L 3 AL 3640/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 2404/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3640/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Teilarbeitslosengeld für einen längeren Zeitraum als die ihr bewilligten 180 Kalendertage.

Die am 19.05.1965 geborene Klägerin war ab dem 01.01.1996 bei der G. GmbH als Software-Entwicklerin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 01.09.2004 belief sich die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden. Vom 01.05.2008 – 30.04.2009 erzielte die Klägerin hieraus ein versicherungspflichtiges Entgelt i.H.v. 24.418,24 EUR. Parallel hierzu übte die Klägerin ab September 2004 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Leiterin der Geschäftsstelle des Südwestdeutschen Hundsportverbandes e.V. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von gleichfalls 20 Stunden aus.

Am 01.04.2009 kündigte die G. GmbH das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.05.2009.

Am 01.04.2009 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 01.06.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Teilarbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 02.06.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 01.06.2009 Teilarbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 26,55 EUR für 180 Kalendertage und zahlte dieses bis einschließlich 30.11.2009 an die Klägerin aus. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 67,08 EUR, die Lohnsteuertabelle 2009, die Lohnsteuerklasse IV und den allgemeinen Leistungssatz (60 %) zu Grunde.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16.06.2009 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vorbrachte, es sei nicht einzusehen, dass ihr Teilarbeitslosengeld lediglich für 180 Tage und nicht für 360 Tage bewilligt worden sei. Sie sei vom 1996 – 2004 vollzeitig für die G. GmbH tätig gewesen, auf Basis dieser Tätigkeit habe sie länger als 24 Monate Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt. Die ihr bewilligte Anspruchsdauer auf ein halbes Jahr widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Unter der Begründung, die bewilligte Anspruchsdauer entspräche den gesetzlichen Be-stimmungen, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2009 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.07.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Verkürzung der Anspruchsdauer für Teilarbeitslosengeld sei verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Unterschiede im Erfolgswert von Beiträgen innerhalb gleichmäßig beitragsbelasteter Gruppen gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG) verstoßen können. Sie habe mehr als 24 Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, woraus sich eine Anspruchsdauer von 12 Monaten ergebe. Durch die Begrenzung der Anspruchsdauer auf sechs Monate, die unabhängig von der Dauer der zurückgelegten Versicherungs-pflichtverhältnisse erfolge, verlören die Beiträge die Hälfte ihres Erfolgswertes. Hierfür seien keine sachlichen Gründe ersichtlich.

Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass sich das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit den vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken befasst, diese jedoch nicht geteilt habe.

Mit Urteil vom 16.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht lediglich für 180 Kalendertage Teilarbeitslosengeld bewilligt. Die gesetzliche Regelung zur Anspruchsdauer verstoße, so das SG im Anschluss an das Urteil des BSG vom 21.07.2005 - B 11a AL 37/05 B - nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Gegen das am 05.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.08.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont, dass für die unterschiedliche Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und Teilarbeitslosengeld kein sachlicher Grund bestehe. Die vom BSG hierzu angeführten Einschränkungen der Verfügbarkeit des Teilarbeitslosen rechtfertige die unterschiedliche Behandlung nicht, da diese aus der weiterhin bestehenden Beschäftigung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichteten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02. Juni 2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 24. Juni 2009 zu verurteilen, ihr über den 30. November 2009 hinaus für weitere 180 Kalendertage Teilarbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil sowie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 02.03.2012 darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 23.03.2012 zu äußern, wovon sie keinen Gebrauch gemacht haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in seinen Rechten.

Streitig ist allein die Dauer des Anspruchs der Klägerin

Gemäß § 150 Abs. 1 SGB III in der ab dem 01.01.1998 (bis zum 31.03.2012, ab 01.04.2012 § 162 SGB III) unverändert geltenden und auch im Jahr 2009 maßgeblichen Fassung (a.F.) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Teilarbeitslosengeld, der teilarbeitslos ist (Nr.1), sich teil-arbeitslos gemeldet (Nr.2) und die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hat (Nr.3). Für das Teilarbeitslosengeld gelten gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Vorschriften über das Arbeitslosengeld u.a. mit der Maßgabe entsprechend, dass die Dauer des Anspruchs auf Teilarbeitslosengeld sechs Monate beträgt (Nr.3).

