der Klägerin - auch unter Einbeziehung der von der Klägerin geklagten Nacken- und Halswirbelsäulenschmerzen - verneint. Auch der Orthopäde L. hat (lediglich) eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule ohne höhergradige Ausfälle beschrieben (Befundbericht vom 09.01.2009). Danach kann bei der Klägerin nicht von schweren funktionellen Auswirkungen auch nur in einem Wirbelsäulenabschnitt (Halswirbelsäule) ausgegangen werden. Es liegen zur Überzeugung des Senats (allenfalls) nur mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Halswirbelsäule) der Klägerin vor, die nach den dargestellten rechtlichen Vorgaben der VG mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Dem entsprechen auch die Einschätzungen des Orthopäden L., Dr. B. und Dr. D. in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG.
Soweit Dr. B. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG die Ansicht geäußert hat, eine somatoforme Überlagerung sei als stärker behindernde Störung mit einem zusätzlichen Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen, weshalb ein Gesamt-GdB von 40 resultiere, kann ihm nicht gefolgt werden. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage einschränkend angemerkt, dass seine Einschätzung des Gesamt-GdB nach der Aktenlage nicht gesichert erscheint, weshalb seine Ansicht lediglich einer Verdachtsdiagnose gleichsteht. Die Ansicht von Dr. B. ist durch das vom SG eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. B. vom 09.09.2011 auch nicht bestätigt worden. Allerdings sah sich Dr. B. aufgrund des - im Gutachten geschilderten - Verhaltens der Klägerin beim Untersuchungstermin wegen der völlig fehlenden Mitarbeit der Klägerin nicht in der Lage, die Beweisfragen im Einzelnen zu beantworten. Bei Sichtung der Aktenlage samt ergänzender apparativer Diagnostik hat Dr. B. bei der Klägerin jedoch eine organ-neurologische Störung ausgeschlossen. Das Verhalten der Klägerin lässt nach Ansicht von Dr. B. zwar nicht unerhebliche psychische Komponenten hinter den von der Klägerin geklagten Beschwerden vermuten. Eine bereits überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz lässt sich nach der überzeugenden Ansicht von Dr. B. bei der Klägerin jedoch nicht belegen. Dies gilt nach der überzeugenden Bewertung von Dr. B. umso mehr, als eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung der Klägerin bislang nicht stattgefunden hat und zudem ein erhebliches Missverhältnis zwischen einerseits als Behinderung reklamierter Beschwerden und andererseits dem fehlenden Interesse der Klägerin, sich auf Behandlungsvorschläge und Behandlungskonzepte einzulassen, besteht. Dieser nachvollziehbaren und plausiblen Bewertung von Dr. B. schließt sich der Senat an. Gegen eine somatoforme Überlagerung der Wirbelsäulenleiden der Klägerin (durch ein chronisches Schmerzsyndrom) und das hierzu von Klägerin im Verlauf des Rechtsstreites Vorgetragene spricht zudem, dass die Klägerin nach ihren (wenigen) Angaben bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B. mitgeteilt hat, keinerlei Medikamente einzunehmen und sich auch nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Das Vorbringen der Klägerin zu ihren Schmerzen und deren Auswirkungen ist bei dieser Sachlage für den Senat nicht glaubhaft. Damit ist eine dauerhafte somatoforme Überlagerung im Sinne einer stärker behindernden Störung, die als Behinderung bei der Bildung des Gesamt-GdB gemäß VG Teil B 3.7 zu berücksichtigen wäre, bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, was nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Auch sonstige Gesundheitsstörungen, die mit einem Teil-GdB zu berücksichtigen wären, liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dafür, dass bei der Klägerin (als Folgeerscheinungen) relevante Kreislaufprobleme und Durchblutungsstörungen bestehen, wie sie behauptet, gibt es in den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen sowie den vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte keinen Anhaltspunkt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Der Senat sieht sich zu weiteren Ermittlungen insbesondere nicht deshalb gedrängt, weil Dr. B. nicht in der Lage war, die Beweisfragen in seinem Gutachten im Einzelnen zu beantworten. Dieser Umstand beruht allein auf einer fehlenden Mitwirkung der Klägerin durch ihr Verhalten beim Untersuchungstermin, wie Dr. B. in seinem Gutachten im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt hat. Dieses Verhalten ist - in Übereinstimmung mit dem SG - als Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 27.01.2012 - L 8 SB 1808/11 -, veröffentlicht: Juris; Internet: sozialgerichtsbarkeit.de (Entscheidungen)) der Klägerin zu werten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu erkennen gegeben, dass sie nach wie vor nicht bereit ist, sich nervenärztlich untersuchen zu lassen. Sie hat ausdrücklich erklärt, eine solche Untersuchung halte sie nicht für notwendig. Dr. B. hat zudem in seinem Gutachten eine organ-neurologische Störung ausgeschlossen sowie eine überdauernde psychische Störung von eigenständiger sozialmedizinischer Relevanz als nicht belegt angesehen. Damit ist dem Untersuchungsgrundsatz genügt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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