L 8 SB 5315/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3198/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5315/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung) streitig.

Bei 1956 geborenen Kläger ist gemäß Ausführungsbescheid des Landratsamts W. (VA) vom 16.10.2007 in Ausführung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 25.09.2007 der GdB mit 80 seit 22.01.2004 festgestellt. Der Bewertung des GdB liegen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: Seelische Krankheit (60), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des linken Beines (10). Die gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 25.09.2007 eingelegte Berufung wurde vom Betreuer des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung vom 28.05.2009 zurückgenommen.

Am 13.08.2009 stellten der Kläger und sein Bevollmächtigter einen Verschlimmerungsantrag und machten gleichzeitig die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, B und RF geltend. Das VA holte die Befundberichte des Internisten Dr. T. K. vom 10.09.2009 und der Augenärztin Dr. W. vom 03.09.2009 ein, die mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.11.2009 ausgewertet wurden.

Mit Bescheid vom 10.11.2009 wurde der Antrag auf Neufeststellung des Grades der Behinderung und Feststellung von gesundheitlichen Merkmalen abgelehnt. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten und der GdB betrage nach wie vor 80. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: Seelische Krankheit, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwerhörigkeit beidseitig, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des linken Beines, eingepflanzte Kunstlinse beidseits. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Beeinträchtigung der Atemwege" bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stelle deshalb keine Behinderung im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) dar. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, B und RF seien nicht erfüllt.

Hiergegen legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 13.11.2009 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 21.06.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 3198/10) und trug zur Begründung vor, als Betreuer könne er nur bestätigen, dass sich die körperlichen Beschwerden des Klägers - insbesonders das Rückenleiden - ständig verschlechterten. Der Kläger habe schwere Probleme beim Gehen und dies verschlechtere sich immer mehr. Aufgrund dessen befürworte er die Zuerkennung des Merkzeichens G für den Kläger.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.08.2010 fragte das SG beim Bevollmächtigten des Klägers an, ob es dem Kläger allein um die Zuerkennung des Merkzeichens G ginge. Der Betreuer des Klägers teilte dem SG mit Schreiben vom 22.09.2010 mit, es gehe um Klage für das Merkzeichen G. Zur Begründung machte er ergänzend geltend, um den Zustand und die Gehfähigkeit des Klägers beurteilen zu können, hätten er und seine Frau mit dem Kläger einen längeren Spaziergang unternommen, ohne dass der Kläger gewusst habe, worum es ginge. Dabei sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, "mehr als 5 bis 700 m zu gehen", ohne dass er habe stehenbleiben und eine Pause einlegen müsse. Für diese Strecke habe er ca. 20 bis 25 Minuten benötigt. In 30 Minuten könne der Kläger nie 2 km schaffen. Er sei der Meinung, dass der körperliche Schaden einen Grad von 50% habe, wenn nicht mehr. Auch verschlechtere sich der Gesundheitszustand des Klägers ständig. Aufgrund des derzeitigen körperlichen Zustandes beantrage er, dass dem Kläger das Merkzeichen G zugesprochen werde.

Das SG hörte den den Kläger behandelnden Facharzt für Chirurgie Dr. B ... Dieser teilte mit Schreiben vom 24.11.2010 mit, der Kläger sei bei ihm seit Oktober 2008 in Behandlung und habe sich mehrmals mit seinem Betreuer bei ihm vorgestellt, in erster Linie wegen Anträgen. Wegen des jetzigen Anschreibens des SG habe sich der Kläger am 19.11.2010 vorgestellt. Es bestehe ein starkes Unverständnis bezüglich der Ablehnung. Der Kläger beklage Schmerzen im ganzen Körper, er könne kaum noch 1 km gehen. Dies sei schwierig, da er seine Kinder aus dem Kindergarten abholen müsse und alles zu Fuß zu erledigen habe. Einen Führerschein habe der Kläger seit den 90er Jahren nicht mehr. Aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sei die Diagnose einer retropatellaren Chondropathie am rechten Knie zu stellen. Die angegebenen diffusen Schmerzen könnten durch die klinischen und röntgenologischen Befunde nicht nachvollzogen werden. Der Zustand nach Wirbelfrakturen und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule könnten durchaus eine Gehstreckenverminderung darstellen, bedingt durch die Schmerzen. Es bestünden jedoch keinerlei nervale Ausfälle. Die Retropatellarchondropathie sei hier schmerzhaft, bedinge jedoch keine Gehstreckenverminderung. Seines Erachtens könne der Kläger eine halbe Stunde bis zu einer Stunde zu Fuß zurücklegen. Die Behinderung an den unteren Gliedmaßen sowie an der Wirbelsäule ergäben keinen GdB von 50, sondern dieser liege deutlich darunter. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 10 hinreichend berücksichtigt. Diese GdB-Einschätzungen halte er auch für ausreichend.

