Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 446/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5609/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 1. September 1974 bis 16. November 1979 die Fachhochschulausbildung zur Beamtin im gehobenen Verwaltungsdienst und erwarb abschließend das Diplom einer Verwaltungswirtin (FH). In der Folge war sie zunächst als Stadtoberinspektorin bei der Stadt W. (1. Dezember 1979 bis 28. Februar 1986) und anschließend als Verwaltungsangestellte beim Abwasserzweckverband, zuletzt seit 1. Juni 1998 wieder bei der Stadt W. in Teilzeit (20 Std./Woche) beschäftigt. Nach stationären Kuraufenthalten in der W.-H.-Klinik B. N. (3. bis 31. Oktober 1989) und der Klinik B. Ü. (7. Oktober bis 18. November 1999) durchlief die Klägerin in der Zeit vom 6. September bis 18. Oktober 2005 ein weiteres (psychosomatisches) Heilverfahren in den H.-Kliniken B. C ... Im Entlassungsbericht vom 25. Oktober 2005 wurden als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig leichte Episode), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Hypercholesterinämie, Übergewicht (Entlassungsgewicht 67 kg bei 160 cm Körpergröße) und eine Retropatellararthrose des rechten Knies genannt. Die Klägerin wurde aus dem Heilverfahren arbeitsfähig entlassen und von den sie während des Heilverfahrens behandelnden Ärzten Dr. B. und Dr. S.-Q. sowie von Dipl.-Psychologin A.-F. für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten arbeitstäglich sechs Stunden und länger zu verrichten. Ab 12. Dezember 2005 war die Klägerin dann aber arbeitsunfähig krank.
Am 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ sie Klägerin daraufhin von dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 11. Mai 2006 aus, die Klägerin leide an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit bds. und an einem Tinnitus auris. Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf einen benignen paroxismalen Lagerungsschwindel. Besondere Anforderungen an das Hörvermögen dürften nicht gestellt werden; für die bisherige Tätigkeit mit gelegentlichem Publikumsverkehr bestehe aber keine Einschränkung. Mit Bescheid vom 8. Juni 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15. Juni 2006 Widerspruch.
Nach Beiziehung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. (Bericht vom 18. Juli 2006; Bl. 84 bis 87 der Verwaltungsakte), Fachärzte für Orthopädie Dres. H. und K. (Bericht undatiert; Bl. 89/90 der Verwaltungsakte) und Arzt für Innere Medizin Dr. F. (Bericht vom 10. Juli 2006; Bl. 92/93 der Verwaltungsakte) beauftragte die Beklagte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. und den Facharzt für Orthopädie Dr. W. mit der Erstattung ärztlicher Gutachten über die Klägerin. Dr. E. führte in ihrem Gutachten vom 13. Oktober 2006 aus, die Klägerin leide an einer Agoraphobie, an einer depressive Episode und an phobischem Schwankschwindel. Dr. W. diagnostizierte muskuläre Rückenbeschwerden, eine Periarthritis humeroscapularis beidseits sowie eine Arthralgie beider Hände (Gutachten vom 6. November 2006). Beide Gutachter attestierten der Klägerin noch eine Leistungsfähigkeit von täglich sechs Stunden und mehr als Verwaltungsangestellte und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 5. Februar 2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Tätigkeit in mindestens sechsstündigem Umfang nachzugehen. Die Beklagte habe den medizinischen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Im Zentrum des Krankheitsgeschehens stehe ein Fibromyalgiesyndrom, das inzwischen von einer ausgeprägten endogenen Depression begleitet werde.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Internisten und Rheumatologen Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin. In seinem Gutachten vom 5. September 2007 (nebst ergänzender Stellungnahmen vom 12. Februar 2008 und vom 30. Dezember 2008) hat Dr. H. auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgie-Typ mit ausgeprägter Schlafstörung und fehlendem Erholungswert desselben, tagsüber Abgeschlagenheit, rascher Erschöpfbarkeit, stark verminderter muskulärer Belastbarkeit, erheblicher Einschränkung der Feinmotorik, Kon¬zentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Ohrensausen (Tinnitus), Schwindelerscheinungen, Reizdarm und einem Nachlassen der Libido sowie eine beginnende Kniegelenksarthrose rechts nach operativ versorgtem Riss des vorderen Kreuzbandes mit verminderter Belastbarkeit insbesondere beim Überwinden von Steigungen diagnostiziert. Auf allgemein-internistischem Fachgebiet leide die Klägerin an Übergewicht (Körpermasse-Index [BMI] 27) und an einer Erhöhung des Cholesterinspiegels (Hypercholesterinämie), auf nicht internistischem Fachgebiet unter einer Herabgestimmtheit (Dysthymia) unterschiedlichen Ausmaßes, wesentlich abhängig von der körperlichen Verfassung, an einer Angststörung, einer Hörminderung v.a. links, und an Ohrengeräusch (Tinnitus auris) links. Entsprechend dem Hals-Nasen-Ohren-ärztliches Gutachten vom 11. Mai 2006 bestehe der Verdacht auf einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel. Das berufliche Leistungsvermögen sei seit 2003 qualitativ und auch quantitativ eingeschränkt; die Klägerin könne selbst leichte Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechsstündig verrichten.