Die Klägerin war ab dem 01.06.2009 teilarbeitslos, da sie ihre versicherungspflichtige Beschäftigung, die sie in einem zeitlichen Umfang von 20 Stunden wöchentlich ausgeübt hat, bei der G. GmbH verloren hat, sie daneben aber eine weitere 20 wöchentliche Arbeitsstunden umfassende versicherungspflichtige Beschäftigung beim Südwestdeutschen Hundsportverband e.V. ausgeübt hat und sie ab dem 01.06.2009 eine - weitere - versicherungspflichtige Beschäf-tigung gesucht hat (vgl. § 150 Abs. 2 Nr.1 SGB III a.F.). Da sie sich am 01.04.2009 mit Wirkung zum 01.06.2009 teilarbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit für Teilarbeits-losengeld erfüllt hat - sie hat in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiterhin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr als zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt (vgl. § 150 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SGB III a.F.) - hatte die Klägerin ab dem 01.06.2009 Anspruch auf Teilarbeitslosengeld.

Entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 150 Abs. 2 Nr. 3 SGB III a.F., wonach die Dauer des Anspruchs auf Teilarbeitslosengeld sechs Monate beträgt, hat die Beklagte der Klägerin Teilarbeitslosengeld für 180 Kalendertage (vgl. § 339 Satz 1 SGB III) bewilligt und bis einschließlich zum 30.11.2009 ausbezahlt ...

Die gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Dieser verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG], u.a. Beschlüsse vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 – und vom 17.07.1984 - 1 BvL 24/83 – jew. veröffentlicht in juris). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber mithin wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.1998 - 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94 – veröffentlicht in juris). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1998, a.a.O.).

Mit der Einführung des Teilarbeitslosengeldes zum 01.01.1998 hat der Gesetzgeber die Rechtsstellung derjenigen Arbeitnehmer verbessert, die mehrere versicherungspflichtige (in der Regel Teilzeit-)Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt haben und eine oder mehrere verlieren, aber trotzdem immer noch versicherungspflichtig beschäftigt waren und deswegen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben konnten. Diesen Teilzeitarbeitnehmern bietet das Teilarbeitslosengeld einen angemessenen Ersatz des wegen der eingetretenen Teilarbeitslosigkeit ausgefallenen Arbeitsentgelts (vgl. Brand in Niesel, SGB III, § 150 Rn. 1). Die Befristung des Anspruchs sollte ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 13/4941 S. 181 zu § 151) dem Arbeitnehmer für einen angemessenen Zeitraum die Möglichkeit bieten, einen der verlorenen Beschäftigung gleichwertigen Ersatz zu finden.

Der Gesetzgeber war von Verfassungswegen nicht verpflichtet, die gesetzliche Ausformung des Teilarbeitslosengeldes in jeder Hinsicht derjenigen des Arbeitslosengeldes anzugleichen. Da es um unterschiedliche Lebenssachverhalte, nämlich um Vollarbeitslosigkeit zum Einen und (bloße) Teilarbeitslosigkeit zum Anderen, ging, durfte er daran anknüpfend eine differenzierte Regelung treffen. Das gilt nicht nur für die Entstehung und den Umfang des jeweiligen Anspruchs, sondern auch für die Anspruchsdauer. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Klägerin eine andere Behandlung des Teilzeitarbeitslosen gegenüber dem Vollzeitarbeitslosen auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Teilzeitarbeitslose neben der Teilzeit-arbeitslosigkeit noch weiterhin Einnahmen aus weiteren Teilzeitbeschäftigungen hat, folglich der Einnahmeausfall beim Teilzeitarbeitslosen nicht so gravierend ist wie bei einem Vollzeit-beschäftigten, der seine Vollzeittätigkeit komplett verliert und damit auch vollständig jegliche Einnahmen aus Arbeit. Überdies galt und gilt im Arbeitsförderungsrecht ein absoluter Vorrang der Arbeitsvermittlung und der eigenen Beschäftigungssuche gegenüber der Leistungs-gewährung. Grundsätzlich muss der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung in vollem Umfang zur Verfügung stehen, die Einschränkung der Verfügbarkeit - z.B. auf eine Halbtagsbeschäftigung - ist nur unter engen Voraussetzungen und nur für die Dauer von sechs Monaten zulässig. Die folglich ungleichen Sachverhalte rechtfertigen es damit auch diese ungleich zu behandeln, nämlich der Gestalt, dass anders als beim Arbeitslosengeld beim Teilarbeitslosengeld die Anspruchsdauer grundsätzlich auf 180 Kalendertage beschränkt ist.

Mithin ist zur Überzeugung des Senates die zeitliche Begrenzung des Teilzeitarbeitslosengeldes gegenüber dem Arbeitslosengeld sachlich gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen Art 3 GG (so auch Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 16.08.2002 - L 4 AL 27/01 -; Landesso¬zialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2005 - L 5 AL 192/04 -; BSG, Beschluss vom 21.07.2005 - B 11a AL 37/05 B - jew. veröffentlicht in juris).

Der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2009 ist mithin rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Teilarbeitslosengeld von mehr als 180 Kalendertagen.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.05.2011 ist nicht zu beanstanden, die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved