Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 P 7213/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1201/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Vorliegend ist die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Streit. Im beim Sozialgericht Stuttgart (SG) seit 28. Oktober 2008 anhängigen Klageverfahren S 19 P 7213/08 (früher S 12 P 7213/08) wendet sich die bis 31. Juli 2009 in einem von der Beigeladenen getragenen Pflegeheim in vollstationärer Pflege befindliche Klägerin gegen die von der Beklagten vorgenommene Einstufung in die Pflegestufe III in der Zeit vom 01. Januar 2007 bis 31. Juli 2009.
Mit Verfügung vom 07. April 2009, der an die Bevollmächtigte der Klägerin am 08. April 2009 abgesandt wurde, ernannte das SG Facharzt für Allgemeinmedizin G. zum Sachverständigen. Ausweislich des in der Akte S 19 P 7213/08 befindlichen Aktenvermerks vom 17. April 2009 über einen Telefonanruf mit der Bevollmächtigten der Klägerin widersprach diese einer Begutachtung der Klägerin, worauf das SG, nachdem sich die Klägerin unter dem 26. April 2009 auch noch schriftlich geäußert hatte, unter dem 27. April 2009 den Gutachtensauftrag an den Arzt G. dahingehend abänderte, dass das Gutachten nach Aktenlage zu erstellen sei. Aufgrund dieses Gutachtensauftrags erstattete Arzt G. unter dem 19. August 2009 ein Gutachten nach Aktenlage. Das Gutachten ging am 25. August 2009 beim SG ein und wurde den Beteiligten am 25. August 2009 mit einer an die Klägerin gesetzten Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen übersandt. Am 23. September 2009 teilte die Bevollmächtigte der Klägerin dem SG telefonisch mit, dass sie das Gutachten erst an jenem Tag erhalten habe und bat um Verlängerung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von vier Wochen, die ihr mit Schreiben vom 23. September 2009 antragsgemäß gewährt wurde. Telefonisch monierte die Bevollmächtigte der Klägerin bereits am 21. September 2009 beim SG, dass sie Unterlagen nicht erhalten habe, worauf diese unter dem 24. September 2009 und auf weitere Anmahnung unter dem 30. September 2009 übersandt wurden. Die vollständigen Unterlagen lagen der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen am 02. Oktober 2009 vor. Unter dem 05. Oktober 2009 konkretisierte die Klägerin ihre Anträge. Telefonisch bat sie am 07. Oktober 2009 beim SG nochmals um Fristverlängerung im Hinblick auf die angeforderte Stellungnahme zum Gutachten bis 04. November 2009, was ihr bewilligt wurde. Mit Schreiben vom 04. November 2009 lehnte sie den - damals - für das Hauptsacheverfahren zuständigen Richter am Sozialgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch lehnte der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 16. März 2010, an dem u.a. Richter am Sozialgericht Dr. O. mitwirkte, als unzulässig ab (L 4 SF 5177/09 AB). Mit Schreiben vom 05. November 2009, das am 06. November 2009 beim SG einging, lehnte die Klägerin außerdem Arzt G. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Gutachten datiere vom 19. August 2009, laut Eingangsstempel des SG sei es dort am 25. August 2009 eingetroffen. Die Beklagte habe ihr unter dem 19. August 2009 erneut Leistungen der Pflegestufe III bewilligt. Dies begründe den dringenden Verdacht, dass der Sachverständige an SG und ihr, der Klägerin, vorbei die Beklagte schon am Tage der Fertigstellung seines Gutachtens über dieses in Kenntnis gesetzt habe, was jene zur erneuten Bewilligung von Pflegestufe III bewogen habe.