L 13 AS 264/12 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 4872/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 264/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 11. Januar 2012 ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens S 2 AS 4872/10 war der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010, mit dem der Beklagte die Korrektur des den Zeitraum vom 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 betreffenden bestandskräftigen "Änderungsbescheid" vom 14. September 2007 abgelehnt hat. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 362,02 EUR für den Zeitraum vom 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007. Tatsächlich berücksichtigt wurde zunächst vom Beklagten nur die von ihm als angemessen erachtete monatliche Kaltmiete in Höhe von 229,95 EUR. Im gerichtlichen Vergleich vom 3. März 2010 (Datum des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts, angenommen durch den Beklagten unter dem 9. März 2010 und den Kläger unter dem 23. März 2010) hat sich der Beklagte dann zur Zahlung weiterer 38,29 EUR monatlich im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet. Streitgegenständlich sind somit für den Monat September 2007 und Oktober 2007 jetzt noch jeweils 93,78 EUR ([229,95 EUR + 38,29 EUR] - 362,02 EUR). Damit wird eine Beschwer von 750 EUR nicht überstiegen. Das SG hat die Berufung im Gerichtsbescheid auch nicht zugelassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten im Falle einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Gerichtsbescheids dasjenige Rechtsmittel einlegen, dass zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung - wie hier - nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Damit steht den Beteiligten im Falle, dass die Berufung nicht gegeben ist, ein Wahlrecht zwischen der Nichtzulassungsbeschwerde und dem Antrag auf mündliche Verhandlung offen (Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage 2012, § 105 RdNr. 16). Die Nichtzulassungsbeschwerde war demnach vorliegend statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 SGG).

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (Nr. 1) die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat oder (Nr. 2) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (Nr. 3) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Erwägungen zur Richtigkeit der Entscheidung des SG sind irrelevant (Lütke, Kommentar zum SGG, Dritte Auflage, § 145 RdNr. 5).

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor:

Der Rechtsache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder das für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer Ladewig, a.a.O., § 144 RdNr. 28). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache nicht auf. Die hier streitentscheidende Frage, ob ein gerichtlicher Vergleich ausdrücklich oder konkludent zugleich einen materiell-rechtlichen Verzicht enthalten kann, der auch in Ansehung des § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Bestand hat, hat das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1985 (11a RA 58/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 115 - Juris RdNr. 13) entschieden. Danach kann auch in einem gerichtlichen Vergleich ein materiell-recht¬licher Verzicht im Sinne des § 46 SGB I bezüglich vergangener wie auch künftiger Ansprüche wirksam erklärt werden (BSG a.a.O). Ob ein solcher Verzicht im konkreten Einzelfall vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (BSG a.a.O., Juris RdNr. 14) und bedarf auf den Einzelfall bezo¬ge¬nen Erwägungen und kann demnach keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Be¬deutung aufwerfen. Soweit das BSG in den vom Klägervertreter genannten Entscheidungen vom 25. November 1977 (2 RU 93/76) und vom 23. Juni 1983 (2 RU 2/82) eine Neufeststellung zugunsten des Klägers nicht allein deshalb für ausgeschlossen angesehen hat, weil der Streit über die Rechtmäßigkeit durch Prozessvergleich abgeschlossen worden war, so betreffen diese Entscheidungen grundsätzlich nur die Frage, inwieweit eine durch gerichtlichen Vergleich geschaffene neue materiell-rechtliche Rechtslage generell einer Überprüfung durch § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zugänglich ist. Dagegen verhalten sich die beiden genannten Entscheidungen nicht zu der Frage, inwieweit in einem gerichtlichen Vergleich zugleich auch ein wirksamer Verzicht im Sinne des § 46 Abs. 1 SGB I liegen kann. Diese Frage beantwortet der somit alleinig maßgebende 11a. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1985.

Auch eine Divergenz ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat das SG in Übereinstimmung mit der soeben dargestellten Rechtsprechung des BSG entschieden.

Schließlich ist auch ein Verfahrensfehler nicht dargetan, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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