In der Folge hat das SG schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. K. (Facharzt für Orthopädie; Aussage vom 14. März 2008), des Internisten und Rheumatologen Priv.-Doz. Dr. H. (Aussage vom 10. März 2008), der Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dres. D. und E. (Aussage vom 6. März 2008), des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. S. (Aussage vom 31. März 2008) und des Internist Dr. S. (Aussage vom 14. April 2008) eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf Bl. 78 bis 101 und 103 bis 135 der Klageakten des SG Bezug genommen.
Im Anschluss ist von Amts wegen der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt worden. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28. September 2008 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 29. April 2009) ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Somatisierungsstörung und einer rezidivierenden, aktuell teilremittierten depressiven Störung. Auf orthopädischem Fachgebiet sei ein ganzes Spektrum von überwiegend degenerativ bedingten Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparats zu diagnostizieren: Degeneratives HWS-Syndrom, Zervikobrachialgie beidseits, LWS-Syndrom mit chronisch rezidivierenden Beschwerden, beginnende Arthrose an den Langfingern beider Hände sowie eine Trochantertendinose rechtsseitig. Auf Hals-Nasen-Ohrenärztlichem Fachgebiet liege ein Zustand nach zweimaligem Hörsturz mit chronischem Tinnitus vor. Rezidivierend auftretende Schwindelzustände seien ursächlich sowohl im Zusammenhang mit der auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierten Somatisierungsstörung als auch mit den degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sowie den Beeinträchtigungen des Gehörs zu sehen. Aus den auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen resultiere eine Beeinträchtigung des Stressbelastbarkeit, der kognitiven Dauerbelastbarkeit sowie der sozialen Kompetenzen. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin allerdings noch in einem Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Urteil vom 4. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne zur Überzeugung der Kammer sowohl leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Verwaltungsangestellte noch mindestens sechsstündig ausüben. Damit sei sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 20. November 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Dezember 2009 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG erfülle sie die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente. Insbesondere ihre Fibromyalgieerkrankung sei bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Dr S., auf dessen Beurteilung das SG seine Entscheidung gestützt habe, sei ausschließlich Psychiater und deshalb zur Beurteilung ihres beruflichen Leistungsvermögens nicht ausreichend kompetent. Zur abschließenden Beurteilung halte sie eine Begutachtung durch einen ausgewiesenen Schmerzmediziner für unverzichtbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2007 zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 SGG den Facharzt für Orthopädie/Spezielle Schmerztherapie Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin beauftragt und die Fachärztin für Neurologie Dr. S. sowie die psychologische Psychotherapeutin Dr. D. zu Zusatzgutachterinnen ernannt. In seinem zusammenfassenden Hauptgutachten vom 31. März 2011 hat Dr. W. folgende Diagnosen gestellt: Chronischer Schmerz (MPSS III) mit somatischen und psychischen Faktoren mit maximaler schmerzbedingter Beeinträchtigung (von Korff: 4) und chronischem, weit ausgebreitetem Schmerzbild (chronic wide spread pain) mit folgenden Schmerzlokalisationen: Nacken-Brustwirbelsäulen-Schmerz bei teilfixiertem Rundrücken mit HWS-Protraktionseinstellung und statomotorischer Mehrbelastung der Brust- und Halswirbelsäule mit begleitenden myofasciellen Befunden vorwiegend M.trapezius, M.levator scapulae und Nackenstrecken bei radiologisch mittelgradig ausgeprägten degenerativen Veränderungen insbesondere im HWS-Segment C5/6 und geringen degenerativen Veränderungen der BWS, Leistenschmerz rechts und Trochanterschmerz rechts, myofascieller Genese und Bewegungseinschränkung der linke Hüfte ohne klinische Reizerscheinungen und ohne radiologische Zeichen einer Coxarthrose, Kreuzschmerz im lumbosacralen Übergang bei mäßiger Reizung des lumbosacralen Bandapparats ohne radiologische Zeichen degenerativer Veränderungen, Polyarthralgien u. a. Hände, Handgelenke, Knöchel, Füße ohne aktuelle klinische Reizzeichen im Sinne von Schwellung, Rötung, Überwärmung oder lokaler Druckempfindlichkeit, Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, Radiologische Zeichen einer mäßig ausgeprägten medialen Gonarthrose rechts ohne aktuelle klinische Reizerscheinungen und ohne Zeichen der Instabilität bei vorbeschriebener Kreuzbandaffektion, Anhalt für paroxysmalen Lagerungsschwindel, Tinnitus bds, Z. n. Hörsturz 1989 und 2005, Schallleitungsschwerhörigkeit/Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts. Die chronifizierte Schmerzsymptomatik und die rezidivierende Depression bedingten eine erhebliche Einschränkung der psychophysischen Leistungsfähigkeit; die Klägerin könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben.