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2010 verwarf der nunmehr für das Hauptsacheverfahren beim SG zuständige Richter am Sozialgericht Dr. O. das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. als unzulässig. Er, der nunmehrige Vorsitzende des erkennenden Gerichts, könne über den Antrag entscheiden, auch wenn er am Beschluss des LSG vom 16. Oktober (richtig: März) 2010 beteiligt gewesen sei. Ein Richter sei nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen, wenn er in der betreffenden Sache in einem früheren Rechtszug oder als Schiedsrichter bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen sei jedoch ein anderes (Neben-)Verfahren, als ihr entsprechender Antrag gegen den früheren Kammervorsitzenden. Das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. sei verspätet. Die Klägerin habe spätestens zu dem Zeitpunkt, als sie das Gutachten erhalten habe, dies sei am 23. September 2009 gewesen, vom Datum des Gutachtens am 19. August 2009 erfahren. Von der erneuten Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe III mit Bescheid vom 19. August 2009 habe sie allenfalls einige Tage nach Erlass dieses Bescheids erfahren. Das Befangenheitsgesuch wäre daher allerspätestens zwei Wochen nach dem 23. September 2009, also am 07. Oktober 2009, bei Gericht anzubringen gewesen. Es sei jedoch erst mit Schriftsatz vom 05. November 2009 gestellt worden. Auf die längere Frist zur inhaltlichen Stellungnahme zu dem Gutachten, die das Gericht gesetzt habe, komme es nicht an, da der angebliche Befangenheitsgrund bereits aus dem Datum des Gutachtens folge, das ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Im Übrigen sei, als das Befangenheitsgesuch bei Gericht eingegangen sei, auch diese Frist zur Stellungnahme schon verstrichen gewesen, denn sie sei am 23. September 2009 um vier Wochen verlängert worden, also bis zum 21. Oktober 2009. Dieser Beschluss wurde ausweislich des auf dem Beschluss angebrachten Vermerks am 15. Juli 2010 an die Bevollmächtigte der Bevollmächtigte der Klägerin abgesandt. Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 beanstandete die Klägerin u.a., dass über ihren Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen G. noch nicht entschieden sei, worauf das SG, nachdem sich in der Akte kein Zustellungsnachweis an die Klägerin befand, den Beschluss der Bevollmächtigten der Klägerin noch einmal am 21. Februar 2012 mit Postzustellungsurkunde zustellte.
Gegen den Beschluss vom 15. Juli 2010 hat die Klägerin am 21. März 2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das Gesetz sehe keine Frist von zwei Wochen vor. Unabhängig davon sei ihr Befangenheitsantrag nicht verspätet. Sie habe erst am 02. Oktober 2009 alle für die Beurteilung einer Befangenheit des Sachverständigen G. relevanten Schriftstücke in ihrer Gesamtheit gehabt. Zunächst sei eine Befangenheit des Richters am Sozialgericht B. zu prüfen gewesen. Deshalb habe sie am 07. Oktober 2009 beim SG angerufen und eine Fristverlängerung bzgl. ihrer Reaktion auf die Begutachtung bis 05. November 2009 erhalten. Das Befangenheitsgesuch gegen Richter am Sozialgericht B. sei am 05. November 2009, gegen den Sachverständigen G. am 06. November 2009 vor 8:00 Uhr, also vor dem ersten Geschäftsgang, eingegangen. Im Übrigen sei eine Verzögerung des Rechtsstreits aufgrund des Eingangs des Befangenheitsantrags nach dem 07. Oktober 2009 beim SG nicht eingetreten. Die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig wegen Fristüberschreitung stelle eine Rechtsbeugung und Verletzung des fair-trial-Grundsatzes dar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2010 aufzuheben und den Sachverständigen Matthias G. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Der Senat geht insbesondere davon aus, dass die Klägerin die Beschwerde fristgerecht eingelegt hat. Mangels eines Zustellungsnachweises ist die Behauptung der Klägerin, der Beschluss vom 15. Juli 2010 sei ihr erstmals am 21. Februar 2012 bekannt gegeben worden, nicht zu widerlegen.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin und ihre Bevollmächtigte nicht die derzeitige Anschrift der Klägerin benannt haben. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1). Die derzeitige Anschrift der Klägerin ergibt sich aus einem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern.
2. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
a) Richter am Sozialgericht Dr. O. war zu der Entscheidung über das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. befugt. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird insoweit verwiesen. Die Klägerin rügt dies im Beschwerdeverfahren auch nicht.
b) Nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 2 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung (Satz 1). Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (Satz 2). Zweck des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Beschleunigung des Verfahrens. Der Ablehnungsantrag ist demzufolge noch nach der Gutachtenserstattung möglich, wenn den Beteiligten der Ablehnungsgrund vorher nicht bekannt war, sich dieser insbesondere erst aus dem Gutachten oder den Umständen im Rahmen der Begutachtung ergibt. Der Antrag muss dann unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden, wobei der Beteiligte aber eine den Umständen angemessene Zeit zur Prüfung oder Überlegung hat (Keller in Mayer-Ladewig, SGG, 10. Auflage 2012, § 118 Rdnr. 12l m.w.N. zur Rechtsprechung und unter Verweis auf Bundestags-Drucksache [BT-Drucks.] 11/3621 S. 74).
Der Klägerin ist einzuräumen, dass § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Frist von zwei Wochen, binnen derer die Ablehnung geltend zu machen ist, nennt. Die Zwei-Wochen-Frist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt in Fällen, in denen geltend gemacht wird, von dem Sachverhalt, auf den der Ablehnungsantrag gestützt wird, erst später erfahren zu haben, nicht. Gleichwohl folgt aus § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass das Ablehnungsgesuch unverzüglich und zeitnah anzubringen ist (Bundesgerichtshof - BGH - , Beschluss vom 23. September 2008 - X ZR 135/04 - in juris). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsteller nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft zu machen hat, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen, aber auch aus dem Zweck des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der in der Beschleunigung des Verfahrens zu sehen ist (Keller a.a.O. § 118 Rdnr. 12l). Der Notwendigkeit der Benennung einer konkreten Frist im Gesetz bedarf es insoweit nicht.
Die Klägerin stützt ihr Ablehnungsgesuch vom 06. November 2009 darauf, dass das Gutachten des Sachverständigen G. vom 19. August 2009 datiere und die Beklagte unter demselben Datum einen Bescheid erlassen habe, wonach ihr Leistungen der Pflegestufe III bewilligt worden seien. Hieraus ergebe sich der dringende Verdacht, dass der Sachverständige die Beklagte an Gericht und ihr, der Klägerin, vorbei schon am Tag der Fertigstellung des Gutachtens über dieses in Kenntnis gesetzt habe. Der Senat geht davon aus, dass der Klägerin, nachdem sie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 allenfalls einige Tage nach Erlass dieses Bescheids, zumindest jedoch vor dem 23. September 2009, erhalten hat, mit Zugang des Gutachtens des Sachverständigen G. vom 19. August 2009 am 23. September 2009 ab diesem Tag die Umstände, auf die sie die Ablehnung stützt, bekannt waren. Zwar stand ihr ab dem Zeitpunkt der Kenntnis noch eine angemessene Zeit der Prüfung und Überlegung zu. In einem einfach gelagerten Fall können jedoch bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen. (Keller a.a.O. § 118 Rdnr. 12 l unter Verweis auf BT-Drucks 11/3621 S 74). Dies war hier der Fall, nachdem lediglich drei Daten zu überprüfen waren, handelt es sich um einen einfach gelagerten Fall. Tatsächlich hat die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch erst am 06. November 2009 gestellt. Diese Prüfungszeit von über sechs Wochen zwischen Kenntnis der Umstände am 23. September 2009 und Stellung des Ablehnungsantrags am 06. November 2009 überschreitet auf jeden Fall die Frist innerhalb derer das Ablehnungsgesuch geltend zu machen ist.
Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, die Klägerin hätte die ihr eingeräumte Frist zur Stellungnahme zu diesem Gutachten ausschöpfen können, ist das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen nicht rechtzeitig gestellt. Der Klägerin wurde mit Verfügung vom 25. August 2009 zunächst Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen eingeräumt. Diese Frist wurde, nachdem die Klägerin am 23. September 2009 telefonisch mitgeteilt hatte, sie habe das Gutachten erst am selben Tag erhalten, antragsgemäß unter dem 23. September 2009 um vier Wochen verlängert. Eine weitere Verlängerung erfolgte ausweislich des Aktenvermerks vom 07. Oktober 2009 auf den Anruf der Klägerin - wieder antragsgemäß - bis 04. November 2009. Den Befangenheitsantrag hat die Klägerin dann aber erst am 06. November 2009 gestellt. Damit hat sie auch diese von ihr bei ihrem Anruf am 07. Oktober 2009 selbst gesetzte Frist nicht eingehalten. Dies gilt auch wenn der Klägerin - so ihr Vortrag - eine Frist bis 05. November 2009 eingeräumt worden wäre.
Der Verspätungsvorwurf entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin zunächst noch die Übersendung weiterer Unterlagen monierte, denn mit Verfügung vom 30. September 2009 wurde der Klägerin ein letztes von ihr angefordertes Schreiben übersandt, so dass ihr auch nach ihrem Vortrag am 02. Oktober 2009 sämtliche Unterlagen vorlagen und fehlende Unterlagen der von ihr nach Erhalt der Unterlagen selbst gesetzten vier Wochen später ablaufenden Frist, nicht entgegenstanden.
Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen zunächst einen Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. prüfte und unter dem 04. November 2009 stellte. Die Befangenheitsanträge sind getrennt zu beurteilen. Sie stehen in keinem Zusammenhang. Hiervon ging letztlich auch die Klägerin aus, was sich daraus ergibt, dass sie die Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. nicht abgewartet, sondern bereits zwei Tage nach dem Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen G. stellte.
Darauf, ob es durch die verspätete Stellung des Befangenheitsantrags zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kam, kommt es nicht an, weshalb dies dahingestellt bleiben kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Vorliegend ist die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Streit. Im beim Sozialgericht Stuttgart (SG) seit 28. Oktober 2008 anhängigen Klageverfahren S 19 P 7213/08 (früher S 12 P 7213/08) wendet sich die bis 31. Juli 2009 in einem von der Beigeladenen getragenen Pflegeheim in vollstationärer Pflege befindliche Klägerin gegen die von der Beklagten vorgenommene Einstufung in die Pflegestufe III in der Zeit vom 01. Januar 2007 bis 31. Juli 2009.
Mit Verfügung vom 07. April 2009, der an die Bevollmächtigte der Klägerin am 08. April 2009 abgesandt wurde, ernannte das SG Facharzt für Allgemeinmedizin G. zum Sachverständigen. Ausweislich des in der Akte S 19 P 7213/08 befindlichen Aktenvermerks vom 17. April 2009 über einen Telefonanruf mit der Bevollmächtigten der Klägerin widersprach diese einer Begutachtung der Klägerin, worauf das SG, nachdem sich die Klägerin unter dem 26. April 2009 auch noch schriftlich geäußert hatte, unter dem 27. April 2009 den Gutachtensauftrag an den Arzt G. dahingehend abänderte, dass das Gutachten nach Aktenlage zu erstellen sei. Aufgrund dieses Gutachtensauftrags erstattete Arzt G. unter dem 19. August 2009 ein Gutachten nach Aktenlage. Das Gutachten ging am 25. August 2009 beim SG ein und wurde den Beteiligten am 25. August 2009 mit einer an die Klägerin gesetzten Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen übersandt. Am 23. September 2009 teilte die Bevollmächtigte der Klägerin dem SG telefonisch mit, dass sie das Gutachten erst an jenem Tag erhalten habe und bat um Verlängerung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von vier Wochen, die ihr mit Schreiben vom 23. September 2009 antragsgemäß gewährt wurde. Telefonisch monierte die Bevollmächtigte