L 3 AL 3927/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 559/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3927/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Ergänzung des im Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) - S 11 AL 4752/09 - am 22.12.2010 ergangenen Gerichtsbescheides.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem SG und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Am 10.04.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Kosten für am 07. und 08.04.2009 unternommene Fahrten von seinem Wohnort nach K. zur Wahrnehmung von Terminen beim Gesundheitsamt und zur Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages bei der Job Impuls GmbH. Mit Bescheid vom 24.04.2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung einer fehlenden vorherigen Antragstellung ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2009 als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 08.10.2009 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung von 1.000,- EUR auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2009 als unzulässig, da die Zahlungsaufforderung nicht selbstständig anfechtbar sei.

Am 28.10.2009 erhob der Kläger Klage zum SG - S 11 AL 4752/09 -, mit der er sich gegen die Widerspruchsbescheide vom 22. und 23.10.2009 wandte. Er trug vor, der Widerspruchsbescheid vom 23.10.2010 habe nicht ergehen dürfen, da bei gebotener Auslegung dieser Sachverhalt bereits Gegenstand eines anderen Widerspruchs- oder Klageverfahrens sei. Im Weiteren sei der Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung der Beklagten statthaft und auch begründet, da der Beklagten keine Forderungen gegen ihn zustünden.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.12.2010, der dem Kläger am 27.12.2010 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten für die am 07. und 08.04.2009 unternommenen Fahrten nach K. zu, da er die Erstattung nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt habe. Anhaltspunkte für eine besondere Härte i.S.d. § 324 Abs. 1 SGB III seien weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich. Ein Anspruch bestehe auch nicht auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, da eine Beratungspflicht der Beklagten regelmäßig erst dann entstehe, wenn ein entsprechendes Begehren an sie herangetragen werde. Auch der Widerspruchsbescheid vom 22.10.2009 sei rechtmäßig, die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Die Zahlungsaufforderung vom 08.10.2009 sei als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung bzw. zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen nicht anfechtbar.

Am 27.12.2010 hat der Kläger die Ergänzung des Gerichtsbescheides beantragt. Dieser enthalte keine Gründe und müsse jedenfalls alle Anträge wiedergeben. Es sei zu unterstellen, dass Anträge vollständig übergangen worden seien. Am 12.11.2010, am 27.12.2010 und am 26.04.2011 hat der Kl. gegen den Kammervorsitzenden Befangenheitsanträge gestellt.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 26.04.2011, dem Kläger am 28.04.2011 zugestellt) hat das SG den Antrag mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, Befangenheitsgesuche, die der Kläger während des Verfahrens gestellt habe, hinderten das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Auch der vom Kläger gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren und abzulehnen. Dem Antrag auf Ergänzung des Gerichtsbescheides sei nicht zu entsprechen, das es im Rahmen des Gerichtsbescheids vom 22.12.2010 über sämtliche Anträge des Klägers entschieden habe. Der klägerische Vortrag, der Gerichtsbescheid enthalte weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe, sei nicht nachvollziehbar. Das SG hat eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen den am 25.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.08.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsanträge entschieden. Die Entscheidung enthalte weder einen Tatbestand noch eine Begründung ... Das Verfahren müsse zurückverwiesen werden. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hierzu bringt er vor, er sei mittellos und könne sich von 286,- EUR monatlich kein Handy, Fax oder einen Computer mit Internetzugang leisten. Er sei darauf angewiesen, dass ihm Dritte gelegentlich Zugang zu einem Computer ermöglichen. Hierauf habe er jedoch keinen Einfluss, weswegen es ihm unmöglich sei, Fristen einzuhalten. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft. Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 21. Juli 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht K. zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 21. Juli 2011 aufzuheben und den Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2010 zu ergänzen und über die bislang nicht entschiedenen Anträge zu entscheiden.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 07.03.2012 Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Prozessakte des Verfahrens - S 11 AL 4752/09 - vor dem SG, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 -L 3 AL 1928/11 B-). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, in dem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht. Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.

Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung. Nachdem der Gerichtsbescheid, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.07.2011 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, galt er gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 180 Satz 2 Zivilprozessordnung an diesem Tag als zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 26.07.2011 zu laufen. Sie endete gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 25.08.2011, einem Donnerstag. Der Kläger hat die Berufung am 29.08.2011, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden und daher bereits unzulässig.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, ihm stünden keine finanziellen Mittel für ein Faxgerät oder einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Ein gewissenhaft Prozessführender hätte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufung mittels eines einfachen Briefes im Postweg einzulegen. Da dieser Weg auch dem Kläger offen stand - die Kosten hierfür von ca. 1,- EUR hätte der Kläger ohne Weiteres aufbringen können – indes vom Kläger nicht beschritten wurde, hat er die Sorgfalt eines gewissenhaften Prozessführenden nicht beachtet. Der Kläger hat die Berufungsfrist schuldhaft versäumt, weswegen ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Berufung ist daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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