Im Anschluss hat der Senat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines (weiteren) Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 11. Dezember 2011 hat Nervenarzt M. eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender anhaltender somatoformer Schmerzstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt, zum Begutachtungszeitpunkt (29. November 2011) leicht ausgeprägt, ein leichtes Karpaltunnelsyndrom links und ein elektrophysiologisch leichtes Sulcus Ulnaris Syndrom links diagnostiziert. Es sei davon auszugehen, dass die genannten Diagnosen und die damit zusammenhängenden Beschwerden in wechselndem Ausmaß bereits seit der ursprünglichen Rentenantragstellung vorhanden sind. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (64 300458 F 510), die Klageakten des SG (S 10 R 446/07) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 5609/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 30. Januar 2006 ablehnende Bescheid vom 8. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2007. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist auch zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verwaltungsangestellte als auch sonstige leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus dem Sachverständigengutachten von Dr. S. geschlussfolgert. Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG vor allem im Hinblick auf die vorliegenden objektivierbaren Befunde der Beurteilung von Dr. S. einen höheren Beweiswert beigemessen, als derjenigen von Dr. H. in dessen auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 SGG eingeholten Gutachten und den Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. D., Dr. E. und Dr. S ... Der Senat schließt sich deshalb, nachdem die Einschätzung des SG auch mit den Beurteilungen in den im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. R., Dr. W. und Dr. E. sowie der sozialmedizinischen Beurteilung im ärztlichen Entlassungsbericht der H.-Kliniken B. C. übereinstimmt, zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 4. November 2009, insbesondere der dort vorgenommene Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Durch das vom Senat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten von Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin M. ist die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung nachdrücklich bestätigt worden. Auch er hat der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert. Der abweichenden Beurteilung von Dr. W. in dessen Gutachten vom 31. März 2011 vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. W. stützt seine Einschätzung, die Klägerin könne nur noch in einem zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden arbeiten, vorrangig auf "Veränderungen" auf psychologischem Fachgebiet. Dies korrespondiert mit dem Zusatzgutachten der psychologischen Psychotherapeutin Dr. D., die ebenfalls ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hatte. Das neurologische Zusatzgutachten von Dr. S. hatte demgegenüber eine quantitative Leistungseinschränkung verneint. Letztlich liegt der sozialmedizinischen Gesamtbeurteilung von Dr. W. damit bereits keine ärztliche Einschätzung, sondern nur diejenige einer Psychologin zugrunde. Deren Aufgabe ist es - jedenfalls im Rahmen der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens - gerade nicht, abschließende medizinische Befunde zu erheben, entsprechende Diagnosen zu stellen und eine eigene sozialmedizinische Beurteilung vorzunehmen. Jedenfalls letzteres muss dem begutachtenden Arzt vorbehalten bleiben, der sich seine Überzeugung aufgrund eigener Anamneserhebung und Untersuchung des Probanden zu bilden hat. Gerade bei Krankheitsbildern, die einer objektiven Befunderhebung nicht oder nur schwer zugänglich sind, ist der eigene persönliche Eindruck des Gutachters vom zu Begutachtenden für die Beurteilung der Frage, ob den subjektiv geschilderten Beschwerden tatsächlich auch entsprechende Krankheitsbilder