der Klägerin bereits am 21. September 2009 beim SG, dass sie Unterlagen nicht erhalten habe, worauf diese unter dem 24. September 2009 und auf weitere Anmahnung unter dem 30. September 2009 übersandt wurden. Die vollständigen Unterlagen lagen der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen am 02. Oktober 2009 vor. Unter dem 05. Oktober 2009 konkretisierte die Klägerin ihre Anträge. Telefonisch bat sie am 07. Oktober 2009 beim SG nochmals um Fristverlängerung im Hinblick auf die angeforderte Stellungnahme zum Gutachten bis 04. November 2009, was ihr bewilligt wurde. Mit Schreiben vom 04. November 2009 lehnte sie den - damals - für das Hauptsacheverfahren zuständigen Richter am Sozialgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch lehnte der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 16. März 2010, an dem u.a. Richter am Sozialgericht Dr. O. mitwirkte, als unzulässig ab (L 4 SF 5177/09 AB). Mit Schreiben vom 05. November 2009, das am 06. November 2009 beim SG einging, lehnte die Klägerin außerdem Arzt G. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Gutachten datiere vom 19. August 2009, laut Eingangsstempel des SG sei es dort am 25. August 2009 eingetroffen. Die Beklagte habe ihr unter dem 19. August 2009 erneut Leistungen der Pflegestufe III bewilligt. Dies begründe den dringenden Verdacht, dass der Sachverständige an SG und ihr, der Klägerin, vorbei die Beklagte schon am Tage der Fertigstellung seines Gutachtens über dieses in Kenntnis gesetzt habe, was jene zur erneuten Bewilligung von Pflegestufe III bewogen habe.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2010 verwarf der nunmehr für das Hauptsacheverfahren beim SG zuständige Richter am Sozialgericht Dr. O. das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. als unzulässig. Er, der nunmehrige Vorsitzende des erkennenden Gerichts, könne über den Antrag entscheiden, auch wenn er am Beschluss des LSG vom 16. Oktober (richtig: März) 2010 beteiligt gewesen sei. Ein Richter sei nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen, wenn er in der betreffenden Sache in einem früheren Rechtszug oder als Schiedsrichter bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen sei jedoch ein anderes (Neben-)Verfahren, als ihr entsprechender Antrag gegen den früheren Kammervorsitzenden. Das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. sei verspätet. Die Klägerin habe spätestens zu dem Zeitpunkt, als sie das Gutachten erhalten habe, dies sei am 23. September 2009 gewesen, vom Datum des Gutachtens am 19. August 2009 erfahren. Von der erneuten Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe III mit Bescheid vom 19. August 2009 habe sie allenfalls einige Tage nach Erlass dieses Bescheids erfahren. Das Befangenheitsgesuch wäre daher allerspätestens zwei Wochen nach dem 23. September 2009, also am 07. Oktober 2009, bei Gericht anzubringen gewesen. Es sei jedoch erst mit Schriftsatz vom 05. November 2009 gestellt worden. Auf die längere Frist zur inhaltlichen Stellungnahme zu dem Gutachten, die das Gericht gesetzt habe, komme es nicht an, da der angebliche Befangenheitsgrund bereits aus dem Datum des Gutachtens folge, das ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Im Übrigen sei, als das Befangenheitsgesuch bei Gericht eingegangen sei, auch diese Frist zur Stellungnahme schon verstrichen gewesen, denn sie sei am 23. September 2009 um vier Wochen verlängert worden, also bis zum 21. Oktober 2009. Dieser Beschluss wurde ausweislich des auf dem Beschluss angebrachten Vermerks am 15. Juli 2010 an die Bevollmächtigte der Bevollmächtigte der Klägerin abgesandt. Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 beanstandete die Klägerin u.a., dass über ihren Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen G. noch nicht entschieden sei, worauf das SG, nachdem sich in der Akte kein Zustellungsnachweis an die Klägerin befand, den Beschluss der Bevollmächtigten der Klägerin noch einmal am 21. Februar 2012 mit Postzustellungsurkunde zustellte.