Dr. T. K. teilte dem SG mit Schreiben vom 21.04.2011 mit, er behandele den Kläger seit über fünf Jahren wegen eines psychischen Leidens. Der Kläger sei im Moment psychisch stabil und er nehme seine Medikamente regelmäßig ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2011 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die 10. Kammer des SG habe sich - wie bereits vorgehend im Jahre 2007 die 6. Kammer des SG - nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens vorliege. Bereits mit Gutachten vom 06.03.2007 habe die Neurologin und Psychiaterin Dr. V. bei der Aufnahme der Tagesstruktur des Klägers notiert, der Kläger gehe vormittags einkaufen oder nehme Arztbesuche wahr. Er tue dies zu Fuß. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren bei der 10. Kammer sei von Seiten des Klägers vorgetragen worden, er hole seine Kinder vom Kindergarten ab und erledige diese Aufgaben zu Fuß. Die Gutachterin Dr. V. sei im Jahr 2007 auch zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Kläger auf Wegen, die er nicht kenne, gut zurechtfinde und keine Einschränkungen bei zu Fuß zurückzulegenden Wegstrecken habe. Auch aus den Befunderhebungen des den Kläger behandelnden Facharztes für Chirurgie Dr. B. ergäben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger in seiner Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Zu Recht habe daher der Beklagte die Anerkennung des Nachteilsausgleiches G versagt.

Gegen den - dem Bevollmächtigten per Zustellungsurkunde am 02.11.2011 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger mit dem am 22.11.2011 beim SG eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 11.12.2011 hat der Betreuer des Klägers der Berufungseinlegung durch den Kläger zugestimmt.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches "G".

Streitgegenstand des vorliegenden Rechtstreits ist der Bescheid vom 10.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2010, mit dem der Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Grades der Behinderung und auf Feststellung der Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Gehbehinderung), "B" (Notwendigkeit einer Begleitperson) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) abgelehnt worden sind. Da im Klageverfahren ausschließlich die Ablehnung des Nachteilsausgleiches "G" angefochten worden ist, was der Betreuer des Klägers klarstellend dem Gericht mit Schreiben vom 22.09.2010 mitgeteilt hat, ist ausschließlicher Streitgegenstand die Frage der Anerkennung des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung).

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" liegen beim Kläger nicht vor. Er ist nicht in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Das SG ist in seiner Entscheidung unter Heranziehung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften und der zum Entscheidungszeitpunkt maßgebenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für den Nachweis einer erheblichen Einschränkung des Gehvermögens im Sinne des Nachteilsausgleiches "G" nicht erfüllt sind. Der Senat gelangt zu demselben Ergebnis und schließt sich nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides mit der nachstehenden Einschränkung an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:

Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 9/9a RVs 1/91 BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 9 RVs 4/95 SozR 3 3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 9a/9 RVs 7/89 BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3 3870 a.a.O.).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.

Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 L 8 SB 3119/08 vom 14.08.2009 L 8 SB 1691/08 , beide veröff. in juris und www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Das Tatbestandsmerkmal der im Ortverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 9a RVs 11/87 , SozR 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht.

Soweit der Kläger und sein Betreuer geltend machen, der Kläger habe schwere Probleme beim Gehen und der Kläger sei nicht in der Lage, mehr als 500 bis 700 m zu gehen, ohne dass er habe stehen bleiben und eine Pause einlegen müssen und er allein für diese Strecke schon ca. 20 bis 25 Minuten benötigt habe, weshalb es ausgeschlossen sei, 2 km in 30 Minuten zu schaffen, ist darauf hinzuweisen, dass die beim Kläger diagnostizierten Funktionsstörungen, die sich auf sein Gehvermögen auswirken können, mit dieser Beschwerdeangabe nicht in Einklang zu bringen sind. Dem steht auch die ärztliche Einschätzung von Dr. B. entgegen, wonach der Kläger 1/2 bis 1 Stunde gehen kann. Die beim Kläger festgestellten Funktionsstörungen, die sich auf sein Gehvermögen auswirken können, sind nicht so schwerwiegend, dass die o.g. Voraussetzungen als erfüllt angesehen werden könnten. Für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist einschließlich des Schulter-Arm-Syndroms ein Teil-GdB von 20 festgestellt worden und die Funktionsstörungen an beiden Kniegelenken und die Gebrauchseinschränkung des linken Beines sind insgesamt mit einem Teil-GdB von 10 bewertet worden. Diese GdB-Feststellungen sind auch vom behandelnden Chirurgen des Klägers Dr. B. als ausreichend beurteilt worden. Eine schmerzbedingte Gehstreckenverminderung hält Dr. B. zwar für möglich, aber nicht in dem für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G erforderlichen Ausmaß. Das Wirbelsäulenleiden geht nicht mit nervalen Ausfällen einher. Auf die retropatellare Chondropathie sind die ausgeprägt angegebenen diffusen Schmerzen nicht rückführbar. Eine Wegstreckenlimitierung hat Dr. B. hierdurch überzeugend vermeint.

Eine Desorientierung des Klägers ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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