zugrunde liegen, von besonderer Bedeutung. Allenfalls auf diesem Wege kann zuverlässig beurteilt werden, ob der zu Begutachtende die geschilderten Einschränkungen mit zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden in der Lage ist oder nicht. In diesem Punkt überzeugt das Gutachten von Dr. W. nicht, denn die für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens zentrale Schmerzanamnese sowie die Familien-, Berufs- und Sozialanamnese hat Dr. W. weitgehend der Psychologin Dr. D. überlassen. Vor diesem Hintergrund vermögen die Rückschlüsse, die Dr. W. aus den von der Klägerin gegenüber Dr. D. gemachten Angaben gezogen hat, letztlich nicht zu überzeugen. Im Übrigen hat der Sachverständige M. aus Sicht des Senats zu Recht darauf hingewiesen, dass Dr. D. den Alltagsaktivitäten der Klägerin zu wenig Beachtung geschenkt und deren Bedeutung für die Einschätzung des beruflichen Restleistungsvermögens letztlich verkannt hat. Insoweit hält der Senat die von Nervenarzt M. gezogene Schlussfolgerung, ein im Hinblick auf Freizeitaktivitäten und Haushaltsverpflichtungen nicht gravierend beeinträchtigter Tagesablauf lasse den Rückschluss auf ein weitgehend erhaltenes quantitatives Leistungsvermögen auch bei einer beruflichen Tätigkeit zu, für nachvollziehbar und überzeugend. Das Gleiche gilt für die Annahme des Sachverständigen M., die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin sei letztlich weniger auf gesundheitliche Gründe als auf eine Überforderung durch die Doppelbelastung einer Teilzeittätigkeit neben der alleinigen Zuständigkeit für Haus und Haushalt der fünfköpfigen Familie zurückzuführen. Letztlich vermag vor diesem Hintergrund auch der Senat nicht zu erkennen, welche Gründe gegen die Durchführung einer den qualitativen Einschränkungen der Klägerin Rechnung tragenden Tätigkeit sprechen sollten, wenn dies mit einer entsprechenden Entlastung der Klägerin bei ihren Aufgaben im Hinblick auf die Versorgung der Familie einherginge.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. In qualitativer Hinsicht können dieser, wie Nervenarzt M. in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2011 - auch insoweit überzeugend - ausgeführt hat, Tätigkeiten in häufiger vornüber geneigter Haltung, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in Kälte, Nässe oder Zugluft, Tätigkeiten mit sehr hohen emotionalen Belastungen und Schichtarbeit nicht mehr zugemutet werden. Es sollten nur leichte Tätigkeiten in wohl temperierten Räumen, die einen Wechsel der Körperhaltung zulassen abverlangt werden. Eine Beschränkung des Arbeitsweges besteht ebenso wenig wie ein Erfordernis betriebsunüblicher Pausen. Die vorliegenden Einschränkungen können damit zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestelltenberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe der Angestellten mit Vorgesetztenfunktion bzw. des spezifisch qualifizierten Angestellten, insbesondere des Akademikers, des Angestellten mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren (gelernter Angestellter), des Angestellten mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren (angelernter Angestellter) und des ungelernten Angestellten charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Angestellten nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Der Senat kann offen lassen, welcher Gruppe die Klägerin, deren Bezugsberuf derjenige einer leitenden Verwaltungsangestellten ist, ausgehend von dem dargestellten Schema zuzuordnen ist; denn die Klägerin ist unter Beachtung der oben dargestellten qualitativen Einschränken noch in der Lage, selbst eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als leitende Verwaltungsangestellte jedenfalls dann uneingeschränkt auszuüben, wenn die zu verrichtende Arbeit nicht mit einer besonders hohen emotionale Belastung oder erhöhtem Publikumsverkehr verbunden ist. Diesen Einschränkungen entsprechende Tätigkeiten sind in der öffentlichen Verwaltung vielfältig vorhanden. Die Klägerin ist deshalb im Ergebnis auch nicht berufsunfähig, ohne dass ihr eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 1. September 1974 bis 16. November 1979 die Fachhochschulausbildung zur Beamtin im gehobenen Verwaltungsdienst und erwarb abschließend das Diplom einer Verwaltungswirtin (FH). In der Folge war sie zunächst als Stadtoberinspektorin bei der Stadt W. (1. Dezember 1979 bis 28. Februar 1986) und anschließend als Verwaltungsangestellte beim Abwasserzweckverband, zuletzt seit 1. Juni 1998 wieder bei der Stadt W. in Teilzeit (20 Std./Woche) beschäftigt. Nach stationären Kuraufenthalten in der W.-H.