Gegen den Beschluss vom 15. Juli 2010 hat die Klägerin am 21. März 2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das Gesetz sehe keine Frist von zwei Wochen vor. Unabhängig davon sei ihr Befangenheitsantrag nicht verspätet. Sie habe erst am 02. Oktober 2009 alle für die Beurteilung einer Befangenheit des Sachverständigen G. relevanten Schriftstücke in ihrer Gesamtheit gehabt. Zunächst sei eine Befangenheit des Richters am Sozialgericht B. zu prüfen gewesen. Deshalb habe sie am 07. Oktober 2009 beim SG angerufen und eine Fristverlängerung bzgl. ihrer Reaktion auf die Begutachtung bis 05. November 2009 erhalten. Das Befangenheitsgesuch gegen Richter am Sozialgericht B. sei am 05. November 2009, gegen den Sachverständigen G. am 06. November 2009 vor 8:00 Uhr, also vor dem ersten Geschäftsgang, eingegangen. Im Übrigen sei eine Verzögerung des Rechtsstreits aufgrund des Eingangs des Befangenheitsantrags nach dem 07. Oktober 2009 beim SG nicht eingetreten. Die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig wegen Fristüberschreitung stelle eine Rechtsbeugung und Verletzung des fair-trial-Grundsatzes dar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2010 aufzuheben und den Sachverständigen Matthias G. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Der Senat geht insbesondere davon aus, dass die Klägerin die Beschwerde fristgerecht eingelegt hat. Mangels eines Zustellungsnachweises ist die Behauptung der Klägerin, der Beschluss vom 15. Juli 2010 sei ihr erstmals am 21. Februar 2012 bekannt gegeben worden, nicht zu widerlegen.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin und ihre Bevollmächtigte nicht die derzeitige Anschrift der Klägerin benannt haben. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1). Die derzeitige Anschrift der Klägerin ergibt sich aus einem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern.
2. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
a) Richter am Sozialgericht Dr. O. war zu der Entscheidung über das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen G. befugt. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird insoweit verwiesen. Die Klägerin rügt dies im Beschwerdeverfahren auch nicht.
b) Nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 2 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung (Satz 1). Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (Satz 2). Zweck des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Beschleunigung des Verfahrens. Der Ablehnungsantrag ist demzufolge noch nach der Gutachtenserstattung möglich, wenn den Beteiligten der Ablehnungsgrund vorher nicht bekannt war, sich dieser insbesondere erst aus dem Gutachten oder den Umständen im Rahmen der Begutachtung ergibt. Der Antrag muss dann unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden, wobei der Beteiligte aber eine den Umständen angemessene Zeit zur Prüfung oder Überlegung hat (Keller in Mayer-Ladewig, SGG, 10. Auflage 2012, § 118 Rdnr. 12l m.w.N. zur Rechtsprechung und unter Verweis auf Bundestags-Drucksache [BT-Drucks.] 11/3621 S. 74).
Der Klägerin ist einzuräumen, dass § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Frist von zwei Wochen, binnen derer die Ablehnung geltend zu machen ist, nennt. Die Zwei-Wochen-Frist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt in Fällen, in denen geltend gemacht wird, von dem Sachverhalt, auf den der Ablehnungsantrag gestützt wird, erst später erfahren zu haben, nicht. Gleichwohl folgt aus § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass das Ablehnungsgesuch unverzüglich und zeitnah anzubringen ist (Bundesgerichtshof - BGH - , Beschluss vom 23. September 2008 - X ZR 135/04 - in juris). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsteller nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft zu machen hat, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen, aber auch aus dem Zweck des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der in der Beschleunigung des Verfahrens zu sehen ist (Keller a.a.O. § 118 Rdnr. 12l). Der Notwendigkeit der Benennung einer konkreten Frist im Gesetz bedarf es insoweit nicht.