-Klinik B. N. (3. bis 31. Oktober 1989) und der Klinik B. Ü. (7. Oktober bis 18. November 1999) durchlief die Klägerin in der Zeit vom 6. September bis 18. Oktober 2005 ein weiteres (psychosomatisches) Heilverfahren in den H.-Kliniken B. C ... Im Entlassungsbericht vom 25. Oktober 2005 wurden als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig leichte Episode), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Hypercholesterinämie, Übergewicht (Entlassungsgewicht 67 kg bei 160 cm Körpergröße) und eine Retropatellararthrose des rechten Knies genannt. Die Klägerin wurde aus dem Heilverfahren arbeitsfähig entlassen und von den sie während des Heilverfahrens behandelnden Ärzten Dr. B. und Dr. S.-Q. sowie von Dipl.-Psychologin A.-F. für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten arbeitstäglich sechs Stunden und länger zu verrichten. Ab 12. Dezember 2005 war die Klägerin dann aber arbeitsunfähig krank.
Am 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ sie Klägerin daraufhin von dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 11. Mai 2006 aus, die Klägerin leide an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit bds. und an einem Tinnitus auris. Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf einen benignen paroxismalen Lagerungsschwindel. Besondere Anforderungen an das Hörvermögen dürften nicht gestellt werden; für die bisherige Tätigkeit mit gelegentlichem Publikumsverkehr bestehe aber keine Einschränkung. Mit Bescheid vom 8. Juni 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15. Juni 2006 Widerspruch.
Nach Beiziehung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. (Bericht vom 18. Juli 2006; Bl. 84 bis 87 der Verwaltungsakte), Fachärzte für Orthopädie Dres. H. und K. (Bericht undatiert; Bl. 89/90 der Verwaltungsakte) und Arzt für Innere Medizin Dr. F. (Bericht vom 10. Juli 2006; Bl. 92/93 der Verwaltungsakte) beauftragte die Beklagte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. und den Facharzt für Orthopädie Dr. W. mit der Erstattung ärztlicher Gutachten über die Klägerin. Dr. E. führte in ihrem Gutachten vom 13. Oktober 2006 aus, die Klägerin leide an einer Agoraphobie, an einer depressive Episode und an phobischem Schwankschwindel. Dr. W. diagnostizierte muskuläre Rückenbeschwerden, eine Periarthritis humeroscapularis beidseits sowie eine Arthralgie beider Hände (Gutachten vom 6. November 2006). Beide Gutachter attestierten der Klägerin noch eine Leistungsfähigkeit von täglich sechs Stunden und mehr als Verwaltungsangestellte und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 5. Februar 2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Tätigkeit in mindestens sechsstündigem Umfang nachzugehen. Die Beklagte habe den medizinischen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Im Zentrum des Krankheitsgeschehens stehe ein Fibromyalgiesyndrom, das inzwischen von einer ausgeprägten endogenen Depression begleitet werde.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Internisten und Rheumatologen Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin. In seinem Gutachten vom 5. September 2007 (nebst ergänzender Stellungnahmen vom 12. Februar 2008 und vom 30. Dezember 2008) hat Dr. H. auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgie-Typ mit ausgeprägter Schlafstörung und fehlendem Erholungswert desselben, tagsüber Abgeschlagenheit, rascher Erschöpfbarkeit, stark verminderter muskulärer Belastbarkeit, erheblicher Einschränkung der Feinmotorik, Kon¬zentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Ohrensausen (Tinnitus), Schwindelerscheinungen, Reizdarm und einem Nachlassen der Libido sowie eine beginnende Kniegelenksarthrose rechts nach operativ versorgtem Riss des vorderen Kreuzbandes mit verminderter Belastbarkeit insbesondere beim Überwinden von Steigungen diagnostiziert. Auf allgemein-internistischem Fachgebiet leide die Klägerin an Übergewicht (Körpermasse-Index [BMI] 27) und an einer Erhöhung des Cholesterinspiegels (Hypercholesterinämie), auf nicht internistischem Fachgebiet unter einer Herabgestimmtheit (Dysthymia) unterschiedlichen Ausmaßes, wesentlich abhängig von der körperlichen Verfassung, an einer Angststörung, einer Hörminderung v.a. links, und an Ohrengeräusch (Tinnitus auris) links. Entsprechend dem Hals-Nasen-Ohren-ärztliches Gutachten vom 11. Mai 2006 bestehe der Verdacht auf einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel. Das berufliche Leistungsvermögen sei seit 2003 qualitativ und auch quantitativ eingeschränkt; die Klägerin könne selbst leichte Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechsstündig verrichten.
In der Folge hat das SG schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. K. (Facharzt für Orthopädie; Aussage vom 14. März 2008), des Internisten und Rheumatologen Priv.-Doz. Dr. H. (Aussage vom 10. März 2008), der Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dres. D. und E. (Aussage vom 6. März 2008), des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. S. (Aussage vom 31. März 2008) und des Internist Dr. S. (Aussage vom 14. April 2008) eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf Bl. 78 bis 101 und 103 bis 135 der Klageakten des SG Bezug genommen.
Im Anschluss ist von Amts wegen der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt worden. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28. September 2008 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 29. April 2009) ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Somatisierungsstörung und einer rezidivierenden, aktuell teilremittierten depressiven Störung. Auf orthopädischem Fachgebiet sei ein ganzes Spektrum von überwiegend degenerativ bedingten Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparats zu diagnostizieren: Degeneratives HWS-Syndrom, Zervikobrachialgie beidseits, LWS-Syndrom mit chronisch rezidivierenden Beschwerden, beginnende Arthrose an den Langfingern beider Hände sowie eine Trochantertendinose rechtsseitig. Auf Hals-Nasen-Ohrenärztlichem Fachgebiet liege ein Zustand nach zweimaligem Hörsturz mit chronischem Tinnitus vor. Rezidivierend auftretende Schwindelzustände seien ursächlich sowohl im Zusammenhang mit der auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierten Somatisierungsstörung als auch mit den degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sowie den Beeinträchtigungen des Gehörs zu sehen. Aus den auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen resultiere eine Beeinträchtigung des Stressbelastbarkeit, der kognitiven Dauerbelastbarkeit sowie der sozialen Kompetenzen. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin allerdings noch in einem Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Urteil vom 4. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne zur Überzeugung der Kammer sowohl leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Verwaltungsangestellte noch mindestens sechsstündig ausüben. Damit sei sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 20. November 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Dezember 2009 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG erfülle sie die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente. Insbesondere ihre Fibromyalgieerkrankung sei bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Dr S., auf dessen Beurteilung das SG seine Entscheidung gestützt habe, sei ausschließlich Psychiater und deshalb zur Beurteilung ihres beruflichen Leistungsvermögens nicht ausreichend kompetent. Zur abschließenden Beurteilung halte sie eine Begutachtung durch einen ausgewiesenen Schmerzmediziner für unverzichtbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2007 zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 SGG den Facharzt für Orthopädie/Spezielle Schmerztherapie Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin beauftragt und die Fachärztin für Neurologie Dr. S. sowie die psychologische Psychotherapeutin Dr. D. zu Zusatzgutachterinnen ernannt. In seinem zusammenfassenden Hauptgutachten vom 31. März 2011 hat Dr. W. folgende Diagnosen gestellt: Chronischer Schmerz (MPSS III) mit somatischen und psychischen Faktoren mit maximaler schmerzbedingter Beeinträchtigung (von Korff: 4) und chronischem, weit ausgebreitetem Schmerzbild (chronic wide spread pain) mit folgenden Schmerzlokalisationen: Nacken-Brustwirbelsäulen-Schmerz bei teilfixiertem Rundrücken mit HWS-Protraktionseinstellung und statomotorischer Mehrbelastung der Brust- und Halswirbelsäule mit begleitenden myofasciellen Befunden vorwiegend M.trapezius, M.levator scapulae und Nackenstrecken bei radiologisch mittelgradig ausgeprägten degenerativen Veränderungen insbesondere im HWS-Segment C5/6 und geringen degenerativen Veränderungen der BWS, Leistenschmerz rechts und Trochanterschmerz rechts, myofascieller Genese und Bewegungseinschränkung der linke Hüfte ohne klinische Reizerscheinungen und ohne radiologische Zeichen einer Coxarthrose, Kreuzschmerz im lumbosacralen Übergang bei mäßiger Reizung des lumbosacralen Bandapparats ohne radiologische Zeichen degenerativer Veränderungen, Polyarthralgien