Die Klägerin stützt ihr Ablehnungsgesuch vom 06. November 2009 darauf, dass das Gutachten des Sachverständigen G. vom 19. August 2009 datiere und die Beklagte unter demselben Datum einen Bescheid erlassen habe, wonach ihr Leistungen der Pflegestufe III bewilligt worden seien. Hieraus ergebe sich der dringende Verdacht, dass der Sachverständige die Beklagte an Gericht und ihr, der Klägerin, vorbei schon am Tag der Fertigstellung des Gutachtens über dieses in Kenntnis gesetzt habe. Der Senat geht davon aus, dass der Klägerin, nachdem sie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 allenfalls einige Tage nach Erlass dieses Bescheids, zumindest jedoch vor dem 23. September 2009, erhalten hat, mit Zugang des Gutachtens des Sachverständigen G. vom 19. August 2009 am 23. September 2009 ab diesem Tag die Umstände, auf die sie die Ablehnung stützt, bekannt waren. Zwar stand ihr ab dem Zeitpunkt der Kenntnis noch eine angemessene Zeit der Prüfung und Überlegung zu. In einem einfach gelagerten Fall können jedoch bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen. (Keller a.a.O. § 118 Rdnr. 12 l unter Verweis auf BT-Drucks 11/3621 S 74). Dies war hier der Fall, nachdem lediglich drei Daten zu überprüfen waren, handelt es sich um einen einfach gelagerten Fall. Tatsächlich hat die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch erst am 06. November 2009 gestellt. Diese Prüfungszeit von über sechs Wochen zwischen Kenntnis der Umstände am 23. September 2009 und Stellung des Ablehnungsantrags am 06. November 2009 überschreitet auf jeden Fall die Frist innerhalb derer das Ablehnungsgesuch geltend zu machen ist.
Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, die Klägerin hätte die ihr eingeräumte Frist zur Stellungnahme zu diesem Gutachten ausschöpfen können, ist das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen nicht rechtzeitig gestellt. Der Klägerin wurde mit Verfügung vom 25. August 2009 zunächst Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen eingeräumt. Diese Frist wurde, nachdem die Klägerin am 23. September 2009 telefonisch mitgeteilt hatte, sie habe das Gutachten erst am selben Tag erhalten, antragsgemäß unter dem 23. September 2009 um vier Wochen verlängert. Eine weitere Verlängerung erfolgte ausweislich des Aktenvermerks vom 07. Oktober 2009 auf den Anruf der Klägerin - wieder antragsgemäß - bis 04. November 2009. Den Befangenheitsantrag hat die Klägerin dann aber erst am 06. November 2009 gestellt. Damit hat sie auch diese von ihr bei ihrem Anruf am 07. Oktober 2009 selbst gesetzte Frist nicht eingehalten. Dies gilt auch wenn der Klägerin - so ihr Vortrag - eine Frist bis 05. November 2009 eingeräumt worden wäre.
Der Verspätungsvorwurf entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin zunächst noch die Übersendung weiterer Unterlagen monierte, denn mit Verfügung vom 30. September 2009 wurde der Klägerin ein letztes von ihr angefordertes Schreiben übersandt, so dass ihr auch nach ihrem Vortrag am 02. Oktober 2009 sämtliche Unterlagen vorlagen und fehlende Unterlagen der von ihr nach Erhalt der Unterlagen selbst gesetzten vier Wochen später ablaufenden Frist, nicht entgegenstanden.
Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen zunächst einen Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. prüfte und unter dem 04. November 2009 stellte. Die Befangenheitsanträge sind getrennt zu beurteilen. Sie stehen in keinem Zusammenhang. Hiervon ging letztlich auch die Klägerin aus, was sich daraus ergibt, dass sie die Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. nicht abgewartet, sondern bereits zwei Tage nach dem Befangenheitsantrag gegen Richter am Sozialgericht B. den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen G. stellte.
Darauf, ob es durch die verspätete Stellung des Befangenheitsantrags zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kam, kommt es nicht an, weshalb dies dahingestellt bleiben kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
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