u. a. Hände, Handgelenke, Knöchel, Füße ohne aktuelle klinische Reizzeichen im Sinne von Schwellung, Rötung, Überwärmung oder lokaler Druckempfindlichkeit, Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, Radiologische Zeichen einer mäßig ausgeprägten medialen Gonarthrose rechts ohne aktuelle klinische Reizerscheinungen und ohne Zeichen der Instabilität bei vorbeschriebener Kreuzbandaffektion, Anhalt für paroxysmalen Lagerungsschwindel, Tinnitus bds, Z. n. Hörsturz 1989 und 2005, Schallleitungsschwerhörigkeit/Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts. Die chronifizierte Schmerzsymptomatik und die rezidivierende Depression bedingten eine erhebliche Einschränkung der psychophysischen Leistungsfähigkeit; die Klägerin könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben.
Im Anschluss hat der Senat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines (weiteren) Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 11. Dezember 2011 hat Nervenarzt M. eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender anhaltender somatoformer Schmerzstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt, zum Begutachtungszeitpunkt (29. November 2011) leicht ausgeprägt, ein leichtes Karpaltunnelsyndrom links und ein elektrophysiologisch leichtes Sulcus Ulnaris Syndrom links diagnostiziert. Es sei davon auszugehen, dass die genannten Diagnosen und die damit zusammenhängenden Beschwerden in wechselndem Ausmaß bereits seit der ursprünglichen Rentenantragstellung vorhanden sind. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (64 300458 F 510), die Klageakten des SG (S 10 R 446/07) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 5609/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 30. Januar 2006 ablehnende Bescheid vom 8. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2007. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist auch zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verwaltungsangestellte als auch sonstige leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus dem Sachverständigengutachten von Dr. S. geschlussfolgert. Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG vor allem im Hinblick auf die vorliegenden objektivierbaren Befunde der Beurteilung von Dr. S. einen höheren Beweiswert beigemessen, als derjenigen von Dr. H. in dessen auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 SGG eingeholten Gutachten und den Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. D., Dr. E. und Dr. S ... Der Senat schließt sich deshalb, nachdem die Einschätzung des SG auch mit den Beurteilungen in den im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. R., Dr. W. und Dr. E. sowie der sozialmedizinischen Beurteilung im ärztlichen Entlassungsbericht der H.-Kliniken B. C. übereinstimmt, zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 4. November 2009, insbesondere der dort vorgenommene Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Durch das vom Senat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten von Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin M. ist die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung nachdrücklich bestätigt worden. Auch er hat der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert. Der abweichenden Beurteilung von Dr. W. in dessen Gutachten vom 31. März 2011 vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. W. stützt seine Einschätzung, die Klägerin könne nur noch in einem zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden arbeiten, vorrangig auf "Veränderungen" auf psychologischem Fachgebiet. Dies korrespondiert mit dem Zusatzgutachten der psychologischen Psychotherapeutin Dr. D., die ebenfalls ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hatte. Das neurologische Zusatzgutachten von Dr. S. hatte demgegenüber eine quantitative Leistungseinschränkung verneint. Letztlich liegt der sozialmedizinischen Gesamtbeurteilung von Dr. W. damit bereits keine ärztliche Einschätzung, sondern nur diejenige einer Psychologin zugrunde. Deren Aufgabe ist es - jedenfalls im Rahmen der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens - gerade nicht, abschließende medizinische Befunde zu erheben, entsprechende Diagnosen zu stellen und eine eigene sozialmedizinische Beurteilung vorzunehmen. Jedenfalls letzteres muss dem begutachtenden Arzt vorbehalten bleiben, der sich seine Überzeugung aufgrund eigener Anamneserhebung und Untersuchung des Probanden zu bilden hat. Gerade bei Krankheitsbildern, die einer objektiven Befunderhebung nicht oder nur schwer zugänglich sind, ist der eigene persönliche Eindruck des Gutachters vom zu Begutachtenden für die Beurteilung der Frage, ob den subjektiv geschilderten Beschwerden tatsächlich auch entsprechende Krankheitsbilder zugrunde liegen, von besonderer Bedeutung. Allenfalls auf diesem Wege kann zuverlässig beurteilt werden, ob der zu Begutachtende die geschilderten Einschränkungen mit zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden in der Lage ist oder nicht. In diesem Punkt überzeugt das Gutachten von Dr. W. nicht, denn die für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens zentrale Schmerzanamnese sowie die Familien-, Berufs- und Sozialanamnese hat Dr. W. weitgehend der Psychologin Dr. D. überlassen. Vor diesem Hintergrund vermögen die Rückschlüsse, die Dr. W. aus den von der Klägerin gegenüber Dr. D. gemachten Angaben gezogen hat, letztlich nicht zu überzeugen. Im Übrigen hat der Sachverständige M. aus Sicht des Senats zu Recht darauf hingewiesen, dass Dr. D. den Alltagsaktivitäten der Klägerin zu wenig Beachtung geschenkt und deren Bedeutung für die Einschätzung des beruflichen Restleistungsvermögens letztlich verkannt hat. Insoweit hält der Senat die von Nervenarzt M. gezogene Schlussfolgerung, ein im Hinblick auf Freizeitaktivitäten und Haushaltsverpflichtungen nicht gravierend beeinträchtigter Tagesablauf lasse den Rückschluss auf ein weitgehend erhaltenes quantitatives Leistungsvermögen auch bei einer beruflichen Tätigkeit zu, für nachvollziehbar und überzeugend. Das Gleiche gilt für die Annahme des Sachverständigen M., die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin sei letztlich weniger auf gesundheitliche Gründe als auf eine Überforderung durch die Doppelbelastung einer Teilzeittätigkeit neben der alleinigen Zuständigkeit für Haus und Haushalt der fünfköpfigen Familie zurückzuführen. Letztlich vermag vor diesem Hintergrund auch der Senat nicht zu erkennen, welche Gründe gegen die Durchführung einer den qualitativen Einschränkungen der Klägerin Rechnung tragenden Tätigkeit sprechen sollten, wenn dies mit einer entsprechenden Entlastung der Klägerin bei ihren Aufgaben im Hinblick auf die Versorgung der Familie einherginge.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. In qualitativer Hinsicht können dieser, wie Nervenarzt M. in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2011 - auch insoweit überzeugend - ausgeführt hat, Tätigkeiten in häufiger vornüber geneigter Haltung, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in Kälte, Nässe oder Zugluft, Tätigkeiten mit sehr hohen emotionalen Belastungen und Schichtarbeit nicht mehr zugemutet werden. Es sollten nur leichte Tätigkeiten in wohl temperierten Räumen, die einen Wechsel der Körperhaltung zulassen abverlangt werden. Eine Beschränkung des Arbeitsweges besteht ebenso wenig wie ein Erfordernis betriebsunüblicher Pausen. Die vorliegenden Einschränkungen können damit zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestelltenberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe der Angestellten mit Vorgesetztenfunktion bzw. des spezifisch qualifizierten Angestellten, insbesondere des Akademikers, des Angestellten mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren (gelernter Angestellter), des Angestellten mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren (angelernter Angestellter) und des ungelernten Angestellten charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Angestellten nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Der Senat kann offen lassen, welcher Gruppe die Klägerin, deren Bezugsberuf derjenige einer leitenden Verwaltungsangestellten ist, ausgehend von dem dargestellten Schema zuzuordnen ist; denn die Klägerin ist unter Beachtung der oben dargestellten qualitativen Einschränken noch in der Lage, selbst eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als leitende Verwaltungsangestellte jedenfalls dann uneingeschränkt auszuüben, wenn die zu verrichtende Arbeit nicht mit einer besonders hohen emotionale Belastung oder erhöhtem Publikumsverkehr verbunden ist. Diesen Einschränkungen entsprechende Tätigkeiten sind in der öffentlichen Verwaltung vielfältig vorhanden. Die Klägerin ist deshalb im Ergebnis auch nicht berufsunfähig, ohne dass ihr eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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